Sehstörungen ▷ Schlaganfall-Folgen
In diesem Artikel:
- Welche Sehstörungen können bei einem Schlaganfall auftreten?
- Doppeltsehen
- Gesichtsfelddefekte
- Erblindung auf einem Auge
- Wie kann es durch einen Schlaganfall zu Sehstörungen kommen?
- Welcher Arzt kann helfen?
- Wie werden Sehstörungen behandelt?
- Tipps für den Umgang mit Sehstörungen
Durch einen Schlaganfall kommt es oft zu Einschränkungen des Sehens. Dem Berufsverband Orthoptik Deutschland e.V. zufolge können bei etwa 30 bis 40 Prozent der Patienten mit Hirnschädigungen, z.B. nach einem Hirninfarkt oder Hirnblutungen, verschiedene Sehstörungen auftreten.
Welche Sehstörungen können bei einem Schlaganfall auftreten?
Durch einen Schlaganfall kann es zur Entstehung unterschiedlicher Sehstörungen kommen:
- Doppeltsehen
- Einschränkungen des Gesichtsfeldes
- Erblindung auf einem Auge
Doppeltsehen
Das Sehen von Doppelbildern wird in der Medizin auch als Diplopie bezeichnet. Betroffene sehen Personen oder Gegenstände nebeneinander oder übereinander stehend überlappend. Sie greifen beispielsweise neben einen Gegenstand oder sehen verschwommen wie durch eine beschlagene Glasscheibe.
Doppeltsehen entsteht durch Lähmungen der Augenmuskeln und der dazugehörigen Hirnnerven. Die häufigste Ursache bei einem plötzlichen Beginn ist ein Schlaganfall im Hirnstamm, der Gehirnregion, in der die Steuerung der Augenbewegungen koordiniert wird. Seltener können auch Entzündungen der entsprechenden Nerven dahinterstecken.
Doppeltsehen kann allerdings auch bei Müdigkeit, Schielen der Augen oder hohem Alkoholkonsum auftreten und hat dann mit einem Schlaganfall nichts zu tun.
Gesichtsfelddefekte
Bei einer Einschränkung des Gesichtsfeldes übersieht der Betroffene Menschen oder Gegenstände auf einer Seite. Es besteht das Gefühl, als sitze auf einer Gesichtshälfte eine Scheuklappe. Es kann vorkommen, dass sich Betroffene anstoßen, weil sie den Türrahmen nicht mehr sehen. Sie haben unter Umständen plötzlich Schwierigkeiten, sich in gewohnter Umgebung zurechtzufinden. Das Lesen kann erschwert oder unmöglich sein, weil plötzlich Zeilen fehlen oder nur noch zur Hälfte gesehen werden.
Unter einer Hemianopsie ( = Halbseitenblindheit) versteht man den kompletten halbseitigen Ausfall des Gesichtsfeldes eines oder beider Augen. Es können aber auch Quadrantenanopsien vorkommen, bei denen jeweils ein Viertel des Sehfeldes ausgefallen ist und nicht mehr wahrgenommen wird.
Diese Störungen des Gesichtsfeldes werden durch eine Schädigung der Sehbahn verursacht, die sich im Gehirn vom Schläfenlappen bis in den Hinterhauptslappen erstreckt.
Erblindung auf einem Auge
Eine Erblindung liegt vor, wenn vom Auge keinerlei Licht mehr wahrgenommen werden kann; sie kann auf einem oder beiden Augen auftreten.
Bei einer sogenannten Amaurosis fugax (wörtlich: flüchtige Erblindung) wird ein Patient plötzlich und ohne begleitende Schmerzen auf einem Auge blind. Diese vorübergehende Blindheit kann der Vorbote eines Schlaganfalles sein und kann zusammen mit weiteren neurologischen Ausfallserscheinungen vorkommen.
Sie entsteht durch eine vorübergehende Durchblutungsstörung der Netzhaut. Oft liegt bei diesen Patienten begleitend eine Herzerkrankung, Bluthochdruck oder Übergewicht vor. Häufig ist eine hochgradige Verengung der gleichseitigen vorderen Halsschlagader die Ursache einer solchen Sehstörung.
