PFO und Schlaganfall ▷ Persistierendes Foramen ovale
In diesem Artikel:
- Wie funktioniert das Herz?
- Was ist ein Foramen ovale?
- Was bedeutet PFO?
- Schlaganfall und PFO
- Vorhofseptumaneurysma
- Kryptogener Schlaganfall
- Wie kann ein offenes Foramen ovale behandelt werden?
- Gibt es andere Behandlungsmöglichkeiten?
Wie funktioniert das Herz?
Das Herz ist ein starker Muskel, der wie eine Pumpe funktioniert. Diese Pumpe hat vier Räume: den rechten und den linken Vorhof sowie die rechte und die linke Herzkammer (auch Ventrikel genannt).
Normalerweise sind die rechten und die linken Herzabschnitte durch eine Gewebewand – die Herzscheidewand – getrennt. Der rechte Vorhof und die rechte Kammer stehen zueinander in Verbindung, ebenso der linke Vorhof und die linke Kammer. Zwischen dem rechten Vorhof und der rechten Kammer, dem linken Vorhof und der linken Kammer sowie hinter beiden Kammern befindet sich je eine Herzklappe, die wie ein zwei- bzw. dreizipfliges Segel aussieht und ähnlich wie eine Schwingtür funktioniert.
Der Weg des Blutes durch das menschliche Herz
Das Blut fließt vom Körper durch den rechten Vorhof in die rechte Kammer und wird von dort in die Lungenarterien ausgepumpt. Dort wird das Blut „gefiltert“ und mit Sauerstoff angereichert, den wir durch die Lunge einatmen. Von der Lunge wird das mit Sauerstoff angereicherte Blut in den linken Vorhof und von dort in die linke Kammer gepumpt.
Von dort gelangt es über die Hauptschlagader (Aorta) in den Körper, um den Sauerstoff in alle Körperorgane zu verteilen. Nachdem das Blut den Sauerstoff im Körperkreislauf verteilt hat, fließt es zum rechten Herzen zurück, um von dort wieder in die Lunge zu gelangen, wo es erneut mit Sauerstoff „betankt“ wird.
Was ist ein Foramen ovale?
Der Begriff Foramen ovale stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „ovales Loch“. Es stellt eine torartige Verbindung in der Scheidewand zwischen dem rechten und linken Herzvorhof dar.
Im Herz-Kreislauf-System des Menschen vor seiner Geburt ist diese Verbindung nötig, um einen Blutübertritt von den rechten Herzabschnitten (Lungenkreislauf) in die linken Herzabschnitte herzustellen. Die Lunge kann vor der Geburt noch nicht mit Sauerstoff belüftet werden, da der Embryo sich in seiner Fruchtblase befindet. Daher muss das Blut die Lunge „umgehen“, was durch das Foramen ovale hindurch geschieht.
Nach der Geburt beginnt das Neugeborene zu atmen und es gelangt Sauerstoff in die Lungen. Durch Veränderungen der Druckverhältnisse sowohl in der Lunge als auch im Herzen sowie im Blut kommt es in den ersten Lebenstagen oder -wochen zu einem selbstständigen Verschluss des Foramen ovale. Es besteht damit dann keine direkte Verbindung zwischen dem rechten und linken Herzvorhof mehr.
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Was bedeutet PFO?
Kommt es nach der Geburt zu keinem oder nur einem unvollständigen Verschluss des Foramen ovale, so nennt man dies persistierendes (=anhaltendes) Foramen ovale, kurz: PFO.
Schätzungsweise 25 Prozent aller Menschen leben mit einem offenen Foramen ovale. Solange keine Beeinträchtigung in Form einer verminderten körperlichen Belastbarkeit oder belastungsabhängiger Atemnot besteht, ist eine Behandlung nicht erforderlich.
Die meisten Menschen wissen nicht, dass sie ein offenes Foramen ovale haben. Es ist nicht erforderlich, sich routinemäßig auf ein PFO untersuchen zu lassen.
Schlaganfall und PFO
In seltenen Fällen kann bei Menschen mit einem PFO ein Schlaganfall entstehen, indem ein Blutgerinnsel, das aus den Venen stammt (z.B. bei einer Beinvenenthrombose), unter Umgehung des Lungenkreislaufes vom rechten Herzvorhof durch das PFO in den linken Herzvorhof und damit in die Arterien des Körpers gelangt. Dort kann es dann einen Gefäßverschluss und damit einen Schlaganfall auslösen.
