Hemianopsie (Halbseitenblindheit) ▷ Symptome, Formen, Behandlung
Die Hemianopsie (Halbseitenblindheit) gehört zu den Sehstörungen und beschreibt den Ausfall einer Hälfte des Gesichtsfeldes (Foto: ozrimoz | Shutterstock)
In diesem Artikel:
- Was ist eine Hemianopsie?
- Wieso wird die Gesichtsfeldeinschränkung nicht immer bemerkt?
- Ein Beispiel aus dem Klinikalltag
- Die Sehbahn kurz erklärt
- Welche Formen der Hemianopsie gibt es?
- Die Ursachen und Symptome
- Was bedeutet das für Betroffene?
- Diagnose
- Behandlung
- Prognose und Tipps
Was ist eine Hemianopsie?
Die Hemianopsie (Halbseitenblindheit) gehört zu den Sehstörungen und beschreibt den Ausfall einer Hälfte des Gesichtsfeldes.
Das Gesichtsfeld ist der Ausschnitt des Raumes, den wir bei gerade gehaltenem Kopf wahrnehmen und der auf unserer Netzhaut abgebildet und anschließend zum Großhirn weitergeleitet wird. Ein normales Gesichtsfeld reicht ungefähr 90° schläfenwärts, 60° nasenwärts, 60° nach oben und 70° nach unten.
So kann es also dazu kommen, dass Personen mit Hemianopsie Gegenstände oder Bewegungen, die sie zuvor sehen konnten, da sie sich im normalen Gesichtsfeld befanden, plötzlich “übersehen”. Anstelle des ausgefallenen Bereichs ist jedoch keine schwarze Wand zu sehen, vielmehr ist es einfach ein Fehlen der bestimmten Informationen.
Ursächlich ist dabei nicht eine Schädigung der Augen, sondern der Sehbahn im Gehirn, die vom Auge bis zur Sehrinde im hinteren Teil des Großhirns reicht. Die Augen und die Sehschärfe sind in der Regel intakt.
Bei Sehbahn-Schädigungen durch einen Schlaganfall ist ein Ausfall des Gesichtsfeldes vor beiden Augen und auf derselben Seite charakteristisch. Betroffene, die ihrem Gegenüber auf die Nase schauen, können nur noch eine Hälfte des Gesichts sehen. Es kann jedoch auch nur ein Viertel (Quadrant) oder nur ein kleiner Teil des Gesichtsfeldes fehlen.
Wieso wird die Gesichtsfeldeinschränkung nicht immer bemerkt?
Der blinde Fleck ist jene Stelle am Augenhintergrund, an dem der Sehnerv den Augapfel verlässt. Dort befinden sich keine Rezeptoren, die Lichtreize aufnehmen können. Deshalb hat jeder Mensch an dieser Stelle einen physiologischen Gesichtsfelddefekt.
Da die blinden Flecke beider Augen symmetrisch (circa 12° temporal und 1,5° unterhalb der Gesichtsfeld-Mitte) liegen, kann ein Reiz, der in einem Auge zufälligerweise auf den blinden Fleck trifft, im anderen Auge nicht gleichzeitig auch darauf treffen. Dies bedingt, dass die bildverarbeitenden Regionen im Gehirn die fehlenden Informationen eines Auges durch die Wahrnehmung des anderen Auges ergänzen. Der blinde Fleck ist also da, wird aber normalerweise nicht bemerkt, sogar wenn wir ein Auge abdecken, da das Gehirn für uns das Bild ergänzt.
So ist es auch bei der homonymen Hemianopsie. Dabei kommt es bei beiden Augen zu einem Gesichtsfeldausfall auf den gleichen Gesichtsfeldhälften (also bei beiden Augen auf der rechten oder linken Hälfte). Ein plötzlich aufgetretener Gesichtsfelddefekt wird von den Betroffenen oft nicht als “Blindheit” wahrgenommen und gar nicht bemerkt. Erst durch die damit verbundenen Folgen wie Unfälle, Leseschwierigkeiten oder Anstoßen an Gegenständen, werden die Sehstörungen wahrgenommen.
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Die Betroffenen berichten im Krankenhaus nicht darüber, da sie es nicht bemerken, weshalb die Gesichtsfelduntersuchung einen wichtigen Teil der neurologischen Untersuchung darstellt und bei jedem Patienten durchgeführt werden sollte. Es kann also vorkommen, dass Patienten nach einem Schlaganfall plötzlich unter einer kompletten homonymen Hemianopsie leiden, die erst bemerkt wird, wenn es bereits zu Verletzungen oder Unfällen gekommen ist.
