Was ist eine TIA? ▷ Transitorische ischämische Attacke
In diesem Artikel:
- Was ist eine TIA?
- Was ist die Ursache einer TIA?
- Diagnose: Warum ist die Feststellung einer TIA so schwierig?
- Was sind typische Symptome einer TIA?
- Was tun nach einer TIA?
Was ist eine TIA?
Eine TIA (Transitorische Ischämische Attacke) ist eine kurze Durchblutungsstörung. Sie macht sich durch schnell vorübergehende neurologische Ausfallerscheinungen wie die schmerzlose Schwäche einer Hand, eine Sprachstörung oder die Erblindung eines Auges (Amaurosis fugax) bemerkbar.
Auch wenn die Durchblungsstörung nur attackenhaft auftritt, handelt es sich um einen Notfall, der ohne Zeitverlust im Krankenhaus untersucht werden muss.
Warum das so ist, zeigen wir mit einer typischen Krankengeschichte:
Also löst sie unverzüglich und gegen den Protest ihres Mannes einen Notruf(112) aus. Obwohl die Schwäche inzwischen verschwunden ist, bereut sie ihr Handeln nicht, denn in der Notaufnahme des Krankenhauses wird ihr Verdacht auf eine kurzfristige Durchblutungsstörung (TIA) bestätigt.
Auf der Stroke-Unit, einer spezialisierten Überwachungsstation für Schlaganfälle, erfolgen erste neurologische Untersuchungen, Computertomografie und Kernspintomografie. Sie zeigen keinen Hinweis auf eine Hirndurchblutungsstörung. Die dann folgende Monitorüberwachung mit ständiger Aufzeichnung des Elektrokardiogramms (EKG) weist aber auf kurze oder längere Phasen mit sehr unregelmäßigem Herzschlag hin.
Die Diagnose lautet schließlich Vorhofflimmern (VHF). Bei dieser Herzrhythmusstörung können sich kleine oder größere Blutgerinnsel (Thromben) im linken Vorhof des Herzens bilden, die dann mit dem Blutstrom in hirnversorgende Arterien eingeschwemmt werden. Dies wird als kardiogene Thromboembolie bezeichnet. Im hirnversorgenden Bereich der kurz- oder längerfristig verstopften Arterie kann dadurch eine TIA oder ein Hirninfarkt ausgelöst werden. Es wird geschätzt, dass ca. 20 Prozent aller Hirninfarkte durch Vorhofflimmern verursacht werden.
Neben dem Vorhofflimmern werden bei dem 73-Jährigen zusätzlich ein bisher nicht bekannter Bluthochdruck und eine Fettstoffwechselstörung mit deutlich erhöhtem LDL-Cholesterin festgestellt.
Noch im Krankenhaus leiten die behandelnden Ärztinnen und Ärzte die medikamentöse Behandlung des Bluthochdrucks und der erhöhten Cholesterin-Werte ein. Zur Verhinderung der Bildung von Blutgerinnseln wird er in Zukunft ein blutverdünnendes Medikament einnehmen. Außerdem erhält er Tipps für einen gesundheitsfördernden Lebensstil und zur Umstellung seiner Ernährung.
Durch die konsequente Therapie und regelmäßigen Kontrolluntersuchungen beim Neurologen kommt es in den vier Jahren nach der TIA bei unserem Patienten zu keiner weiteren Hirndurchblutungsstörung.
Was bedeutet TIA ?
Die Abkürzung TIA steht für Transitorische Ischämische Attacke. Die Funktion einer umschriebenen Region des Gehirns ist durch Blutmangel in der Regel für weniger als eine Stunde vorübergehend gestört. Es kommt also zu einer kurzen Unterbrechung der Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen, die keinen dauerhaften Schaden hinterlässt.
Eine TIA und ein ischämischer Schlaganfall haben prinzipiell dieselben Ursachen und Symptome. Eine TIA kann ein Frühwarnzeichen oder Vorbote eines drohenden ischämischen Schlaganfalls (nachweisbarer Hirninfarkt) sein. Das Risiko hierfür ist in den ersten 24 bis 48 Stunden nach einer TIA am größten.
Was ist die Ursache einer TIA?
Ursache einer TIA ist ein kurz andauernder Verschluss einer Hirnarterie, z. B. durch ein Blutgerinnsel (Thrombus) aus einer der hirnzuführenden Arterien im Halsbereich oder aus dem Herzen z. B. bei Vorhofflimmern.
Die Kürze des Ereignisses erklärt sich durch die Fähigkeit der natürlichen, körpereigenen Blutgerinnung, kleinere Blutgerinnsel ohne ärztliches Eingreifen aufzulösen. Größere Gerinnsel können durch die intravenöse Lysetherapie zumindest teilweise und/oder durch die mechanische Thrombektomie entfernt werden.
