Muskelschwäche ▷ Ursachen, Symptome, Behandlung, Verlauf und Prognose
In diesem Artikel:
- Was ist eine Muskelschwäche?
- Ursachen
- Symptome
- Welcher Arzt ist zuständig?
- Behandlung
- Verlauf und Prognose
- Tipps für Betroffene und Angehörige
Was ist eine Muskelschwäche?
Von einer Muskelschwäche wird gesprochen, wenn – zunächst ganz allgemein – ein Nachlassen der Kraft und damit auch der Funktion unserer Gesichts- und Extremitätenmuskulatur festgestellt wird. Betroffen sind Muskeln, die wir willkürlich einsetzen können. Sie sind für die sog. “Willkürmotorik” verantwortlich.
Im Gegensatz hierzu werden unsere Muskeln auch für unwillkürliche Ausdrucksformen und Bewegungen eingesetzt. Beispiele hierfür sind die Mimik, die Gestik oder das Mitschwingen der Arme beim Gehen.
Wenn ein Muskel (oder mehrere) nicht mehr die erwartete oder gewohnte Leistung erbringt, spricht man von einer Muskelschwäche oder Muskellähmung.
Diese kann sehr unterschiedliche Ursachen haben:
- eine zentrale oder periphere Nervenschädigung z.B. durch eine Hirnverletzung oder einen Schlaganfall
- Entzündung
- Gefäßerkrankung
- Überbeanspruchung
- Immobilität
- Mangelerscheinung
- seelische Störung
- u.a.
Wird eine unzureichende Muskelkraft, eine Lähmung festgestellt, sind die ersten Fragen: Wo ist der Ort der Schädigung und welche Ursache ist verantwortlich?
An welchem Ort des Körpers kann eine Schädigung eine Muskelschwäche bewirken?
Hier ist zum weitergehenden Verständnis ein kurzer Ausflug in die Anatomie notwendig:
- Jede willkürliche Bewegung nimmt ihren Ursprung in der “motorischen Zentrale” im Großhirn. Von dort werden die elektrischen Aktivierungsimpulse für eine bestimmte Bewegung über Nervenbahnen zum Hirnstamm für die Muskulatur des Kopfes oder zum Rückenmark für die Muskulatur der Extremitäten geleitet. Dies ist das sogenannte 1. motorische Neuron.
- Im Hirnstamm oder Rückenmark werden die Nervenimpulse auf Nervenzellen übertragen, von denen die peripheren Nervenstränge zur Muskulatur ziehen und diese aktivieren. Dies ist das sogenannte 2. motorische Neuron.
- Erreichen die Aktivierungsimpulse die Muskulatur, wird ein chemischer Prozess der Signalübertragung eingeleitet, der schlussendlich für die Anregung der Muskulatur zur Bewegung oder Kraftentfaltung sorgt.
Somit kann eine Schädigung sowohl der Nervenzellen der Zentrale im Gehirn als auch der Nervenbahnen im Gehirn und Rückenmark, eine Schädigung der peripheren Nerven oder eine direkte Schädigung der Muskulatur zu einer Muskelschwäche führen. Auch eine Störung der Signalübertragung des peripheren Nerven auf den Muskel ist möglich.
Was sind die Ursachen einer Muskelschwäche?
Um die Ursache einer Muskelschwäche zu klären, sind folgende Überlegungen anzustellen. Eine Auswahl:
- Liegt eine Verletzung (Trauma) des Gehirns, des Rückenmarks, eines peripheren Nerven oder der Muskulatur vor?
- Handelt es sich um eine Durchblutungsstörung im Bereich des Gehirns, des Rückenmarks oder von peripheren Nerven? Zum Beispiel bei einem Hirninfarkt, einer Hirnblutung, bei einer Subarachnoidalblutung (SAB) oder eines sub-oder epiduralen Hämatoms.
- Kann als Ursache der Muskelschwäche ein Tumor im Schädelinneren, im Bereich des Rückenmarks oder eines peripheren Nerven festgestellt werden?
- Liegt eine entzündliche Erkrankung (Meningitis, Enzephalitis, Myelitis, Polyneuritis) vor?
