In diesem Artikel:
- sichtbare Folgen
- nicht sichtbare Folgen
- Halbseitenlähmung (Hemiparese)
- Schluckstörung (Dysphagie)
- Halbseitige Vernachlässigung (Neglect)
- Sprach- und Sprechstörungen
- Sehstörungen
- Sensibilitätsstörungen
- Inkontinenz
- Epilepsie
- Psychische Folgen
In Deutschland ereignen sich jährlich etwa 270.000 Schlaganfälle. In den ersten 4 Wochen nach einem Schlaganfall versterben ca. 20 Prozent der Patienten. Etwa die Hälfte der überlebenden Patienten sind schwerbehindert und dauerhaft auf Pflege und Unterstützung angewiesen.3
Ca. 1,3 Millionen Menschen leiden an den Folgen dieser Erkrankung. Nach den Herzerkrankungen und Krebserkrankungen liegt der Schlaganfall auf Platz 3 der Todesursachen.4
Die Folgen eines Schlaganfalls sind Beeinträchtigungen, deren Schwere davon abhängt, wie sehr das Gehirn durch den Schlaganfall geschädigt wurde und in welcher Hirnregion sich der Schlaganfall ereignet hat. Das Ausmaß der Beeinträchtigungen kann also unterschiedlich sein, von stark bis schwach und von sichtbar bis nicht sichtbar.
Mögliche Folgen in Abhängigkeit von der Schwere des Schlaganfalls
Sichtbare Folgen
- Halbseitige Gesichtslähmung mit Problemen bei der Nahrungsaufnahme
- Lähmung einer gesamten Körperhälfte
- Schluckstörungen
- Sprach- und Sprechstörungen
- Kontrollverlust über Stuhlgang und Blasenentleerung
Nicht sichtbare Folgen
- Erblindung auf einem oder beiden Augen, Gesichtsfeldeinschränkungen, Doppeltsehen
- Vernachlässigung einer Körperhälfte (Neglect)
- Aufmerksamkeitsstörungen
- Störungen des Sprachverständnisses
- Gefühlsstörungen
- Gedächtnisverlust, vor allem das Kurzzeitgedächtnis betreffend
- Psychische Folgen: Depression, Angstzustände
Halbseitenlähmung (Hemiparese)
Eine Hemiparese betrifft für gewöhnlich Gesicht, Arm und Bein derselben Körperseite. Dabei können das Ausmaß der Lähmung und die Verteilung sehr unterschiedlich sein. Manche Patienten haben Probleme mit der Feinmotorik, das heißt das Fingerspitzengefühl und kleine feine Bewegungen sind nicht mehr möglich. Andere können sich kaum selbstständig aufrichten und brauchen nahezu bei allen alltäglichen Situationen und Vorgängen Unterstützung.
Wenn eine gesteigerte Muskelspannung vorhanden ist, die sich auch durch oftmals schmerzhafte Verkrampfungen bemerkbar machen kann, spricht man von einer Spastik bzw. einer spastischen Hemiparese.
Welche Symptome und in welcher Schwere diese auftreten, ist jedoch davon abhängig, welche Hirngebiete geschädigt wurden, da unterschiedliche Hirnregionen verschiedene Funktionen erfüllen.
▷︎ Detaillierte Informationen zur Hemiparese
Schluckstörung (Dysphagie)
Durch eine halbseitige Lähmung der Gesichtsmuskulatur kann der Mund nicht mehr vollständig geschlossen werden. Damit können sowohl Speichel als auch Speisereste oder Flüssigkeiten aus dem Mund fallen. Zugleich fällt die Zerkleinerung der Nahrung schwer.
Bei einer Dysphagie kann durch einen gestörten Schluckvorgang die Nahrung oder Flüssigkeit aus der Mundhöhle nicht mehr richtig zum Magen transportiert werden. Die Folge ist, dass es zum „Verschlucken“ kommen kann. Bei gut erhaltenen Schutzreflexen wird dann vermehrt gehustet oder gewürgt, um die Nahrung wieder in die Mundhöhle zu befördern, bei gestörten Reflexen kann die Nahrung ungehindert in die Lunge gelangen. Teilweise kann es beim Versuch zu schlucken auch zu einem Austritt von Nahrung oder Flüssigkeit durch die Nase kommen. Im Extremfall kann das Schlucken überhaupt nicht mehr möglich sein, Betroffene können dann nicht mal mehr ihren eigenen Speichel schlucken, sondern müssen ihn ständig ausspucken.
Gerät durch einen gestörten Schluckakt Nahrungsbrei oder Flüssigkeit über die Luftröhre in die Lunge statt über die Speiseröhre in den Magen, so kann sich eine Lungenentzündung ausbilden (Aspirationspneumonie). Diese kann so schwerwiegend verlaufen, dass Betroffene daran versterben. Begünstigt wird eine Lungenentzündung in diesen Fällen dadurch, dass oftmals nicht nur das Schlucken gestört ist, sondern auch der Hustenreflex, der ein „Verschlucken“ verhindern soll.
