Wachkoma (Apallisches Syndrom) ▷ Symptome, Ursachen, Diagnose und Behandlung
In diesem Artikel:
- Symptome
- Ursachen
- Diagnose
- Behandlung
- Welche Komplikationen können auftreten?
- Was bedeutet “Minimalbewusster Zustand”?
- Woraus entwickelt sich ein Wachkoma?
- Welche weiteren Einschränkungen des Bewusstseins gibt es?
- Was bedeutet Hirntod?
- Was bedeutet Locked-in-Syndrom?
- Herausforderungen für Angehörige und ethische Probleme
Symptome: Wie äußert sich ein Wachkoma?
Symptome des apallischen Syndroms sind:
- Betroffenen fehlt die bewusste Wahrnehmungsfähigkeit der eigenen Person und der Umwelt. Sie sind aphasisch, d.h. ohne Sprache und Sprachverständnis und apraktisch, d.h. handlungsunfähig.
- Die Kommunikation mit der Umgebung ist somit nicht möglich. Aufforderungen werden nicht befolgt, eine emotionale Beteiligung fehlt.
- Betroffene zeigen keine willkürlichen Reaktionen auf Sinnesreize wie Berührung, Schmerz, Geräusche oder Seheindrücke.
- Die Augen sind zeitweise geöffnet, teilweise mit “schwimmenden Bewegungen”, der Blick starr ins Leere gerichtet. Hierdurch entsteht der Eindruck der Wachheit. Der Schlaf-Wach-Rhythmus ist weitgehend erhalten.
- Zeitweise treten spontane, sehr langsame Bewegungen der Arme und Beine auf, auch sogenannte orale Automatismen wie Saugen, Lecken der Lippen, Schmatzen.
- Vegetative Störungen wie Erhöhung der Körpertemperatur (Hyperthermie), Beschleunigung der Frequenz des Herzschlags (Tachykardie) oder vermehrter Speichelfluss (Hypersalivation) sind festzustellen.
- Die Spontanatmung ist meistens erhalten, d.h. künstliche Beatmung ist dann nicht erforderlich.
- Die Kontrolle über das Wasserlassen und den Stuhlgang (Harn- und Stuhlinkontinenz) ist aufgehoben.
Was bedeutet “Minimalbewusster Zustand”?
Der Begriff des Minimalbewusstseins (MCS) wird auf PatientInnen angewandt, die den ersten Schritt aus dem Wachkoma vollziehen. Dieser erste Schritt bedeutet, dass die Betroffenen vor allem gegenüber Angehörigen emotionale Reaktionen zeigen, z.B. ein Lächeln beim Hören angenehmer Erinnerungen.
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Diese Reaktionen sind oft nur schwer einzuschätzen. Auf jeden Fall sind sie wiederholt zu überprüfen und ernst zu nehmen, da Fehleinschätzungen unzuverlässige Prognosen und falsche Konsequenzen für die Weiterbehandlung bedingen können. Das spiegelt auch die Rate an Fehldiagnosen wider: Bei 37-42 Prozent der Diagnosen des Wachkomas bzw. des apallischen Syndroms handelt es sich um PatientInnen, die sich im Zustand des Minimalbewusstseins befinden.3,4,5,6
Der Zustand des Wachkomas ist somit für behandelnde ÄrztInnen und PflegerInnen eine große Herausforderung und bedarf der ständigen und engen Zusammenarbeit, auch mit den Angehörigen. Sie sind emotional in höchstem Maße gefordert.
Was sind mögliche Ursachen des Wachkomas?
Für die Entstehung des Wachkomas ist vor allem eine Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff die wesentliche Ursache. Jede Schädigung des Gehirns kann zu einer Schwellung führen, dem sogenannten Hirnödem, welches als Raumforderung eine Quetschung des Gehirns in der Schädelkapsel verursacht.
Das Hirngewebe wird dann weniger bis gar nicht durchblutet und stirbt ab. Hierfür kann eine schwere Kopfverletzung bzw. ein schweres Schädel-Hirn-Trauma bei einem Autounfall, aber auch ein Herz-Kreislauf-Stillstand, Schlaganfall oder Herzinfarkt verantwortlich sein. Bei offenen Schädelverletzungen können Einflüsse von außen zu einer Hirnentzündung mit Hirnschwellung führen.
