Vorhofflimmern ▷ Symptome, Behandlung, Lebenserwartung, Ursachen
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In diesem Artikel:
- Was ist Vorhofflimmern?
- Symptome: Wie bemerkt man als Patient Vorhofflimmern?
- Behandlung: Wie wird Vorhofflimmern therapiert?
- Verkürzt Vorhofflimmern die Lebenserwartung?
- Was sind die Ursachen von Vorhofflimmern?
- Wie häufig ist Vorhofflimmern?
- Wie wird Vorhofflimmern festgestellt?
- Vorhofflimmern als Risikofaktor für einen Schlaganfall
- Gibt es Risikofaktoren für Vorhofflimmern?
- Was hat Vorhofflimmern mit der Entstehung eines Schlaganfalls zu tun?
- Katheterablation
- Vorhofohrverschluss
Vorhofflimmern – was ist das?
Vorhofflimmern ist eine Herzrhythmusstörung, die die Herzvorhöfe betrifft. Normalerweise erzeugt das Herz einen regelmäßigen Rhythmus, den sogenannten Sinusrhythmus.
Beim Vorhofflimmern wird dieser ersetzt durch arrhythmische kreisende Erregungswellen, die dann zu einer unregelmäßigen Aktivierung der Herzkammern führt. Damit gerät das Herz “aus dem Takt”. Daher nennt man diese Form der Herzrhythmusstörung auch “absolute Arrhythmie”.
Tritt Vorhofflimmern anfallsartig auf, hört also nach wenigen Minuten bis Stunden wieder auf, nennt man dies auch paroxysmales Vorhofflimmern. Hält das Vorhofflimmern an, spricht man von persistierendem Vorhofflimmern.
Bei der Mehrzahl der Patienten mit anfallsartigem Vorhofflimmern häufen sich die Anfälle im Laufe der Zeit und gehen in anhaltendes Vorhofflimmern über.
Wie häufig ist Vorhofflimmern?
Diagramm: Häufigkeit von Vorhofflimmern nach Alter und Geschlecht
Vom “Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V.” wird Vorhofflimmern als “Volkskrankheit” bezeichnet. Vorhofflimmern ist eine der häufigsten Ursachen für Schlaganfälle. Nach neuesten Berechnungen sind in Deutschland im Jahr 2020 über 2 Millionen Menschen betroffen. Dazu kommt eine Dunkelziffer von Personen, bei denen ein nicht erkanntes und damit auch nicht behandeltes Vorhofflimmern vorliegt.
Aufgrund der zunehmenden Alterung der Bevölkerung und der Zunahme von Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus und Übergewicht wird die sich Zahl der Betroffenen in den kommenden 50 Jahren verdoppeln.
Jährlich kommt es zu 40-50.000 Schlaganfällen durch Vorhofflimmern.
Die Häufigkeitsverteilung nach Alter und Geschlecht ist in Abbildung 1 dargestellt. Männer sind insgesamt etwas häufiger betroffen. Auf jeden Fall ist Vorhofflimmern keine “Alterskrankheit”. Dennoch ist das Alter der größte Risikofaktor.
Symptome – Wie bemerkt man als Patient Vorhofflimmern?
Wenn Vorhofflimmern anfallsartig auftritt, bemerken Patienten zumeist plötzlich einsetzendes Herzstolpern, das Gefühl, das Herz würde “bis zum Hals” schlagen, Schwindel, ein Druckgefühl in der Brust, Atemnot oder auch Schweißausbrüche.
Diese Symptome sind oft mit einem Angstgefühl verbunden und entstehen dadurch, dass anfallsartiges Vorhofflimmern oft mit einem erheblich schnelleren Herzschlag verbunden ist, was als “Herzrasen” empfunden wird.
Liegt anhaltendes Vorhofflimmern vor, bemerkt der Betroffene oft nur wenige oder keine Symptome, die Rhythmusstörung fällt dann nur durch das Fühlen des Pulses oder beim Schreiben einer Herzstromkurve (Elektrokardiogramm, EKG) auf.
Was sind die Ursachen von Vorhofflimmern?
Für die Entstehung von Vorhofflimmern gibt es keine einheitlichen Ursachen.
Viele wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass Patienten mit Vorhofflimmern häufig Risikofaktoren haben, die auch bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Patienten mit Schlaganfall vorliegen.
Daher sollten Patienten mit Vorhofflimmern auch bezüglich dieser Risikofaktoren untersucht werden.
