Statine ▷ Wirkung, Einnahme, Nebenwirkungen und Alternativen
In diesem Artikel:
- Was sind Statine und wie wirken sie?
- Wann sollte man sie einnehmen?
- Warum ist die Verordnung von Statinen sinnvoll?
- Welche Nebenwirkungen treten auf?
- Hinweise zu Wechselwirkungen: Medikamente und Grapefruitsaft
- Kontraindikationen
- Alternativen
- Was können Sie tun?
Was sind Statine und wie wirken sie?
Statine sind Hemmstoffe des wichtigsten Enzyms der Cholesterolsynthese: HMG-CoA- Reduktase. Das klingt zunächst sehr fachchinesisch. Wichtig zu wissen ist jedoch nur: Statine verhindern, dass Vorstufen von Cholesterin gebildet werden.
Dadurch werden:
- Mehr Rezeptoren für LDL auf Leberzellen und anderen Zellen im Körper gebildet. Dadurch kann mehr LDL-Cholesterin aus dem Blut in diese Zellen aufgenommen werden. Die Folge: der LDL-Cholesterinspiegel sinkt.
- Die Synthese von VLDL in der Leber gehemmt. Dadurch sinken die Triglyceridspiegel im Serum um bis zu 45 Prozent.1 Diese Wirkung ist vor allem bei hohen Triglyceridwerten besonders ausgeprägt.
- Strukturproteine von HDL werden vermehrt produziert. Dadurch steigt das HDL-Cholesterin meist nur schwach an.
Zur Erläuterung: LDL bezeichnet eine Gruppe von Lipoproteinen, welche unter anderem Cholesterin und Fettsäuren transportieren. VLDL steht für “very low density lipoprotein”, also im Vergleich zu dem LDL weisen diese Substanzen eine noch geringere Dichte auf.
VLDL transportieren vor allem Cholesterin zur Leber, die dort verstoffwechselt werden. HDL steht für “high density Lipoprotein”, also Lipoprotein mit erhöhter Dichte. Die Aufgabe von HDL besteht darin, überschüssiges Cholesterin aus dem Körper “abzutransportieren”. Deswegen heißt es häufig in der Umgangssprache auch das “gute Cholesterin”.
Man erkennt die Cholesterinsenker an der Endung -statin. Einige Beispiele sind: Simvastatin, Lovastatin oder Atorvastatin.
Wann sollte man sie einnehmen?
Statine einzunehmen ist sinnvoll, wenn eine Hypercholesterinämie vorliegt, also eine risikoträchtige Erhöhung des Cholesterins im Blut. Das kann zum Beispiel bei angeborenen Fettstoffwechselstörungen der Fall sein oder bei Patienten mit Diabetes mellitus.
Patienten mit schwerwiegenden vaskulären Ereignissen wie einem Schlaganfall oder einem Myokardinfarkt können durch die Einnahme von Statinen ihre krankheitsbedingte Sterblichkeit reduzieren.1 Je höher die Senkung der LDL-Spiegel im Blut, desto seltener sind gefäßbedingte Ereignisse.
Bezüglich des Zeitpunkts der Einnahme ist darauf zu achten, dass es Präparate gibt, welche nur eine kurze Halbwertszeit haben. Da Cholesterin vor allem nachts am meisten produziert wird, sollten diese Präparate abends eingenommen werden. Die maximale Wirkung von Statinen auf das LDL-Cholesterin ist nach circa 7 bis 10 Tagen erreicht.
Studienlage: Warum ist die Verordnung von Statinen sinnvoll?1,2
Der Effekt von Statinen ist sehr ausgeprägt. Der Abfall des LDL-Cholesterins ist dabei unabhängig vom Ausgangswert. Jede Verdopplung der Statindosis reduziert das LDL-Cholesterin um weitere 6 Prozent.
Eine Reduktion des LDL um 40 Prozent vermindert die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Schlaganfalls um 30-40 Prozent.
Studien belegen, dass auch Patienten, die älter als 75 Jahre sind, von einer Statin-Therapie profitieren.3 Insbesondere dann, wenn bereits vaskuläre Veränderungen durch das Cholesterin vorliegen.