Ebenso können ausgedehnte Hirnblutungen zur Entwicklung eines Wachkomas führen. Schwere Prellungen des Gehirns können zu zahlreichen kleinen Blutungen in das Hirngewebe führen. Am häufigsten sind die vorderen Hirnbereiche betroffen, da diese bei einem Aufprall des Schädels bevorzugt geschädigt werden.
Seltene Ursachen sind entzündliche oder stoffwechselbedingte Erkrankungen des Gehirns, angeborene Fehlbildungen oder fortgeschrittene Stadien des Morbus Alzheimer als degenerative Hirnerkrankung.
Es ist also auch möglich, dass sich ein Wachkoma schleichend über einen längeren Zeitraum aus dem Zustand des vollen Bewusstseins entwickelt. Dies kann bei degenerativen Erkrankungen des Gehirns, z.B. der Alzheimer-Krankheit, der Fall sein.7
Worauf stützt sich die Diagnose Wachkoma?
Die Diagnose “apallisches Syndrom” sollte erst dann gestellt werden, wenn die Symptome – unabhängig von der Ursache – über einen Zeitraum von mindestens 4 Wochen nach dem akuten Ereignis fortbestehen.
Am wichtigsten sind die sog. “klinischen” Feststellungen. Klinisch bedeutet, dass die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchungen, meist durchgeführt von Intensivmedizinern, NeurochirurgInnen und NeurologInnen, zu einer Verdachtsdiagnose oder endgültigen Diagnose führen. Diese können dann durch die Beobachtungen und Beurteilung von Pflegekräften, Therapeuten und Angehörigen untermauert werden.
Als wichtige Hilfe für die Diagnose eines Wachkomas kann die “Koma-Erholung-Skala” (Coma recovery scale) herangezogen werden.12,13
Diese Skala wird von den behandelnden ÄrztInnen angewandt und beinhaltet folgende Aspekte:
- Die Hörfunktion: Wird auf akustische Aufforderung eine Bewegung durchgeführt, kann ein Geräusch lokalisiert werden, ist ein Schreckreflex nach einem Geräusch vorhanden oder sind keine Reaktionen erkennbar?
- Die Sehfunktion: Werden Objekte erkannt und kann nach diesen gegriffen werden, können Blickfolgebewegungen durchgeführt werden, kann der Blick Objekte fixieren, kann ein visueller Schreckreflex ausgelöst werden oder sind keine Reaktionen festzustellen?
- Die motorischen Funktionen: Können Objekte funktionell richtig benutzt werden (z. B. eine Zahn- oder Haarbürste), können Gesten durchgeführt werden (z. B. Winken), können Schmerzreize lokalisiert werden, wird auf Schmerzreize adäquat reagiert oder erfolgt keine Reaktion?
- Die Mundbewegungen und Sprechfunktionen: Beantwortung von Fragen: Wie ist ihr Name? Wo wohnen Sie? Wie nennt man dieses Objekt?
- Die Kommunikation: Können sechs Fragen bezüglich der Orientierung adäquat beantwortet werden oder nicht?
- Die Wachheit: Aufmerksamkeit, offene Augen oder offene Augen nur unter Schmerz/Berührungsreiz?
Zudem können apparative Untersuchungen, wie die Ableitung der Hirnströme (Elektroenzephalographie, EEG), die Computer- oder Kernspintomographie (CT und MRT) und Untersuchungen des Hirnstoffwechsels diagnostisch herangezogen werden.
Woraus entwickelt sich ein Wachkoma?
Meistens haben PatientInnen zunächst den Bewusstseinszustand “Koma”.
Das Koma gehört zu den häufigsten Problemen in der Medizin. Es ist die schwerste Form einer Bewusstseinsstörung. Die Betroffenen sind in einem schlaf-ähnlichen Zustand mit geschlossenen Augen und zeigen selbst bei extremen Schmerzreizen keine Reaktion.1
Künstlich wird ein Mensch durch eine Vollnarkose “in’s Koma versetzt”.