- Kann eine Autoimmunerkrankung, zum Beispiel eine Multiple Sklerose, eine Polyneuroradikulitis (Guillain-Barre-Syndrom) oder eine Polymyalgia rheumatica verantwortlich gemacht werden? Auch die Myasthenia gravis pseudoparalytica, bei der die Impulsübertragung vom Nerven auf den Muskel gestört ist, gehört zu den Autoimmunerkrankungen
- Liegt eine Stoffwechselstörung vor, zum Beispiel beim Diabetes mellitus, der eine Polyneuropathie (Erkrankung mehrerer peripherer Nerven) mit Muskelschwäche verursachen kann?
- Findet sich als Auslöser einer Polyneuropathie mit Muskelschwäche ein chronischer Alkoholmissbrauch?
- Besteht seit längerem Immobilität?
- Liegt eine entzündliche oder erbliche Erkrankung der Muskulatur vor?
- Handelt es sich bei der Muskelschwäche um die Umwandlung eines verdrängten seelischen Konflikts in ein körperliches Symptom? Diese Form einer seelischen Störung wird als Konversionsneurose, dissoziative oder somatoforme Störung bezeichnet.
Häufigste Ursache einer Muskelschwäche sind Erkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks und der peripheren Nerven, also des zentralen oder peripheren Nervensystems. Selten sind Erkrankungen der Muskulatur oder eine Myasthenie die Ursache.
Symptome – Wie äußert sich die Muskelschwäche?
Im medizinischen Sprachgebrauch wird die Muskelschwäche eines oder mehrerer Muskeln als Lähmung bzw. Parese bezeichnet. Die totale Lähmung, d.h., der vollständige Funktionsverlust, wird Plegie genannt.
Eine Parese oder Plegie, die zum Beispiel durch einen Schlaganfall ausgelöst wurde, kann sich darin äußern, dass Haltungen oder Bewegungen schwerer oder nur unzureichend eingenommen bzw. ausgeführt werden können.
Ist die Rumpfmuskulatur gelähmt, kann der Betroffene nicht ohne Stütze oder Fremdhilfe sitzen. Es besteht dann für ihn die Gefahr, umzukippen.
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Wenn die Fingermuskulatur gelähmt ist, fällt das Greifen und Festhalten schwer, dem Betroffenen fallen Gegenstände aus der Hand.
Ist die Beinmuskulatur gelähmt, muss das betroffene Bein beim Stehen und/oder Gehen durch Fremdhilfe oder mittels Schienenversorgung (häufig durch eine Fußheberschiene, auch Fußheberorthese genannt) unterstützt werden.
Auch die Muskulatur des Gesichts oder die Muskulatur, die für die Schluckfunktion und/oder für das Sprechen verantwortlich sind, können infolge eines Schlaganfalls betroffen sein.
Welcher Arzt ist zuständig?
Zunächst der Allgemeinmediziner, der zur weiteren Klärung der Ursache und zur Behandlung den Neurologen, Unfallchirurgen, Neurochirurgen, Orthopäden oder Psychiater zuziehen kann.
Der Neurologe kann mit elektrophysiologischen Untersuchungen wie Elektromyographie, Elektroneurographie, Ableitung evozierter Potentiale die Funktion einzelner Nerven, Nervenbahnen und Muskeln beurteilen und den Verlauf kontrollieren.
Die Beurteilung einer Muskelschwäche bei einem Schlaganfall-Patienten
Die Feststellung einer Muskelschwäche und der hierdurch bedingten Funktionseinschränkungen zum Beispiel als Folge eines Schlaganfalls kann für Ärzte und Therapeuten eine Herausforderung sein.1,2,3
Bei der ärztlichen, ergotherapeutischen oder physiotherapeutischen Untersuchung werden beide Körperhälften (die vom Schlaganfall betroffene und die nicht betroffene Seite) auf verschiedene Aspekte wie die Muskelkraft, Muskelspannung, Sensibilität, Koordinationsfähigkeit u.a. untersucht und miteinander verglichen.
Hierbei kann sich zeigen, dass die betroffene Seite vollständig gelähmt ist. In diesem Fall spricht man von einer vollständigen Halbseitenlähmung oder einer Hemiplegie. Kann der Betroffene die betroffene Seite teilweise, aber in einer abgeschwächten Form bewegen, spricht man von einer Hemiparese.