Vor allem Patienten mit arteriosklerotischen Veränderungen (Verkalkungen) der Gefäße wird empfohlen, Cholesterinsenker nach einem Schlaganfall einzunehmen. Bei solchen Patienten werden LDL-Cholesterinwerte unter 70 mg/dl angestrebt. Dadurch soll das Risiko für einen erneuten Schlaganfall möglichst gering gehalten werden.4,5
Statine weisen aber nicht nur einen cholesterinsenkenden Effekt auf, sie tragen auch zur Plaquestabilisierung bei. Dadurch kann bei vorhandenen arteriosklerotischen Plaques (Wandverdickungen) das Risiko für eine Ablösung von Blutgerinnseln aus diesen verringert werden.
Eine Studie belegt, dass die kombinierte Einnahme von Aspirin mit Substanzen gegen erhöhten Blutdruck die Anzahl an kardiovaskulären Ereignissen – also Herzinfarkten und Schlaganfällen – senkt im Vergleich zu Patienten, die keine Wirkstoffe einnehmen. In dieser Kombi-Pille sind ein Statin (Simvastatin), ein Beta-Blocker (Atenolol) und zwei weitere blutdrucksenkende Wirkstoffe (Hydrochlorothiazid und Ramipril) enthalten.
Welche Nebenwirkungen treten auf?
Insgesamt sind Statine sehr gut verträglich.
Selten kommen schwerwiegende unerwünschte Wirkungen wie Muskelschmerzen oder in Extremfällen Auflösung der Skelettmuskulatur (Rhabdomyolyse) vor.
Diese Nebenwirkung sind dosisabhängig. Dazu zählt zudem die Schädigung der Leber mit einem möglichen Anstieg der Leberenzyme oder auch eine Leberentzündung. Auch die Nieren können geschädigt werden.
Unabhängig von der Dosis sind Nebenwirkungen wie zum Beispiel Magen-Darm Beschwerden, Kopfschmerzen oder auch Ausschläge möglich.
Hinweise zu Wechselwirkungen: Medikamente und Grapefruitsaft
Grapefruitsaft und weitere Medikamente hemmen die Ausscheidung der Statine durch ein Enzym. Dadurch sind Statine deutlich länger im Blut verfügbar und die Wirkung erhöht sich. Bei Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sollten auftretende Beschwerden mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Auf mögliche Wechselwirkungen mit bereits bestehenden Substanzen sollte bei der Verschreibung von Statinen geachtet werden.
Kontraindikationen
Patienten mit Lebererkrankungen, bei denen die Leberenzyme dauerhaft erhöht sind, sollten und dürfen keine Statine einnehmen. Ebenso sollte in der Schwangerschaft und Stillzeit darauf verzichtet werden. Auch Patienten mit Erkrankungen der Muskulatur sollten Statine meiden.
Alternativen
Viele Patienten haben Angst vor den oben erwähnten Nebenwirkungen und deuten Muskelschmerzen oft als Folge der Statineinnahme. Eine komplette Statinintoleranz ist in den seltensten Fällen vorhanden (3-5%). Betroffene Patienten profitieren meist von einer Dosisreduktion, einem Präparatewechsel oder die Umsetzung auf andere Lipidsenker.
Es gibt eine Vielzahl von “natürlichen” Lipidsenkern wie: Roter Reis, Zitrusfrüchte, Sojaprodukte oder Omega-3-Fettsäuren. Die Wirksamkeit und auch Dosierung dieser Substanzen sind aber schlecht erforscht. Bei Patienten, bei denen der Ziel-LDL-Cholesterinwert nicht erreicht wird, kann ein “natürlicher” Lipidsenker nach Absprache mit dem Arzt ergänzend in Erwägung gezogen werden.6 Jedoch sind sich die Experten einig, dass die natürlichen Substanzen eine Statintherapie in der Wirkung nicht ersetzen können, sondern zusätzlich verabreicht werden können.
Der rote Reis ist ein chemisch ähnliches Produkt wie das Arzneimittel “Lovastatin”. Zu diesem natürlichen Lipidsenker sind die meisten Studien durchgeführt worden.
Schätzungsweise sinkt der LDL-Cholesterinspiegel um bis zu 25 Prozent, wenn täglich 12-48 g eingenommen werden.4 Bisher gibt es keine Sicherheitsbedenken, jedoch lassen sich die Nebenwirkungen der Statine auch bei der Einnahme von rotem Reis nicht ausschließen.