Ca. 80 Prozent aller Schlaganfallpatienten leiden in den ersten Wochen nach dem Ereignis an einer unterschiedlich schwer ausgeprägten Schluckstörung.
▷︎ Detaillierte Informationen zu Schluckstörungen
Halbseitige Vernachlässigung (Neglect)
Hierbei handelt es sich um eine Aufmerksamkeitsstörung. Es wird nur noch eine Raum- und Körperhälfte wahrgenommen, nämlich die „gesunde“ Seite, die gelähmte Seite wird vernachlässigt oder als nicht mehr zu sich gehörend empfunden. Oftmals fehlt den Betroffenen in dieser Situation das Bewusstsein für diese Störung und sie bemerken sie selbst gar nicht. Je nach Ausmaß der Störung können die Folgen für den Alltag eines Betroffenen sehr unterschiedlich sein.
Beispielsweise wird bei der Körperpflege die betroffene Seite nicht mit einbezogen (rasieren, eincremen), das Essen auf dem Teller bleibt auf der vernachlässigten Seite liegen und der Teller wird nur genau zur Hälfte leer gegessen. Beim Lesen können Schwierigkeiten auftreten, weil die Betroffenen den Anfang der Zeilen nicht finden. Im Gespräch mit einem Neglect-Patienten wird man oft nicht angeschaut oder der Patient dreht den Kopf suchend in die andere („gesunde“) Richtung, wenn man auf der Seite der Vernachlässigung steht.
▷︎ Detaillierte Informationen zum Neglect
Sprach- und Sprechstörungen
Bei Sprachstörungen (Aphasie) sind zumeist alle sprachlichen Leistungen in unterschiedlich starkem Ausmaß betroffen, also das Sprechen, das Verstehen von Sprache und Gesprochenem, das Lesen und das Schreiben. Häufig treten Aphasien zusammen mit weiteren Kommunikationsstörungen auf. So kann beispielsweise eine Sprachplanungsstörung (Apraxie) auftreten mit Fehlern bei der Aussprache, dies kann durch eine verlängerte Vokaldauer oder verlangsamtes, betontes Sprechen bemerkbar werden.
Bei Sprechstörungen liegt eine Störung von Artikulation, Lautbildung, Tonlage, Sprechrhythmus, Sprechlautstärke oder Sprechatmung vor. Die sprachlichen Leistungen (Verstehen, Wortfindung, Satzbildung Schreiben, Lesen) sind vollständig unbeeinträchtigt. Wenn es Betroffenen dabei schwerfällt, flüssig zu sprechen, dann liegt dies an einer Störung des „Sprechwerkzeugs“ (Lähmungen oder Koordinationsstörungen von Zungen-, Rachen-, Schlund- oder Gesichtsmuskulatur) und nicht an Störungen des Sprachzentrums.
Jeder dritte Schlaganfall-Patient erleidet eine mehr oder weniger schwer ausgeprägte Aphasie, davon bleibt bei bis zu zwei Dritteln die Sprache dauerhaft gestört.
▷︎ Detaillierte Informationen zur Aphasie
Sehstörungen
Auch hier sind die Schwere und Art der Sehstörung davon abhängig, wo im Gehirn sich der Schlaganfall ereignet hat. Es kann zur Erblindung eines Auges oder zu sogenannten Gesichtsfelddefekten kommen. Dabei kann der Patient Teile seines Gesichtsfeldes, z.B. die rechte oder linke Hälfte seiner Umgebung, nicht mehr wahrnehmen.
Es kann aber auch zu Doppeltsehen kommen, wobei die gesehenen Bilder plötzlich nebeneinander, übereinander oder schräg versetzt wahrgenommen werden. In dem Moment, in dem der Patient sich ein Auge zuhält oder ein Auge zukneift, kann er wieder einfach sehen.
▷︎ Detaillierte Informationen zu Sehstörungen
Sensibilitätsstörungen
Ähnlich wie bei einer Lähmung, also motorischen Störung, kann bei einer Sensibilitätsstörung, also Störung des Empfindens, das Ausmaß und die Verteilung sehr unterschiedlich sein. Sensibilitätsstörungen im Rahmen eines Schlaganfalles treten jedoch auch immer auf derselben Körperhälfte auf.
Es kann vorkommen, dass insbesondere das Gesicht und/oder der Arm, weniger der Rumpf und das Bein betroffen sind. Bei einer Sensibilitätsstörung können unterschiedliche Qualitäten einzeln oder in Kombination betroffen sein: Berührungsempfinden, Temperaturempfinden (warm/kalt), Wahrnehmen von spitzen, stumpfen oder vibrierenden Gegenständen sowie die Wahrnehmung der Position von Arm, Hand, Fingern, Bein, Fuß und Zehen im Raum. Das Berührungsempfinden kann reduziert oder gesteigert sein, „normale“ Berührungen können unter Umständen als schmerzhaft empfunden werden.