Wie wird Vorhofflimmern festgestellt?
Die regelmäßige Überprüfung des eigenen Herzrhythmus durch Tasten des Pulsschlags am Handgelenk ist die einfachste Methode, um Unregelmäßigkeiten im Herzschlag festzustellen.
Die diagnostische Einordnung einer Herzrhythmusstörung erfolgt vor allem durch die Ableitung der Herzstromkurve, das Elektrokardiogramm (EKG). Gerade bei nur kurzfristigem Auftreten des Vorhofflimmerns sind wiederholte Messungen sinnvoll.
Es hat sich gezeigt, dass durch Langzeit-EKG-Untersuchungen (z.B. 3 mal 10 Tage) dreimal häufiger Vorhofflimmern nachgewiesen wurde als mit der Standarddiagnostik.
Zur Diagnostik sollten zudem gehören: Blutdruckmessung, Ultraschalluntersuchung des Herzens (sog. Echokardiografie) sowie gegebenenfalls ein Belastungs-EKG.
Zudem sollte die Überprüfung der Schilddrüsenfunktion erfolgen, da eine Überfunktion das Auftreten von Vorhofflimmern begünstigen kann.
In manchen Fällen ist eine Untersuchung mittels Herzkatheter oder eine elektrophysiologische Untersuchung (spezielle Herzkatheteruntersuchung mit Untersuchung der Rhythmusbahnen des Herzens) erforderlich.
Neben der regelmäßigen Pulsmessung eignen sich auch Apps, Wearables und Smartwatches zur Früherkennung von Vorhofflimmern. Smartphone-Apps, zum Beispiel, messen den Herzrhythmus anhand der Pulswellen in den Fingern. Dafür platziert man die Fingerkuppe eine Minute lang auf die Kameralinse des Smartphones. Das dazu geschaltete Blitzlicht macht die Pulswellen sichtbar, die die App in eine Analyse des Herzrhythmus umwandelt. Ein Beispiel für eine solche App ist “Heartbeats”. Sie ist kostenlos für iOS und Android verfügbar.
Die App ersetzt keinen Arztbesuch, eine abschließende Diagnose kann nur durch einen Arzt erfolgen, der auch die entsprechende Therapie verordnet. Sie liefert aber Hinweise, ob eine Herzrhythmus-Störung vorliegen kann und hilft den Anwendern, ihren Herzrhythmus im Blick zu behalten. Insbesondere dann, wenn spürbare Symptome wie Herzrasen oder -stolpern auftreten, kann die Anwendung sehr entlastend sein. Die Messergebnisse lassen sich innerhalb der App speichern, sodass sie bei einem späteren Arzttermin die Flimmerepisoden dokumentieren. Wenn Vorhofflimmern anfallsartig auftritt, kann der Arzt den Hinweisen gezielt nachgehen und durch eine Therapie frühzeitig gegensteuern, bevor ein unerkanntes Vorhofflimmern das Schlaganfall- Risiko erhöht.
Ein weiteres, wissenschaftlich gut erprobtes, Verfahren mit dem Vorhofflimmern nachgewiesen werden kann, ist das Screening per App in Verbindung mit telemedizinischer und telekardiologischer Diagnostik. Entsprechende Präventions-Programme werden bereits von einigen Krankenversicherungen angeboten. Es handelt sich dabei um eine kostenfreie Zusatzleistung, die sich an Versicherte der besonders betroffenen Alters- und Risikogruppen richtet, also auch Patienten mit Vorerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems gezielt anspricht. Die Teilnehmer erhalten eine erweiterte Version der App, die ihnen bei auffälligen Messwerten einen Termin bei einer kardiologischen Praxis des Programms vermittelt. Diese Kardiologen vergeben für die Teilnehmer einen Termin innerhalb von zwei Wochen und führen ein 14-tägiges Langzeit-EKG durch, das Vorhofflimmern häufiger erkennt als das übliche 24-Stunden-EKG. Während der Tragedauer werten telemedizinische Spezialisten Dauer und Schweregrad der Flimmerepisoden aus, beim abschließenden Termin in der kardiologischen Praxis liegt dem Arzt ein Dossier mit allen relevanten Ergebnissen vor.
