Wie häufig ereignen sich erneute Schlaganfälle?
Die Mitwirkung des Patienten hat einen erheblichen Einfluss auf das Rezidiv-Risiko (Foto: Ivana Divišová | Pixabay)
In diesem Artikel:
- Schätzung: 70.000 Rezidive pro Jahr in Deutschland
- Häufigkeit: Wie häufig sind Rezidive und wann treten sie auf?
- Mortalität: Wie viele Patienten versterben nach einem Schlaganfall?
- Wie können Rezidive verhindert werden?
Die zentrale Frage ist: Wie verhindere ich einen erneuten Schlaganfall, ein sog. Rezidiv?
Die medizinische Versorgungsforschung beschäftigt sich weltweit und zunehmend mit dieser Frage, da ein Großteil aller erstmalig und wiederholt auftretenden Schlaganfälle durch die Erkennung (Diagnostik) und Behandlung (Therapie) von wenigen Risikofaktoren verhindert werden könnte.
Sowohl der Vorbeugung (Primärprophylaxe), als auch der gezielten Nachbehandlung (Sekundärprophylaxe) kommt somit eine unschätzbare Bedeutung zu.
Schätzung: 70.000 Rezidive pro Jahr in Deutschland
In Deutschland erleiden jährlich etwa 270.000 Menschen einen Schlaganfall1. Es wird geschätzt, dass etwa 70.000 von diesen Rezidive sind. Schlaganfälle zählen zu den häufigsten Todesursachen2 und sind Hauptursache für dauerhafte körperliche, seelische und geistige Behinderungen3. Daher sind Zukunftsaussichten (Prognosen) für die Betroffenen, deren Angehörige und das erweiterte soziale Umfeld äußerst wichtig.
Zuverlässige Prognose für den Einzelfall noch nicht möglich
Zunächst ist es wichtig, zu verstehen, dass ein Schlaganfall immer ein individuelles Problem ist. Jeder Mensch ist auch mit seiner Erkrankung einzigartig. Faktoren wie Alter, Geschlecht, Erbanlagen, Risikofaktoren, Vorerkrankungen, Bildung und sozialer Status sind in ihrer Kombination derart unterschiedlich vermischt, dass es derzeit noch nicht möglich ist, für den Einzelfall eine zuverlässige Prognose abzugeben.
Hier besteht die Hoffnung, dass “Künstliche Intelligenz” (KI) in Zukunft genauere Prognosen zulassen wird. Allerdings sind anhand statistischer Analysen allgemeine Aussagen möglich.4
Statistische Untersuchung zur Häufigkeit von Schlaganfall-Rezidiven
Eine aktuelle, statistische Erhebung5 gibt auf der Grundlage von Daten einer gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Antworten auf folgende Fragen:
- Wie häufig sind Schlaganfall-Rezidive und wann treten diese auf?
- Welche Faktoren beeinflussen das Auftreten von Rezidiven?
- Wie häufig sterben Patienten nach einem Schlaganfall, wie hoch ist also die Mortalität?
In der untersuchten Patientengruppe hatten in den Jahren 2010/201 18.496 Patienten einen Schlaganfall erlitten.
An Risikofaktoren wurden bei 69 Prozent Patienten ein Bluthochdruck (arterielle Hypertonie), bei 33 Prozent ein Diabetes mellitus nachgewiesen, 31 Prozent wiesen erhöhte Blutfette auf und bei 13 Prozent wurde Vorhofflimmern festgestellt.
Wie häufig sind Rezidive und wann treten sie auf?
In dieser Analyse wurden erneute Schlaganfälle nur dann gewertet, wenn 1. zwischen der Erstbehandlung und dem Rezidiv mindestens 21 Tage lagen und 2. ein anderer Schlaganfalltyp vorlag oder eine andere Hirnregion betroffen war.
