Vorhofohrverschluss bei Vorhofflimmern ▷ Therapieformen, Ablauf, Risiken
In diesem Artikel:
- Was ist Vorhofflimmern und was macht es so gefährlich?
- Therapieformen
- Okkluder-Therapie
- Verfahren
- Risiken und Komplikationen
- Verhalten nach dem Eingriff
- Fragen und Antworten
Was ist Vorhofflimmern und was macht es so gefährlich?
Vorhofflimmern ist eine Herzrhythmusstörung, bei der sich die Herzvorhöfe rasch, unkontrolliert und arrhythmisch mit 350 bis 600 Schlägen pro Minute bewegen. Dieser unregelmäßige Herzrhythmus kann den Blutfluss beeinträchtigen sowie Herzklopfen und Kurzatmigkeit verursachen.
Zusätzlich können dabei insbesondere im linken Herzohr – einer schlauchförmigen, mit dem linken Vorhof verbundenen taschenförmigen Ausstülpung – sehr oft kleine Blutgerinnsel (Thromben) entstehen, die bei Weitertransport in den Hirnkreislauf einen embolischen Schlaganfall (Hirninfarkt) verursachen können.
Als Embolie bezeichnet man den akuten Verschluss eines Blutgefäßes durch eingeschwemmtes, nicht lösliches Material (Embolus). Das können sowohl körpereigene als auch fremde Substanzen sein, wie beispielsweise losgelöste Thromben, Fett, Luft- oder Gasblasen, Tumorzellen oder Fremdkörper.
Sollte therapeutisch (Antiarrhythmika, Katheterablation) ein normaler Herzrhythmus nicht zu erzielen sein oder eine Kontraindikation bzgl. “Blutverdünnern” bestehen, kann ein sogenannter Vorhofohrverschluss die Thrombenbildung deutlich reduzieren oder verhindern.
Therapieformen
Bei von Vorhofflimmern betroffenen Patientinnen und Patienten hat sich zur Rhythmus- bzw. Frequenzkontrolle die medikamentöse Behandlung mittels Antiarrhythmika (z.B. Flecainid, Propafenon, Atenolol, Sotalol, Amiodaron, Diltiazem, Verapamil) etabliert.
Ferner ist zur Prophylaxe von thrombotischen Komplikationen (Blutgerinnselbildung im Vorhofohr) die Gabe von Blutverdünnern (orale Antikoagulantien, z.B. Phenoprocoumon, Rivaroxaban, Edoxaban, Apixaban, Dabigatranetexilat) angezeigt.
Als interventionelle Maßnahmen zur Rhythmisierung sind die Katheterablation sowie die elektrische Kardioversion zu nennen.
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Bei einer Katheterablation werden mittels eines feinen Katheters gezielt die Leitungsbahnen im Herzen, die für das Durcheinander der elektrischen Signale ursächlich sind, unterbrochen. Dazu wird das für die Herzrhythmusstörung verantwortliche Gewebe ausgeschaltet (verödet). Die minimalinvasive Behandlung wird im Krankenhaus unter Analgosedierung durchgeführt, d.h. die Patientin oder der Patient befindet sich dabei in einem Dämmerschlaf und erhält Schmerzmittel. Eine Vollnarkose ist in der Regel nicht nötig. Der ganze Eingriff ist meist innerhalb von ein bis zwei Stunden erledigt. Schon nach wenigen Tagen kann die Patientin oder der Patient wieder nach Hause.
Die elektrische Kardioversion wird unter Kurznarkose durchgeführt und ist somit für den Patienten schmerzfrei. Während der gesamten Behandlung steht der Patient unter EKG-Kontrolle. Mithilfe von elektrischen Impulsen über extern aufgebrachte Elektroden (die eine wesentlich geringere Energiedosis als beispielsweise bei der Defibrillation abgeben) wird der Herzrhythmus zurück in den Sinusrhythmus versetzt. Nach der erfolgreichen Durchführung der elektrischen Kardioversion kann die Patientin oder der Patient entlassen werden.
Vorhofohrverschluss (Vorhofohr-Okkluder / LAA-Okkluder)
Als Alternative bzw. Ergänzung zu den allgemeinen Therapieformen hat sich in den letzten Jahren die Methode des interventionellen Verschlusses des linken Vorhofohres etabliert.
Eine Gerinnselbildung in dieser kleinen Aussackung (Vorhofohr) im Bereich der linken Herzvorkammer (Herzvorhof) ist die häufigste Ursache für einen embolischen Schlaganfall. Das Verschließen dieses auch LAA (Left Atrial Appendage) genannten Bereichs über einen Katheter (siehe Verfahren) von der Leiste aus kann zu einer deutlichen Reduktion des Schlaganfallrisikos führen.
Ein Vorhofohrverschluss wird gegenwärtig für Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern als Alternative zu einer medikamentösen Therapie mit Blutgerinnungshemmern (orale Antikoagulation, OAK) zur Vorbeugung von Schlaganfällen angeboten, wenn unter der Therapie Nebenwirkungen oder Blutungen aufgetreten sind.
Das Verfahren
Der Vorhofohrverschluss (Occluder) kommt in Form eines kleinen Netzschirms aus Polyurethan, Titan oder Nitinol (z.B. beim derzeit in Deutschland sehr häufig verwendeten AMPLATZER™ LAA-Occluder der Firma Abbott Medical) in unterschiedlichen Größen zum Einsatz.