Das Verfahren war Gegenstand einer klinischen Studie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München mit 5.500 Teilnehmern im Alter zwischen 50 und 90 Jahren. Die Studie verglich anhand von zwei Kontrollgruppen das telemedizinisch gestützte Vorhofflimmer-Screening mit der konventionellen symptom-basierten Untersuchungsmethode. Im Ergebnis bestätigt die Studie: Verglichen mit der ärztlichen Routineuntersuchung wird Vorhofflimmern mit Screening-Programmen mehr als doppelt so oft erkannt und behandelt.
Gibt es Risikofaktoren für Vorhofflimmern?
Das größte Risiko ist das Alter (siehe oben Tabelle 1). Vorhofflimmern tritt mit zunehmendem Alter häufiger auf.
Bestimmte Herzerkrankungen, wie eine Herzmuskelschwäche (Herzinsuffizienz), Verengungen der Herzkranzgefäße (koronare Herzerkrankung), ein Herzinfarkt in der Vergangenheit oder Herzmuskelentzündungen, können das Auftreten von Vorhofflimmern begünstigen.
Auch Diabetes mellitus ist ein Risikofaktor.
Studien haben wiederholt einen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und der Häufigkeit von Vorhofflimmern gefunden. Eine vor einigen Jahren veröffentlichte Metaanalyse (statistische Zusammenfassung der Daten aus vielen Einzeluntersuchungen) bezifferte den Anstieg des relativen Risikos, an Vorhofflimmern zu erkranken, auf 8 Prozent pro 12 Gramm Alkohol (= 0,3 Liter Bier oder 0,125 Liter Wein) pro Woche. Sprich: Zwei Drinks am Tag verdoppeln das Risiko.
Das Schlaf-Apnoe-Syndrom, eine schlafbezogene Atmungsstörung, die zu nächtlichen Atemaussetzern führt, kann das Auftreten einer Herzinsuffizienz begünstigen, welche wiederum ein Risikofaktor für Vorhofflimmern ist.
Selten kommt es auch zu einer familiären Häufung von Vorhofflimmern, die Anlage dazu kann also vererbt sein.
Verkürzt Vorhofflimmern die Lebenserwartung?
Wenn die Herzrhythmusstörung behandelt wird, muss die Lebenserwartung nicht beeinträchtigt sein. Bei Menschen unter 65 Jahren, die an keiner zusätzlichen Herzerkrankung leiden, ist nicht mit einer verkürzten Lebenserwartung zu rechnen.
Auch Menschen über 65 Jahren und jene mit anderweitigen Herzerkrankungen haben einen Nutzen von modernen Behandlungsmethoden, sodass gegenüber früheren Zeiten eine höhere Lebenserwartung erreicht werden kann.
Voraussetzung dafür ist jedoch, zugrundeliegende und vielleicht bisher unbekannte Herzerkrankungen zu erkennen.
Was hat Vorhofflimmern mit der Entstehung eines Schlaganfalls zu tun?
Bei Vorhofflimmern besteht das Risiko, dass sich im Herzen Blutgerinnsel bilden, sogenannte Thromben. Vorhofflimmern bewirkt, dass sich die Muskulatur der Herzvorhöfe völlig unkoordiniert zusammenzieht. Damit fehlt die natürliche, geordnete Aktion der Vorhöfe, welche eine gute Zirkulation bzw. Durchmischung des Blutes ermöglicht.
Wenn sich die unterschiedlichen Blutbestandteile (Blutkörperchen und Blutplättchen) nicht gut vermischen, kann es zur Bildung von Gerinnseln kommen.
Diese Blutgerinnsel werden dann mit dem Blutstrom in die Blutbahn des Körpers ausgeschwemmt und können in unterschiedlichen Organen zu Durchblutungsstörungen führen, indem sie Blutgefäße “verstopfen”.
Es entstehen sogenannte Ischämien oder Infarkte. Wenn Gefäße verschlossen werden, die das Gehirn mit Blut versorgen, entsteht ein ischämischer (also durch mangelnde Durchblutung verursachter) Schlaganfall.
Wie wird Vorhofflimmern behandelt?
Gerinnungshemmende Medikamente (“Blutverdünner”): Ziel dieser Medikamente ist es, eine Gerinnselbildung durch Vorhofflimmern zu verhindern.