Es kann auch vorkommen, dass die vom Schlaganfall betroffene Seite nur sehr partiell bewegt werden kann, also z.B. nur im Bereich des Schultergürtels. Von manchen Patienten kann nur der Arm oder nur das Bein (oder Teile davon) nicht bewegt werden. Diese (Teil-)Beweglichkeit muss nicht zwangsläufig mit einer Schwäche der Muskulatur zu tun haben. Ursachen hierfür können auch Gefühlsstörungen (Sensibilitätsstörungen) oder Wahrnehmungsstörungen (Neglect) sein. Der Betroffene spürt seine betroffene Seite nicht oder blendet sie aus, wodurch ihm die Fähigkeit fehlt, die Bewegung anzusteuern, obwohl die Muskulatur vollständig intakt ist.
Manche Betroffenen sind nicht in der Lage, sich auf die Aufforderung zu einer Bewegung zu konzentrieren. Oder es liegt eine Sprachverständnisstörung (Wernicke-Aphasie) vor, weshalb der Betroffene den Bewegungsauftrag nicht versteht.
Für eine zuverlässige Beurteilung der Muskelkraft muss somit der Betroffene in der Lage sein, den Bewegungsauftrag (z.B. “Beugen Sie Ihr Bein an”) zu verstehen. Bei einer Sprachstörung kann es hilfreich sein, dass der Arzt oder Therapeut die Bewegung vormacht. Es gibt jedoch Betroffene, die auch diese Alternative nicht verstehen oder umsetzen können.
Eine weitere Hürde bei der Feststellung der Muskelkraft kann ein erhöhter Spannungszustand oder eine Spastik sein. Diese tritt – wenn überhaupt – jedoch erst im späteren Verlauf nach einem Schlaganfall auf.
Die willentlich angespannte Muskulatur (Willkürmotorik) kann von einem erhöhten Muskeltonus (Hypertonus = zu viel Spannung, d.h., der Betroffene kann den Muskel willentlich nicht oder nur schwer entspannen) oder von einer Spastik überlagert sein. Das bedeutet, dass zur Beurteilung der Muskelkraft und Beweglichkeit der Muskeltonus erst gesenkt oder die Spastik gehemmt werden muss, um die Willkürmotorik darunter zu erkennen.
Weitere erschwerende Faktoren bei der Untersuchung der Muskelkraft können auch Antriebslosigkeit oder eingeschränkte Wachheit (Vigilanzminderung) sein.
Untersuchungen – Wie wird Muskelschwäche diagnostiziert?
Für die Bewertung der Muskelkraft gibt es beispielsweise die Muskelfunktionsüberprüfung nach Janda4, welche 6 Kraftgrade (0-5) definiert:
- 0 Keine sicht- oder spürbare Muskelkontraktion (Zusammenziehen des Muskels)
- 1 Sichtbare Muskelkontraktion, jedoch nicht über das gesamte Bewegungsausmaß hinaus.
- 2 Sichtbare Muskelkontraktion über das gesamte Bewegungsausmaß hinaus, jedoch nicht gegen die Schwerkraft.
- 3 Sichtbare Muskelkontraktion über das gesamte Bewegungsausmaß hinaus und
gegen die Schwerkraft. - 4 Sichtbare Muskelkontraktion über das gesamte Bewegungsausmaß hinaus und gegen leichten Widerstand.
- 5 Sichtbare Muskelkontraktion über das gesamte Bewegungsausmaß hinaus und gegen schweren Widerstand.
Diese Testung ist nur bedingt aussagekräftig, da die Beurteilung sehr subjektiv ist. Das bedeutet, dass der Untersucher bestimmt, was ein leichter und was ein schwerer Widerstand ist, oder wann der Betroffene das vollständige Bewegungsausmaß erreicht hat.
Dennoch wird dieser Test gerne und häufig verwendet. Für die Muskeln an Beinen und Armen ist er gut und schnell anwendbar, in Bezug auf die Bewertung der Rumpfmuskulatur ist er eine Herausforderung.
Selbsttest
Die Selbsttestung der Muskulatur erweist sich als schwierig, aber nicht als unmöglich. Manche Fitnessgeräte können Aufschluss darüber geben, wie es um die Kraft einzelner Muskelgruppen steht, wenn es um die Beurteilung von Kraftgraden im Bereich 4 und 5 geht. Für die Beurteilung des Kraftgrades 3 muss der Muskel lediglich gegen die Schwerkraft arbeiten.
