Migräne: Risikofaktor für Schlaganfälle bei jungen Erwachsenen? ▷ Studie
Insbesondere bei jungen Menschen, die einen ischämischen Schlaganfall erleiden, kann die Ursache in vielen Fällen (30-50 %) nicht sicher geklärt werden.
Erhöht das Vorliegen einer Migräne also bei Menschen zwischen 18 und 49 Jahren das Risiko, einen Schlaganfall ungeklärter Ursache zu erleiden?
Die Studie
In dieser Studie1 wurden 347 junge PatientInnen mit einem Hirninfarkt unklarer Ursache („Kryptogener Schlaganfall“) mit einer identischen Anzahl von zufällig ausgewählten Menschen gleichen Alters, Geschlechts und gleicher Herkunft („matched pairs“) ohne Schlaganfall verglichen. Es wurde überprüft, ob bei SchlaganfallpatientInnen häufiger eine Migräne zu finden ist und ob und wie stark das Vorliegen einer Migräne das Schlaganfallrisiko erhöht.
Die Ergebnisse
Das Risiko eines Schlaganfalls zeigte sich bei Menschen mit Migräne mit Aura (sowohl Frauen als auch Männer) ca. 2,5 Mal erhöht, unabhängig vom Vorliegen anderer Risikofaktoren (Hypertonie, Rauchen, Übergewicht, Diabetes u.a.). Bei Vorliegen einer unkomplizierten Migräne aber war kein erhöhtes Risiko nachzuweisen.
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Bei den SchlaganfallpatientInnen wurde in ca. zwei Drittel der Fälle ein persistierendes Foramen ovale (PFO) gefunden, in der Kontrollgruppe dagegen nur in einem Drittel, besonders häufig wiesen PatientInnen mit Migräne mit Aura ein PFO auf.
Einordnung
Jüngere Menschen mit ischämischen Schlaganfällen, für die die Ursache der Erkrankung unbekannt ist, leiden deutlich häufiger an einer Migräne mit Aura als der Durchschnitt der Bevölkerung.
Dieser Zusammenhang ist aber kein ursächlicher: Die Migräne verursacht nicht direkt die Schlaganfälle.
Ein Beispiel: Blonde Menschen haben häufiger Sonnenbrand. Der Zusammenhang ist die geringere Pigmentierung der Haut, aber natürlich verursachen nicht die blonden Haare den Sonnenbrand. Der genaue Zusammenhang zwischen Migräne mit Aura und Schlaganfall ist nicht geklärt, ein Aspekt ist wahrscheinlich die Beobachtung, dass Menschen mit komplizierter Migräne auch häufiger ein PFO haben als der Durchschnitt der Bevölkerung.
Für Kopfschmerz-PatientInnen bedeutet dies:
- Kopfschmerzen an sich, auch „einfache“ Migränekopfschmerzen – wenn die Diagnose von einem Neurologen gestellt wurde – bedeuten kein erhöhtes Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden.
- Wer an Migräne mit Aura (am häufigsten sind Sehstörungen, die den Kopfschmerzen vorangehen) leidet, hat ein leicht erhöhtes Schlaganfallrisiko. Bei allerdings minimalem „Grundrisiko“ in der Altersgruppe zwischen 20 und 40 (ca. 0,002% pro Jahr!2) bedeutet eine Verdopplung immer noch ein nur minimales Risiko.
- Aber: Gerade für Menschen, die vorübergehende neurologische Symptome im Rahmen einer Migräne-Aura kennen, ist die Gefahr, bei einem Schlaganfall falsch zu reagieren und wertvolle Zeit verstreichen zu lassen („wird schon wieder weggehen“) sehr groß. Deshalb: Sofort den Notruf unter 112 wählen bei bisher unbekannten Symptomen, „Aura“-Symptomen, die länger als 15 Minuten anhalten, fehlenden Kopfschmerzen oder Auftreten von Symptomen nach oder gleichzeitig mit den Kopfschmerzen. Es kann sich um einen Schlaganfall handeln.
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- Nahrungsergänzungsmittel schützen nicht vor Schlaganfall
- Ein Ei am Tag erhöht nicht das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall
- Ausgeprägter Alkoholkonsum erhöht Risiko für Schlaganfall
- Rauchen beeinflusst die Genesung nach einem Schlaganfall
- Optimismus verbessert Genesung nach Schlaganfall
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autor
Dr. med. Thomas Staudacher ist Facharzt für Neurologie. Sein Schwerpunkt ist die Notfallbehandlung von Schlaganfällen. 20 Jahre lang leitete er eine Stroke Unit, also eine Spezialstation zur Akutbehandlung und Intensiv-Überwachung von Schlaganfall-Patienten. [mehr]
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Quellen
- Association between Migraine and Cryptogenic Ischemic Stroke in Young Adults – Autoren: Nicolas Martinez‐Majander MD Ville Artto MD, PhD Pauli Ylikotila MD Bettina von Sarnowski MD, PhD Ulrike Waje‐Andreassen MD, PhD Nilufer Yesilot MD Marialuisa Zedde MD, PhD Juha Huhtakangas MD, PhD Heikki Numminen MD, PhD Pekka Jäkälä MD, PhD Ana C. Fonseca MD, PhD Petra Redfors MD, PhD Marieke J. H. Wermer MD, PhD Alessandro Pezzini MD Jukka Putaala MD, PhD – Publikation: Annals of Neurology, Volume89, Issue2 February 2021, Pages 242-253 – DOI: 10.1002/ana.25937
- Analysis of 1008 Consecutive Patients Aged 15 to 49 With First-Ever Ischemic Stroke – Autoren: Jukka Putaala, Antti J. Metso, Tiina M. Metso, Nina Konkola, Yvonn Kraemer, Elena Haapaniemi, Markku Kaste und Turgut Tatlisumak – Publikation: Stroke. 2009;40:1195–120 – DOI: 10.1161/STROKEAHA.108.529883