Was sind die Ursachen eines Schlaganfalls? ▷ Ätiologie
In diesem Artikel:
- Hauptursachen eines Schlaganfalls
- Seltene Ursachen für einen Schlaganfall
- Schlaganfall ohne klare Ursache
Hauptursachen eines Schlaganfalls
Stenosen und Verschlüsse der hirnversorgenden Arterien1
Eine Verengung oder ein Verschluss von hirnversorgenden Halsschlagadern, den Karotiden und Vertebralarterien verursachen etwa 30 Prozent der ischämischen Schlaganfälle. Die in überwiegender Mehrzahl arteriosklerotisch bedingten, umschriebenen Verdickungen der Gefäßwände können durch die gefahrlose bzw. nichtinvasive Ultraschalluntersuchung festgestellt werden.
Es handelt sich um die Doppler-und Duplexsonographie.2 Mit diesen Untersuchungen gelingt es, die Arterien und Venen vor allem im Halsbereich im Ultraschallbild darzustellen und die Geschwindigkeit der Blutströmung zu bestimmen. Ein großer Vorteil ist, dass diese Untersuchung beliebig häufig durchgeführt werden kann. Sie eignet sich daher besonders für Verlaufsuntersuchungen, auch vor und nach einem Eingriff zur Beseitigung einer Stenose.
Wenn die Wand einer Stenose nach innen aufbricht, kann an dieser Stelle ein Blutgerinnsel entstehen, welches zum Verschluss führt. Häufiger ist allerdings, dass das Blutgerinnsel vom Blutstrom mitgerissen wird und als Thrombo-Embolie in den Hirnkreislauf gelangt.
Da sich etwa gleich häufig an den vorderen und hinteren Hirnarterien arteriosklerotische Veränderungen, sog. Plaques bilden, ist die Ultraschalldiagnostik an allen untersuchbaren Abschnitten im Halsbereich und im Schädelinneren (transkranielle Doppler-und Duplexsonographie) durchzuführen.
Vorhofflimmern
Die Herzrhythmus-Erkrankung Vorhofflimmern tritt bei etwa einem Drittel der Betroffenen ohne Symptome auf und ist für ca. 20 – 30 Prozent der ischämischen Schlaganfälle (Hirninfarkte) verantwortlich.1
Es ist leicht, mit dem Elektrokardiogramm (EKG) ein ständiges bzw. permanentes Vorhofflimmern nachzuweisen und dann zu behandeln. Da es häufig aber unbemerkt nur über Minuten oder wenige Stunden bzw. intermittierend anhält, fällt der Nachweis schwer. Dann sind wiederholte Langzeit-EKG-Untersuchungen oder der Einsatz eines sog. Event-Recorders notwendig.
Zerebrale Mikroangiopathie
Wenn sich ein von einer kaliberkräftigen Hirnarterie entspringender dünner, in das Hirngewebe eindringender Gefäßast arteriosklerotisch verschließt oder thromboembolisch verstopft wird, ist ein mikroangiopathischer Schlaganfall oder genauer ein mikroangiopathischer Hirninfarkt die Folge.
Sie machen ca. 20 Prozent aller ischämischer Schlaganfälle aus.
Dissektion hirnversorgender Arterien
Als Dissektion wird ein Einriss der inneren Arterienwand mit Blutung zwischen die Wandschichten bezeichnet. Hierdurch kommt es zu einer Gefäßeinengung (Stenose), auch zur Bildung von Blutgerinnseln. Diese können mit dem Blutstrom abgerissen und dann als Embolus eine größere oder kleinere Hirnarterie verschließen.
Dissektionen sind selten, aber die häufigste Ursache von ischämischen Schlaganfällen bei Menschen im Alter unter 60 Jahren. Die Ursache ist zu 90 Prozent nicht erkennbar, man spricht dann von einer spontanen Dissektion. Es kann aber auch eine gravierende stumpfe Verletzung im Halsbereich verantwortlich sein, beispielsweise ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule oder Einrenkmanöver.
Betroffen ist häufiger die vordere Halsschlagader (Karotis) als die hintere (Vertebralis). In der Altersklasse unter 60 Jahren machen sie etwa 20 Prozent der ischämischen Schlaganfälle aus.
Ursachen für eine intrazerebrale Blutung (Hirnblutung, Hämorrhagie)
Unter einer intrazerebraler Blutung werden alle Blutungen verstanden, die in der Hirnsubstanz lokalisiert sind. Die häufigsten Ursachen von Hirnblutungen, verantwortlich für ca.10 Prozent aller Schlaganfälle sind
- exzessiver Bluthochdruck mit sog. hypertensiver Blutung durch ein geplatztes Hirngefäß
- hämorrhagische Umwandlung eines ischämischen Hirninfarkts
- Amyloidangiopathie, eine Hirngefäßerkrankung durch die Ablagerung des Eiweiß – – Abbauprodukts Amyloid in vielen “kleinen” Hirnarterien
- Blutung aus einer Hirnmetastase
- Blutung aus einer Gefäßmissbildung, z.B. Angiom oder Kavernom
- Störungen der Blutgerinnung
Ursachen für eine extrazerebrale Blutung
Extrazerebrale Blutungen sind zwar im Schädelinneren gelegen, sie betreffen aber nicht direkt das Gehirn.
Sie befinden sich in dem Raum zwischen der inneren und mittleren Hirnhaut als Subduralhämatom. Oder als Blutung in dem Raum zwischen der harten Hirnhaut und dem Schädelknochen als Epiduralhämatom.