Menschen mit Migräne leiden häufig nicht “nur” unter starken Kopfschmerzen. Oftmals geht eine Migräneattacke mit einer sogenannten Aura einher. Diese ist eine reversible neurologische Störung, die die Migräne für einige Minuten begleitet. Die Aura kann individuell sehr unterschiedlich sein. Häufig treten Gesichtsfeldausfälle, Flimmern, Wahrnehmung von Lichtblitzen, Mustern, Zickzack-Bewegungen, Taubheitsgefühle oder Sprachstörungen auf.
Die genaue Ursache und der Entstehungsweg der Migräne ist nicht vollständig geklärt, jedoch können Durchblutungsstörungen im Bereich der Sehrinde dafür verantwortlich sein. Es kommt also zu vorübergehenden Sehstörungen, die nach der Migräneattacke wieder verschwinden und keine Störung des Auges oder der Reizaufnahme bedeuten.
Für Betroffene ist es meist schwierig, die Migräneaura mit Sehstörung zu beschreiben und zu identifizieren, da auch diese Sehstörungen vom Gehirn ergänzt und oft nicht als solche bemerkt werden.
Ein Beispiel aus dem Klinikalltag
Eine 73-jährige Dame, Frau B., bisher gesund, aufgrund einer milden Hypertonie konsequent medikamentös behandelt, beschließt, ihre Tochter und die beiden Enkelkinder zu besuchen.
Nach einer Autofahrt von weniger als einer Stunde kommt sie leicht verspätet bei ihrer Tochter an, der die Mutter verändert vorkommt. Frau B. wirkt unkonzentriert, teilweise sogar etwas ratlos, übersieht eine der beiden Enkeltöchter, obwohl beide nebeneinander vor ihr stehen. Die Frage, ob auf der Fahrt etwas geschehen sei, verneint sie. Am Auto fällt aber auf, dass der rechte Außenspiegel abgebrochen ist und der rechte Kotflügel Kratzspuren aufweist. Da Frau B. auf Nachfragen leichte Kopfschmerzen einräumt, besteht ihre Tochter auf eine Untersuchung in der Klinik, wogegen Frau B. sich zunächst sträubt.
In der Klinik zeigt sich bei der neurologischen Untersuchung ein Gesichtsfelddefekt nach rechts in Form einer kompletten homonymen Hemianopsie, der Frau B. selbst nicht bewusst geworden war. Kernspintomographisch kam ein Schlaganfall in Form eines Infarkts im Bereich der linken Sehrinde zur Darstellung, im EKG fand sich ein bisher nicht bekanntes Vorhofflimmern.
Die Sehbahn kurz erklärt
Um genau zu verstehen, wie die Hemianopsie entsteht, erklären wir hier möglichst kurz und verständlich, wie die Bilder aus unserer Umgebung überhaupt zu einem Bild im Gehirn werden.
Unterschiedliche Schädigungen entlang der Sehbahn führen schlussendlich auch zu den verschiedenen Formen der Hemianopsie, die im Folgenden noch beschrieben werden. Die Sehbahn wird durch alle Strukturen gebildet, die an der Weiterleitung und Verarbeitung jener Reize beteiligt sind, die wir mit den Augen aufnehmen.
Sie gliedert sich in mehrere Abschnitte und leitet die optischen Reize von der Netzhaut zum Gehirn:
- Ein optischer Reiz wird zunächst in der Netzhaut beider Augen aufgenommen.
- Das nasale Gesichtsfeld eines Auges wird auf der temporalen Netzhaut, das temporale Gesichtsfeld auf der nasalen Netzhaut abgebildet.
- Die Nerven der Netzhaut verbinden sich zu je einem Nervus opticus (Sehnerv), an den die Reize weitergeleitet werden. Wir besitzen also einen rechten und einen linken Sehnerv.
- Die Sehnerven des rechten und des linken Auges verlassen nun den Augapfel.
- Im Chiasma opticum, auf Höhe der Hirnanhangsdrüse, vereinigen sich beide Sehnerven. Die Nervenfasern, die von den nasalen Netzhautabschnitten kommen, kreuzen hier auf die Gegenseite, die Fasern der schläfenseitigen (temporalen) Netzhauthälfte verlaufen ungekreuzt weiter. Wenn jene Fasern, die hier kreuzen, geschädigt werden, kommt es zum Ausfall des temporalen Gesichtsfeldes.
