Blutverdünner (Antikoagulantien) ▷ Medikamente, Wirkung, Nebenwirkungen
In diesem Artikel:
- Was sind “Blutverdünner” (Antikoagulantien)?
- Wie wirken gerinnungshemmende Medikamente?
- Wann werden gerinnungshemmende Medikamente eingesetzt?
- Medikamentöse Hemmung der Blutgerinnung
Was sind “Blutverdünner” (Antikoagulantien)?
Der medizinische Begriff Antikoagulantien setzt sich aus den lateinischen Wörtern “anti” (gegen) und “coagulare” (gerinnen) zusammen. Er bezeichnet Medikamente, welche die Blutgerinnung bzw. die Entstehung von Blutgerinnseln verzögern oder verhindern. Sie werden auch Antithrombotika genannt.
Als Koagel wird ein Blutgerinnsel bezeichnet, wenn es außerhalb eines Blutgefäßes (medizinisch: extravasale Gerinnung) entsteht. Ein Beispiel ist die Gerinnung zur Blutstillung nach einer Schnittverletzung mit Blutung.
Der Begriff Thrombus bezeichnet ein Blutgerinnsel, welches sich innerhalb des Gefäßsystems (Arterien, Venen, Herz) bildet. Man spricht dann von intravasaler Gerinnung.
Das Ergebnis der Thrombenbildung ist eine Thrombose, die teilweise oder vollständige Verstopfung eines Blutgefäßes durch ein Blutgerinnsel. Bekanntestes Beispiel ist die “tiefe Beinvenenthrombose”.
Der Verschluss eines Blutgefäßes, zum Beispiel durch ein Gerinnsel, welches sich von einem Thrombus löst und abgeschwemmt wird, wird als Embolie bezeichnet. Es handelt sich dann, genauer, um eine Thromboembolie. Ein Beispiel ist die Lungenembolie durch losgelöste Thromben aus einer Beinvene.
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Der nicht korrekte, im Volksmund aber etablierte Begriff “Blutverdünner” bezeichnet eine Gruppe von Medikamenten, welche die intravasale Blutgerinnung hemmen. Sie werden, wie oben bereits ausgeführt, Antikoagulanzien genannt.
Das Ziel ist die Verhinderung der Bildung von Blutgerinnseln (Thromben), welche unter krankhaften Bedingungen an unterschiedlichen Orten des Herz-Kreislauf-Systems entstehen können. So zum Beispiel im linken Vorhof des Herzens bei der Herzrhythmusstörung Vorhofflimmern oder bei einer Beinvenen-Thrombose.
Das Blut wird durch “Blutverdünner” nicht verdünnt. Blutverdünnung bedeutet, dass der flüssige Anteil des Blutes vermehrt wird. Dies geschieht zum Beispiel bei einem Aderlass im Rahmen einer Blutspende. Hierbei werden ½ bis 1 Liter Blut aus einer Vene im Armbereich entnommen und durch eine Infusionslösung ersetzt, die das Blut so lange verdünnt, bis der Körper das Verhältnis von festen zu flüssigen Bestandteilen wiederherstellt.
Wie wirken gerinnungshemmende Medikamente?
Die Blutgerinnung als lebenswichtiger Mechanismus unseres Körpers ist ein komplexer Vorgang, an dem neben den Blutplättchen (Thrombozyten) eine Reihe von Gerinnungsfaktoren zusammenwirken.
Ziel einer medikamentösen Hemmung der Blutgerinnung ist die Verhinderung der Entstehung von Blutgerinnseln, welche sich in Arterien, Venen und im Herzen bilden können. Die Gefahr ist, dass ein Gerinnsel ein Blutgefäß verstopft (Thrombose) oder sich ablöst und mit dem Blutstrom in ein lebenswichtiges Organ abgeschwemmt wird (Thromboembolie).
Unerwünschte bzw. krankhafte Blutgerinnung geschieht in Blutgefäßen, in denen die Blutzirkulation verlangsamt ist oder stockt.