Gelegentlich zeigt ein Muskel nicht sein vollständiges Kraftpotential, weil z.B. Schmerzen hemmen oder ein mechanisches Problem die Bewegung behindert. Ein Muskel, der vor einer Testung schon gefordert wurde, kann zudem Ermüdungserscheinungen (z.B. Zittern oder unvollständige Kraftentfaltung) aufweisen. Das Ausmaß der Kraft ist neben der Erkrankung auch abhängig von der körperlichen Gesamtsituation.
Ursachen für eine Muskelschwäche in Folge eines Schlaganfalls
Durch einen Schlaganfall wird die motorische Zentrale oder eine Nervenbahn im Gehirn lädiert, die Impulsübertragung auf die Muskulatur gestört. Sie ist gelähmt.
Das bedeutet, dass die Muskulatur zunächst funktionsfähig ist. Allerdings kann es als Folge von Immobilität (Nicht-Bewegen) durch längere Liegezeit z.B. auf der Intensivstation zu einer Abnahme der Muskelmasse kommen.5
Dabei spielt auch das Alter eine Rolle.6 Die Abnahme an Muskelmasse mit fortschreitendem Alter wird Sarkopenie genannt.
Dagegen entsteht die Muskelschwäche in Folge anderer Erkrankungen wie beispielsweise der Myasthenie durch eine Immunreaktion des Körpers, welche die elektrochemische Übertragung der Impulse vom Nerv auf den Muskel beeinträchtigt.7
Behandlung – Wie wird die Muskelschwäche behandelt?
Nach einem Schlaganfall sollte die betroffene Muskulatur so häufig wie irgend möglich angeregt werden.
Bei einer vollständigen Lähmung können die betroffenen Hirnbereiche nur mithilfe von Berührungsreizen (taktile Stimulation), passiven Bewegungen und durch therapeutische Lagerungen angeregt werden. Auch die Vorstellung von Bewegungen kann im Gehirn zu neuer Synapsenbildung (Bildung neuer Nervenverbindungen) führen und Bewegung anbahnen.8
Eine teilgelähmte Muskulatur kann mit Hilfe von aktivem Muskeltraining trainiert werden.9
Zuallererst geht es darum, dass der Muskel das volle Bewegungsausmaß unter Ausschaltung der Schwerkraft durchführen kann. Danach wird die Muskelaktivität gegen die Schwerkraft gefördert. Im Weiteren kommen Übungen mit leichten und später mit schweren Widerständen hinzu.
Für die Förderung von zielgerichteten Bewegungen sind Übungen empfehlenswert, die die Koordination ansprechen. Bei Problemen beim Schreiben oder beim Öffnen und Schließen von Knöpfen, Reißverschlüssen oder Schnürsenkeln sollte die Feinmotorik gefördert werden.
Der Einsatz des Körpers im Alltag durch die selbstständige Erledigung von alltäglichen Verrichtungen – seien sie noch so klein – ist anfangs einer der besten Übungswege. Das entspricht auch den Vorstellungen des Bobath-Konzepts, eine häufig angewendete Behandlungsmethode bei neurologisch bedingten Muskellähmungen, bei der Wert darauf gelegt wird, dass die betroffene Seite von Beginn an in das tägliche Übungsprogramm integriert und sowohl sensorisch als auch motorisch gefordert wird.
In manchen Fällen kann jedoch auch durch Kompensationsangebote mittels Tricks wie dem Schnüren der Schuhe mit der “Einhänderschleife”, Tragen von Schuhen mit Klettverschluss oder Stiftverdickungen und Ähnlichem Entlastung geschaffen werden.
Von der sogenannten Constrained-Induced-Movement-Therapie, welche innerhalb der Ergo- und/oder Physiotherapie angewendet wird, kann die paretische Seite profitieren.10,11,12 Hierbei wird die nicht betroffene Seite ausgeschaltet (oft durch eine Schiene) und die betroffene Seite täglich über einen längeren Zeitraum intensiv gefördert. Zudem gibt es Trainingshilfen in Form von Ergometern, die im Sitzen genutzt werden können (für Beine und/oder Arme), Muskelstimulation durch Stromreize und computergestützte Therapien.
