Medikamentöse Sekundärprophylaxe des Schlaganfalls
Medikamentöse Sekundärprophylaxe des Schlaganfalls ist wichtiger Bestandteil der Nachsorge (Foto: Daniel Dan outsideclick | Pixabay)
In diesem Artikel:
- Warum ist die medikamentöse Sekundärprävention wichtig?
- Welche Medikamente werden eingesetzt?
- Thrombozytenfunktionshemmer
- Orale Antikoagulation
- Statine
Warum ist die medikamentöse Sekundärprävention wichtig?
Patienten, die eine TIA oder einen ischämischen Schlaganfall erlitten haben, haben ein erhöhtes Risiko für ein erneutes Ereignis. Bei jedem 10. Schlaganfallpatienten ist dies innerhalb eines Jahres der Fall.
Daher ist die Vorbeugung, also die Prophylaxe bzw. Prävention vor einem erneuten Schlaganfall das wichtigste Therapieziel. Das Vorgehen, ein erneutes Ereignis zu verhindern, wird Sekundärprävention genannt. Die Primärprävention bemüht sich um die Erhaltung von Gesundheit und die Vorbeugung von Erkrankungen, bevor eine Schädigung oder Krankheit überhaupt eintritt. Sie richtet sich also an jeden Gesunden oder auch Menschen mit bekannten Risikofaktoren für eine Erkrankung.
Die Sekundärprophylaxe stützt sich auf die Kenntnis der Ursachen einer Erkrankung und soll deren Fortschreiten oder das erneute Auftreten von Krankheitssymptomen verhindern. Damit kann das Fortschreiten einer Krankheit aufgehalten und verhindert werden, dass diese Erkrankung dauerhaft besteht, d.h., chronisch wird. Bestandteile der Sekundärprophylaxe sind zum einen Medikamente, zum anderen die gezielte, auf den Patienten individuell abgestimmte Nachsorge.
Ziele der medikamentösen Sekundärprophylaxe des Schlaganfalls sind im Wesentlichen:
- die kontrollierte Behandlung von Risikofaktoren, wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen, Übergewicht u.a.
- die Verhinderung der Entstehung von Blutgerinnseln i.R. einer arteriosklerotischen Gefäßerkrankung oder bei Herzrhythmusstörungen, v.a. bei Vorhofflimmern. Diese Medikamente werden umgangssprachlich auch “Blutverdünner” genannt. Allerdings verdünnen sie nicht das Blut. Sie hemmen bzw. verzögern die körpereigene Blutgerinnung. Dadurch fließt bei einer Verletzung länger Blut, bevor es gerinnt. Es entstehen leichter “blaue Flecken” in der Haut und Blutergüsse fallen größer aus.
Welche Medikamente werden eingesetzt?
Thrombozytenfunktionshemmer
Sie werden auch Thrombozytenaggregationshemmer genannt. Sie greifen in eine spezifische Funktion des körpereigenen Blutgerinnungssystems ein: Die Funktion der Blutplättchen (Thrombozyten), sich zu verklumpen oder zusammenzuballen, um ein Blutgerinnsel zu bilden. Diese Funktion wird gehemmt und damit die Gerinnselbildung erschwert oder verhindert.
Hat die Klärung der Ursache eines Schlaganfalls bzw. eines Hirninfarkts ergeben, dass entweder arteriosklerotische Ablagerungen an Gefäßwänden mit aufgelagerten Blutplättchen oder eine Gerinnselbildung „vor Ort“ in einem Gehirngefäß verantwortlich ist, werden Plättchenfunktionshemmer zur Vorbeugung eingesetzt. Gängige Präparate, die nach einem Schlaganfall eingesetzt werden, sind
- Aspirin (ASS®/Godamed®), Clopidogrel (Plavix®)
- seltener auch Ticagrelor (Brilique®)
In ausgewählten Fällen kann es erforderlich sein, für einen begrenzten Zeitraum zwei verschiedene Thrombozytenfunktionshemmer in Kombination einzunehmen.
Eine wissenschaftliche Studie (POINT-Studie) hat 2018 ergeben, dass es nach einem „Mini-Schlaganfall“ (transitorische ischämische Attacke, kurz TIA) oder einem leichten ischämischen Schlaganfall für eine begrenzte Zeit von 21 Tagen sinnvoll sein kann, eine Kombinationstherapie mit den zwei Blutplättchenhemmern Aspirin und Clopidrogrel durchzuführen.1
Auch bei hochgradigen Einengungen der Hirnbasisarterien oder nach Implantation eines Stents in der Halsschlagader oder den Herzkranzgefäßen ist es über einen bestimmten Zeitraum nötig, zwei Thrombozytenfunktionshemmer einzunehmen.
