Apraxie ▷ Formen, Symptome und Therapie
In diesem Artikel:
- Was ist eine Apraxie?
- Ursachen
- Symptome und Formen
- Diagnose
- Behandlung
- Wie können Angehörige und Freunde helfen?
- Prognose
Das Wichtigste in Kürze:
- Apraxie ist ein neurologisches Symptom, bei dem Betroffene trotz intakter motorischer Fähigkeiten unfähig sind, zielgerichtete Bewegungen auszuführen
- Dieses Symptom kann durch verschiedene Ursachen ausgelöst werden, z.B. durch einen Schlaganfall oder andere neurologische Erkrankungen.
- Es gibt verschiedene Apraxie-Formen, die sich unterschiedlich äußern.
- Physiotherapie, Ergotherapie sowie Logopädie können dabei helfen, die Defizite der Betroffenen zu reduzieren und ihre Fähigkeiten zu verbessern.
Was bedeutet Apraxie?
Unter Apraxie versteht man eine neurologische Störung, die meist beide Körperhälften betrifft.
Patienten, die unter Apraxie leiden, weisen motorische Probleme auf, bewusst zielgerichtete Bewegungen auszuführen. Bei den Betroffenen liegen jedoch keine motorischen oder sensorischen Defizite vor. Auch das Gedächtnis bzw. das Verständnis der Patienten ist nicht beeinträchtigt.
Was sind die Ursachen für eine Apraxie?1
Eine Apraxie wird oft durch Schädigungen der sprachdominanten Hirnhälfte verursacht. Für diese Schädigungen ist oft ein linksseitiger oder aber auch ein beidseitiger Schlaganfall verantwortlich. Oft liegen die Schädigungen im Parietallappen (=Scheitellappen) oder in den Nervenbahnen, in denen sich die Erinnerungen an Bewegungsabläufe befinden und abgespeichert wurden.
Weitere Ursachen, die zur Entstehung einer Apraxie führen können, sind u.a.:
- Hirntumore
- Demenz
- Alkoholmissbrauch
- chronisch-entzündliche Erkrankungen wie Multiple Sklerose
- akut-entzündliche Erkrankungen, wie z.B. eine Enzephalitis
- Kopfverletzungen
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Welche Symptome kann eine Apraxie auslösen und welche Apraxie–Formen gibt es?2
Je nach Form der Apraxie kann es zu unterschiedlichen Symptomen kommen:
Ideomotorische Apraxie
Bei der ideomotorischen Apraxie z.B. liegt eine Störung in der Umsetzung eines Bewegungsplans vor. Auch symbolische Handlungen wie z.B. Winken, Grüßen oder Nachmachen von Bewegungen können nicht ausgeführt werden. Einzelbewegungen werden oft in falscher Reihenfolge durchgeführt, wobei die Fehler verstärkt werden, wenn Betroffene versuchen, diese zu korrigieren (=Parapraxien). Erfolgen die Bewegungen jedoch unbewusst, gelingen sie meist fehlerfrei.
Gesichts- und Gliedmaßenapraxie
Eine Unterform der ideomotorischen Apraxie ist die Gesichts- und Gliedmaßenapraxie. Bei der Gesichtsapraxie (=bukkofaziale Apraxie) sind die Patienten unfähig, auf Aufforderung Bewegungen mit dem Gesicht und den Lippen auszuführen. Beispielsweise können sie nicht die Nase rümpfen oder die Zunge herausstrecken. Die Gliedmaßenapraxie äußert sich dadurch, dass zielgerichtete Bewegungen mit bestimmten Gliedmaßen, wie z.B. einem Finger, einem Arm oder Bein, nicht mehr möglich sind.
Ideatorische Apraxie
Eine weitere Form ist die ideatorische Apraxie, die durch eine Störung des Bewegungsentwurfs charakterisiert ist. Das bedeutet, dass Betroffene sich bestimmte, insbesondere komplizierte Bewegungsabläufe nicht mehr vorstellen können. Dadurch kommt es zu Problemen bei der Planung und der Umsetzung der Abläufe. Patienten schaffen es z.B. nicht, Kaffee zu kochen, sich Wasser einzuschenken, ein Brötchen zu bestreichen oder Körperpflege zu betreiben.
Okulomotorische Apraxie
Von der okulomotorischen Apraxie sind die Augen betroffen. Patienten mit dieser Apraxie–Form können auf Aufforderung keine Augenbewegungen ausführen bzw. haben große Schwierigkeiten darin, zu fixieren. Diese
Form der Apraxie ist zumeist angeboren.