Diagnose: Warum ist die Feststellung einer TIA so schwierig?2
Die Diagnose beruht überwiegend ausschließlich auf den Angaben des Patienten oder der Patientin, da zum Zeitpunkt der ärztlichen Untersuchung in den allermeisten Fällen keine Symptome mehr nachweisbar sind. Das setzt allerdings voraus, dass Betroffene oder Angehörige über eine TIA und deren Symptome Bescheid wissen.
Was ist bei einer TIA mit bildgebenden Verfahren (Computer- oder Kernspintomografie) nachweisbar?
Kernspintomografisch finden sich in nur wenigen Fällen Hinweise auf eine abgelaufene Durchblutungsstörung in einer umschriebenen Hirnregion.
Eine Studie der Universität Calgary im Jahr 2018 (DOUBT-Studie: Diagnosis of Uncertain Origin Benign Transient Neurological Symptoms7) konnte zeigen, dass bei Verdacht auf eine TIA und Durchführung einer Kernspintomografie innerhalb von 8 Tagen nach dem Ereignis nur bei 13,5 Prozent der Patienten eine sichtbare Veränderung des Hirngewebes durch eine Durchblutungsstörung (Ischämie) nachweisbar war.
Insbesondere bei Männern, bei motorischen Ausfallserscheinungen (Lähmungen) oder erstmaligen Ereignissen war die Wahrscheinlichkeit für den Nachweis einer frischen Ischämie höher. Fand sich keine sichtbare Durchblutungsstörung in der Kernspintomografie, so war das Schlaganfallrisiko in den nächsten 12 Monaten statistisch nicht erhöht.
Was sind typische Symptome einer TIA?3
Hauptmerkmale sind zum einen die Schmerzlosigkeit, also ein fehlendes Alarmzeichen, zum anderen die Dauer der Symptome, die meist nur wenige Minuten oder Stunden beträgt.
Die häufigsten Symptome sind:
- kurz andauernde Lähmung einer Hand, eines Armes, eines Beines oder einer Körperhälfte (Halbseitenlähmung, med. Hemiparese)
- kurz andauernde Gefühlsstörung (Taubheit, „Pelzigkeit”) und Missempfindungen wie ein ‚Ameisenlaufen‘ in einer Hand, einem Arm, einem Bein oder einer Körperhälfte (Hemihypästhesie)
- kurz andauerndes Herabhängen des Mundwinkels auf einer Seite
- vorübergehende Sprach- oder Sprechstörungen
- kurz andauernde Erblindung eines Auges (Amaurosis fugax) oder vorübergehendes Doppeltsehen
- vorübergehender Dreh- oder Schwankschwindel und Gangunsicherheit
All diese Symptome können auch Hinweise auf andere neurologische Erkrankungen sein, z.B. einen Hirntumor, einen epileptischen Anfall, eine Migräne u.a. sein. In jedem Fall ist aber eine Durchblutungsstörung des Gehirns die wahrscheinlichste Ursache.
Was tun nach einer TIA?
Wenn der Verdacht auf eine TIA besteht, ist das oberste Ziel, unverzüglich die mögliche Ursache zu klären, um einen nachfolgenden Schlaganfall zu verhindern. Dies bedeutet, dass eine TIA – genauso wie ein Schlaganfall mit andauernden Symptomen – ein Notfall ist und stationär auf einer Stroke-Unit (Schlaganfall-Spezialstation) untersucht und behandelt werden muss.4
Dort besteht die Chance, Risikofaktoren zu erkennen, die hirnversorgenden Arterien mit Ultraschall zu untersuchen, eine Computer- oder Kernspintomographie (MRT)5 durchzuführen und die Herztätigkeit hinsichtlich einer Rhythmusstörung wie Vorhofflimmern zu überwachen.
Eine kurz dauernde neurologische Störung, die auf eine TIA hinweisen kann, ist keine Bagatelle. Falls nach einer TIA unverzüglich gehandelt wird, lässt sich das Risiko eines Schlaganfalls in den ersten 4 Wochen nach der TIA von 10 Prozent auf unter 2 Prozent senken.6
ABCD2-score und ABCD3-I-score
Nach einer TIA oder einem nachgewiesenen “kleinen Schlaganfall” (minor stroke) besteht in den ersten Tagen und Monaten das erhöhte Risiko für ein erneutes Ereignis, d.h., ein Rezidiv oder einen größeren Schlaganfall.
