Kopfschmerzen nach einem Schlaganfall ▷ Muss ich mir Sorgen machen?
In diesem Artikel:
- Wie häufig sind Kopfschmerzen nach einem Schlaganfall?
- Wie lange dauern die Kopfschmerzen an?
- Was sind Warnsignale eines erneuten Schlaganfalls?
- Welcher Arzt ist Ansprechpartner?
- Wie werden Kopfschmerzen nach einem Schlaganfall behandelt?
- Was kann der Patient selbst tun?
- Tipps gegen Kopfschmerzen
Was ist ein Schlaganfall?
Ein Schlaganfall ist eine plötzlich auftretende Durchblutungsstörung des Gehirns, bedingt durch Blutmangel und damit Unterversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen oder durch eine Blutung. Hierdurch kann es zu vielfältigen körperlichen, seelischen und geistigen Beeinträchtigungen kommen, auch zu Kopfschmerzen.
Video: Was ist ein Schlaganfall?
Wie häufig sind Kopfschmerzen nach einem Schlaganfall?
Eine 2020 veröffentlichte Metaanalyse (Zusammenfassung mehrerer Studien zu einer Fragestellung)1 kommt zu dem Ergebnis, dass durchschnittlich 14 Prozent aller Patienten nach einem Schlaganfall unter Kopfschmerzen leiden.
In einer Studie der Deutschen Migräne- und Schmerzgesellschaft2 wurden 808 Patienten (368 Frauen, 440 Männer) im Alter zwischen 53 und 81 Jahren zum Auftreten von Kopfschmerzen in den ersten drei Tagen befragt, erneut nach 3 und 6 Monaten. 69 Prozent dieser Patienten hatten einen Hirninfarkt, 25 Prozent eine TIA (transitorisch ischämische Attacke, d.h. in 24 Stunden zurückgebildete neurologische Symptome) und 5 Prozent eine Hirnblutung.
39 Prozent der Patienten gaben an, bereits an den ersten drei Tagen nach ihrem Schlaganfall unter Kopfschmerzen zu leiden. Frauen und Patienten unter 60 Jahren waren dabei häufiger betroffen. Häufiger sind Kopfschmerzen auch bei Durchblutungsstörungen im hinteren Hirnkreislauf, der überwiegend den Hirnstamm und das Kleinhirn mit Blut versorgt.
Nach 3 Monaten berichteten noch 34 Prozent, nach 6 Monaten noch 31 Prozent der Patienten über Kopfschmerzen ohne Unterschied zwischen den Geschlechtern.
Insgesamt kommen Kopfschmerzen nach einem Schlaganfall häufiger vor, als in früheren Studien berichtet und erfordern mehr Aufmerksamkeit und Verständnis hinsichtlich der Therapie.
Welche Art von Kopfschmerzen haben die Betroffenen und wie lange halten sie an?
Die meisten Betroffenen (50 – 80%) berichten von Spannungskopfschmerzen, medizinisch als “Kopfschmerz vom Spannungstyp” bezeichnet, der die häufigste Kopfschmerzart überhaupt ist. Er tritt episodisch über Stunden oder wenige Tage auf, seltener auch chronisch.
Charakteristisch sind dumpf-drückende, nicht pulsierende Schmerzen leichter bis mittelschwerer Intensität im vorderen Schädelbereich ohne Übelkeit oder Erbrechen, auch ohne Licht- oder Lärmscheu und ohne Verstärkung durch körperliche Aktivität.
Selten kommen einseitige, migräneartig pulsierende Kopfschmerzen mit Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Lärmscheu vor.
60 – 70 Prozent der Patienten berichten, dass die Kopfschmerzen bereits nach wenigen Tagen, Wochen oder Monaten verschwinden. Nur selten werden sie dauerhaft zu einem lästigen Begleiter. Bei den Faktoren, die zur Chronifizierung der Kopfschmerzen nach einem Schlaganfall führen können, handelt es sich meist um:
- bereits vor dem Schlaganfall bestehende Kopfschmerzerkrankungen
- Alkoholmissbrauch
- Depressive Verstimmungen
Was sind Warnsignale eines erneuten Schlaganfalls?
Es ist nachvollziehbar, dass Patienten, die nach einem Schlaganfall an ungewohnten Kopfschmerzen leiden, einen erneuten Schlaganfall befürchten.
Wann also sind Kopfschmerzen ein Warnsignal für einen erneuten Schlaganfall?
Wenn schwere oder schwerste Kopfschmerzen mit Bewusstseinsstörung oder erneut neurologische Symptome auftreten, wie u.a.:
- Seh-, Sprach- oder Sprechstörungen
- meist einseitiges Taubheitsgefühl im Gesicht oder an den Gliedmaßen
- Lähmungserscheinungen, meist einseitig im Gesicht (herabhängender Mundwinkel) oder an den Gliedmaßen
- Gleichgewichtsstörungen
Ein orientierender Test für die Betroffenen und ihr Umfeld ist der sog. FAST-Test:
- F steht für Face (Gesicht): Die betroffene Person wird gebeten, zu lächeln. Wenn sich das Gesicht einseitig verzieht und ein Mundwinkel hängt, weist dies auf eine Halbseitenlähmung hin.
- A steht für Arms (Arme): Der Betroffene soll beide Arme nach vorne bis auf Schulterhöhe anheben und die Handflächen nach oben drehen. Bei Absinken eines Armes oder starkem Einwärtsdrehen einer Hand deutet dies auf eine Lähmung (Parese) dieser Seite hin.