Muskelkräftigung anhand eines konkreten Beispiels
Stellen wir uns vor, der Rumpf ist von einer Muskelschwäche besonders betroffen. Der Betroffene ist demzufolge nicht in der Lage, selbstständig zu sitzen und kann sich nur im Beisein eines oder zweier Therapeuten aufrecht halten. Diesen Umstand finden wir häufig in der Früh-Rehaphase nach einem Schlaganfall.
Zu Beginn wird die sitzende Position immer wieder mit Unterstützung eingenommen. Dabei wird die Hilfe durch den Therapeuten nach und nach reduziert. Bereits der Weg zum Sitzplatz wird genutzt, um aus dem Bewegungsübergang eine Kraftübung zu machen. Während der Betroffene sich zur Seite drehen muss (auch hier anfangs mit viel und später mit weniger Unterstützung) wird die Rumpfmuskulatur gefordert. Beim seitlichen Abstützen kommen ebenfalls Rumpfmuskeln zum Einsatz.
Gelingt das unabhängige Sitzen gut, folgt hierauf das dynamische Sitzen. Der Betroffene muss sich beispielsweise während zusätzlicher Arm- oder Bein-Aktivität weiter aufrecht halten. Hierdurch werden das selbstständige Aufstehen, das Stehen und Gehen bei stets abnehmender Hilfestellung erarbeitet. Ein kräftiger Rumpf ist mitunter die Basis für gute Arm- und Beinfunktionen.
Fortgeschrittene Rumpfübungen sind beispielsweise gerade und schräge Sit-ups in Rückenlage oder das Anheben des Oberkörpers in Bauchlage. Darauf folgen Übungen mit Übungsmaterialien (z.B. Bällen, Therabändern, Schwingstäben) und/oder an Geräten.
Verlauf und Prognose
Grundsätzlich gilt: je schneller es dem Patienten nach einem Schlaganfall möglich ist, seine Muskulatur anzusteuern, desto günstiger ist die Prognose.
Das bedeutet, dass wenn der Patient sehr rasch (in den ersten Tagen/Wochen) die Kontrolle über seine Muskulatur zurückerlangt, kann er schnell wieder zu Kräften kommen. Häufig können aber zu Beginn nur einige wenige Muskeln angesteuert und gekräftigt werden.
Je größer der Hirnschaden, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass bleibende Schäden zurückbleiben. Die ersten Wochen und Monate sind entscheidend. In einigen Fällen können jedoch auch noch nach Jahren Fortschritte erzielt werden. Zudem spielen das Alter, die Motivation, die Adhärenz (Therapietreue) und die konstitutionelle Verfassung vor dem Schlaganfall eine Rolle. Betroffene, die vor dem Schlaganfall sportlich aktiv waren, rehabilitieren sich oftmals leichter.
Tipps für Betroffene und Angehörige
Bei der Schlaganfall-Bebhandlung von schwer Betroffenen ist allen Beteiligten gut geraten, geduldig zu sein. Das fällt vielen häufig sehr schwer. Ein Schlaganfall kann einen deutlichen Einschnitt ins Leben bedeuten, und die Behandlung kann langwierig und sehr umfassend sein.
Der Kraftaufbau ist nur einer von vielen Bausteinen in der Schlaganfall-Behandlung.
Häufig fragen Betroffene und Angehörige, was sie ergänzend zu der Therapie tun können. Da die Therapiedichte aufgrund des Fachkräftemangels immer mehr abnimmt, ist es oft erwünscht, dass der Betroffene außerhalb der Therapie in Eigenregie trainiert. Hierzu ist es ratsam, die behandelnden Therapeuten nach einem Eigenprogramm zu fragen. Sie können am besten einschätzen, wie belastbar der Patient ist und was ihm guttun.
Nicht immer hilft viel auch viel. Denn nach der Trainingslehre benötigt der Körper Ruhephasen für den Kraftaufbau, ansonsten kann es bei Überbelastung langfristig zu Schäden kommen. Manche Betroffene benötigen vermehrt Ruhephasen und sind besonders anfänglich nur wenig belastbar. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Muskulatur zu unterfordern, sie demnach nicht an ihre Grenzen zu bringen. Das hat zur Folge, dass die Kraftzunahme ausbleibt. Das richtige Maß ist der Mittelweg.