Hierfür stehen sogenannte orale Antikoagulantien zur Verfügung. Unterschieden werden Vitamin K-Antagonisten wie Phenprocoumon/MarcumarⓇ/FalithromⓇ oder Warfarin/CoumadinⓇ und nicht Vitamin K-abhängige orale Antikoagulantien (kurz: NOAK) wie Apixaban/EliquisⓇ, Dabigatran/PradaxaⓇ, Edoxaban/LixianaⓇ oder Rivaroxaban/XareltoⓇ.
Während Vitamin K-Antagonisten die Bildung von Substanzen in der Leber behindern, die die Blutgerinnung fördern, nehmen die Medikamente der zweiten Gruppe direkt Einfluss auf die Wirkung einzelner Faktoren der Blutgerinnung.
Gerinnungshemmende Medikamente sind alle mit einem erhöhten Blutungsrisiko verbunden. Z.B. ist die Blutungszeit nach einer Verletzung verlängert. Allerdings ist erwiesen, dass bei Patienten mit Vorhofflimmern und zusätzlichen Risikofaktoren das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, höher ist als das Risiko einer Hirnblutung.
Acetylsalicylsäure (ASS/AspirinⓇ/GodamedⓇ) stellt keine vergleichbar wirksame Alternative für eine Gerinnungshemmung bei Vorhofflimmern dar, geht jedoch mit einem vergleichbaren Blutungsrisiko einher.
Rhythmuserhaltende Behandlung durch Medikamente (Antiarrhythmika): Die Wirkung der Antiarrhythmika (wörtlich übersetzt: Substanzen gegen einen unregelmäßigen Herzschlag) beruht darauf, dass sie die elektrische Erregung von Herzmuskelzellen beeinflussen. Damit wird Ordnung gebracht in das “Erregungs-Chaos” der Herzvorhöfe. Die Geschwindigkeit des Herzschlages wird damit gebremst, im Idealfall kommt es wieder zur Ausbildung eines regelmäßigen Herzrhythmus.
Welches Antiarrhythmikum das geeignete ist, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, unter anderem von zusätzlichen Erkrankungen von Herz, Niere und Leber. Wichtig sind eine vorsichtige Dosierung und regelmäßige Kontrolluntersuchungen des EKGs.
Behandlung von zusätzlichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Um weitere Schäden am Vorhof möglichst gering zu halten, sollten zusätzlich vorliegende Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems behandelt werden.
Dazu gehören eine medikamentöse Behandlung von Bluthochdruck, einer Blutzucker-Erkrankung (Diabetes mellitus), einer Herzmuskelschwäche oder einer anderen Herzerkrankung.
Wichtig sind auch eine Änderung des Lebensstils durch Reduktion von Übergewicht, Einschränkung des Alkoholkonsums, Beenden des Rauchens und regelmäßige körperliche Bewegung.
Zusammenfassung
Vorhofflimmern ist eine sehr häufige Herzrhythmusstörung und ein Hauptrisikofaktor für Schlaganfälle. Vorhofflimmern tritt oft nur kurzzeitig auf und ist dann nur mit großem apparativem Aufwand nachzuweisen. Dieser Aufwand lohnt sich allerdings sehr, da durch die meist medikamentöse Therapie Schlaganfälle verhindert werden können.
EKG
Das EKG (=Elektrokardiogramm) ist eine schmerzlose Untersuchung, bei der die elektrische Aktivität des Herzens gemessen wird.
Die Untersuchung dauert inklusive des Anlegens der Elektroden allenfalls wenige Minuten und wird im Liegen durchgeführt.
Die Herzaktion wird über Elektroden an der Brustwand, Armen und Beinen abgeleitet und als Kurven aufgezeichnet. Hierdurch können Frequenz (Häufigkeit der Herzschläge), Herzrhythmus sowie die elektrische Aktivität von Herzvorhöfen und Herzkammern abgelesen werden.
Damit lassen sich beispielsweise Herzrhythmusstörungen, Störungen der Erregungsleitung und Erregungsausbreitung am Herzen oder Durchblutungsstörungen (Herzinfarkt) erkennen.
Der Herzrhythmus
Der normale Herzschlag des Menschen ist regelmäßig (sogenannter Sinusrhythmus), das Herz schlägt ca. 60-80 mal pro Minute. Wie häufig das Herz pro Minute schlägt, ist abhängig von der körperlichen Belastung, dem Alter und der körperlichen Fitness.
Aufgabe des Herzens ist es, das Blut durch den Körperkreislauf zu pumpen und damit Sauerstoff und Nährstoffe zu den einzelnen Organen zu transportieren.
