Antiarrhythmika ▷ Anwendung, Wirkstoffe, Nebenwirkungen
In diesem Artikel:
- Anwendung
- Wirkstoffgruppen, Wirkstoffe und Wirkmechanismen
- Nebenwirkungen
- Wechselwirkungen und Kontraindikationen
Anwendung
Antiarrhythmika (Einzahl: Antiarrhythmikum) sind Arzneimittel, die über unterschiedliche Wirkmechanismen eine rhythmisierende Wirkung entfalten und deshalb zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen angewendet werden.
Grundsätzlich ist vor der Einleitung einer medikamentösen antiarrhythmischen Therapie eine umfassende kardiologische Anamnese und Diagnostik notwendig.
Wirkstoffgruppen, Wirkstoffe und Wirkmechanismen
Antiarrhythmika führen durch unterschiedliche Mechanismen zur Behebung von Herzrhythmusstörungen. Nachfolgend sind die verschiedenen Wirkmechanismen bezogen auf die fünf Hauptklassen beschrieben.
Wir haben bewusst nur die minimalen Basisinformationen gelistet, obwohl wir wissen, dass es dennoch viel “Fachchinesisch” ist. Ihre behandelnde Ärztin oder Ihr behandelnder Arzt kann und wird Ihnen mit Sicherheit gerne zur Seite stehen und evtl. weitergehende Fragen beantworten.
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Einteilung in fünf Hauptklassen
Die Einteilung erfolgt anhand der unterschiedlichen Wirkung auf das elektrisch gesteuerte Erregungsleitungssystem des Herzens, wobei sich einige Medikamente nicht eindeutig einer der Klassen zuordnen lassen.
- Klasse I: Natriumkanalblocker
- Klasse II: Beta-Blocker
- Klasse III: Kaliumkanalblocker
- Klasse IV: Calciumantagonisten
- „Klasse V“: Antiarrhythmika, die nicht den genannten Klassen I-IV zugeordnet werden können
Anmerkung: Bei den nachfolgend genannten Präparatenamen handelt es sich um Wirkstoffbezeichnungen. Diese sind nicht identisch mit den Handelsnamen.
Antiarrhythmika der Klasse I
Antiarrhythmika der Klasse Ia blockieren die schnellen Natriumkanäle und führen so zu einer generellen Verschlechterung der elektrischen Erregbarkeit der Zelle sowie zu einer Verzögerung der erneuten Erregung.
Wirkstoffe: Chinidin, Procainamid, Disopyramid, Ajmalin, Prajmalin
Antiarrhythmika der Klasse Ib verkürzen die sog. Refraktärzeit der Natriumkanäle. Daraus ergibt sich ein Frequenzfiltereffekt (je höher die Herzfrequenz ist, desto wirksamer ist das Medikament). Diese Klasse wird nur für die Behandlung von ventrikulären Arrhythmien (Arrhythmien der Herzkammern) eingesetzt, insbesondere nach einem Herzinfarkt.
Wirkstoffe: Lidocain, Phenytoin, Mexiletin, Aprindin, Tocainid
Antiarrhythmika der Klasse Ic führen zu einer ausgeprägten Natriumblockade und sind sinnvoll für die Behandlung von Patienten ohne strukturelle Herzerkrankung oder ischämische Herzkrankheit, die eine symptomatische supraventrikuläre Tachykardie (schnelle Herzrhythmusstörungen, gesteuert von den Herzvorhöfen) aufweisen und keine Kandidaten für eine Katheterablation sind.
Darüber hinaus können sie auch für die pharmakologische Kardioversion von Vorhofflimmern eingesetzt werden.
Wirkstoffe: Flecainid, Propafenon, Lorcainid
Antiarrhythmika der Klasse II
Beta-Blocker sind zur Frequenzkontrolle bei Patienten mit paroxysmalem (anfallsweisem), persistierendem (anhaltenden) oder permanentem (dauerhaften) Vorhofflimmern und Vorhofflattern indiziert.