Verbale Apraxie
Bei der verbalen Apraxie, auch Sprech–Apraxie genannt, gelingt es den Patienten nicht, die für das Sprechen erforderlichen Bewegungsabläufe zu planen und umzusetzen. So können sie u.a. keine Laute erzeugen oder Sprachrhythmen verstehen. Diese Form ist oft mit einer Aphasie verbunden.
Eine Aphasie ist eine Sprachstörung, bei der Betroffene Schwierigkeiten darin haben, sich zu äußern und das Gesagte von anderen Menschen zu verstehen. Auch das Lesen und das Schreiben sind von der Aphasie betroffen. In ihren geistigen und intellektuellen Fähigkeiten sind die Patienten jedoch nicht eingeschränkt.
Eine Apraxie beeinträchtigt das Leben der Patienten sehr stark, da sie keine einfachen und alltäglichen Tätigkeiten mehr ausführen können.
Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass hinter diesen Symptomen weder motorische noch sensorische Defizite stecken. Auch ist eine Apraxie nicht auf Ungeschicklichkeit oder fehlende Motivation zurückzuführen. Betroffenen wird oft nicht bewusst, dass sie ein Problem haben.
Wie wird eine Apraxie diagnostiziert?3
Bei der Diagnose einer Apraxie ist die Anamnese von großer Bedeutung. Unter Anamnese versteht man das Gespräch zwischen Arzt und Patient, bei dem die Vorgeschichte des Patienten erfasst wird. Bereits durch eine ausführliche Anamnese kann ein Verdacht auf Apraxie gestellt werden.
Ist der Patient aufgrund einer verbalen Apraxie oder einer Aphasie nicht in der Lage, Informationen zu seinem Zustand zu geben, kann der Arzt u.a. mit den Angehörigen in Kontakt treten und über diese versuchen, Auskünfte zur Situation des Patienten zu bekommen. Verschiedene körperliche Untersuchungen und Tests können Aufschlüsse darüber geben, ob motorische und sensorische Fähigkeiten intakt sind.
Der Arzt kann z.B. den Betroffenen dazu auffordern, einfache Gesten nachzumachen. Gelingt es ihm nicht, kann das auf eine Apraxie hindeuten. Des Weiteren wird der Arzt untersuchen wollen, ob der Betroffene mit alltäglichen Gegenständen zurechtkommt. Er könnte ihn beispielsweise darum bitten, eine Brille aufzusetzen oder mit einer Schere etwas zu schneiden.
Mithilfe unterschiedlicher Tests kann der Arzt andere Ursachen wie z.B. Muskelschwäche oder andere Muskel- bzw. Gelenkprobleme, für die Beschwerden des Patienten, ausschließen. Standardisierte Tests aus der Neuropsychologie können helfen, die Hirnfunktionen des Betroffenen zu überprüfen. Besteht der Verdacht, dass ein Hirnschaden für die Probleme verantwortlich ist, kann eine CT–oder MRT–Untersuchung durchgeführt werden, um mehr über die Ursache der Schädigung herauszufinden.
Geht der Arzt von bukkofaszialer Apraxie aus, wird er z.B. sehen wollen, ob der Patient in der Lage ist, die Zunge rauszustrecken, die Lippen zu bewegen oder mit der Nase zu rümpfen, da diese einfachen Bewegungen bei dieser Apraxie–Form nicht ausgeführt werden können.
Wie kann Apraxie behandelt werden?
Es gibt keine spezielle Therapie zur Behandlung von Apraxie. Sie richtet sich vielmehr nach der Ursache und den Beschwerden der Betroffenen.
Beeinflusst die Erkrankung den Alltag der Patienten sehr stark, kann Ergotherapie dabei helfen, etwas Linderung zu schaffen. Dafür wird eine an die individuellen Fähigkeiten und Beschwerden der Patienten angepasste physio- und ergotherapeutische Behandlung konzipiert. Mithilfe dieser Behandlungsmethode ist es möglich, die Einschränkungen des Betroffenen zu reduzieren und seine Bewegungsmuster zu verbessern.
Es wird vor allem Wert auf die Ausführung von Bewegungen gelegt, die für den Alltag des Patienten erforderlich sind und die seinen Bedürfnissen entsprechen.
Zeigt der Patient während der Therapie große Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Handlungen, müssen diese in ihre Einzelschritte zerlegt und intensiv trainiert werden. Wenn es ihm dann gelingt, die Einzelschritte fehlerfrei durchzuführen, können sie wieder zusammengesetzt werden.