- S steht für Speech (Sprache): Der Patient wird aufgefordert, einen einfachen Satz nachzusprechen. Wenn das nicht gelingt oder die Sprache verwaschen klingt, weist dies auf eine Sprach- oder Sprechstörung hin.
- T steht für Time (Zeit): Hier geht es um das Prinzip “Zeit ist Hirn”. Also unverzüglich den Notarzt unter der Tel.-Nr. 112 zu rufen.
Video: Was ist ein FAST-Test und wie führe ich ihn durch?
Welcher Arzt ist Ansprechpartner?
Wenn kein Notfall vorliegt, ist die erste Anlaufstelle entweder der Hausarzt oder der Facharzt für Neurologie, der auch besondere Erfahrungen in der Schmerztherapie besitzt, speziell in der Behandlung von Kopfschmerzen.
Wie werden Kopfschmerzen nach einem Schlaganfall behandelt?
Prinzipiell sollten Kopfschmerzen nach gründlicher Befragung (Anamnese) durch einen Arzt immer nach dessen Empfehlungen behandelt werden.
Das betrifft insbesondere eine medikamentöse Therapie, da es auch bei rezeptfrei erhältlichen Medikamenten zu Nebenwirkungen (u.a. Magenunverträglichkeit, allergische Reaktionen) kommen kann.
Bei chronischen Kopfschmerzen ist es sinnvoll, Faktoren oder Lebensumstände zu identifizieren, welche für dauerhafte Kopfschmerzen verantwortlich sein könnten. Bei Alkoholmissbrauch zum Beispiel kann eine Psychotherapie zur Entwöhnung beitragen. Auch bei Depressionen ist psychotherapeutische Hilfe häufig sinnvoll und hilfreich.
Was kann der Patient selbst gegen seine Kopfschmerzen tun?
Zur Linderung der Schmerzen kann auch der Patient beitragen, indem er z.B. die Stirn- und Schläfenregion mit ätherischen Ölen einreibt, die eine schmerzlindernde Wirkung bei Spannungskopfschmerzen haben.
Bei chronischen Schmerzen sind die Chronifizierungsfaktoren entscheidend. Diese sollten mit ärztlicher Hilfe erkannt und, wenn möglich, beseitigt werden.
Auch kann psychotherapeutische Hilfe zur Bewältigung der Kopfschmerzen eine wesentliche Unterstützung sein, wenn die Schmerzen seelisch zu sehr belasten und es dadurch zu einer depressiven Verstimmung kommt.
Das Erlernen der “progressiven Muskelentspannung” oder das “Autogene Training” kann bei Kopfschmerzen Linderung bewirken.
Eine andere Möglichkeit ist das Training der Halswirbelsäulen- und Nackenmuskulatur nach physiotherapeutischer Anleitung. Auch Massagen und Entspannungsübungen können insbesondere bei chronischen Kopfschmerzen eine positive Wirkung erzielen.
Generelle Tipps gegen Kopfschmerzen
Einige andere Möglichkeiten, die gegen Kopfschmerzen helfen können, sind:
- Bewegung
- viel Trinken
- frische Luft
- Stress vermeiden
- kalte Kompressen / nassen Waschlappen auf die Stirn legen
Viele Betroffene fragen sich auch, ob Kopfschmerzen Nebenwirkung von Medikamenten sein können. Die Antwort lautet: Ja!
Ein übermäßiger Konsum von Schmerzmitteln kann, wie mehrere Studien belegen, selbst chronische Kopfschmerzen provozieren. Man spricht dann von einem “medikamentös induzierten Kopfschmerz”3, der ärztlich festgestellt und behandelt werden sollte.
Fazit
Abschließend kommen wir auf die Ausgangsfrage zurück: Muss man sich bei Kopfschmerzen nach einem Schlaganfall Sorgen machen?
Bei ungewohnt schweren oder schwersten Kopfschmerzen sollte unverzüglich der Notarzt (112) gerufen werden. Dies gilt insbesondere für Symptome wie plötzlich auftretende Sprachstörungen, Schwindel, Lähmungen oder Gefühlsstörungen, die den Verdacht auf einen Schlaganfall nahelegen.
Ausdrücklich ist der Notarztruf auch dann richtig, wenn sich eine derartige Störung nach kurzer Zeit zurückbildet. Es könnte sich um eine “transitorisch ischämische Attacke (TIA)” als Vorbote eines Schlaganfalls handeln.
Bei chronischen Kopfschmerzen nach einem Schlaganfall sollte die Beratung und Therapieempfehlung durch einen Arzt erfolgen.
Sie haben eine Frage zu den Kopfschmerzen nach einem Schlaganfall? Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen und Angehörigen in unserem Forum aus.
- Risikofaktoren für einen Schlaganfall
- Studie zu Kopfschmerzen nach einem Schlaganfall
- Symptome eines Schlaganfalls
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autoren
unter Mitarbeit von stud. med. Sedef Kuecuekuncular
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- Headache after ischemic stroke: A systematic review and meta-analysis – Autoren: Andrea M Harriott, Fahri Karakaya, Cenk Ayata – Publikation: Neurology. 2020 Jan 7;94(1):e75-e86. DOI: 10.1212/WNL.0000000000008591 – PMID: 31694924
- https://www.researchgate.net/net/publication/330619953_Headache_and_Stroke
- Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln (Medication Overuse Headache = MOH) – Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) – Federführung: Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, PD Dr. Charly Gaul, Prof. Dr. Peter Kropp – AWMF-Registernummer: 030/131 – URL: https://www.dgn.org/leitlinien/3629-ll-030-131-kopfschmerz-bei-uebergebrauch-von-schmerz-oder-migraenemitteln-2018