- Hinter dem Chiasma Opticum verlaufen die Fasern nun als Tractus opticus (zum corpus geniculatum laterale) weiter.
- Von dort ziehen die Fasern als Radiatio optica (Sehstrahlung) zum visuellen Cortex, also zur Sehrinde im Großhirn.
- In der Sehrinde erfolgt das Bewusstwerden der gesehenen Eindrücke sowie deren Interpretation und Verarbeitung. Erst dann kommt also ein Bild zustande.
Welche Formen der Hemianopsie gibt es?
Je nach Ort der Schädigung im Verlauf der Sehbahn kommt es zum Ausfall verschiedener Bereiche des Gesichtsfelds, einem sogenannten Skotom (griechisch: skotos – Dunkelheit).
Es werden folgende Formen der Hemianopsie unterschieden1:
- Die Homonyme, gleichseitige, bilaterale Hemianopsie: Dabei sind bei beiden Augen die gleichen Gesichtsfeldhälften betroffen. Ursache hierfür ist eine Schädigung der Sehbahn hinter dem Chiasma opticum, also den Tractus opticus, die Sehstrahlung oder das Sehzentrum betreffend. Häufig ist die Ursache ein Schlaganfall und ein damit einhergehender Verschluss oder eine Blutung der A. cerebri posterior. Diese versorgt den Hinterhauptslappen des Gehirns, in dem das primäre Sehzentrum liegt. Ist dieses durch den Schlaganfall geschädigt, kommt es zu einem Gesichtsfeldausfall. Liegt die Schädigung auf der rechten Seite der Sehbahn, kommt es bei beiden Augen zu einem Gesichtsfeldausfall auf der gegenüberliegenden, linken Seite und umgekehrt.
- Die Heteronyme, gekreuzte Hemianopsie: Hierbei kommt es zum Ausfall der beiden Schläfen- oder Nasenhälften des Gesichtsfeldes. Meist ist die Ursache eine Schädigung im Bereich des Chiasma opticum durch einen Tumor (Hypophysentumor), der Druck auf diese Region ausübt. Dabei werden jene nasalen Nervenfasern geschädigt, die sich im Chiasma opticum kreuzen. Die Fasern der temporalen Netzhaut bleiben dabei intakt. Es kommt nur zu einem temporalen Gesichtsfeldausfall (bitemporale Hemianopsie). Man spricht auch vom sogenannten “Scheuklappenphänomen”, da die äußeren Bereiche der Umgebung nicht wahrgenommen werden (wie wenn man Scheuklappen auf hätte). Eine extrem seltene Form der heteronymen Hemianopsie ist die binasale Hemianopsie. Diese betrifft die beiden zur Nase hin gelegenen Gesichtshälften.
- Die beidseitige Hemianopsie: Sie entsteht durch einen Ausfall beider Sehzentren durch zum Beispiel einen Schlaganfall im Hinterhauptslappen des Gehirns. Dabei kommt es auf beiden Seiten zu Ausfällen in der oberen oder unteren Hälfte des Gesichtsfelds. Nicht immer kommt es also zur vollständigen Erblindung.
- Bei einseitigen Gesichtsfeldausfällen liegt die Schädigung meist vor dem Chiasma opticum, betrifft also den Sehnerv. Es kommt zum Gesichtsfeldausfall auf der gleichen Seite wie die Schädigung.
Die Ursachen und Symptome
Gesichtsfeldausfälle sind die häufigsten Sehstörungen infolge einer Schädigung des Gehirns.2 Ein Schlaganfall geht nicht immer mit einem Gesichtsfeldausfall einher, da es darauf ankommt, welches Gehirnareal vom Schlaganfall betroffen ist. Bei etwa 30 Prozent der Schlaganfall-Betroffenen liegt jedoch eine Schädigung der Sehbahn und somit ein Gesichtsfeldausfall vor.3
Die Gesichtsfeldausfälle lassen sich anhand der Lokalisierung und der Symptome in drei Abschnitte einteilen:
- Prächiasmale Schädigungen der Sehbahn: Dies sind vor allem Schäden am Sehnerv, sie befinden sich also außerhalb des Gehirns. Es kommt zu einseitigen Sehstörungen auf der selben Seite wie die Läsion. Ursächlich kann eine Entzündung des Sehnervs, zum Beispiel bei Multipler Sklerose, sein. Ebenso kann es durch unterschiedliche Noxen, Gefäßerkrankungen, erhöhten intrakraniellen Druck oder Entzündungen zu einem Gewebeschwund des Sehnervs kommen. Betroffene, die unter einem grünen Star (Glaukom) leiden, haben im fortgeschrittenen Stadium aufgrund des zunehmenden Augeninnendrucks oftmals Gesichtsfeldausfälle bis hin zu Erblindungen, da der Sehnerv durch den Druck dauerhaft geschädigt wird.