Orale Antikoagulation
Antikoagulantien beeinflussen die Gerinnungsfaktoren im Blutplasma. Sie greifen direkt in die Blutgerinnung und in die Bildung von Gerinnungsfaktoren ein. Sie sind somit umfangreicher wirksam. Es handelt sich also um eine Gruppe spezieller gerinnungshemmender Medikamente, die eine Gerinnselbildung z.B. am Herzen verhindern sollen.
Finden sich Hinweise dafür, dass dem ischämischen Schlaganfall bzw. Hirninfarkt eine Störung des Herzens oder des Herzrhythmus zugrunde liegt – hier sei in erster Linie das Vorhofflimmern genannt -, wird in den allermeisten Fällen ärztlich eine Gerinnungshemmung mit Antikoagulantien empfohlen. Gängige Präparate sind:
- “indirekte Antikoagulantien” wie Phenprocoumon (Marcumar®) oder Heparin und
- “direkte orale Antikoagulantien” (DOAK) wie Apixaban (Eliquis®), Dabigatran (Pradaxa®), Edoxaban (Lixiana®) oder Rivaroxaban (Xarelto®)
Bei der Einnahme von Marcumar® ist eine regelmäßige Überprüfung der Blutgerinnung durch den behandelnden Arzt oder durch den Patienten im Selbsttest nötig (Kontrolle von INR- oder Quick-Wert).
Bei den anderen Präparaten ist dies nicht erforderlich, allerdings können diese nicht bei Patienten mit schweren Nierenfunktionsstörungen eingesetzt werden. Welches Präparat für welchen Patienten am besten geeignet ist, wird vom behandelnden Arzt in Abstimmung mit dem Patienten festgelegt.2
Statine
Neben der Blutdruckeinstellung und Beeinflussung der Gerinnung durch Plättchenfunktionshemmer oder orale Antikoagulantien ist die Senkung der Blutfettwerte (Lipide) eine wichtige Säule der Schlaganfallvorbeugung.
Sie erfolgt durch die sogenannten Statine. Der Cholesterinspiegel sollte unter 200 mg/dl liegen, bei Werten über 240 mg/dl steigt das Schlaganfallrisiko. Insbesondere hohe Konzentrationen des sog “schlechten” LDL-Cholesterins führen zu Arteriosklerose, also zur Ablagerung von Fettmolekülen bis zur Einengung (Stenose) oder Verschluss (Okklusion) von Arterien.
Die Medikamente stabilisieren die arteriosklerotischen Plaques, verbessern im Gehirn die Durchblutung und wirken gegen Entzündungen. Der LDL-Cholesterinwert bei Patienten mit Hirninfarkt oder TIAs und gleichzeitiger Arteriosklerose der hirnversorgenden Arterien sollte auf unter 70mg/dl abgesenkt werden.3 Gängige Präparate sind beispielsweise:
- Atorvastatin
- Fluvastatin
- Lovastatin
- Pravastatin
- Rosuvastatin
- Simvastatin
Aber auch regelmäßige Bewegung und gesunde Ernährung mit geringem Verzehr von tierischen und häufigem Verzehr von pflanzlichen Fetten wirkt sich positiv auf den Blutfettspiegel aus.
- Was bedeutet Primärprophylaxe, was Sekundärprophylaxe?
- Wie häufig ereignen sich erneute Schlaganfälle?
- Was kann ich essen, um einem Schlaganfall vorzubeugen?
Autorin
Dr. med. Christina Rückert ist Fachärztin für Neurologie und Geriatrie und arbeitet seit über 10 Jahren als Oberärztin an der Oberschwabenklinik in Ravensburg. Ihre berufliche Tätigkeit beinhaltet auch die stellvertretende ärztliche Leitung der Zentralen Notaufnahme.
Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist die Akutversorgung von neurologisch erkrankten Patienten, hierbei in erster Linie die Versorgung von Patienten mit akutem Schlaganfall. [mehr]
Quellen
- Clopidogrel and Aspirin in Acute Ischemic Stroke and High-Risk TIA – Autoren: S. Claiborne Johnston, M.D., Ph.D., J. Donald Easton, M.D., Mary Farrant, M.B.A., William Barsan, M.D., Robin A. Conwit, M.D., Jordan J. Elm, Ph.D., Anthony S. Kim, M.D., Anne S. Lindblad, Ph.D., and Yuko Y. Palesch, Ph.D. – Publikation: N Engl J Med 2018; 379:215-225 – DOI: 10.1056/NEJMoa1800410
- Sekundärprophylaxe: Den zweiten Schlaganfall verhindern – Autoren: Prof. Dr. med. J. Röther – Publikation: Dtsch Arztebl 2015; 112(49): [10] – DOI: 10.3238/PersNeuro.2015.12.04.03
- Weniger Folgeschlaganfälle durch intensivere LDL-Cholesterinsenkung – Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) – URL: https://idw-online.de/de/news727372