Was bedeutet “Zeit ist Hirn”? ▷ Schlaganfall-Versorgung
Kein anderes Organ des Menschen reagiert so rasch und folgenschwer auf einen Mangel an Sauerstoff und Nährstoffen wie das Gehirn. Hört das Herz auf zu schlagen, kommt es schon nach wenigen Sekunden zur Bewusstlosigkeit und nach wenigen Minuten zum Absterben von Nervenzellen im Gehirn.
Circa 85 Prozent aller Schlaganfälle sind sogenannte ischämische Hirninfarkte durch Blutmangel in einer Region des Großhirns, Kleinhirns oder des Hirnstamms. Ursache dieser Hirninfarkte sind in überwiegender Mehrzahl Arterienverschlüsse durch die Arteriosklerose oder durch Blutgerinnsel bzw. Thromben aus dem Herzen oder Arterien, die Blut zum Gehirn leiten.
Frühzeitiger Behandlungsbeginn erhöht den Erfolg
Um Hirngewebe zu retten, spielt somit der Zeitfaktor die wichtigste Rolle: “Zeit ist Hirn” bzw. “jede Minute zählt”. Je rascher nach einem ischämischen Schlaganfall die Behandlung beginnt, desto größer sind die Chancen auf Besserung bzw. Rückbildung der Symptome.
Diese Schlagworte haben in den vergangenen Jahren durch die Einführung der intravenösen Lysetherapie und der mechanischen Thrombektomie an enormer Bedeutung gewonnen. Die genannten Behandlungsmethoden sind mit der größten Hoffnung verknüpft, einen Schlaganfall zu überleben oder mit geringerem Schaden zu überstehen.
Was kann das Medizinsystem tun, damit die Zeit zwischen Schlaganfall und Behandlung möglichst kurz ist?
Nachdem der Schlaganfall, wie früher schon der Herzinfarkt, als medizinischer Notfall eingeordnet wurde, kam es durch die Einrichtung von Schlaganfall-Spezialstationen (Stroke Units) zu einer umwälzenden Fokussierung auf das sog. “therapeutische Zeitfenster” unter dem Motto: “Zeit ist Hirn”.
Zeitvorgabe: Innerhalb von 30 Minuten in die Klinik
Das Notarztsystem wurde entsprechend angepasst, Patienten werden auch mit dem Hubschrauber zur Klinik transportiert. Die Zeitvorgabe ist, dass zwischen dem Auftreten des Schlaganfalls und dem Eintreffen in der Klinik nach Möglichkeit nicht mehr als 30 Minuten verstreichen sollten.
In der Klinik sind dann schnellstmöglich die erforderlichen ärztlichen Untersuchungen und – zum Ausschluss einer Hirnblutung – eine Computertomografie (CT) mit Darstellung der Hirngefäße (Angiografie) durchzuführen.
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Behandlungsteams sind 24/7 in Bereitschaft
Das bedeutet, dass in den ersten Stunden nach einem Schlaganfall mit größtmöglichem Tempo, aufwendigen und auch teuren Untersuchungs- und Überwachungsmethoden reagiert wird. Die dafür nötigen eingespielten Behandlungsteams werden Tag und Nacht an allen Tagen des Jahres vorgehalten.
Um die kritische Zeit zu verkürzen, werden neuerdings versuchsweise “mobile Stroke Units” eingesetzt, um dem Motto “Zeit ist Hirn” noch gerechter zu werden.
Was kann die Bevölkerung tun, um das Medizinsystem zu unterstützen?
Diese Frage ist einfach zu beantworten: Je besser das allgemeine Wissen um die Erkrankung Schlaganfall und seine Symptome ist, umso effektiver kann das Medizinsystem reagieren.
Vor allem, wenn der Zeitdruck verstanden wird. Eine unverzügliche Aktivierung des Notarztes (112) – nicht des Hausarztes – ist erforderlich.
Gefragt sind somit Gesundheitskompetenz, sowie schnelles und gezieltes Handeln.
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Autor
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]
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