Der Herzmuskel zieht sich zum Ausstoßen des Blutes in den Körperkreislauf zusammen. Anschließend muss der Herzmuskel erschlaffen, um wieder sauerstoffreiches Blut aus den Herzvorhöfen und den Blutgefäßen, die aus der Lunge kommen, aufnehmen zu können.
Die Herzklappen, die zwischen den Vorhöfen und den Herzkammern sowie zwischen den Herzkammern und den Ausstrombahnen liegen, stellen ähnlich wie Ventile sicher, dass das Blut nur in eine Richtung gepumpt wird und nicht wieder zurückfließt.
Damit sich der Herzmuskel zusammenziehen kann, benötigt er einen elektrischen Impuls. Dieser entsteht in einem Nervengeflecht im Bereich des rechten Herzvorhofes, der als Sinusknoten bezeichnet wird.
Dieser elektrische Impuls läuft gleichmäßig über die Wände beide Herzvorhöfe, die sich damit zusammen ziehen. Anschließend läuft der Impuls über den sogenannten AV-Knoten, eine Muskelstruktur in der Nähe der Herzscheidewand. Von dort wird er über beide Herzkammern geleitet, die sich damit zusammenziehen können.
Diese elektrische Erregung über Herzvorhöfe und Herzkammern ermöglicht im Normalfall ein regelmäßiges und geordnetes Zusammenspiel zwischen Zusammenziehen (Systole) und Erschlaffen des Herzmuskels (Diastole).
Beim Vorhofflimmern ist dieser koordinierte Ablauf gestört. Statt des Sinusknotens bilden viele Muskelzellen gleichzeitig zahlreiche kleine Erregungswellen und führen zu einem “elektrischen Chaos”.
Das führt zu einem ungeordneten Zusammenspiel von Herzvorhöfen und Herzkammern, die Vorhöfe ziehen sich nicht mehr zusammen, sondern “flimmern” und stehen damit praktisch still.
Gerinnungshemmende Medikamente
Diese Medikamente, die auch gerne “Blutverdünner” genannt werden, heißen im medizinischen Sprachgebrauch Antikoagulantien. Sie sorgen dafür, dass bestimmte Bestandteile des Blutes nicht so leicht aneinander haften.
Damit schützen sie vor der Bildung von Blutgerinnseln und vermindern das Risiko für das Auftreten von Erkrankungen, die durch Blutgerinnseln verursacht werden, wie z.B. Schlaganfall, Herzinfarkt oder Venenthrombosen.
Als Antikoagulantien, die bei Vorhofflimmern zum Schutz vor einer Gerinnselbildung eingesetzt werden, stehen unterschiedliche Substanzen zur Verfügung.
Die bereits seit vielen Jahren eingesetzten Vitamin K-Antagonisten heissen Phenprocoumon/MarcumarⓇ FalithromⓇ oder Warfarin/CoumadinⓇ. Ihre Wirksamkeit beruht darauf, dass viele die Blutgerinnung fördernde Substanzen Vitamin K benötigen, um in der Leber gebildet zu werden. Wird ein Gegenspieler (=Antagonist) des Vitamin K eingesetzt, so werden diese Substanzen in geringerem Ausmaß gebildet.
Die Folge: eine Gerinnselbildung wird erschwert.
Das Ausmaß der Gerinnungshemmung ist von Patient zu Patient sehr unterschiedlich, so dass sehr unterschiedliche Dosierungen erforderlich sein können. Daher muss der Therapieeffekt regelmäßig im Blut gemessen werden durch Bestimmung des INR-Wertes (früher: Quick-Wert).
Bei einem gesunden Menschen ohne Medikamenteneinnahme liegt der INR-Wert bei 1. Eine wirksame Gerinnungshemmung bei Vorhofflimmern liegt zwischen einem INR-Wert von 2 bis 3.
Wichtig ist die regelmäßige Kontrolle des Wertes, da ein zu niedriger Wert keinen ausreichenden Schutz darstellt und ein zu hoher Wert ein Risiko für Blutungen darstellt. Die Kontrolle erfolgt zumeist über den Hausarzt, manche Patienten können nach einer entsprechenden Schulung den Wert mit speziellen Messgeräten selbst bestimmen.
Da Vitamin K in vielen Nahrungsmitteln vorkommt (z.B. grüner Salat, Kohlgemüse), kann die Ernährung die Wirksamkeit der Vitamin K-Antagonisten beeinflussen.