Ein Beispiel ist langes Sitzen im Flugzeug mit angewinkelten Beinen. Dabei besteht die Gefahr einer Beinvenen-Thrombose mit Abschwemmung von Blutgerinnseln aus einer Beinvene in die Lunge mit der lebensgefährlichen Folge einer Lungenembolie.
Ein weiteres Beispiel ist die Herzrhythmusstörung Vorhofflimmern. Hier können sich Thromben im linken Vorhof des Herzens bilden, die dann in den Blutkreislauf des Gehirns gelangen und einen Schlaganfall (Hirninfarkt) verursachen können. Auch ein Herzinfarkt kann durch einen Thrombus in einer verkalkten (arteriosklerotisch veränderten) Herzkranzarterie ausgelöst werden.
Wann werden gerinnungshemmende Medikamente eingesetzt?
In Deutschland nehmen etwa eine Million Menschen regelmäßig einen oder mehrere „Blutverdünner” ein. Häufige Umstände und Erkrankungen, bei denen Antikoagulantien eingesetzt werden, sind beispielhaft:
- Zur Thromboseprophylaxe bei und nach Operationen, die eine längere Liegezeit des Patienten bedingen
- Zur Verhinderung der Bildung von Thromben in arteriosklerotisch eingeengten (stenosierten) Arterien, vor allem im Bereich der Halsschlagadern und der Herzkranzarterien
- Zur Verhinderung der Entstehung von Blutgerinnseln bei Erkrankungen der Herzklappen oder bei der Herzrhythmusstörung Vorhofflimmern
- Nach Herzklappen- oder Stent-Operationen
- Bei Menschen, die eine angeborene Neigung zu erhöhter Blutgerinnung haben
- Bei Patienten, die bereits Thrombosen hatten
Medikamentöse Hemmung der Blutgerinnung
In der Medizin werden drei Gruppen von Gerinnungshemmern angewandt:
- Thrombozytenaggregationshemmer, auch Thrombozytenfunktionshemmer genannt
- Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK)
- Indirekte Antikoagulantien
Thrombozytenaggregationshemmer
Die im Blut zirkulierenden und bei jedem Blutbild gezählten Blutplättchen, die sogenannten Thrombozyten, haben die natürliche Funktion, sich zu einem Blutgerinnsel zu verklumpen. Sie setzen zudem gerinnungsfördernde Stoffe frei. Hierdurch kommt es zum Beispiel zur Bildung von Fibrin, einem Eiweißkörper (Protein), der als “Klebstoff” der Blutgerinnung bezeichnet wird.
Thrombozytenfunktionshemmer werden häufig zur Vorbeugung eines Schlaganfalls oder eines Herzinfarkts verordnet, wenn die Gefahr besteht, dass sich in arteriosklerotisch eingeengten Arterien Blutgerinnsel bilden.
Medikamente, welche die Verklumpungstendenz der Thrombozyten behindern, sind
- Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin)
- Clopidogrel
Unter besonderen Umständen kann es erforderlich sein, in einem definierten Zeitraum zwei verschiedene Thrombozytenfunktionshemmer einzusetzen.
Man spricht dann von einer dualen Plättchenhemmung. Sie wird zum Beispiel für eine begrenzte Zeit nach einer transienten ischämischen Attacke (TIA) eingesetzt, bei hochgradigen Einengungen (Stenosen) der Hirnarterien oder nach der Implantation eines Stents in der Halsschlagader oder in Herzkranzarterien.
Nebenwirkungen
Vor allem bei einer Dauerbehandlung mit ASS zur Thromboseprophylaxe treten nicht selten Magenschmerzen auf, selten auch Magengeschwüre.
Bei inneren und äußeren Verletzungen ist die Blutungszeit verlängert. Bereits bei leichten Prellungen oder Schürfungen kann ein sichtbarer Bluterguss unter der Haut, zum Beispiel der Hände, entstehen. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind innere Blutungen, zum Beispiel im Magen-Darm-Bereich, sehr selten auch Hirnblutungen.
