Thrombektomie ▷ Ablauf, Dauer und Risiken
In diesem Artikel:
Was ist eine Thrombektomie?
Die Thrombektomie ist die Entfernung eines Blutgerinnsels (Thrombus) aus einem Blutgefäß mit einem Katheter, meist aus einer Arterie, seltener aus einer Vene.
Die “mechanische Thrombektomie” wird beim Schlaganfall seit wenigen Jahren zunehmend häufiger und in Deutschland flächendeckend angewandt. Sie wird als “Revolution der Schlaganfalltherapie” bezeichnet, als bahnbrechende neue Methode, mit der es häufig gelingt, das verstopfende Blutgerinnsel aus einer Hirnarterie im Inneren des Schädels zu entfernen und die Durchblutung wieder herzustellen.
Nach Angaben der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) werden rund 80 Prozent aller Schlaganfälle durch ein Blutgerinnsel verursacht, oft aus dem Herzen bei Vorhofflimmern oder aus einer hirnzuführenden Arterie im Halsbereich.
Diese Methode wird erfolgreich auch beim Herzinfarkt durch Verstopfung einer Herzkranzarterie (Koronararterie) angewandt.
Ablauf: Wie wird eine Thrombektomie durchgeführt, wie lange dauert sie und wie hoch ist das Risiko?
Bei der Behandlung des akuten Schlaganfalls wird dieser Eingriff möglichst früh (“Zeit ist Hirn”) bzw. in einem Zeitfenster bis zu 24 Stunden meist von einem sog. interventionellen Neuroradiologen am narkotisierten Patienten durchgeführt. Ein Katheter, der sog. Führungskatheter, wird von der Leistenarterie unter Röntgensicht bis zur verstopften Hirnarterie vorgeschoben, durch Einspritzen eines Röntgen-Kontrastmittels kann dann der Gefäßverschluss dargestellt werden.
Über diesen Katheter wird ein zweiter, sehr dünner Katheter in das Blutgerinnsel geschoben. Er besitzt einen sog. Stent-Retriever, ein Geflecht aus feinstem Maschendraht, das sich entfaltet, bis zur Gefäßwand ausdehnt und das Blutgerinnsel einschließt. Anschließend wird der Retriever mit dem Gerinnsel zurückgezogen. Durch ein anderes Vorgehen wird das Blutgerinnsel abgesaugt. Bei Erfolg wird der Blutfluss in dieser Hirnarterie wieder hergestellt, somit das unterversorgte Hirnareal wieder durchblutet.
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Dauer
Der gesamte Eingriff dauert ca. 60 Minuten.
In den ersten 4 1/2 Stunden nach einem Schlaganfall, unter besonderen Bedingungen auch später, kann die Thrombektomie mit dem medikamentösen Versuch, das Blutgerinnsel aufzulösen, kombiniert werden. Dieses Verfahren wird als intravenöse Fibrinolyse oder i.v.-Lyse bezeichnet.
Risiken
Wenn irgend möglich, sollten der Patient oder Angehörige über diese Eingriffe aufgeklärt und deren Einverständnis eingeholt werden, da diese Untersuchung in seltenen Fällen zu Komplikationen führt: Im Rahmen der Lyse-Therapie kann es in 3 bis 8 Prozent zur Einblutung in das minderdurchblutete Hirngewebe kommen, meist ohne Verschlechterung der neurologischen Symptome. Bei der mechanischen Thrombektomie kann sehr selten der Katheter die Gefäßwand verletzen und zur Dissektion führen oder die Wand durchstoßen. Es können sich auch Anteile des Thrombus ablösen und in kleinere Arterien abgeschwemmt werden.
Die bisher vorliegenden Studien zeigen aber, dass durch beide Methoden für Patienten nach einem akuten Schlaganfall die Chancen auf eine teilweise oder auch nahezu komplette Wiederherstellung der neurologischen Störungen wesentlich erhöht werden.
Das Wichtigste ist, diese Behandlungen möglichst frühzeitig im Rahmen der Notfallbehandlung des Schlaganfalls durchführen zu können.
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Autor
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]
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Quellen
- Endovascular thrombectomy after large-vessel ischaemic stroke: a meta-analysis of individual patient data from five randomised trials – Autoren: Prof Mayank Goyal, MD – Bijoy K Menon, MD – Wim H van Zwam, MD – Prof Diederik W J Dippel, MD – Prof Peter J Mitchell, MBBS – Prof Andrew M Demchuk, MD – Prof Antoni Dávalos, MD – Prof Charles B L M Majoie, MD – Prof Aad van der Lugt, MD – Maria A de Miquel, MD – Prof Geoffrey A Donnan, MD – Prof Yvo B W E M Roos, MD – Prof Alain Bonafe, MD – Reza Jahan, MD – Prof Hans-Christoph Diener, MD – Lucie A van den Berg, MD – Prof Elad I Levy, MD – Olvert A Berkhemer, MD – Vitor M Pereira, MD – Jeremy Rempel, MD – Mònica Millán, MD – Prof Stephen M Davis, MD – Prof Daniel Roy, MD – John Thornton, MD – Luis San Román, MD – Marc Ribó, MD – Debbie Beumer, MD – Prof Bruce Stouch, PhD – Scott Brown, PhD – Bruce C V Campbell, MD – Prof Robert J van Oostenbrugge, MD – Prof Jeffrey L Saver, MD – Prof Michael D Hill, MD – Dr Tudor G Jovin, MD – Publikation: The Lancet – VOLUME 387, ISSUE 10029, P1723-1731, APRIL 23, 2016 – PMID: 26898852 – DOI: 10.1016/S0140-6736(16)00163-X
- Behandlung des akuten Schlaganfalls: Neue Leitlinie empfiehlt interventionelle Thrombektomie – Gemeinsame Presseinformation der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) – 12.04.2016
- Schlaganfall: „Wir haben ein größeres Zeitfenster und mehr Behandlungsoptionen“ – Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) – Pressemitteilung vom 26.06.2019 – URL: https://www.dgn.org/presse/pressemitteilungen/60-pressemitteilung-2019/3829-schlaganfall-wir-haben-ein-groesseres-zeitfenster-und-mehr-behandlungsoptionen
- Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls – Rekanalisierende Therapie (Ergänzung 2015) – Entwicklungsstufe: S2k – AWMF-Registernummer: 030/140 – Federführend: Prof. Dr. Peter A. Ringleb, Heidelberg, Prof. Dr. Roland Veltkamp, London – URL: https://www.dgn.org/leitlinien/3198-030-140-rekanalisierende-therapie-ergaenzung-akuttherapie-schlaganfall – DOI: 10.1055/s-0042-101225 – AWMF: 030-140