Was sind neuropsychologische Symptome und neuropsychologische Störungen? ▷ Schlaganfall-Folgen
In diesem Artikel:
- Was sind allgemeine neuropsychologische Störungen?
- Was sind spezifische neuropsychologische Symptome?
- Aphasie
- Apraxie
- Wahrnehmungsstörungen
- Lern- und Gedächtnisstörungen
- Was ist eine “Transiente globale Amnesie” (TGA)?
Die Neuropsychologie ist ein Spezialgebiet der Psychologie und der Neurowissenschaften. Sie beschäftigt sich mit der Erkennung (Diagnostik) und Behandlung (Therapie) von neuropsychologischen Symptomen, also mit Veränderungen im Verhalten und in der Persönlichkeit, welche auf nachweisbaren Veränderungen im Gehirn beruhen. Auch intellektuelle bzw. kognitive Fähigkeiten können betroffen sein.
Für die Diagnostik neuropsychologischer Symptome ist an erster Stelle das medizinische Fachgebiet der Neurologie zuständig. Weitergehende Untersuchungen werden von Neuropsychologen vorgenommen, die auch Empfehlungen zur weiteren Behandlung geben oder diese durchführen. Dies meist in Rehabilitationskliniken in Zusammenarbeit mit Neurologen, Logopäden und Ergotherapeuten.
Hauptursachen neuropsychologischer Störungen sind Schlaganfälle und Schädel-Hirn-Verletzungen.
Was sind allgemeine neuropsychologische Störungen?
Es sind die nach einer Hirnschädigung oft weniger offensichtlichen Veränderungen des Denkens, Fühlens, Wollens und Handelns. Eine geringere Wachheit und schnellere Ermüdbarkeit können zu einer gravierenden Verminderung der Konzentrationsfähigkeit führen. Diese äußerlich nicht sichtbaren und für den Betroffenen und sein Umfeld oft schwer belastenden Störungen werden durch neurologisch-psychiatrische Untersuchungen, zudem durch neuropsychologische Testuntersuchungen erkannt und in der Folge gezielt behandelt.
Was sind spezifische neuropsychologische Symptome?
Diese können einer bestimmten Hirnregion zugeordnet werden, in der die Beeinträchtigung verursacht wurde. Man spricht dann von hirnlokalen Symptomen oder hirnlokalen Syndromen, wenn mehrere Symptome in einer definierten Kombination gleichzeitig vorliegen.
Aphasie
Ein Beispiel sind die Sprachstörungen (Aphasie), welche durch eine nicht-flüssige, wortarme, schwer- oder unverständliche Sprache, Wortwiederholungen (Perseveration), Wortfindungsstörungen oder durch gänzlichen Verlust der Sprache gekennzeichnet sind. Hierzu gehören auch Sprachverständnisstörungen. Diese Symptome sind nicht zu verwechseln mit Sprechstörungen (Dysarthrie), die sich durch eine gestörte Lautformung beim Sprechen, z.B. durch eine undeutliche, verwaschene Aussprache, eine mühevolle Lautgebung oder einen abnormalen Sprechrhythmus erkennbar sind.
Der Ort der Schädigung spezifischer neuropsychologischer Symptome, z.B. einer Aphasie, sind Hirnareale in der linken Großhirnhälfte. Man spricht von einer “linkshemisphärischen Dominanz für Sprache” oder von der dominanten Hemisphäre (siehe Abbildung). Werden diese Hirnregionen nach einem ischämischen Schlaganfall nicht mehr durchblutet, kommt es zu einem aphasischen Syndrom, welches durch eine unterschiedlich ausgeprägte Beeinträchtigung der Sprache (Aphasie), des Sprachverständnisses, auch des Schreibens (Agraphie), Lesens (Alexie) und Rechnens (Akalkulie) gekennzeichnet ist.
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Apraxie
Ein anderes spezifisches Symptom ist die Apraxie, die Unfähigkeit, zweckmäßige oder nach bestimmten Vorgaben (z.B. durch Instruktion) Bewegungen auszuführen. Diese Handlungsunfähigkeit kann sich auf Einzelbewegungen (z.B. Zuknöpfen) und Gesten beziehen, aber auch auf Handlungsabfolgen (z.B. Kaffee zubereiten). Diese Störungen treten bei voll erhaltener Intelligenz und ohne Einschränkung der Motorik oder Sensibilität der Gliedmaßen auf.