Das krankhaft bedingt Koma kann nach unterschiedlich langer Zeit in ein Wachkoma übergehen.
Unterschieden werden das persistierende Wachkoma, welches noch einen Monat nach der Hirnschädigung vorliegt, aber den Verlauf in Richtung einer Verbesserung des Bewusstseins nehmen kann.
Das permanente Wachkoma bedeutet, dass auch sechs Monate nach einer nicht traumatischen Hirnschädigung und einem Jahr nach einer traumatischen Hirnschädigung keine Veränderung des Bewusstseins feststellbar ist.8,9
Der Zustand des Patienten im permanenten Wachkoma sollte allerdings weiterhin kontinuierlich überprüft werden, da auch minimale Reaktionen die Prognose und die weitere Behandlung beeinflussen.10
Die nächste Stufe einer Besserung der Bewusstseinsstörung ist der oben beschriebene “Minimalbewusste Zustand”.11,12
Welche weiteren Einschränkungen des Bewusstseins gibt es?
Die verschiedenen Zustände reduzierter Wachheit und Reaktionsfähigkeit sind durch fließende Übergänge gekennzeichnet. Sie werden in der Medizin zur besseren Einordnung und Beschreibung nach der Schwere der Bewusstseinsstörung mit folgenden Begriffen belegt:
- Koma
- Wachkoma bzw. apallisches Syndrom
- Minimalbewusster Zustand
- Sopor (“tiefer Schlaf”), in dem der “schlafende” Patient nur auf starke Schmerzreize, lautes Anschreien oder grelles Licht reagiert, meist durch gezielte oder ungezielte Abwehrbewegungen.
- Somnolenz ähnelt einem leichten Schlaf, aus dem der Betroffene durch Ansprache oder leichte Schmerzreize erweckbar ist und für einige Zeit wach bleibt.
- Ungestörtes Bewusstsein
Was bedeutet Hirntod?
Der Begriff “Hirntod” kam erst auf, als es der Intensivmedizin möglich wurde, Menschen mit schwerer Bewusstseinsstörung zu beatmen.
Hirntod bedeutet, dass das Gehirn abgestorben ist, während durch die künstliche Beatmung die Herzfunktion und damit die Durchblutung der übrigen Organe des Körpers aufrechterhalten bleiben. Der Körper und auch das Gesicht bleiben also durchblutet.
Ursache eines Hirntodes ist ein zumindest Stunden anhaltender Stillstand der Hirndurchblutung durch unterschiedliche, meist verletzungsbedingte (traumatische) Hirnschädigungen, z.B. nach einem Unfall mit schwerer Schädel-Hirn-Verletzung.
Im Gegensatz zum Wachkoma bzw. apallischen Syndrom wird der Hirntod nach medizinischer, theologischer und juristischer Beurteilung mit dem Tod des betroffenen Menschen gleichgesetzt. Die sichere Feststellung des Hirntodes ist somit eine schwerwiegende und auch ethisch sehr anspruchsvolle Herausforderung.
Hierfür existieren strenge Richtlinien. Ist der Hirntod mit Sicherheit nachgewiesen, kann die Beatmung beendet werden, der Sauerstoffmangel führt dann zum Herzstillstand.
Dieses Vorgehen ist für alle Betroffenen, vor allem die Angehörigen, das Pflegepersonal und auch für die beteiligten ÄrztInnen eine schwere seelische Belastung.
Der Hirntod spielt für die Transplantationsmedizin eine wesentliche Rolle, da vor Beendigung der Beatmung durchblutete, “lebende” Organe wie das Herz, Nieren u.a. entnommen werden können. Diese Spenderorgane können dann einem Empfänger zu dessen Weiterleben eingesetzt werden. Diese Hoffnung ist ein wesentlicher Antrieb bzw. Trost für alle Betroffenen, die mit der Problematik des Hirntodes konfrontiert werden.
Bei Vorliegen eines apallischen Syndroms ist eine Organentnahme keinesfalls erlaubt.3,4
Was bedeutet Locked-in-Syndrom?