Seit einigen Jahren gibt es die nicht Vitamin K-abhängigen oralen Antikoagulantien (kurz: NOAK) Apixaban/EliquisⓇ, Dabigatran/PradaxaⓇ, Edoxaban/LixianaⓇ oder Rivaroxaban/XareltoⓇ. Diese Medikamente nehmen direkt Einfluss auf die Wirkung einzelner Faktoren der Blutgerinnung. Sie sind in einer Standarddosis verfügbar, die Bestimmung des Ausmaßes der Blutgerinnungshemmung ist nicht nötig.
Diese NOAKs haben zudem den Vorteil, dass sie genauso effektiv wirken wie die Vitamin K-Antagonisten, während das Risiko für eine Blutung, z.B. im Gehirn, geringer ist. Dies ist offensichtlich dadurch bedingt, dass sie einen gezielteren Angriffspunkt in der Gerinnungshemmung haben.
Bei der Einnahme von NOAKs sollten die Nierenwerte regelmäßig kontrolliert werden, da diese Substanzen überwiegend über die Niere wieder ausgeschieden werden. Verschlechtert sich die Nierenfunktion, kann es zu einer Ansammlung der Medikamente im Körper kommen mit der Gefahr von Nebenwirkungen in Form einer erhöhten Blutungsneigung.
Katheterablation
Wenn die Risikofaktoren für Vorhofflimmern bereits ausreichend behandelt sind und / oder medikamentöse Therapien nicht ausreichen oder nicht vertragen werden, kann eine sogenannte Katheterablation nötig und sinnvoll sein.
Ablauf
Im Rahmen einer Untersuchung, die ähnlich abläuft wie eine Herzkatheteruntersuchung, wird mit speziellen Kathetern eine sogenannte elektrophysiologische Untersuchung (EPU) durchgeführt. Hierbei werden auf der Innenseite des Herzens verschiedene Stellen, die für die Entstehung von Herzrhythmusstörungen verantwortlich sein können, mit dem Katheter aufgesucht. Ziel ist es, diese Entstehungsorte “auszuschalten”. Dies kann durch unterschiedliche Verfahren erfolgen.
Mit Hochfrequenzstrom können Millimeter kleine Verödungsnarben erzeugt werden. Werden mehrere kleine Narben in Reihe gesetzt, kann die fehlerhafte Ausbreitung elektrischer Impulse im Herzmuskel unterbunden werden. Alternativ kann eine Verödung durch Kälteanwendung erfolgen (sogenannte Kryo-Ablation) oder durch Einsatz von Laser.
Vorhofohrverschluss
Die meisten Blutgerinnsel (ca. 90%), die sich bei Vorhofflimmern im Herzen bilden, entstehen im sogenannten Vorhofohr. Das ist eine Ausstülpung im linken Vorhof. Durch Ausschalten dieser Struktur soll der Ort der Gerinnselbildung entfernt und damit eine Verschleppung eines Gerinnsels verhindert werden.
Ein Vorhofohrverschluss kann sinnvoll sein, wenn eine dauerhafte Einnahme einer gerinnungshemmenden Medikation nicht möglich ist. Das kann der Fall sein, wenn das Risiko für das Auftreten von Blutungen sehr hoch ist oder Unverträglichkeiten gegenüber gerinnungshemmenden Medikamenten vorliegen.
Ablauf: Ein von der Leistenvene aus eingebrachter Katheter wird durch eine Punktion der Herzscheidewand vom rechten Vorhof in den linken Vorhof eingebracht. Über diesen Katheter wird ein Verschluss-System (sogenannter “Occluder”) in den Hals des Vorhofohres implantiert, damit wird die Ausstülpung des Herzohres verschlossen.
So können in diesem Bereich keine Gerinnsel mehr entstehen. Da dieser Occluder erst in das Herz einwachsen muss, um nicht mehr als Fremdkörper vom Herz empfunden zu werden, benötigen Patienten in den ersten 6 Monaten nach dem Eingriff vorübergehend dennoch eine blutverdünnende Medikation.
Die Entscheidung, für welchen Patienten dieses Verfahren geeignet ist, muss immer im Einzelfall und nach ausführlicher Beratung durch einen mit dem Verfahren gut vertrauten Kardiologen erfolgen.