- Chiasmale Schädigungen: hierfür typisch ist die bereits genannte bitemporale Hemianopsie. Meist werden diese durch einen erhöhten Druck auf das Chiasma opticum durch einen Hypophysentumor oder ein Aneurysma der A. carotis interna, einem Gefäß, welches das Gehirn und das Auge mit Blut versorgt, verursacht.
- Retrochiasmale Schädigungen: diese betreffen alle Abschnitte hinter dem Chiasma opticum, vom Tractus opticus bis zur Sehrinde. Ursachen sind Schlaganfälle, Hirnblutungen, Hirntumore, Verletzungen durch Unfälle oder Hirnoperationen und Entzündungen des Gehirns.4 Typische Symptome sind homonyme Gesichtsfeldausfälle auf der gegenüberliegenden Seite der Schädigung und je nach Ursache weitere neurologische Ausfälle.
Grundsätzlich kann jede Störung der Sehbahn zur Blindheit führen.
Liegt eine Schädigung der Strukturen vor, welche die Lichtreize aufnehmen, kann es zum Sehverlust kommen. Oftmals ist dabei die Netzhaut durch verschiedene Erkrankungen betroffen. Das Auge kann keine Reize mehr aufnehmen und über die Sehbahn an das Gehirn weiterleiten.
Liegt eine Störung im Okzipitallappen vor, also im Sehzentrum des Gehirns, kommt es zur sogenannten Seelenblindheit (visuelle Agnosie). Dabei ist die Verarbeitung der visuellen Impulse im Gehirn gestört. Betroffene können mit ihren Augen, welche intakt sind, zwar sehen, doch das Gesehene kann im Gehirn nicht mehr verarbeitet werden. Sie können Gesichter oder Objekte sehen, sie jedoch nicht mehr als solche erkennen
Was bedeutet das für Betroffene?
Betroffene haben durch die Einschränkung des Gesichtsfeldes beispielsweise Probleme beim Lesen, da sie den Zeilenanfang oder das Zeilenende “übersehen” oder Wortenden verschwinden. Die Lesegeschwindigkeit ist dadurch erheblich herabgesetzt.
Ebenso fühlen sie sich unsicher im Straßenverkehr und haben Probleme bei der Orientierung und dabei, sich einen “Überblick zu verschaffen”. Es kommt zu einer deutlichen Einschränkung der Fahrtauglichkeit und einer erhöhten Gefahr im Verkehr. In den meisten Fällen mit homonymer Hemianopsie ist das Autofahren nicht mehr möglich, da häufig der Gesichtsfelddefekt von den Betroffenen nicht ausreichend wahrgenommen wird und es zu schweren Unfällen kommen kann.
Um die Fahrtauglichkeit zu überprüfen, sollte regelmäßig eine augenärztliche Untersuchung stattfinden. Das Gesichtsfeld sollte noch einen horizontalen Durchmesser von 120° haben, ist dies nicht der Fall, muss die Fahrerlaubnis abgegeben werden.5
Durch das Übersehen von Gegenständen oder Personen stoßen sich Betroffene häufiger an und verletzen sich. Betroffene erschrecken, weil plötzlich im ausgefallenen Bereich ein Gegenstand erscheint. Die Halbseitenblindheit führt zu einer deutlichen Einschränkung im Alltag der Betroffenen.
Auch im sozialen Umfeld führt eine Hemianopsie zu Einschränkungen. Betroffene können bekannte Gesichter nicht mehr wahrnehmen. Dies kann bei Familienmitgliedern und Freunden den Eindruck vermitteln, es sei eine bewusste Reaktion der Betroffenen. Das kann dazu führen, dass sie sich eventuell gekränkt oder beleidigt fühlen und mehr Unsicherheit und eine erschwerte Kommunikation entstehen.
Wie wird eine Halbseitenblindheit diagnostiziert?