Das Locked-in-Syndrom (LiS) ist im Gegensatz zum apallischen Syndrom keine Bewusstseinsstörung. Während beim apallischen Syndrom das Großhirn schwer geschädigt ist und Hirnstamm-Funktionen erhalten sind, ist es beim LiS genau umgekehrt. Hier liegt eine schwere Schädigung des Hirnstamms bei erhaltener Funktion des Großhirns vor.
Die Betroffenen sind, bildhaft gesprochen, bei vollem Bewusstsein in ihrem Körper “eingesperrt” (englisch: Locked in). Sie sind wach, aber unfähig zu Bewegungen der Gliedmassen und des Gesichts. Allein die Augenbewegung nach oben und unten ist möglich und wird zur Kommunikation mit der Außenwelt eingesetzt.
Behandlung des Wachkomas
Die Therapie des Wachkomas ist eine interdisziplinäre Aufgabe. Nicht nur die Pflege durch das Personal auf Intensivstationen oder in speziellen Einrichtungen, den Apalliker-Stationen, ist höchst anspruchsvoll. Auch die Betreuung durch TherapeutInnen z.B. für Physiotherapie und durch Angehörige hat große Bedeutung.
Das medikamentöse Behandlungsziel ist die Steigerung der Wachheit und des Bewusstseins. In späteren Stadien soll das Gedächtnis unterstützt werden. Hierzu können Stimulanzien oder auch Antidepressiva verwendet werden.
Studien dazu haben gezeigt, dass einige PatientInnen durch Zufuhr von Levodopa, ein Medikament zur Behandlung des Morbus Parkinson, mit einer Verbesserung des Bewusstseins reagieren.12,13
Prognose des Wachkomas
Die Prognose, d.h. die Zukunftsaussichten, wie sich ein Wachkoma in einen verbesserten Bewusstseinszustand entwickelt, ist von zahlreichen Faktoren abhängig. Dazu zählen das Alter des Betroffenen, der Mechanismus der Hirnverletzung, die Dauer der Sauerstoffunterversorgung und auch die Effektivität der medizinisch-pflegerischen Versorgung.
Es wird angenommen, dass zwölf Monate nach einer traumatischen und drei Monate nach einer nicht traumatischen Hirnschädigung durch eine Sauerstoffunterversorgung die Chancen relativ gering sind, das Bewusstsein wiederzuerlangen.10
Andere Studien geben Hinweise darauf, dass 10 Prozent aller PatientInnen ein Minimalbewusstsein und weitere 14 Prozent sogar den Zustand eines reduzierten Bewusstseins erreichen. Diese Entwicklung kann allerdings über mehrere Jahre andauern.14,15
Die Prognose eines Wachkomas, welches nicht durch eine unfallbedingte Schädel-Hirn-Verletzung entstanden ist, ist deutlich schlechter. Hier können nur rund 7 Prozent eine höhere Bewusstseinsstufe erlangen.10,16
Das Alter scheint eine entscheidende Rolle zu spielen. Jüngere PatientInnen weisen deutlich günstigere Verläufe auf. Als jung gelten PatientInnen mit einem Durchschnittsalter von 32 Jahren. Trotz der besseren Prognose für jüngere PatientInnen sind alle Betroffenen nach einem Wachkoma deutlich in ihrer Alltagsfunktion eingeschränkt und dadurch meistens auf dauerhafte Pflege angewiesen15
Es wurde auch gezeigt, dass elektrophysiologische Untersuchungen, wie z.B. die Ableitung der sogenannten somatosensibel evozierten Potentiale (SEP) keine sichere Vorhersage einer Prognose zulassen.17,18
Studien aus Deutschland zeigen, dass auch nach dem 1-Jahres-Zeitfenster das Bewusstsein wiedererlangt werden kann. Allerdings lassen apparative Untersuchungen während der komatösen Zeit nur schwerlich eine genaue Prognose zu.17,18
Mithilfe von sehr aufwendigen Untersuchungen des Hirnstoffwechsels (FDG-PET) scheint es jedoch möglich zu sein, den Verlauf von fast drei Viertel aller Patienten korrekt vorherzusagen.19
Der Zeitpunkt, ab wann also das Wiedererlangen des Bewusstseins immer unwahrscheinlicher wird, lässt sich nicht pauschal vorhersagen.