Um dieses Risiko abschätzen zu können, wurde der ABCD2-score entwickelt. In diesen Score fließen 5 Risikofaktoren ein:
- Alter (A)
- Blutdruck (B)
- Symptome (C Clinical features)
- Dauer der Symptome und Diabetes mellitus (D2)
Im weiterentwickelten ABCD3-I-score wird zusätzlich abgefragt, ob
- Eine zur betroffenen Gehirnseite feststellbare Einengung (Stenose) der Halsschlagader (Arteria carotis interna) von mehr als 50 % vorliegt. Man spricht auch von Karotisstenose und
- In der Kernspintomographie eine umschriebene Hirnschädigung durch Blutmangel (Hirninfarkt) nachweisbar ist.
Jedes Kriterium bekommt eine definierte Punktzahl.
Score Kriterien | ABCD2-score | ABCD3-I-score |
Alter (gleich oder älter 60 J.) | 1 | 1 |
Blutdruck (gleich oder höher 140/90 mmHg) | 1 | 1 |
Sprachstörung | 1 | 1 |
Einseitige Schwäche (Parese) | 2 | 2 |
Dauer der TIA weniger als 10 bis 59 Minuten | 1 | 1 |
Dauer der TIA länger als 60 Minuten | 2 | 2 |
Diabetes mellitus | 1 | 1 |
Karotisstenose | – | 2 |
Nachweis einer Hirnschädigung | – | 2 |
Punktzahl | 0 – 9 | 0 – 13 |
Neben der meist medikamentösen Behandlung von Risikofaktoren konzentriert sich die Lebensführung nach einer TIA – auf einen gesundheitsfördernden Lebensstil. Dazu gehören eine angepasste Ernährung, der Abbau von Übergewicht, regelmäßige Bewegung, Rauch- und Drogenentwöhnung und Einschränkung des Alkoholkonsums.
Die Bedeutung der Risikofaktoren
Von besonderer Bedeutung ist die konsequente Behandlung von Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und somit einer TIA oder eines Schlaganfalls. An erster Stelle der Risikofaktoren stehen der Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen, Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel.
Hier spielt das Wissen der Betroffenen die entscheidende Rolle. Je besser die Erkrankung verstanden wird, desto größer ist die Chance, ein erneutes Ereignis zu verhindern. Neben der ärztlichen Beratung und Behandlung ist somit die Selbstverantwortung gefordert.
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autoren
unter Mitarbeit von Dr. med Christina Rückert
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- Epidemiology of Transient Ischemic Attacks Using Time- or Tissue-Based Definitions – Autoren: Diana Degan, Raffaele Ornello, Cindy Tiseo, Federica De Santis, Francesca Pistoia, Antonio Carolei, Simona Sacco – Publikation: Stroke. 2017;48:530–536 – DOI: 10.1161/STROKEAHA.116.015417
- 2021 Guideline for the Prevention of Stroke in Patients With Stroke and Transient Ischemic Attack: A Guideline From the American Heart Association/American Stroke Association – Autoren: Dawn O. Kleindorfer, Amytis Towfighi, Seemant Chaturvedi, Kevin M. Cockroft, Jose Gutierrez, Debbie Lombardi-Hill, Hooman Kamel, Walter N. Kernan, Steven J. Kittner, Enrique C. Leira, Olive Lennon, James F. Meschia, Thanh N. Nguyen, Peter M. Pollak, Pasquale Santangeli, Anjail Z. Sharrief, Sidney C. Smith Jr, Tanya N. Turan, Linda S. Williams – Publikation: Stroke. 2021;52:e364–e467 – DOI: https://doi.org/10.1161/STR.0000000000000375
- Abstract 99: Diagnosis of Uncertain Origin Benign Transient Events (DOUBT) – Autoren: Shelagh B Coutts, Michael D Hill, Francois Moreau, Mayank Goyal, Marie-Christine Camden, Negar Asdaghi, Thalia Field, Andrew Penn, Richard Swartz, Jean-Martin Boulanger, Bruce Campbell, Martin Krause, Robert Mikulik, Jennifer Mandzia – Publikation: Stroke. ;49:A99 – DOI: 10.1161/str.49.suppl_1.99
- DEGAM-Leitlinie Nr. 8: Schlaganfall, S3-Leitlinie, AWMF-Register-Nr. 053-011, Seite 138. – Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, 2020, Berlin
URL: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/053-011 - Meyer R 2019: Schlaganfallprognose: MRT nach transitorischer ischämischer Attacke zeigt Risiko auf späteren Hirninfarkt. Dtsch Arztebl 116 (42): A-1905
- Incidence of Transient Ischemic Attack and Association With Long-term Risk of Stroke – Autoren: Vasileios-Arsenios Lioutas, MD, Cristina S. Ivan, MD, Jayandra J. Himali, PhD et al – Publikation: JAMA. 2021;325(4):373-381 – DOI: 10.1001/jama.2020.25071