Orale Beta-Blocker sind für die laufende Behandlung von Patienten mit symptomatischer supraventrikulärer Tachykardie geeignet. Aufgrund ihres hervorragenden Sicherheitsprofils und ihrer Wirksamkeit bei der Behandlung von ventrikulären Arrhythmien sind Betablocker häufig die antiarrhythmische Therapie der ersten Wahl.
Bei Patienten mit symptomatischen ventrikulären Extrasystolen (Extraschläge der Herzkammern) in einem ansonsten gesunden Herzen ist die Behandlung mit einem Beta-Blocker sinnvoll, um wiederkehrende Arrhythmien zu reduzieren und die Symptome zu verbessern.
Wirkstoffe: Acebutolol, Atenolol, Bisoprolol, Metoprolol, Nebivolol, Propranolol, Sotalol
Antiarrhythmika der Klasse III
Antiarrhythmika der Klasse III führen zu einer Verlangsamung des Herzschlages. Daher werden sie zur Behandlung von ventrikulären Tachykardien, Vorhofflimmern sowie von supraventrikulären und ventrikulären Herzrhythmusstörungen eingesetzt.
Dronedaron dient nach erfolgreicher Kardioversion bei Vorhofflimmern zum Erhalt des Sinusrhythmus, hat aber zahlreiche Kontraindikationen.
Wirkstoffe: Amiodaron, Ibutilid, Sotalol (gleichzeitig auch Beta-Blocker), Dronedaron, Vernakalant
Antiarrhythmika der Klasse IV
Antiarrhythmika der Klasse IV behindern den Calciumionen-Einstrom. Die Erregungsbildung und Erregungsausbreitung werden gehemmt, wodurch der Herzschlag verlangsamt wird. Dadurch eignen sich die Präparate zur Behandlung von supraventrikulären Tachykardien.
Wirkstoffe: Diltiazem, Gallopamil, Verapamil, Flunarizin
Weitere Antiarrhythmika
Weitere Antiarrhythmika (sog. „Klasse V-Antiarrhythmika“), die nicht den oben genannten vier Klassen zugeordnet werden können, sind z.B.:
- Adenosin
- Herzglykoside (z.B. Digoxin, Digitoxin)
- Parasympatholytika (z.B. Atropin, Ipratropiumbromid)
- Sympathomimetika (z.B. Adrenalin, Noradrenalin, Orciprenalin)
- If-Kanalblocker (Ivabradin)
- Magnesium
Nebenwirkungen
Nebenwirkungen werden in der Fachinformation (für Ärzte und Apotheker) und in der Packungsbeilage (für Patienten) aufgeführt. Häufigkeit und Beschreibung des Auftretens von Nebenwirkungen sind hinsichtlich der Benennung, Strukturierung und Häufigkeitsangaben einheitlich festgelegt.
Die Häufigkeitsangaben zu Nebenwirkungen basieren auf folgenden Kategorien:
Bezeichnung | in Prozent | Beschreibung |
---|---|---|
sehr häufig | > 10 % | mehr als 1 Behandelter von 10 |
häufig | 1 – 10 % | 1 bis 10 Behandelte von 100 |
gelegentlich | 0,1 – 1 % | 1 bis 10 Behandelte von 1.000 |
selten | 0,01 – 0,1 % | 1 bis 10 Behandelte von 10.000 |
sehr selten | < 0,01 % | weniger als 1 Behandelter von 10.000 |
nicht bekannt | Häufigkeit auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar |
Nebenwirkungen sind grundsätzlich spezifisch für die verabreichte Substanz bzw. Wirkstoffgruppe. Antiarrhythmika haben eine enge therapeutische Breite, eine Überdosierung kann lebensgefährlich sein. Deshalb müssen die möglichen Wechselwirkungen sorgfältig abgeklärt werden.
Antiarrhythmika können verschiedene Nebenwirkungen, d. h. unerwünschte Arzneimittelwirkungen, auslösen.