Die Ergotherapie ist auch für die Anpassung der Umgebung des Patienten an seine Einschränkungen, z.B. durch Anschaffung von Hilfsmitteln, zuständig. So wird ihm eine leichtere Bewältigung der alltäglichen Aufgaben und mehr Selbstständigkeit bzw. Unabhängigkeit ermöglicht.4
Da einige Betroffene unter einer verbalen Apraxie leiden, die oft mit einer Aphasie verbunden ist, kann Logopädie durch verschiedene Übungen u.a. dabei helfen, die Laut–und Wortbildung sowie die Koordination im Mundraum zu verbessern.
Wie können Angehörige und Freunde helfen?
Sie als Angehöriger oder Freund eines Apraxie–Patienten sollten mit Freundlichkeit auf den Betroffenen eingehen und versuchen, die fehlerhaften Bewegungsabläufe richtig zu deuten. Bei Menschen mit Apraxie kommt es bei der Durchführung von Handlungen oft zu Fehlern.
Sie sollten auf jeden Fall darauf verzichten, Späße über die Unfähigkeit des Betroffenen zu machen, einfachste Bewegungen auszuführen. Wichtig ist, dass Sie den Betroffenen trotz seiner „Fehler“ immer ernst nehmen, da ihm seine Defizite bewusst sind.
Diese Erkenntnis kann den Selbstwert des Patienten negativ beeinflussen. Viele Betroffene schämen sich dafür, nicht einmal mehr einfache alltägliche Bewegungen durchführen zu können. Deshalb ist das Verhalten der Umgebung gegenüber dem Patienten umso wichtiger.
Achten Sie darauf, stets mit Ruhe und Geduld dem Betroffenen gegenüberzutreten und ihn liebevoll und mit Respekt zu behandeln. Mit Ihrem Verhalten können Sie dazu beitragen, dass es dem Betroffenen leichter fällt, seine Einschränkung zu akzeptieren und damit zu leben.
Prognose
Die Prognose für Apraxie-Betroffene fällt unterschiedlich aus.
Es gibt Patienten, bei denen die Behandlung, bestehend aus Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie, sehr gut anschlägt und die bereits nach kurzer Zeit große Besserungen erzielen.
Dann gibt es jedoch auch Betroffene, die stark unter den Einschränkungen der Erkrankung leiden. In den meisten Fällen verlieren die Patienten zudem größtenteils ihre Unabhängigkeit und bleiben immer auf die Hilfe und Unterstützung von Anderen angewiesen.
Leider gibt es bisher auch keine Medikamente, die sich bei dieser Erkrankung als wirkungsvoll erwiesen haben. Außerdem hängt die Prognose auch immer von der Ursache und dem Ausmaß der Schädigung ab. Steckt hinter den Beschwerden des Patienten eine Ursache, die sich behandeln lässt, kann von einer Genesung ausgegangen werden.
Meist sind jedoch irreversible Schädigungen für die Erkrankung verantwortlich, die eine vollständige Genesung unmöglich machen.
Sie haben eine Frage zur Apraxie? Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen und Angehörigen in unserem Forum aus.
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autorin
unter Mitarbeit von stud. med. Sedef Kuecuekuncular
Dr. med. Christina Rückert ist Fachärztin für Neurologie und Geriatrie und arbeitete mehr als 10 Jahre als Oberärztin an der Oberschwabenklinik in Ravensburg. Ihre berufliche Tätigkeit beinhaltete auch die stellvertretende ärztliche Leitung der Zentralen Notaufnahme. Seit Juli 2021 ist sie gemeinsam mit ihrem Mann – ebenfalls Facharzt für Neurologie – in eigener Praxis in Rothenburg ob der Tauber niedergelassen. Ein Schwerpunkt ihrer ambulanten Tätigkeit ist die Nachsorge von Patienten nach einem Schlaganfall. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- „Apraxia – NORD (National Organization for Rare Disorders)“ – URL: https://rarediseases.org/rare-diseases/apraxia/
- „Apraxia Information Page – National Institute of Neurological Disorders and Stroke“ – URL: https://www.ninds.nih.gov/Disorders/All-Disorders/Apraxia-Information-Page
- „Apraxia – Neurologic Disorders – MSD Manual Professional Edition“ – URL: https://www.msdmanuals.com/professional/neurologic-disorders/function-and-dysfunction-of-the-cerebral-lobes/apraxia
- „Apraxia: Definition, causes, symptoms, and treatment“ – URL: https://www.medicalnewstoday.com/articles/326768