Patientin Frau Bergmann, 38 Jahre alt, berichtet ▷ Erfahrungsbericht
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Schlaganfall mit 38 Jahren – eine Patientin berichtet
Mein Name ist Julia Bergmann. Ich bin verheiratet mit Pascal Bergmann, wir haben einen 8-jährigen Sohn. Ich arbeite in Vollzeit als Projektleiterin in einem Software-Unternehmen. Ich habe oft großen Zeitdruck, viel Stress.
Ja, ich rauche. Eine Schachtel am Tag. Manchmal mehr. Ich habe oft versucht aufzuhören, einmal hat es geklappt für 2 Monate, das ist 5 Jahre her.
Ich nehme die Anti-Baby-Pille, keine anderen Medikamente. Ich fühlte mich gesund, war zweimal die Woche im Fitness.
Vor 2 Wochen spürte ich abends zuhause gegen 21 Uhr plötzlich so ein leichtes Unwohlsein, mir war übel, ich sah den Fernseher doppelt nebeneinander und mein rechter Arm war plötzlich so schwach, vor allem die Hand. Ich konnte die Teetasse nicht mehr richtig ansteuern und halten, auch war der Arm so komisch taub. Das hatte ich noch nie!
Mein Mann wollte unseren Hausarzt anrufen, der war aber nicht erreichbar. Dann rief er den Notarzt, der mich nach Schilderung meiner Probleme unverzüglich in die Klinik brachte.
Dort wurde der Verdacht auf einen Schlaganfall geäußert. Nach kurzer Untersuchung und Blutabnahme wurde eine Computertomographie meines Kopfes gemacht. Wie mir gesagt wurde, hat wahrscheinlich ein kleines Blutgerinnsel ein Hirngefäß verstopft.
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Also habe ich eingewilligt, dass der Versuch einer Auflösung des Blutgerinnsels unternommen wird.
Tatsächlich haben der Arzt und ich am nächsten Morgen festgestellt, dass die Doppelbilder weg waren. Auch die Schwäche im rechten Arm war besser, allerdings war die feine Beweglichkeit meiner Finger und die Sicherheit meiner Bewegungen noch sehr eingeschränkt. Ein Krankengymnast hat mit mir geübt und mir gezeigt, was ich selber machen kann.
Eine Reha habe ich abgelehnt. Nun bin seit wenigen Tagen zuhause und soll zur Physio- und Ergotherapie gehen. Meine tägliche Arbeit im Haushalt fällt mir schwer, oft sitze ich rum und grüble.
Seit meinem Schlaganfall bin ich sehr verändert. Ich weine viel, negative Gedanken treiben mich um. Ehrlich gesagt bin ich sehr abweisend und mürrisch und habe auf nichts Lust. Eine seltsame Veränderung, auch mein Mann und mein Sohn sind irritiert. Schreiben am Computer kann ich auch nicht mehr flüssig.
Kann ich jemals wieder arbeiten und wann? Werde ich wieder so wie früher? Wie komme ich wieder zu mir? Mein Mann und mein Sohn tun mir leid.
Arztbrief
Sehr geehrter Herr Kollege,
wir berichten Ihnen über Frau Julia Bergmann, geb. am 09.03.1981, die am 15.05.2019 notfallmäßig aufgenommen und auf eigenen Wunsch am 24.05.2019 nach Hause entlassen wurde.
Diagnose: Hirnstamminfarkt am 15.05.2010
Reaktiv-depressive Verstimmung
Risikofaktoren: Nikotinabusus und orale Kontrazeption (Anti-Baby-Pille)
Ursache der am Abend des 15.05.2019 akut beim Fernsehen aufgetretenen Übelkeit, nebeneinander stehenden Doppelbilder und handbetonter Parese des rechten Armes mit Hypästhesie und leichter Ataxie war ein ischämischer Infarkt im Bereich des Hirnstamms, der kernspintomographisch nachgewiesen wurde.
Die Ultraschalldiagnostik an den hirnversorgenden Arterien ergab bis auf minimale Wandverdickungen im Abgangsbereich der Arteria carotis interna beiderseits keinen Hinweis auf eine arteriosklerotische Gefäßerkrankung, auch nicht im Bereich der Vertebralarterien.
Weitere Risikofaktoren liegen nicht vor.
Nach Ausschluss einer Hirnblutung haben wir im Einvernehmen mit Frau Bergmann unter dem Verdacht auf einen thrombotischen Gefäßverschluss eine intravenöse Lyse-Therapie ohne Komplikationen durchgeführt.
Erfreulicherweise war bereits am Morgen des Folgetages eine deutliche Besserung festzustellen: Doppelbilder traten nicht mehr auf, die Schwäche und Feinbeweglichkeitsstörung der rechten Hand waren geringer ausgeprägt, auch die Unsicherheit bei zielgerichteten Bewegungen.
Im weiteren Verlauf wurde eine depressive Verstimmung mit ausgeprägten Grübeltendenzen und Antriebsminderung deutlich. Wir versuchten, zunächst ohne medikamentöse Therapie durch erklärende Gespräche, auch im Beisein des Ehemannes, die Stimmung aufzuhellen.
Wir empfehlen dringend, den Nikotinabusus einzustellen und einen anderen Weg der Kontrazeption zu diskutieren. Wichtig wäre auch eine baldige nervenärztliche Betreuung, zudem die konsequente Fortsetzung der ambulanten Physio- und Ergotherapie. Dies wurde auch mit dem Ehemann besprochen.
Die Prognose hinsichtlich einer weiteren Besserung der neurologischen Ausfälle ist günstig.
Wahrscheinlich wird Frau Bergmann in 6-8 Wochen einen Arbeitsversuch machen können.
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