Zuallererst besitzen die meisten Wirkstoffe auch selbst ein proarrhythmisches (Herzrhythmusstörungen auslösendes) Potenzial. Somit können die Medikamente selbst zu anderen (möglicherweise gefährlicheren) Arrhythmien führen.
Beispielsweise verlängern die Natriumkanalblocker der Klasse Ia (Chinidin, Procainamid und Disopyramid) alle das QTc-Intervall im Elektrokardiogramm (EKG) und erhöhen somit das Risiko einer ventrikulären Tachykardie (Torsades de pointes).
Andere Nebenwirkungen von Antiarrhythmika der Klasse Ia sind eher arzneimittelspezifisch. Procainamid kann z. B. die Autoimmunerkrankung Lupus erythematodes hervorrufen, die nach Absetzen des auslösenden Arzneimittels reversibel ist.
Eine durch die Behandlung mit Chinin verursachte Nebenwirkung wird als Cinchonismus bezeichnet und umfasst Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Tinnitus und Sehstörungen.
Disopyramid hat eine anticholinerge Wirkung und ist für viele Nebenwirkungen wie gerötete und trockene Haut, Durst, Hyperthermie, Mydriasis, Verwirrtheit, Unruhe und Harnverhalt verantwortlich.
Aufgrund arrhythmogener Wirkungen sind Antiarrhythmika der Klasse Ic bei Patienten nach Myokardinfarkt kontraindiziert.
Die Therapie mit Beta-Blockern kann kardiovaskuläre Nebenwirkungen wie Bradykardie und AV-Block hervorrufen. Zu den nichtkardialen Nebenwirkungen von Betablockern gehören die Verschlimmerung von Asthma und COPD, abnorme Müdigkeit und Dyslipidämie (Fettstoffwechselstörung).
Alle Kaliumkanalblocker verlängern die Phase 3 des Aktionspotentials des Herzens aufgrund des langsamen Ausströmens von K+-Ionen. Wenn die Repolarisationsphase des Aktionspotentials verlängert wird, verlängert sich auch die T-Welle im EKG, was zu einem verlängerten QTc-Intervall führt.
Die Nebenwirkungen von Amiodaron sind weitreichend und umfassen Mikroablagerungen von Amiodaron auf der Hornhaut, Hypothyreose, Hyperthyreose, Lungenfibrose, erhöhte Leberfunktionswerte, Übelkeit und Myopathie (Muskelschwäche).
Verapamil kann AV-Block, Bradykardie und Obstipation verursachen. Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen von Diltiazem sind Ödeme, Kopfschmerzen und Schwindel.
Zu den Nebenwirkungen von Adenosin gehören Hitzegefühl und Schwitzen, die aufgrund der kurzen Halbwertszeit des Arzneimittels normalerweise vorübergehend sind. Schwerwiegendere Nebenwirkungen sind Hypotonie, Brustschmerzen, AV-Block und Asystolie. Aufgrund der potenziellen Nebenwirkung Bronchospasmus ist Adenosin bei Asthmapatienten kontraindiziert.
Eine Digoxin-/Digitoxin-Toxizität ist gekennzeichnet durch eine atriale Tachykardie mit AV-Block, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Müdigkeit, Verwirrtheit und Veränderungen des Farbsehens.
Wechselwirkungen und Kontraindikationen
Mit dem Begriff Wechselwirkung bezeichnet man in der Pharmakologie die gegenseitige Beeinflussung von zwei oder mehreren Arzneistoffen. Hierbei wird ein Medikament in seiner Aufnahme oder Verteilung im Körper, seiner Bindung im Blut, seinem Abbau oder seiner Ausscheidung durch andere Stoffe beeinflusst, sodass seine Wirkung und Nebenwirkungen verstärkt oder abgeschwächt werden.
Eine Kontraindikation (Gegenanzeige) ist ein Faktor (z. B. Alter, bestimmte Vorerkrankungen, Verletzungen etc., aber auch Zustände wie z. B. Schwangerschaft), der gegen eine bestimmte diagnostische oder therapeutische Maßnahme (z. B. die Verabreichung eines Medikaments) spricht. Wird eine Kontraindikation ignoriert, kann daraus die Schädigung eines Organs oder Organsystems oder die Verschlechterung einer bestehenden Grunderkrankung resultieren.