Der Körper von Menschen im Wachkoma hat meist Monate bis Jahre in einem Zustand der reaktions- und willenlosen “Wachheit” verbracht. Das Wiedererlangen des Bewusstseins kann als erstes Ziel der Behandlung angesehen werden. Die Betroffenen sind meist jedoch schwerst körperlich behindert und stetig auf Hilfe angewiesen.
Welche Komplikationen können auftreten?
Wachkoma-PatientInnen können zahlreiche Komplikationen erleiden. Es kann vorkommen, dass der Druck in der Harnblase deutlich höher als normal ist, da die Betroffenen keine Kontrolle über die Entleerung haben. Eine dauerhafte Erhöhung dieses Drucks kann auch zur Schädigung der Niere führen. Nicht selten, in 38 Prozent der Fälle, leiden Betroffene auch unter Harnwegsentzündungen.13,14
Durch die Hirnschädigung und die daraus resultierende Minderbewegung der Extremitäten kommt es zur Steifheit der Gliedmaßen und zum Abbau von Muskulatur.
Krampfanfälle treten bei der Hälfte aller Wachkoma-Patientinnen auf. Die Anfälle können zeitnah nach einem Unfall oder auch später auftreten.
Die weitaus häufigste Komplikation mit bis zu zwei Dritteln aller Betroffenen ist die Ausdehnung der mit Nervenwasser (Liquor) gefüllten Hirninnenräume. Es entwickelt sich ein sogenanntes Hydrocephalus, der zu Verdrängung von Hirngewebe führen kann.
Therapeutisch wird dann versucht, die Flüssigkeit nach außen abzuleiten, um dem Gehirn den notwendigen Platz zu ermöglichen und keine weiteren Schäden zu provozieren.
PatientInnen im Wachkoma können eine normale Atmung aufweisen, häufig aber kommt es zu einer abnormalen, unregelmäßigen Atmung oder zur Erhöhung der Atemfrequenz (Hyperventilation). Durch die künstliche Beatmung und die hierzu notwendige Intubation ist das Risiko für Atemwegs- und Lungeninfektionen erhöht.
Unter Intubation versteht man, dass ein Schlauch durch den Mund und Rachen in die Luftröhre vorgeschoben wird. Dieses Vorgehen wird auch für die Vollnarkose während einer Operation praktiziert. Bei Wachkoma-PatientInnen kann durch die Beatmung die Atmung kontrolliert aufrechterhalten werden, damit der Körper ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird.20,21
Die zum Wachkoma führende Schädigung des Gehirns geht auch mit Komplikationen des Herz-Kreislauf-Systems einher. Häufig stellt sich ein erhöhter Blutdruck ein, bei dem der erste Messwert, also der systolische Blutdruck, erhöht ist und bei Werten über 160 mmHg liegt.
Herausforderungen für Angehörige und ethische Probleme
PatientInnen im Wachkoma sind bewegungs- und willenlos. Sie sind nicht in der Lage, ihre Interessen und Wünsche zu äußern. Eine Kommunikation ist nicht möglich. Diese Situation ist eine schwere seelische Belastung für die Angehörigen.
Wie sollen sich Mediziner und Angehörige verhalten, wenn der Patient im Wachkoma nicht selbstbestimmt über sein Leben entscheiden kann?
Intensivmedizinische Maßnahmen werden vollumfänglich immer dann durchgeführt, wenn bei sorgfältiger Bewertung des Alters, der Ursache der Hirnschädigung, der diagnostischen Befunde und der Dauer des apallischen Syndroms zu erwarten ist, dass eine hinnehmbare Lebensqualität erreicht werden kann. Die Beurteilung der Lebensqualität eines bewusstseinsgestörten oder behinderten Menschen ist allerdings auch für Angehörige nicht möglich. Daraus entsteht ein schwerer Konflikt.