Stellt man nach einer stetigen Zunahme von Muskelkraft einen plötzlichen und deutlichen Kraftverlust fest, sollte dem unbedingt nachgegangen werden, um einen erneuten Schlaganfall oder andere Ursachen auszuschließen.
Bei der Auswahl der Behandler ist es ratsam, sich an Fachkräfte zu wenden, die Erfahrung mit der Schlaganfall-Behandlung haben. Das gilt für Mediziner wie für Therapeuten.
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autorin
Sabine Kühn deckt in ihrem Beruf als Physiotherapeutin in der Neurorehabilitation die Ressourcen ihrer Patienten auf, um sie therapeutisch zu fördern. Sie begleitet ihre Patientinnen und Patienten, zurück in den Alltag und möglichst auch in die Selbständigkeit zu finden. Dabei ist nicht immer nur der körperliche Einsatz gefragt, es geht auch um eine seelische Unterstützung. Denn viele ihrer Patienten sowie deren Angehörige durchlaufen einen herausfordernden Weg, der viele Hürden und deutliche Veränderungen der Lebensverhältnisse mit sich bringen kann. [mehr]
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Quellen
- Wie Muskelkraft zu beurteilen ist – Autor: George Newman, MD, PhD, Albert Einstein Medical Center – Publikation: MSD Manual – URL: https://www.msdmanuals.com/de-de/profi/neurologische-krankheiten/neurologische-untersuchung/wie-muskelkraft-zu-beurteilen-ist
- How Does Stroke Affect Skeletal Muscle? State of the Art and Rehabilitation Perspective – Autoren: Azzollini V, Dalise S, Chisari C. – Publikation: Front Neurol. 2021 Dec 23;12:797559. – DOI: 10.3389/fneur.2021.797559
- Stroke-related sarcopenia: specific characteristics – Autoren: Scherbakov N, Sandek A, Doehner W. – Publikation: J Am Med Dir Assoc. 2015 Apr;16(4):272-6. – DOI: 10.1016/j.jamda.2014.12.007
- Manuelle Muskelfunktionsdiagnostik – Akademie für Sport und Gesundheit Dr. Bergmann – URL: https://www.akademie-sport-gesundheit.de/lexikon/muskelfunktionsdiagnostik.html
- New understanding of the pathogenesis and treatment of stroke-related sarcopenia – Autoren: Li W, Yue T, Liu Y. – Publikation: Biomed Pharmacother. 2020 Nov;131:110721 – DOI: 10.1016/j.biopha.2020.110721
- Skeletal muscle changes following stroke: a systematic review and comparison to healthy individuals – Autoren: Hunnicutt JL, Gregory CM. – Publikation: Top Stroke Rehabil. 2017 Sep;24(6):463-471 – DOI: 10.1080/10749357.2017.1292720
- Myasthenia gravis – Deutsche Myasthenie Gesellschaft e.V. – URL: https://dmg-online.de/myasthenie/detail/krankheitsbild
- Neue Theorie der Synapsenbildung im Gehirn – Forschungszentrum Jülich – URL: https://www.fz-juelich.de/de/aktuelles/news/pressemitteilungen/2013/13-10-11synapsenbildung-gehirn
- Muscle strengthening for hemiparesis after stroke: A meta-analysis – Autoren: Wist S, Clivaz J, Sattelmayer M. – Publikation: Ann Phys Rehabil Med. 2016 Apr;59(2):114-24 – DOI: 10.1016/j.rehab.2016.02.001
- Therapieverfahren – Schlaganfall-Hilfe – URL: https://www.schlaganfall-hilfe.de/de/fuer-betroffene/therapie/therapieverfahren
- Forced Use / Constrained Induced Movement / Taub’sches Training – Kompetenznetz Schlaganfall – URL: https://www.kompetenznetz-schlaganfall.de/206.0.html
- Constrained-Induced Movement Therapy – Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik – URL: http://hirnforschung.kyb.mpg.de/erkenntnisse/behandlungen-und-therapien/constrained-induced-movement-therapy.html