Bei den Antiarrhythmika sind die Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sowie die Kontraindikationen substanz- bzw. wirkstoffgruppenspezifisch.
Wir verzichten an dieser Stelle auf eine Auflistung der Wechselwirkungen und Kontraindikationen, da diese zu umfangreich sind. Genauere Informationen zu Wechselwirkungen und Kontraindikationen finden Sie in der Packungsbeilage des jeweiligen Medikaments.
Jedoch kann und wird Ihre behandelnde Ärztin oder Ihr behandelnder Arzt Ihnen auch hier bei evtl. weitergehenden Fragen mit Sicherheit gerne zur Seite stehen.
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Autor
Dr. med. Mark Dankhoff ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Ernährungsmedizin, Diabetologische Grundversorgung, Hypertensiologie DHL und Adipositas-Trainer. Sein Schwerpunkt ist die Prävention und Therapie von kardiovaskulären Risikofaktoren und Erkrankungen. Seit 2021 ist er als Medical Advisor freiberuflich tätig. Dr. med. Mark Dankhoff ist Gründungsmitglied des „Im Puls. Think Tank Herz-Kreislauf e.V.“. [mehr]
Quellen
- Aktories, U. Förstermann, F. B. Hofmann, K. Starke: Repetitorium Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 2. Auflage, 2009, S. 163.
- Campbell T.J., Williams K.M. Therapeutic drug monitoring: antiarrhythmic drugs. Br J Clin Pharmacol, 2001, 52 Suppl 1(Suppl 1), 21S-34S.
- Carmeliet E., Mubagwa K. Antiarrhythmic drugs and cardiac ion channels: mechanisms of action. Prog Biophys Mol Biol, 1998, 70(1), 1-72.
- Antiarrhythmic drugs for atrial fibrillation: Imminent impulses are emerging – Autoren: Gheorghe-Andrei Dan, Dobromir Dobrev – Publikation: IJC Heart & Vasculature Volume 21, December 2018, Pages 11-15 – DOI: https://doi.org/10.1016/j.ijcha.2018.08.005
- Clinical use of and future perspectives on antiarrhythmic drugs – Autoren: Juan Carlos Estrada, Dawood Darbar – Publikation: European Journal of Clinical Pharmacology volume 64, pages1139–1146 (2008) – DOI: https://doi.org/10.1007/s00228-008-0555-x
- Lewalter, Lüderitz: Herzrhythmusstörungen – Diagnostik und Therapie, 6. Auflage, 2010.
- Magnesium bioavailability from magnesium citrate and magnesium oxide – Autoren: J S Lindberg, M M Zobitz, J R Poindexter, C Y Pak – Publikation: Journal of the American College of Nutrition Volume 9, 1990 – Issue 1 – DOI: https://doi.org/10.1080/07315724.1990.10720349
- Antiarrhythmic drugs: from mechanisms to clinical practice – Autoren: Dan M Roden – Publikation: Heart, 2000, 84(3), 339-46 – DOI: https://doi.org/10.1136/heart.84.3.339
- Antiarrhythmic Drugs: Safety First – Autoren: Christian Torp-Pedersen MD, Ole Dyg Pedersen MD, Lars Køber MD – Publikation: Journal of the American College of Cardiology Volume 55, Issue 15, 13 April 2010, Pages 1577-1579 – DOI: https://doi.org/10.1016/j.jacc.2009.10.072
- Vaughan Williams EM. “Classification of anti-arrhythmic drugs.” In: Symposium on Cardiac Arrhythmias, Sandfte E, Flensted-Jensen E, Olesen KH eds. Sweden, AB ASTRA, Södertälje, 1970; 449-472.
- Vaughan Williams E.M. Classification of antiarrhythmic action. Handbook of Experimental Pharmacology, 1989, 89 45–62.