Im Allgemeinen sind zu diesen Produkten keine Langzeiteffekte oder auch Nebenwirkungen erforscht und bekannt. Der Einsatz sollte nur in Erwägung gezogen werden, wenn die Statin-Therapie nicht anschlägt oder ergänzt werden sollte.
Aus pharmakologischer Seite gibt es weitere Ansatzpunkte bei der Senkung der Cholesterinspiegel im Blut:
Bei Patienten mit familiärer/erblicher Hypercholesterinämie können Substanzen wie Evolocumab oder Alirocumab verwendet werden. Diese Antikörper hemmen den Abbau von LDL-Rezeptoren und können dadurch das LDL im Blut um mehr als 60 Prozent senken.1
In Kombination mit Statinen können Substanzen wie Ezetimib verwendet werden. Diese hemmen die Aufnahme von Cholesterin in den Magen-Darm-Trakt. Die Senkung der Spiegel um 23 Prozent wird meistens zusätzlich zu der Statinwirkung erreicht.
Was können Sie tun?
Bei jeder Einnahme von Medikamenten können Sie mit Ihrem Arzt mögliche Nebenwirkungen besprechen. Dieser kann Ihnen meist auch Erfahrungswerte und Häufigkeiten vermitteln, die durch Informationen im Beipackzettel häufig falsch wahrgenommen werden.
Ein kritischer Umgang mit Medikamenten ist immer wichtig und es sollten andere Aspekte der Therapie nicht aus den Augen gelassen werden. Nur wenn Sie sich dazu entscheiden, Statine einzunehmen, ist es wichtig, diese regelmäßig und auch konsequent einzunehmen. Sie selbst bemerken nicht, dass ihr LDL-Cholesterin immer niedriger wird, aber ihre Gefäße werden es ihnen danken.
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autor
unter Mitarbeit von stud. med. Nina Siegmar
Dr. med. Jürgen Kunz ist niedergelassener Facharzt für Neurologie am Neurozentrum Ravensburg. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Behandlung von Patienten nach einem Schlaganfall. Bei der Behandlung eines Schlaganfalls ist für ihn die sektorenübergreifende Zusammenarbeit mit anderen Ärzten und Therapeuten sehr wichtig. [mehr]
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Quellen
- 2019 ESC/EAS Guidelines for the Management of Dyslipidaemias: Lipid Modification to Reduce Cardiovascular Risk – Autoren: Mach, François, Colin Baigent, Alberico L. Catapano, Konstantinos C. Koskinas, Manuela Casula, Lina Badimon et al. – Publikation: European Heart Journal, 41.1 (2020), 111–88 – DOI: 10.1093/eurheartj/ehz455
- Low-Density Lipoproteins Cause Atherosclerotic Cardiovascular Disease. 1. Evidence from Genetic, Epidemiologic, and Clinical Studies. A Consensus Statement from the European Atherosclerosis Society Consensus Panel – Autoren: Ference, Brian A., Henry N. Ginsberg, Ian Graham, Kausik K. Ray, Chris J. Packard, Eric Bruckert et al. – Publikation: European Heart Journal, 38.32 (2017), 2459–72 – DOI: 10.1093/eurheartj/ehx144
- Cholesterol Treatment Trialists’ Collaboration, ‘Efficacy and Safety of Statin Therapy in Older People: A Meta-Analysis of Individual Participant Data from 28 Randomised Controlled Trials – Publikation: Lancet (London, England), 393.10170 (2019), 407–15 – DOI: 10.1016/S0140-6736(18)31942-1
- A Comparison of Two LDL Cholesterol Targets after Ischemic Stroke – Publikation: NEJM – DOI: 10.1056/NEJMoa1910355
- Benefit of Targeting a LDL (Low-Density Lipoprotein) Cholesterol <70 Mg/DL During 5 Years After Ischemic Stroke - Autoren: Amarenco, Pierre, Jong S. Kim, Julien Labreuche, Hugo Charles, Maurice Giroud, Byung-Chul Lee et al. – Publikation: Stroke, 51.4 (2020), 1231–39 – DOI: 10.1161/STROKEAHA.119.028718
- “Natürliche Cholesterinsenker” bei Statinintoleranz? – Publikation: AerzteZeitung.de – URL: https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Natuerliche-Cholesterinsenker-bei-Statinintoleranz-231429.html