Den Übertritt eines Gerinnsels aus dem Venensystem in das Arteriensystem nennt man auch paradoxe Embolie. Begünstigt werden kann ein solcher Übertritt durch heftiges Husten, Niesen, sehr tiefes Atmen oder Pressen (z.B. beim Stuhlgang). Neben einem Schlaganfall können auf diesem Weg auch Embolien in anderen Organen auftreten, z.B. an den Herzkranzgefäßen, den Augen, den Bauchorganen sowie an Armen oder Beinen.
Bei Menschen ohne PFO würde ein Blutgerinnsel, das aus den Venen gelöst wird, in der Lunge „abgefangen“ und ausgefiltert werden. Bei sehr großen Gerinnseln, die sich aus den Beinvenen lösen, kann eine Lungenembolie entstehen.
Vorhofseptumaneurysma
Zusätzlich zum PFO kann die Trennwand zwischen dem rechten und linken Vorhof auch eine Aussackung aufweisen. Wenn die Beweglichkeit dieser Aussackung mehr als 10 mm beträgt, spricht man von einem Vorhofseptumaneurysma.
Kommen ein PFO und ein Vorhofseptumaneurysma in Kombination vor, so ist das Risiko für eine paradoxe Embolie deutlich erhöht. Vermutet wird, dass durch das Aneurysma vermehrt Gerinnsel durch das PFO kanalisiert werden und die Auslenkung des Aneurysmas die Öffnung des PFO verstärkt.
Kryptogener Schlaganfall
Bei den Untersuchungen nach einem Schlaganfall findet sich gerade bei jüngeren Patienten oft keine klare Ursache, man bezeichnet dies dann als „kryptogenen Schlaganfall“. Das bedeutet, dass der Ursprung der Erkrankung mit den aktuell verfügbaren diagnostischen Methoden nicht nachzuweisen ist.
In manchen Literaturstellen wird hierfür der Begriff ESUS verwendet (=embolic stroke of undetermined source; deutsch: embolischer Schlaganfall ungeklärter Ursache). Diese Bezeichnung darf man nur verwenden, wenn ausgeschlossen ist, dass der Schlaganfall durch eine behandlungsbedürftige Gefäßeinengung (Stenose), einen Gefäßwandeinriss (Dissektion), durch Vorhofflimmern oder Herzklappenfehler oder durch einen Verschluss kleinster tiefer Hirnarterien entstanden ist.
Bei rund der Hälfte der Patienten unter 55 Jahren mit einem „kryptogenen Schlaganfall“ lässt sich jedoch ein PFO nachweisen. Dieses ist zumeist größer und zeigt einen stärkeren Blutdurchtritt als bei Menschen mit PFO, die keinen Schlaganfall erlitten haben.
Wie kann ein offenes Foramen ovale behandelt werden?
Die Behandlung erfolgt durch einen Verschluss der Öffnung zwischen den beiden Herzvorhöfen. Dazu verwendet man ein sogenanntes „Schirmchen“ oder „Occluder“. Dieses besteht aus zwei elastischen Scheiben, die über einen Steg miteinander verbunden sind, es gibt unterschiedliche Modelle und Größen. Die eine Scheibe wird durch das PFO hindurch auf die linke Seite der Vorhofscheidewand hindurchgeführt, die andere Scheibe wird auf die rechte Seite der Wand platziert.
Der Verbindungssteg liegt damit im PFO. Das Schirmchen wird in den folgenden Wochen von körpereigenem Bindegewebe überzogen und damit in die Vorhofscheidewand „eingebaut“. Um die Zeit bis zum Einheilen in den Körper zu überbrücken, muss für 6 bis 12 Monate Aspirin und zusätzlich für 1 bis 3 Monate Clopidogrel eingenommen werden.
Beide Medikamente sollen verhindern, dass sich auf dem Fremdkörper Blutgerinnsel ansammeln. Ist das Schirmchen einmal eingeheilt, besteht diese Gefahr nicht mehr. Wichtig ist eine Nachkontrolle mittels Ultraschall nach 6 Monaten.
Für ein Jahr nach dem Eingriff muss eine Endokarditisprohylaxe erfolgen. Das ist eine vorbeugende, einmalige Antibiotikagabe vor zahnärztlichen Eingriffen mit abzusehender Verletzung des Zahnfleisches und vor ärztlichen Eingriffen im Nasen-Rachen-Raum, bei denen es zu Blutungen kommt. Da er hierbei zu einem Einschwemmen von Bakterien in die Blutbahn kommen kann, verhindert die einmalige Antibiotikagabe eine Entzündung der Herzhäute.