Vorhofflimmern als Risikofaktor für einen Schlaganfall
Das Vorhofflimmern ist eine heimtückische und gefährliche Rhythmusstörung des Herzens und verantwortlich für viele Schlaganfälle. Bei Vorhofflimmern sind die Pausen zwischen den Herzschlägen ganz unterschiedlich lang, man spricht auch von einer “absoluten Arrhythmie”.
Sie können Vorhofflimmern durch regelmäßiges Pulstasten selbst feststellen. Dazu braucht es zunächst keinen Arzt. Wichtig ist, immer mal wieder den Puls zu tasten:
Legen Sie zwei Fingerspitzen mit leichtem Druck auf das pulsierende Blutgefäß an der Innenseite des Handgelenks und spüren eine Minute lang Ihren Herzrhythmus.
Ist der Pulsschlag regelmäßig? Wenn nicht, sollten Sie unverzüglich Ihren Arzt oder ein Krankenhaus aufsuchen. Ungefährlich sind gelegentlich auftretende, harmlose “Stolperer” oder Extraschläge (Extrasystolen) des Herzens.
Bei Vorhofflimmern können im Herzen Blutgerinnsel (Thromben) entstehen, die mit dem Blutstrom in den Körperkreislauf gelangen. Arterien, welche das Gehirn mit Blut versorgen, können hierdurch verstopft werden. Man spricht dann von einer Thrombo-Embolie, die einen Hirninfarkt, d.h. einen Schlaganfall durch Blutmangel verursachen kann.
In Deutschland leben fast 2 Millionen Menschen mit Vorhofflimmern. Pro Jahr kommt es bei 40- 50.000 von ihnen zu einen Schlaganfall. Vorhofflimmern tritt oft unbemerkt, d.h. ohne Beschwerden auf. Deshalb wird es oftmals sehr spät oder zu spät, etwa nach einem Schlaganfall, erkannt und behandelt.
Beschwerden bei Vorhofflimmern können Herzstolpern oder Herzrasen sein, Luftnot, Schwindelgefühl, ungewohnte Müdigkeit, Druck auf der Brust, Angst- oder Beklemmungsgefühl. Da Vorhofflimmern oft nur über Stunden oder Tage auftritt, entzieht es sich leicht der Diagnose.
Deshalb ist es entscheidend wichtig, dass Sie selbst lernen, Ihren Puls zu beobachten, auch wenn Sie keine Beschwerden haben. Die Behandlung des Vorhofflimmerns erfolgt meist mit Medikamenten, welche die Bildung von Blutgerinnseln hemmen. Umgangssprachlich werden diese auch “Blutverdünner” genannt. Hier bestehen von Seiten unserer Patienten oft massive und unbegründete Vorbehalte. Lassen Sie sich ärztlich beraten, um Ihre Bedenken auszuräumen.
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Autorin
Dr. med. Christina Rückert ist Fachärztin für Neurologie und Geriatrie und arbeitete mehr als 10 Jahre als Oberärztin an der Oberschwabenklinik in Ravensburg. Ihre berufliche Tätigkeit beinhaltete auch die stellvertretende ärztliche Leitung der Zentralen Notaufnahme. Seit Juli 2021 ist sie gemeinsam mit ihrem Mann – ebenfalls Facharzt für Neurologie – in eigener Praxis in Rothenburg ob der Tauber niedergelassen. Ein Schwerpunkt ihrer ambulanten Tätigkeit ist die Nachsorge von Patienten nach Schlaganfall.