Wahrnehmungsstörungen
Weitere neuropsychologische Symptome sind Wahrnehmungsstörungen, wie Objekterkennungsstörungen oder Einschränkung der Gesichtswahrnehmung, der Farbwahrnehmung und – erkennung (sog. optische Agnosie). Auch Störungen der akustischen Wahrnehmung oder der Körperwahrnehmung können auftreten. Beispielhaft sei das Phänomen der Bagatellisierung oder gar Verleugnung einer schweren Behinderung angeführt, etwa einer Halbseitenlähmung nach Schlaganfall. Hiervon abzugrenzen ist der Hemineglect, die Vernachlässigung einer Hälfte des eigenen Körpers oder einer Hälfte des außerpersönlichen Raums.
Lern- und Gedächtnisstörungen
Letztlich können als neuropsychologische Symptome auch Lern- und Gedächtnisstörungen auftreten, die das Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis betreffen. Zu diesem Bereich gehören auch die amnestischen Störungen, wie z.B. die retrograde oder anterograde Amnesie. Die retrograde Amnesie ist der Gedächtnisverlust für Inhalte, die vor einer Hirnverletzung (z.B. einer Gehirnerschütterung) wahrgenommen wurden. Bei der anterograden Amnesie kommt es zu Problemen des Behaltens von Wahrnehmungen oder Ereignissen nach dem Zeitpunkt der Hirnschädigung.
Gedächtnisstörungen im Alter sind häufig, besonders das Namensgedächtnis ist betroffen oder das Erinnern von Einzelheiten erlebter Ereignisse. Wenn keine nachweisbare Demenz oder Hirnschädigung vorliegt, z.B. nach einem Hirninfarkt, sind diese Einschränkungen als “normale” altersbedingte Abrufstörungen der Erinnerungsfähigkeit einzuordnen. Die diagnostische Bezeichnung ist: “Leichte kognitive Beeinträchtigung”, engl. “mild cognitive impairment”.
Was ist eine “Transiente globale Amnesie” (TGA)1?
Die transiente globale Amnesie, auch “amnestische Episode” genannt, ist eine vorübergehende schwere Gedächtnisstörung. Sie dauert wenige bis maximal 24 Stunden. Hauptmerkmal ist ein anfallsartig ohne begleitende neurologische Störungen auftretender Gedächtnisverlust. Der Patient ist wach und kontaktfähig, zur Person orientiert, nicht aber hinsichtlich der Zeit. Meist ist er auch räumlich desorientiert. Er wirkt verwirrt, ratlos, beunruhigt und stellt häufig gleichlautende Fragen. Dennoch sind komplexere Handlungen, wie Autofahren oder Kochen möglich. Für den Partner oder das Umfeld sind diese Erscheinungen meist sehr beunruhigend, nicht selten wird der Notarzt gerufen.
Die amnestischen Episoden treten zu ca. 75 Prozent im Alter zwischen 50 – 70 Jahren auf und sind selten (2-3/100 000 Erwachsene/Jahr). Frauen und Männer sind etwa gleich häufig betroffen. Wiederholtes Auftreten ist ebenfalls selten (2-4%/Jahr). Länger anhaltende Folgen hinsichtlich der Gedächtnisleistungen sind nicht zu erwarten.
Durch kernspintomographische Untersuchungen können Veränderungen in spezifischen, für das Gedächtnis zuständigen Hirnregionen nachgewiesen werden.
Die Ursache einer TGA ist unbekannt. Bei den Betroffenen ist kein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, also Herzinfarkte oder Schlaganfälle, nachweisbar.
Auslösende Faktoren können außergewöhnliche körperliche Belastungen, emotionale oder psychische Belastungen, ein Sprung ins kalte Wasser, das Bücken vor der Waschmaschine, Geschlechtsverkehr o.a. sein.
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Autor
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]
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Quellen
- Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Transienten globalen Amnesie (TGA) 2017