Inkontinenz
Schätzungsweise die Hälfte aller Schlaganfallpatienten leidet zumindest direkt nach dem Ereignis unter einer Harninkontinenz. Hierzu zählen der unwillkürliche Abgang von Urin, ein starker Drang zum Wasserlassen sowie ein ungewöhnlich häufiges Wasserlassen in sehr kleinen Portionen, der Abgang von Urin beim Lachen oder Niesen oder die fehlende Wahrnehmung, dass die Blase gefüllt ist und ein Toilettengang nötig wäre.
Inkontinenz ist ein Symptom, dass die Betroffenen oft sehr beschämt und dass das Selbstwertgefühl stört. Oftmals entsteht dadurch großer psychischer Stress. Auch die Kontrolle über Stuhlgang und Darmfunktionen kann gestört sein.
Ca. 50 Prozent aller Patienten haben 3 Monate nach einem Schlaganfall noch Symptome einer Urininkontinenz, nach 6 Monaten sind dies noch zwischen 20 und 30%.1
Epilepsie
Ca. 5 Prozent aller Patienten nach einem Hirninfarkt und ca. 8 Prozent aller Menschen nach einer Hirnblutung erleiden in der Folge einen epileptischen Anfall.2 Am häufigsten treten diese Anfälle in den ersten 7 Tagen nach dem Schlaganfall-Ereignis auf. Das Risiko, innerhalb von 10 Jahren nach einem Schlaganfall einen epileptischen Anfall zu erleiden, liegt bei ca. 30 Prozent. Ein erstmaliger Anfall kann auch Jahre nach dem Schlaganfall auftreten.
Im Bereich einer Hirnschädigung kann es plötzlich zu abnormen elektrischen Entladungen von Nervenzellen kommen, die Verständigung der Nervenzellen untereinander kann nicht mehr funktionieren und es kommt zu fehlerhaften oder überschießenden Reizen, die sich in einem epileptischen Anfall äußern.
▷︎ Detaillierte Informationen zur Epilepsie
Psychische Folgen
Am häufigsten zeigen sich nach einem Schlaganfall Persönlichkeits- und Verhaltensänderung, unter denen sowohl die Betroffenen als auch die Angehörigen leiden. Hierzu gehören Stimmungsschwankungen bis hin zur Depression, Minderungen von Belastbarkeit und Antrieb, jedoch auch Steigerung des Antriebs mit Unruhe, aufbrausendem Verhalten und Aggressivität.
Nicht selten bestehen Wahrnehmungsstörungen, bei denen die eigenen Krankheitsfolgen nicht erkannt werden können, der Betroffene nicht einsichtig sein kann und Hilfe und Unterstützung nicht akzeptieren kann. Dahinter stecken nicht Faulheit oder eine böse Absicht, sondern es handelt sich dabei um durch den Schlaganfall verursachte Krankheitssymptome.
Im Rahmen der Krankheitsverarbeitung kann es zu Ängsten, dem Gefühl von Mut- und Hoffnungslosigkeit, vermehrter Erschöpfung, Depression und Stimmungsschwankungen können. Auch Schuld- und Schamgefühle können eine Rolle spielen.
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Autorin
unter Mitarbeit von stud. med. Nina Siegmar
Dr. med. Christina Rückert ist Fachärztin für Neurologie und Geriatrie und arbeitete mehr als 10 Jahre als Oberärztin an der Oberschwabenklinik in Ravensburg. Ihre berufliche Tätigkeit beinhaltete auch die stellvertretende ärztliche Leitung der Zentralen Notaufnahme. Seit Juli 2021 ist sie gemeinsam mit ihrem Mann – ebenfalls Facharzt für Neurologie – in eigener Praxis in Rothenburg ob der Tauber niedergelassen. Ein Schwerpunkt ihrer ambulanten Tätigkeit ist die Nachsorge von Patienten nach einem Schlaganfall. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- Maßnahmen zur Behandlung Erwachsener mit Harninkontinenz nach Schlaganfall – Autoren: Thomas LH, Coupe J, Cross LD, Tan AL, Watkins CL. – Publikation: Cochrane Library. 1. Februar 2019. DOI: 10.1002/14651858.CD004462.pub4
- Altersepilepsie – Übersichtsarbeit – Autor: Werhahn, Konrad J. – Publikation: Dtsch Arztebl Int 2009; 106(9): 135-42; DOI: 10.3238/arztebl.2009.0135
- Die Schlaganfallzahlen bis zum Jahr 2050: Unschärfe in der Projizierbarkeit – Autor: Hermann, Dirk M. – Publikation: Dtsch Arztebl 2008; 105(48): 844 – DOI: 10.3238/arztebl.2008.0844a
- The burden of stroke in Europe, the challenge for policy makers. Stroke Alliance for Europe (SAFE). 2017.