Bei ungünstiger Prognose sind die Angehörigen in eingehenden Gesprächen entsprechend aufzuklären und es ist mit ihnen zu vereinbaren, dass therapiebegrenzend Maßnahmen wie Wiederbelebung (Reanimation), Beatmung oder “Nierenwäsche” (Dialyse), eine Thromboseprophylaxe oder antibiotische Therapie nicht durchgeführt werden. Die Behandlung beschränkt sich dann auf die Pflege und ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit und Nahrung, was auch aus juristischer Sicht eine zwingende Vorschrift ist.
PatientInnen im Wachkoma erleben ihren Leidenszustand mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht bewusst. Dies ist Angehörigen oft nur schwer zu vermitteln, da die Betroffenen zeitweise als wach wahrgenommen werden, ihr Gesicht verziehen oder unwillkürliche Bewegungen auftreten können. Sehr problematisch wird es dann, wenn bei irreversiblen Wachkoma die Frage auftaucht, ob die Behandlung beendet werden soll.
In Deutschland wird im Gegensatz zu anderen Ländern (z.B. England, USA, Niederlande) ein Flüssigkeits- und Nahrungsentzug als strafbare Verletzung der Menschenwürde angesehen. Auch der dokumentierte Wunsch des Betroffenen durch eine Patientenverfügung auf Einstellung aller lebenserhaltender Maßnahmen darf nicht berücksichtigt werden. Bei Entscheidungen zur Therapiebegrenzung ist aber der zuvor i.R. einer Patientenverfügung geäußerte oder mutmaßliche Wille des Betroffenen zu berücksichtigen.
Die ethischen Probleme im Umgang mit PatientInnen im Wachkoma werden sehr emotional und kontrovers diskutiert.
Allerdings besteht Einigkeit darüber, dass apallische PatientInnen lebende Menschen und als solche behandelt werden müssen.22
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autoren
unter Mitarbeit von stud. med. Nina Siegmar
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
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- Persistent Vegetative State and Minimally Conscious State – Autoren: Bender, Andreas, Ralf J Jox, Eva Grill, Andreas Straube, and Dorothée Lulé – Publikation: Deutsches Ärzteblatt International, 112.14 (2015), 235–42 – DOI: 10.3238/arztebl.2015.0235
- Persistent Vegetative State and Minimally Conscious State: A Systematic Review and Meta-Analysis of Diagnostic Procedures – Autoren: Bender, Andreas, Ralf J. Jox, Eva Grill, Andreas Straube und Dorothée Lulé – Publikation: Deutsches Arzteblatt International, 112.14 (2015), 235–42 – DOI: 10.3238/arztebl.2015.0235
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- Diagnostic Precision of PET Imaging and Functional MRI in Disorders of Consciousness: A Clinical Validation Study – Autoren: Stender, Johan, Olivia Gosseries, Marie-Aurélie Bruno, Vanessa Charland-Verville, Audrey Vanhaudenhuyse, Athena Demertzi et al. – Publikation: Lancet (London, England), 384.9942 (2014), 514–22 – DOI: 10.1016/S0140-6736(14)60042-8
- Life Can Be Worth Living in Locked-in Syndrome – Autoren: Lulé, D., C. Zickler, S. Häcker, M. A. Bruno, A. Demertzi, F. Pellas et al. – Publikation: Progress in Brain Research, 177 (2009), 339–51 – DOI: 10.1016/S0079-6123(09)17723-3
- Medical Aspects of the Persistent Vegetative State – Publikation: New England Journal of Medicine, 330.22 (1994), 1572–79 – DOI: 10.1056/NEJM199406023302206
- Neuropathological Findings in the Brain of Karen Ann Quinlan. The Role of the Thalamus in the Persistent Vegetative State – Autoren: Kinney, H. C., J. Korein, A. Panigrahy, P. Dikkes, und R. Goode – Publikation: The New England Journal of Medicine, 330.21 (1994), 1469–75 – DOI: 10.1056/NEJM199405263302101
- Das apallische Syndrom: Diagnose, Prognose und ethische Probleme – Autoren: Nacimiento, Wilhelm – Publikation: Dtsch Arztebl 94 (1997), A 661