Zunächst berichten Betroffene von den genannten Symptomen oder nahestehende Personen können die Veränderung anhand des Verhaltens der Betroffenen beobachten.
Eine Möglichkeit zur Untersuchung des Gesichtsfeldes ist der Konfrontationstest, auch Parallelversuch genannt. Der Untersucher schließt ein Auge und verdeckt mit der Hand ein Auge des Betroffenen, welcher ihm gegenübersitzt. Beide halten den Kopf gerade und fixieren jeweils das Auge ihres Gegenübers. Der Untersucher führt einen Gegenstand oder den Finger langsam von außen in sein eigenes und das Gesichtsfeld des Betroffenen. Der Patient soll angeben, ab wann er den Gegenstand zum ersten Mal wahrnimmt. Auf der Seite mit einem Gesichtsfeldausfall wird der Betroffene diesen Gegenstand im Vergleich zum Untersucher erst zu einem späteren Zeitpunkt wahrnehmen können.
Bei einem konkreten Verdacht auf eine Hemianopsie muss zusätzlich eine genauere Gesichtsfeldmessung, auch Perimetrie genannt, durchgeführt werden.
Bei der statischen Perimetrie (Computerperimetrie) sitzt der zu Untersuchende vor einem halbrunden Testbildschirm. Ein Auge ist verdeckt, das untersuchte Auge soll einen Lichtpunkt in der Mitte des Bildschirms über die gesamte Dauer der Untersuchung fixieren.
Nun erscheinen an verschiedenen Stellen des Bildschirms für ein paar Sekunden Lichtpunkte. Sieht der Betroffene diese, muss er dies mittels Knopfdruck an einer Konsole bestätigen. Die Lichtstärke wird einmal erhöht, wenn der Lichtpunkt beim ersten Mal nicht wahrgenommen wurde. Wird auch der stärkere Lichtpunkt nicht wahrgenommen, registriert und speichert dies der Computer.
Ein neuer Lichtreiz erfolgt nun an einer anderen Stelle des Bildschirms. Nach 10-20 Minuten wird das andere Auge untersucht. Das Ergebnis kann ausgedruckt und vom Untersuchenden ausgewertet und mit dem Gesichtsfeld eines Gesunden verglichen werden.
Bei Schädigungen hinter dem Chiasma opticum kann mittels Bildgebung durch ein CT oder MRT ein Tumor oder eine Hirnblutung ausgeschlossen werden.
Wenn Sie auffällige Anzeichen bemerken, die für eine Halbseitenblindheit sprechen, vereinbaren Sie möglichst rasch einen Termin bei einem Neurologen oder Augenarzt.
Was kann therapeutisch unternommen werden?
Grundsätzlich besteht die Therapie in der Behandlung der eigentlichen Ursache der Sehbahn-Schädigung. Diese kann beispielsweise neurochirurgisch bei Hypophysentumoren oder medikamentös bei einem Glaukom sein.
Besonders bei homonymen Gesichtsfelddefekten durch retrochiasmale Schädigungen ist eine Rückbildung der Gesichtsfeldausfälle jedoch sehr selten, da es sich um irreversible Schäden handelt. Insbesondere nach Schlaganfällen kommt es häufig zu bleibenden Sehbahndefekten.
Durch gezielte neuropsychologische Übungen kann die Orientierung und Lesefähigkeit der Betroffenen jedoch verbessert werden, obwohl der Gesichtsfeldausfall unverändert bleibt.
Dadurch lernen Betroffene ihre Umwelt wieder besser wahrzunehmen, um sich im Alltag sicherer zu fühlen. Der Beginn der Übungen richtet sich zunächst nach dem Allgemeinzustand und der Belastbarkeit der Betroffenen. Das Training kann stationär oder in der Rehaklinik begonnen und schließlich ambulant mit 1-2 Trainingseinheiten à 45 Minuten pro Woche fortgesetzt werden. Es gibt verschiedene Trainingsprogramme am Computer, die von zu Hause aus durchgeführt werden können. Auch im Alltag können und sollten die Übungen in verschiedenen Situationen angewandt werden.
Beim sogenannten Kompensationstraining oder explorativen Sakkadentraining wird versucht, einen Ausgleich der bestehenden Beeinträchtigung zu erzielen. Normalerweise werden durch Reize im äußeren Gesichtsfeld reflexartige Sakkaden (schnelle, sprunghafte Blickbewegungen) ausgelöst, mit denen Gesunde nach dem Reiz suchen.