Hinweis: Auch wenn die Sehstörung sich wieder komplett zurückbilden kann, liegt hier ein Notfall vor, der umgehend ärztlich abgeklärt werden muss.
Bleibt eine hochgradige Verengung der Halsschlagadern unentdeckt, so hat der Betroffene ein sehr hohes Risiko, dass sich in den Tagen oder Wochen nach einer solchen Sehstörung ein Hirninfarkt ereignet. Zudem kann es zu erneuten, bleibenden Durchblutungsstörungen der Netzhaut kommen, die eine dauerhafte Erblindung nach sich ziehen kann.
Wie kann es durch einen Schlaganfall zu Sehstörungen kommen?
Für ein fehlerfreies Sehen benötigt man gesunde Augen, um die Information von Gesehenem wahrzunehmen. Diese Information wird über die sogenannte Sehstrahlung vom Sehnerven über das Gehirngewebe weitergeleitet in den Hinterhauptslappen ( = Occipitallappen).
Dort wird das Gesehene verarbeitet und zugeordnet. Das Auge liefert also beispielsweise das Bild eines Stuhl, das Gehirn sortiert dann dazu die Information, dass es sich um ein Möbelstück handelt, auf das man sich setzen kann.
Welcher Arzt kann helfen?
Bei Sehstörungen, die plötzlich auftreten und länger anhalten, sollte immer professionelle Hilfe gesucht werden. Verschiedene Fachleute könnten bei Beschwerden, die das Auge betreffen, helfen, u.a.:
- Augenarzt: er kann Störungen und Erkrankungen des Auges erkennen und behandeln.
- Neurologe: wenn der Augenarzt keine krankhaften Veränderungen am Auge erkennt, die die Sehstörung erklären, wird oftmals an einen Neurologen verwiesen. Dieser muss klären, ob es sich um eine Sehstörung handelt, die durch eine Schädigung des Gehirns bedingt ist.
- Orthoptisten: sie sind für die Untersuchung und Behandlung der Störungen des monokularen (=einäugigen) sowie binokulären (=beidäugigem) Sehens zuständig und spezialisiert auf Schielerkrankungen bei Kindern und neurologisch bedingte Augenerkrankungen.
- Augenoptiker: sie können die Sehkraft bestimmen und sind für eine Sehhilfenanpassung verantwortlich.
Wie werden Sehstörungen behandelt?
Die Behandlung von Sehstörungen hängt sehr davon ab, welche Art der Sehstörung vorliegt.
Doppeltsehen
Beim Doppeltsehen können Korrekturen durch eine spezielle Prismenbrille oder das Aufkleben von Prismenfolien erfolgen, die durch einen Augenarzt oder Orthoptisten angepasst werden.
Ist das nicht ausreichend, kann das Abdecken des Auges mit einem Augenpflaster oder einer Mattfolie auf dem Brillenglas versucht werden. Ferner kann spezielles Augenbewegungstraining helfen oder ein „Fusionstraining“, bei dem eine Stabilität der beidäugigen Zusammenarbeit geübt wird. Diese Therapien werden oft von Orthoptisten angeboten.
Gesichtsfelddefekt
Für Gesichtsfelddefekte gibt es unterschiedliche Rehabilitations- und Trainingsverfahren.2
Beim Restitutionstraining werden im Rahmen eines Computerprogrammes Licht-, Farb- und Formreize gesetzt. Der Bereich zwischen dem intakten und ausgefallenen Gesichtsfeld wird stimuliert, um eine möglichst große Wiederherstellung des Gesichtsfeldes zu erreichen.
Im Kompensationstraining werden schnelle und ständige Augenbewegungen (sogenannte Sakkaden) des Patienten geübt, damit er lernt, seinen Gesichtsfeldausfall auszugleichen.