Vor der Untersuchung wird eine Kurznarkose eingeleitet. Danach wird ein Schluck-Ultraschall (TEE: transösophageale Echokardiographie) durchgeführt, in dem das linke Herzohr auf Blutgerinnsel untersucht und genau ausgemessen wird.
Der Schallkopf wird während des gesamten Eingriffs in der Speiseröhre belassen. Der passende Occluder wird danach über eine Leistenvene mithilfe eines dünnen Katheters im rechten Vorhof platziert und durch die Vorhofscheidewand in den linken Vorhof eingebracht.
Anschließend wird der Occluder unter Ultraschall-Kontrolle im linken Herzohr eingesetzt. Der Sitz des Occluders wird durch die Gabe einer kleinen Menge von Kontrastmittel kontrolliert.
Nach Prüfung der Lage und Stabilität des Occluders wird das übrige Kathetermaterial entfernt und die Punktionsstelle in der Leiste mit einem Verschlusssystem abgedichtet. Dazu wird ein Druckverband für 6 bis 8 Stunden angelegt. Die weitere Überwachung erfolgte auf einer Überwachungsstation für 24 Stunden.
In den ersten drei Monaten nach der Implantation des Occluders sollte eine medikamentöse Therapie zur Verhinderung von Blutgerinnseln mit Acetylsalicylsäure (ASS) und Clopidogrel erfolgen.
Hiernach kann Clopidogrel abgesetzt werden. ASS sollte mindestens für weitere drei Monate eingenommen werden (also insgesamt sechs Monate), ggf. muss die ASS-Einnahme lebenslang erfolgen.
Risiken und Komplikationen
Nachblutungen in der Leistengegend können gelegentlich auftreten. In seltenen Fällen kann eine Blutung im Herzbeutel auftreten. Deshalb wird am Folgetag nach der Implantation ein Herzultraschall (Echokardiographie) durchgeführt. Nur in einzelnen Fällen ist eine Entlastung durch eine Punktion des Herzbeutels notwendig, da sich die Blutung in den meisten Fällen von selbst zurückbildet.
Verhalten nach dem Eingriff
Es wird empfohlen, nach der Behandlung die Leisten für weitere sieben Tage zu schonen. Um Nachblutungen im Leistenbereich zu verhindern, sollten in dieser Zeit folgende Tätigkeiten vermieden werden: Schweres Heben, Fahrrad fahren, starkes Pressen, schnelles Laufen, Schwimmen oder Ähnliches.
Eine Schluck-Ultraschall-Untersuchung (TEE) sollte nach drei Monaten zur Lage- und Verlaufskontrolle durchgeführt werden. Hiernach sind in der Regel keine weiteren Untersuchungen mehr notwendig.
Fragen und Antworten
Nein, wenn das Implantat einmal implantiert ist, werden Sie es nicht spüren.
Die Genesung verläuft bei jedem Menschen anders. Ihr Arzt kann dabei helfen, zu bestimmen, wann Sie Ihre gewohnten Aktivitäten wieder aufnehmen können. In der Regel sollten Sie sich ca. drei Monate nach dem Eingriff schonen, bevor Sie Ihre gewohnten, körperlichen Aktivitäten wieder uneingeschränkt aufnehmen können.
In seltenen Fällen kann es nach Implantation zu einer Lageveränderung des Occluders kommen. Wenn Sie bestimmte Symptome (Schmerzen, Taubheitsgefühl, plötzliche Schwäche, Schwindelgefühl oder beschleunigter Herzschlag) haben, suchen Sie umgehend ärztliche Hilfe auf. In diesem Fall wird eine Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiogramm) durchgeführt.
Die Metallteile in den Occludern sind sehr klein und lösen gewöhnlich die Metalldetektoren an Flughäfen nicht aus. Zeigen Sie dennoch dem Sicherheitspersonal einfach Ihren Patientenausweis.
Risiken durch Occluder bei der Durchführung einer MRT-Untersuchung sind nicht bekannt. Informieren Sie dennoch das MRT-Personal über Ihr Implantat.
Bedingt durch die verwendeten Materialien ist eine Gerinnselbildung am Implantat nicht wahrscheinlich.
Bei manchen Occludern wird als Material eine Nickel-Titan-Legierung (Nitinol) verwendet. Menschen mit Nickelallergie können auf das Implantat allergisch reagieren. Informieren Sie Ihren Arzt oder Ihre Ärztin daher über eine evtl. bei Ihnen bestehende Nickelallergie.
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Autor
Dr. med. Mark Dankhoff ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Ernährungsmedizin, Diabetologische Grundversorgung, Hypertensiologie DHL, Adiposiologie DAG/AGA/DDG, Adipositas-Trainer AGA, Medizinischer Berater. Sein Schwerpunkt ist die Prävention und Therapie von kardiovaskulären Risikofaktoren und Erkrankungen. Seit 2021 ist er als Medical Advisor freiberuflich tätig. Dr. med. Mark Dankhoff ist Gründungsmitglied des „Im Puls. Think Tank Herz-Kreislauf e.V.“. [mehr]
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