Bei Patienten mit Hemianopsie führt kein Reiz aus dem ausgefallenen Gesichtsfeld zu den Sakkaden. Durch das Trainieren von willentlich gesteuerten Sakkaden sollen die Suchbewegungen der Augen in den betroffenen Gesichtsfeld-Bereich verbessert und somit das Blickfeld (nicht jedoch das Gesichtsfeld) erweitert werden.
Das ausgefallene Gesichtsfeld kann somit abgesucht und so mehr Orientierung geschaffen werden. Jedoch ist dies für Betroffene eine große Herausforderung. Gezielt dorthin zu schauen, wo man nichts sieht, ist schließlich gar nicht so einfach und erfordert ein hohes Maß an Konzentration. Die Übungen sollten daher durch einen Augenarzt oder Orthoptisten angeleitet und betreut werden.
Auch durch gezieltes Lesetraining kann eine Vergrößerung des Überblicks erreicht werden.
Schlaganfall-Betroffene, die nach ihrem stationären Aufenthalt in eine Reha-Klinik gehen, werden dort meist von einem Neuropsychologen behandelt und für das Hemianopsie-Training angeleitet.
Doch auch im ambulanten Bereich wird in Augenarztpraxen oder beim Orthoptisten das Sakkadentraining angeboten. Auch zu Hause lassen sich die Übungen am Computer selbstständig durchführen. Hierbei ist es jedoch hilfreich, wenn sie zuvor von einem Augenarzt, Orthoptisten, Neuropsychologen oder Ergotherapeuten erklärt werden.
Prognose und Tipps
In einigen Fällen kann sich der Gesichtsfeldausfall wieder zurückbilden oder sogar ganz verschwinden. Dies ist jedoch nur möglich, wenn das betroffene Gehirnareal nicht unumkehrbar (irreversibel) geschädigt wurde. In der Regel ist eine Heilung jedoch nicht möglich. Die Einschränkungen können für Betroffene sehr belastend sein, da mit der verringerten Orientierung die Alltagsbewältigung erheblich erschwert wird.
Trotz dieser Prognose lässt sich dennoch etwas gegen die Halbseitenblindheit unternehmen. Wenn Sie betroffen sind, suchen Sie den Kontakt zu einem Augenarzt oder einem Orthoptisten, um mit dem Kompensationstraining zu beginnen. Unter diesem Link finden Sie den Berufsverband Orthoptik e.V. und können nach Praxen in Ihrer Nähe Ausschau halten: https://www.orthoptik.de/infos-fuer-patienten/patientenratgeber/praxensuche/.
In Rehabilitationskliniken werden die Übungen durch Neuropsychologen angeleitet. Wenn Sie einmal die Methoden der Kompensation erlernt haben, können Sie damit Ihre Orientierung und Mobilität und auch Ihre Lebensqualität verbessern.
Sie haben Fragen zur Halbseitenblindheit? Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen und Angehörigen in unserem Forum aus.
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Artikel aktualisiert am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autor
unter Mitarbeit von stud. med. Rosalie Hartmann
Dr. med. Thomas Staudacher ist Facharzt für Neurologie. Sein Schwerpunkt ist die Notfallbehandlung von Schlaganfällen. 20 Jahre lang leitete er eine Stroke Unit, also eine Spezialstation zur Akutbehandlung und Intensiv-Überwachung von Schlaganfall-Patienten. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- Hemianopsie – Autor: Univ.-Prof. Dr. med. Hans Christoph Diener – Publikation: Pschyrembel online – URL: https://www.pschyrembel.de/Hemianopsie/K09LF
- Gesichtsfeldausfälle – Publikation: Neuropsychologischer Ratgeber, Ruhr-Universität Bochum – URL: https://www.ratgeber-neuropsychologie.de/gesichtsfeld/gesichtsfeld.pdf
- Experteninterview zum Thema Gesichtsfeldausfall durch Schlaganfall – Publikation: Ratgeber Nerven – URL: https://www.ratgeber-nerven.de/nervenschaedigung/neurologische-erkrankungen/schlaganfall/interview-gesichtsfeldausfall/
- Beidseitige Hemianopsie – Amboss Online
- Mit Gesichtsfeldausfall Autofahren – geht das? – Publikation: Bußgeld Info – URL: https://www.bussgeld-info.de/gesichtsfeldausfall-autofahren/