Durch das Explorationstraining soll das Suchfeld des Patienten vergrößert werden. Beispiel: Der Patient bekommt ein Blatt, auf dem verschiedenen Zahlen geschrieben stehen. Er wird dazu aufgefordert, bestimmte Zahlen auf diesem Blatt zu suchen. Hierbei ist es wichtig, dass der Betroffene zunächst diese Zahlen mit gerade gehaltenem Kopf nur mit den Augen sucht. Durch diese Suchbewegungen mit den Augen lernt der Patient, sich in bestimmten Situationen einen Überblick zu verschaffen. Im Alltag werden später auch Kopfbewegungen eingesetzt.
Tipps für den Umgang mit Sehstörungen1
- Suchen Sie schnellstmöglich einen Arzt auf, wenn die Sehstörungen plötzlich auftreten.
- Doppelbilder: das Abdecken eines Auges mit einer Augenklappe erleichtert z.B. das Lesen oder Tätigkeiten im Nahbereich
- Gesichtsfelddefekt: Beim Lesen können Sie Lineale und elektronische Markierungen (Computer, E-Reader) benutzen, um die Position entlang einer Textzeile nicht zu verlieren. Achten Sie auf Ordnung, um immer den Überblick zu behalten. Reduzieren Sie die Anzahl von Gegenständen, an denen Sie sich bei Ihrem Weg durch die Wohnung verletzen könnten.
- Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen und Freunden über ihre Sehprobleme. Nur so können Sie gemeinsam herausfinden, welche Unterstützung nützlich sein könnte.
Sie haben eine Frage zu Sehstörungen oder zum Schlaganfall? Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen und Angehörigen in unserem Forum aus.
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autorin
unter Mitarbeit von stud. med. Sedef Kuecuekuncular
Dr. med. Christina Rückert ist Fachärztin für Neurologie und Geriatrie und arbeitete mehr als 10 Jahre als Oberärztin an der Oberschwabenklinik in Ravensburg. Ihre berufliche Tätigkeit beinhaltete auch die stellvertretende ärztliche Leitung der Zentralen Notaufnahme. Seit Juli 2021 ist sie gemeinsam mit ihrem Mann – ebenfalls Facharzt für Neurologie – in eigener Praxis in Rothenburg ob der Tauber niedergelassen. Ein Schwerpunkt ihrer ambulanten Tätigkeit ist die Nachsorge von Patienten nach einem Schlaganfall. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- Wann ist eine visuelle orthoptische Rehabilitation erforderlich? – Berufsverband Orthoptik Deutschland e.v. – URL: https://www.orthoptik.de/infos-fuer-patienten/patientenratgeber/visuelle-rehabilitation/
- American Stroke Association: Visual Disturbances – URL: https://www.stroke.org/en/about-stroke/effects-of-stroke/physical-effects-of-stroke/physical-impact/visual-disturbances
- Halbseitenblindheit (Hemianopsie) – URL: https://www.apotheken.de/medikamente/lexikon/h0016-halbseitenblindheit-hemianopsie
- Schwindel: Gestörter Gleichgewichtssinn – Neurolgen und Psychiater im Netz – URL: https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/neurologie/erkrankungen/schwindel/gestoerter-gleichgewichtssinn/
- Vision loss after stroke fact sheet – Stroke Foundation – URL: https://strokefoundation.org.au/What-we-do/For survivors and carers/stroke-resources-and-fact-sheets/Vision-loss-after-stroke-fact-sheet
- Visual problems after stroke – Stroke Association
- Gesichtsfeldausfälle – URL: https://www.ratgeber-neuropsychologie.de/gesichtsfeld/gesichtsfeld.pdf
- Perceptual Relearning of Binocular Fusion and Stereoacuity After Brain Injury – Autoren: Anna-Katharina Schaadt, Lena Schmidt, Stefan Reinhart, Michaela Adams, Ruta Garbacenkaite, Eva Leonhardt, Caroline Kuhn, Georg Kerkhoff – Publikation:
Neurorehabilitation and Neural Repair Volume: 28 issue: 5, page(s): 462-471 – DOI: 10.1177/1545968313516870