Das Rezidiv-Risiko beträgt:
- 1,2 % nach 30 Tagen
- 3,4 % nach 90 Tagen
- 7,4 % nach 1 Jahr
- 19,4 % nach 5 Jahren
Rezidiv-Risiko in den Jahren nach einem Schlaganfall:
Jahr | Risiko für ein Rezidiv |
---|---|
1 | 7,4 % |
2 | 3,7 % |
3 | 2,8 % |
4 | 2,9 % |
5 | 2,6 % |
Das beinhaltet ein Risiko für das 1. Jahr von insgesamt 7,4 Prozent, für 2. Jahr von 3,7 Prozent, 2,8 Prozent für das 3. Jahr, 2,9 Prozent für das 4. Jahr und 2,6 Prozent für das 5. Jahr.
Welche Faktoren beeinflussen das Rezidiv-Risiko?
Frauen zeigten ein deutlich geringeres Rezidiv-Risiko als Männer. Mit steigendem Alter nahm auch das Risiko für einen erneuten Schlaganfall zu.
Mortalität: Wie viele Patienten versterben nach einem Schlaganfall?
30 Tage nach einem Schlaganfall verstarben 6,8 Prozent, nach 90 Tagen erhöhte sich die Mortalität auf 9,4 Prozent.
Die Wahrscheinlichkeit, im 1. Jahr nach dem Schlaganfall zu sterben, betrug 17 Prozent. Die 5-Jahres-Mortalität lag bei 45 Prozent.
Auch hier war das Risiko für Frauen geringer, bei Hirnblutungen und mit fortschreitendem Alter höher. Patienten, die auf einer spezialisierten Schlaganfallstation (Stroke Unit) behandelt wurden, hatten ein geringeres Mortalitätsrisiko.
Wie können Rezidive verhindert werden?
Die Akutbehandlung eines Schlaganfalls sollte in einem spezialisierten Zentrum erfolgen.
Die Behandlung bzw. Nachsorge nach einem Schlaganfall sollte langfristig gestaltet werden und engmaschige Kontrollen beinhalten. Die meisten Risikofaktoren können medikamentös und/oder durch Änderung des Lebensstils positiv beeinflusst werden, um hierdurch auch das Risiko für ein Rezidiv senken.
- Was versteht man unter Therapietreue bzw. Adhärenz?
- Schlaganfall: Intensivierte Sekundärprävention senkt Risiko
- Statistik: Weniger Menschen sterben nach einem Schlaganfall
- Studie: Ernährung beeinflusst Schlaganfallrisiko
- Was sind die Symptome und ersten Anzeichen eines Schlaganfalls?
Autoren
unter Mitarbeit von stud. med. Nina Siegmar
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]Quellen
- Schlaganfallgeschehen in Deutschland – Zur Vergleichbarkeit von Krankenkassen-, Register- und DRG-Daten – Autoren: M. Kohler, J. Deutschbein, D. Peschke, L. Schenk – Publikation: Fortschr Neurol Psychiatr 2014; 82(11): 627-633 – DOI: 10.1055/s-0034-1385231 – PMID: 25383929
- Global, regional, and national age-sex specific mortality for 264 causes of death, 1980–2016: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2016 – Autoren: GBD 2016 Causes of Death Collaborators – Publikation: The Lancet Volume 390, Issue 10100, P1151-1210, September 16, 2017 – DOI: 10.1016/S0140-6736(17)32152-9
- 12-Monats-Prävalenz von Schlaganfall oder chronischen Beschwerden infolge eines Schlaganfalls in Deutschland – Autoren: Markus A. Busch, Ronny Kuhnert – Publikation: Journal of Health Monitoring · 2017 2(1) – DOI: 10.17886/RKI-GBE-2017-010
- Prävalenz des Schlaganfalls bei Erwachsenen im Alter von 40 bis 79 Jahren in Deutschland – Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) – Autoren: M.A. Busch, A. Schienkiewitz, E. Nowossadeck & A. Gößwald – Publikation: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz volume 56, pages656–660(2013) – DOI: 10.1007/s00103-012-1659-0
- The Frequency and Timing of Recurrent Stroke – An analysis of routine health insurance data – Autoren: Stahmeyer, J T; Stubenrauch, S; Geyer, S; Weissenborn, K; Eberhard, S – Publikation: Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 711-7. – DOI: 10.3238/arztebl.2019.0711