Abzulehnen ist die unkontrollierte, nicht ärztlich verordnete Dauereinnahme von ASS unter der Vorstellung, einem Herzinfarkt oder Schlaganfall vorzubeugen. Ohne den Nachweis einer Herz-Kreislauf-Erkrankung ist die prophylaktische Einnahme eines Thrombozytenaggregationshemmers nicht zu empfehlen.
Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK)
Seit wenigen Jahren stehen zur Gerinnungshemmung Medikamente zur Verfügung, welche die Blutgerinnung direkt hemmen.
Sie beeinflussen die Gerinnungsfaktoren im Blutplasma. Sie können oral eingenommen werden. Ihre Wirksamkeit auf die Blutgerinnung muss im Normalfall nicht durch Laboruntersuchungen des Blutes überprüft werden.
Häufigste Gründe für die Verordnung eines DOAK sind die Herzrhythmusstörung Vorhofflimmern zur Prophylaxe eines Schlaganfalls und Thrombosen, meistens der Beinvenen.
Wirkstoffe sind:
- Apixaban
- Dabigatran
- Edoxaban
- Rivaroxaban
mit ihren entsprechenden Handelsnamen.
Nebenwirkungen
Da die Blutgerinnung durch direkte orale Antikoagulanzien umfangreicher und damit wirksamer gehemmt wird, ist die Gefahr einer spontanen Blutung in einem Organ größer als bei der Einnahme eines Thrombozytenaggregationshemmers.
Einzelheiten hierzu, wie auch die Risiko-Nutzen-Abwägung, sollten mit der verordnenden Ärztin oder dem Arzt besprochen werden.
Indirekte Antikoagulantien
Hierzu gehören die Vitamin-K-Antagonisten, zum Beispiel das altbekannte Marcumar. Ihre Wirkung beruht auf der Reduzierung von im Blut verfügbaren Gerinnungsfaktoren. Zu dieser Gruppe zählen auch die Heparine. Sie werden überwiegend zur Thromboseprophylaxe nach Operationen zum Beispiel unter die Bauchhaut gespritzt.
Die Vitamin-K-Antagonisten wurden bei der Erstverordnung weitgehend von den DOAK abgelöst, da u.a. die Überprüfung ihrer Wirksamkeit durch den Quick-Wert oder den INR-Wert (International Normalized Ratio) zur Bestimmung der Gerinnungsdauer des Blutes aufwendig ist.
Ihre Nebenwirkungen sind mit denen der DOAK vergleichbar.
Was sind Risikofaktoren für eine Thrombose?
Besonders gefährdet sind Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ausgeprägten Krampfadern, mit Neigung zur Blutverdickung (Polyglobulie) oder nach einer Beinvenenthrombose oder Lungenembolie.
Das Thromboserisiko ist erhöht bei:
- Störungen der Blutgerinnung
- Übergewicht oder Adipositas
- Rauchen
- Oraler Empfängnisverhütung
- Schwangerschaft
- Nach Operationen
- Herzschwäche
- Krebserkrankungen
- Flugreisen
Kann ich einer Thrombose vorbeugen?
Eine nicht medikamentöse Vorbeugung ist in Situationen wichtig, in denen längeres, gelegentlich stundenlanges Sitzen unumgänglich ist. Zum Beispiel im Flugzeug.
Hier empfiehlt es sich, locker sitzende Kleidung anzuziehen und Schuhe auszuziehen, in regelmäßigen Abständen aufzustehen und im Sitzen immer wieder die Bein- und Fußmuskulatur anzuspannen.
Hierdurch wird die “Muskelpumpe” aktiviert, die den Fluss des Blutes aus den Beinen entgegen der Schwerkraft in Richtung des Herzens beschleunigt. Damit wird verlangsamter oder stockender Blutfluss mit der Gefahr der Thrombenbildung verhindert.
Besonders wichtig ist vermehrtes Trinken von Wasser, verdünnten Fruchtsäften oder Kräutertee, etwa das Doppelte der normalen Trinkmenge. Kaffee, schwarzer Tee oder Alkohol sind zu vermeiden.
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Autor
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]