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Quellen
- Vorhofflimmern: Die aktuelle Epidemie – Autoren: Carlos A Morillo, Amitava Banerjee, Pablo Perel, David Wood, Xavier Jouven – Publikation: J Geriatr Cardiol 2017,14(3):195~203 – DOI: 10.11909/j.issn.1671-5411.2017.03.011 – PMID: 28592963 – PMCID: PMC5460066
- Atrial Fibrillation – Centers for Disease Control and Prevention (CDC) – URL: https://www.cdc.gov/heartdisease/atrial_fibrillation.htm
- Incidence of Previously Undiagnosed Atrial Fibrillation Using Insertable Cardiac Monitors in a High-Risk Population – The REVEAL AF Study – Autoren: James A. Reiffel, MD; Atul Verma, MD; Peter R. Kowey, MD; et al – Publikation: JAMA Cardiol. 2017;2(10):1120-1127. DOI: 10.1001/jamacardio.2017.3180
- Dabigatran for Prevention of Stroke after Embolic Stroke of Undetermined Source – Autoren: Hans-Christoph Diener, M.D., Ph.D., Ralph L. Sacco, M.D., J. Donald Easton, M.D., Christopher B. Granger, M.D., Richard A. Bernstein, M.D., Ph.D., Shinichiro Uchiyama, M.D., Jörg Kreuzer, M.D., Lisa Cronin, M.D., Daniel Cotton, M.S., Claudia Grauer, Ph.D., Martina Brueckmann, M.D., Marina Chernyatina, M.D., Ph.D., et al., for the RE-SPECT ESUS Steering Committee and Investigators – Publikation: N Engl J Med 2019; 380:1906-1917 – DOI: 10.1056/NEJMoa1813959
- Positionspapier zur Detektion von Vorhofflimmern nach ischämischem Schlaganfall – Arbeitsgemeinschaft Herz und Hirn der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK) und der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft e.V. (DSG) – Autoren: Karl Georg Häusler, Klaus Gröschel, Martin Köhrmann, Renate B. Schnabel, Stefan D. Anker, Johannes Brachmann, Michael Böhm, Hans-Christoph Diener, Wolfram Doehner, Matthias Endres, Christian Gerloff, Hagen B. Huttner, Manfred Kaps, Paulus Kirchhof, Darius Günther Nabavi, Christian H. Nolte, Waltraud Pfeilschifter, Burkert Pieske, Sven Poli, Wolf Rüdiger Schäbitz, Götz Thomalla, Roland Veltkamp, Thorsten Steiner, Ulrich Laufs, Joachim Röther, Rolf Wachter – Publikation: Akt Neurol 2018; 45(02): 93-106 – DOI: 10.1055/s-0043-118476
- Refinement of detecting atrial fibrillation in stroke patients: results from the TRACK‐AF Study – Autoren: F. Reinke, M. Bettin, L. S. Ross, S. Kochhäuser, I. Kleffner, M. Ritter, J. Minnerup, D. Dechering, L. Eckardt, R. Dittrich – Publikation: Eur J Neurol, 25: 631-636. DOI: 10.1111/ene.13538
- Atrial fibrillation is associated with cognitive decline in stroke‐free subjects: the Tromsø Study – Autoren: S. Tiwari, M. L. Løchen, B. K. Jacobsen, L. A. Hopstock, A. Nyrnes, I. Njølstad, E. B. Mathiesen, K. A. Arntzen, J. Ball, S. Stewart, T. Wilsgaard, H. Schirmer – Publikation: Eur J Neurol, 24: 1485-1492 – DOI: 10.1111/ene.13445
- Automatic detection of paroxysmal atrial fibrillation in patients with ischaemic stroke: better than routine diagnostic workup? – Autoren: T. Uphaus, A. Grings, S. Gröschel, A. Müller, M. Weber‐Krüger, R. Wachter, K. Gröschel – Publikation: Eur J Neurol, 24: 990-994. DOI: 10.1111/ene.13326
- Epidemiologie des Vorhofflimmerns – Autor: Stefan Sack – Publikation: Herz volume 27, pages294–300(2002) – DOI: 10.1007/s00059-002-2395-2
- Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V.(AFNET) – URL: https://www.kompetenznetz-vorhofflimmern.de
- 2016 ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation developed in collaboration with EACTS – Autoren: Paulus Kirchhof, Stefano Benussi, Dipak Kotecha, Anders Ahlsson, Dan Atar, Barbara Casadei, Manuel Castella, Hans-Christoph Diener, Hein Heidbuchel, Jeroen Hendriks, Gerhard Hindricks, Antonis S Manolis, Jonas Oldgren, Bogdan Alexandru Popescu, Ulrich Schotten, Bart Van Putte, Panagiotis Vardas, ESC Scientific Document Group – Publikation: European Heart Journal, Volume 37, Issue 38, 7 October 2016, Pages 2893–2962 – DOI: 10.1093/eurheartj/ehw210
- Incidence and prevalence of atrial fibrillation: an analysis based on 8.3 million patients – Autoren: Thomas Wilke, Antje Groth, Sabrina Mueller, Matthias Pfannkuche, Frank Verheyen, Roland Linder, Ulf Maywald, Rupert Bauersachs, Günter Breithardt – Publikation: EP Europace, Volume 15, Issue 4, April 2013, Pages 486–493 – DOI: 10.1093/europace/eus333