Sie entstehen meist nach einer Schädelverletzung. Andere extrazerebrale Blutungen sind die Subarachnoidalblutungen in den von Nervenwasser gefüllten Raum zwischen der mittleren und inneren Hirnhaut, meistens verursacht durch ein Aneurysma.
Darunter versteht man eine dünnwandige Ausstülpung eines Gefäßes, welche einreißen oder platzen kann. Meist sind Aneurysmen angeboren. Sie können aber auch in höherem Alter durch eine Schwächung der Gefäßwand z.B. durch Ablagerungen entstehen. Wenn ein Aneurysma im “Normalzustand” vorliegt, sind meistens keine Symptome vorhanden.
Seltene Ursachen für einen Schlaganfall
- Blutkrankheiten mit erhöhter Gerinnbarkeit des Blutes, d.h. hierdurch erhöhter Neigung zur Bildung von Thromben
- Sinusvenenthrombose, der spontane oder entzündlich verursachte Verschluss einer oder mehrerer der großen Blut ableitenden Hirnvenen mit Rückstau von Blut und hierdurch bedingtem Duchblutungsstopp in der vorgelagerten Hirnregion
- Fibromuskuläre Dysplasie, eine ursächlich nicht geklärte, nicht-entzündliche und nicht-arteriosklerotische Verdickung der Innenwand von hirnversorgenden und anderen Arterien
- Migräne
- entzündliche Gefäßerkrankungen, sog. Vaskulitiden, durch bakterielle Erreger z.B. der Tuberkulose oder Syphilis. Auch Pilze und Viren können Erkrankungen der Hirnarterien verursachen
- eine Reihe von sehr seltenen Erkrankungen, die hier nicht erwähnt werden
Nicht immer findet sich eine Ursache
Nach einem Schlaganfall sollte zur Verhinderung eines erneuten Schlaganfalls (Rezidiv) und zur gezielten Behandlung schnellstmöglich und mit allen derzeit verfügbaren Mitteln die Ursache geklärt werden. Rezidive treten bei etwa 25 Prozent der Betroffenen auf. Das sind in Deutschland in einem Jahr ca. 70.000 Schlaganfälle.
Jedoch kann trotz intensiver Untersuchung in 20-30 Prozent aller Schlaganfälle keine Ursache gefunden werden. Man spricht in diesen Fällen von einem kryptogenen Schlaganfall.
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Autoren
unter Mitarbeit von stud. med. Nina Siegmar
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- Welche Ursachen für einen Schlaganfall gibt es? – Neurovaskuläres Netzwerk Region Aachen (NVNAC) – URL: https://www.ukaachen.de/kliniken-institute/neurovaskulaeres-netzwerk-region-aachen-nvnac/fuer-patienten/welche-ursachen-fuer-einen-schlaganfall-gibt-es.html
- Ultraschalldiagnostik der hirnversorgenden Arterien, 3rd edn (Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 2000), p. b-002-19445 – Autoren: von Reutern, Gerhard-Michael, Manfred Kaps, and Hans Joachim von Büdingen, eds. – DOI: https://doi.org/10.1055/b-002-19445
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- A tool to identify patients with embolic stroke of undetermined source at high recurrence risk – Autoren: George Ntaios, Georgios Georgiopoulos, Kalliopi Perlepe, Gaia Sirimarco, Davide Strambo, Ashraf Eskandari, View ORCID ProfileStefania Nannoni, Anastasia Vemmou, Eleni Koroboki, Efstathios Manios, Ana Rodríguez-Campello, Elisa Cuadrado-Godia, View ORCID ProfileJaume Roquer, Valentina Arnao, Valeria Caso, Maurizio Paciaroni, Exuperio Diez-Tejedor, Blanca Fuentes, Jorge Rodríguez Pardo, Sara Sánchez-Velasco, Antonio Arauz, Sebastian F. Ameriso, Lucía Pertierra, Maia Gómez-Schneider, Maximiliano A. Hawkes, Miguel A. Barboza, Beatriz Chavarria Cano, Ana Maria Iglesias Mohedano, Andrés García Pastor, Antonio Gil-Núñez, Jukka Putaala, Turgut Tatlisumak, Efstathia Karagkiozi, Vasileios Papavasileiou, Konstantinos Makaritsis, Fabio Bandini, Konstantinos Vemmos, Patrik Michel – Publikation: Neurology Dec 2019, 93 (23) e2094-e2104 – DOI: 10.1212/WNL.0000000000008571
- Atrial fibrosis and its implications on a revised ESUS concept – Autoren: Sven Poli, Paula Bombach, Tobias Geisler – Publikation: Neurology Jun 2019 – DOI: 10.1212/WNL.0000000000007823 – PMID: 31239358
- Seltene Schlaganfallursachen – im Alltag gar nicht so selten – Autoren: Antje Schmidt-Pogoda, Jens Minnerup – Publikation: Der Nervenarzt volume 90, pages 1013–1020(2019) – DOI: 10.1007/s00115-019-00789-9
- Embolic stroke of undetermined source correlates to atrial fibrosis without atrial fibrillation – Autoren: Karman Tandon, David Tirschwell, W.T. Longstreth, Bryn Smith, Nazem Akoum – Publikation: Neurology Jul 2019, 93 (4) e381-e387 – DOI: 10.1212/WNL.0000000000007827
- Die Bedeutung des intestinalen Mikrobioms beim ischämischen Schlaganfall – Autoren: Katarzyna Winek, Ulrich Dirnagl, Andreas Meisel – Publikation: Akt Neurol 2018; 45(02): 127-134 – DOI: 10.1055/s-0043-108060