Mögliche Komplikationen des PFO-Verschlusses können sein:
- Herzrhythmusstörungen
- Kontrastmittelallergien
- Blutungen
- Infektionen
- Herz- und Gefäßverletzungen
- Gerinnselbildungen
- Embolien mit Herzinfarkt oder Schlaganfall
- Verrutschen bis hin zum Abgleiten des Schirmchens in den Körper
Der PFO-Verschluss erfolgt im Rahmen einer speziellen Herzkatheteruntersuchung.
Während des Behandlungsablaufes erhält der Patient für gewöhnlich Medikamente über die Vene, die ihn in einen schmerzfreien Schlaf versetzen. Über die Leistenvene wird nach örtlicher Betäubung ein Katheter in den rechten Herzvorhof vorgeschoben. Darüber können sämtliche Instrumente für den Verschluss eingeführt werden. Eine Kontrolle des Verschlusses erfolgt durch eine zeitgleiche Ultraschalluntersuchung des Herzens über die Speiseröhre. Die gesamte Behandlung dauert ca. 30 Minuten.
Gibt es andere Behandlungsmöglichkeiten?
Der Verschluss des PFO durch eine Intervention wurde in mehreren Studien 2017 und 2018 untersucht, die zeigen konnten, dass mit dem Verschluss ein erneuter Schlaganfall wirksam verhindert werden kann. Allerdings trifft dies nach den vorliegenden Untersuchungen nur auf Patienten unter 60 Jahren zu.
Der Verschluss ist nach derzeitiger Erkenntnis wirksamer als eine medikamentöse blutverdünnende Therapie, die nach einem Schlaganfall durch ein PFO lebenslang erfolgen müsste.
Nützlich ist der Verschluss aber nicht generell für jeden Patienten nach Schlaganfall, bei dem ein PFO gefunden wurde. Entscheidend ist dabei die Menge des Blutes, das durch das PFO vom rechten in den linken Vorhof übertritt, ob eine zusätzliche Aussackung in der Trennwand zwischen dem rechten und linken Vorhof vorliegt und ob die Beweglichkeit dieser Aussackung mehr als 10 mm beträgt (Vorhofseptumaneurysma).
Daher ist die Entscheidung, ob ein PFO-Verschluss sinnvoll und für den Patienten hilfreich ist, immer eine Einzelfallentscheidung, die in enger Abstimmung zwischen den behandelnden Neurologen und Kardiologen getroffen werden sollte.
Bei Patienten über 60 Jahre haben Studien gezeigt, dass andere Schlaganfallursachen wesentlich häufiger sind als ein PFO. Patienten mit kryptogenem Schlaganfall und PFO, die einen Verschluss ablehnen oder bei denen ein Verschluss aus unterschiedlichen Gründen nicht durchführbar ist, sollten stattdessen auf Dauer mit einem blutverdünnenden Medikament behandelt werden.
Das geschieht in erster Linie entweder durch Aspirin oder Clopidogrel; beides sind Medikamente, die eine Zusammenballung der Blutplättchen (Thrombozyten) und damit eine Gerinnselbildung verhindern. Nach aktuellem Kenntnisstand ist eine Therapie durch sogenannter Antikoagulantien, die direkt in die Blutgerinnung und die Bildung von Gerinnungsfaktoren eingreifen (z.B. Phenprocoumon (Marcumar®), Apixaban (Eliquis®), Dabigatran (Pradaxa®), Edoxaban (Lixiana®), Rivaroxaban (Xarelto®) ) für diese Patienten nicht wirkungsvoller als eine Behandlung mit einem Thrombozytenfunktionshemmer.
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Autorin
Dr. med. Christina Rückert ist Fachärztin für Neurologie und Geriatrie und arbeitete mehr als 10 Jahre als Oberärztin an der Oberschwabenklinik in Ravensburg. Ihre berufliche Tätigkeit beinhaltete auch die stellvertretende ärztliche Leitung der Zentralen Notaufnahme. Seit Juli 2021 ist sie gemeinsam mit ihrem Mann – ebenfalls Facharzt für Neurologie – in eigener Praxis in Rothenburg ob der Tauber niedergelassen. Ein Schwerpunkt ihrer ambulanten Tätigkeit ist die Nachsorge von Patienten nach Schlaganfall. [mehr]
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Quellen
- Kryptogener Schlaganfall und offenes Foramen ovale. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), Juni 2018 (gültig bis Juni 2021)
- Gemeinsame Presseinformation der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DGS), der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK): Ende des Patts: Kardiologen und Neurologen empfehlen Schirmchen zum Schutz vor Schlaganfall. 13.08.2018