Kognitive Störungen nach einem Schlaganfall ▷ Symptome, Behandlung, Tipps
In diesem Artikel:
- Was sind kognitive Störungen?
- Symptome und Schweregrad kognitiver Störungen
- Konfliktpotenzial
- Beispiele kognitiver Einschränkungen
- Wann besteht der Verdacht auf eine Demenz?
- Behandlung: Was kann therapeutisch unternommen werden?
- Übungen zu Hause
- Aussicht und Prognose
- Tipps für Patienten
Was sind kognitive Störungen?
Schlaganfall-Patienten leiden häufig an körperlichen Beeinträchtigungen wie beispielsweise einer Lähmung der Beine oder Arme. Ein Schlaganfall kann jedoch auch kognitive Beschwerden wie Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen zur Folge haben. Auch Verwirrtheit und Orientierungslosigkeit kommen vor.
Diese Beeinträchtigungen können beim Betroffenen zu schweren Stimmungsschwankungen oder gar depressiven Verstimmungen führen. Das Alltägliche wird für Patienten zur Herausforderung, es entsteht Abhängigkeit von Angehörigen oder Pflegenden. Unwissende stempeln Betroffene nicht selten als “geistig behindert” ab und erhöhen damit das Leid.
Unter dem Sammelbegriff “kognitive Störungen” werden Beeinträchtigungen der Informationsverarbeitung im Gehirn zusammengefasst. Das Wort Kognition leitet sich vom Lateinischen “cognoscere” ab, was so viel wie “erkennen, erfahren oder bemerken” bedeutet.
Symptome und Schweregrad kognitiver Störungen
Symptome einer kognitiven Beeinträchtigung sind im Wesentlichen die Einschränkung der Wahrnehmungsfähigkeit, der Aufmerksamkeit, das Nachlassen von Gedächtnis bzw. Erinnerungsvermögen, die Unsicherheit bei zielgerichteter Handlungsplanung, die Einschränkung der Urteilsfähigkeit, die sinnvolle Problemlösung und die Fähigkeit zur Kommunikation.
Man kann daher auch sagen, dass bei einer kognitiven Störung “das Denken” als solches gestört ist. Kognitive Störungen beeinflussen sowohl Alltagsaktivitäten als auch das Leben im Sozialgefüge, zudem die berufliche Leistungsfähigkeit. Alle diese Einschränkungen führen häufig zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität.
Kognitive Störungen nach einem Schlaganfall können in sehr unterschiedlicher Ausprägung auftreten. Art und Ausmaß sind abhängig vom Ort und dem Schweregrad der Hirnschädigung, dem Alter und dem vorherigen Gesundheitszustand, vor allem hinsichtlich der kognitiven Leistungsfähigkeit.
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Kognitive Störungen besitzen Konfliktpotenzial
Kognitive Störungen werden von den Betroffenen und ihrer Umgebung gleichermaßen bemerkt und führen nicht selten zu Konflikten in der Familie oder im Beruf. Umso wichtiger ist es also, den Betroffenen Mut zu machen und alle Beteiligten so weit aufzuklären, dass diese Störungen verständnisvoll eingeordnet und mit entsprechender Umsicht behandelt werden.
Als “Milde kognitive Einschränkung” (ICD-10: F06.7) werden kognitive Störungen bezeichnet, die über das Altersmaß und den Bildungsgrad hinausgehen. Meist sind es Gedächtnisstörungen, Einschränkungen der Aufmerksamkeit und Konzentration. Sie stellen aber keine wesentliche Behinderung im Alltag dar.
Beispiele kognitiver Einschränkungen
- Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen bei vorzeitiger, geistiger Ermüdung und eingeschränkte Erinnerungsfähigkeit, vor allem des Kurzzeitgedächtnisses. Patienten beklagen sehr häufig, dass sie immer mehr vergessen, häufig nach etwas suchen, sich mehr aufschreiben oder mehrmals an einen Auftrag erinnert werden müssen. Sie sind leichter ablenkbar, verlieren den Faden und haben Schwierigkeiten, konzentriert eine Aufgabe zu erledigen.
- Fehlerhafte Handlungsplanung, reduzierte Urteilsfähigkeit, erschwerte Problemlösungen oder eingeschränkte Fähigkeit zur Kommunikation. Patienten berichten von alltäglichen Problemen bei gewohnten Tätigkeiten, wie beispielsweise beim Kochen, das Planen und Durchführen von Einkäufen, bei einer Banküberweisung oder dem Verfassen einer E-Mail. Dies führt zur Ungeduld des sozialen Umfelds, Zurechtweisungen sind die Folge. Viele Patienten leiden auch darunter, dass man sie nicht aussprechen lässt, wenn die Wortfindung zu lange dauert. Oder dass sie einfach nicht verstanden werden.
- Verwirrtheit und Orientierungslosigkeit. Patienten erscheinen ratlos, Sprechen und Handeln sind ohne Zusammenhang. Sie finden sich in ungewohnter, z.T. auch in der häuslichen Umgebung nicht mehr zurecht. Dies wird als örtliche Orientierungsstörung bezeichnet. Auch hinsichtlich der zeitlichen Einordnung – Benennen der Tageszeit, von Monat, Jahreszeit und Jahr – treten Unsicherheiten auf i.S. einer zeitlichen Orientierungsstörung.
Wann besteht der Verdacht auf eine Demenz?
Kognitive Einschränkungen sind das Hauptmerkmal einer Demenz (ICD-10: F03).
Bei den oben genannten Symptomen ist, wenn sie nicht Folge eines Schlaganfalls oder einer anderen Erkrankung des Gehirns sind, an eine beginnende oder fortgeschrittene Demenz zu denken.
Deren Ursache und Schweregrad wird dann durch neurologisch-psychiatrische und neuropsychologische Untersuchungen eingeordnet. Auch Blutuntersuchungen und apparative Untersuchungen werden vorgenommen, wie beispielsweise die Ableitung der Hirnstromkurven (EEG), eine Kernspintomografie des Schädels oder die Ultraschalldiagnostik an den hirnversorgenden Arterien.
Zudem werden umfangreiche Testuntersuchungen hinsichtlich der Hirnleistungsfähigkeit durchgeführt. Beispiele sind der “Montreal Cognitive Assessment” ( MoCA)-Test, der “Mini-Mental-Status-Test” (MMST) oder der “DemTect A+B” als Früherkennungstests.
Bei diesen Untersuchungen werden die örtliche und zeitliche Orientierung, die Merkfähigkeit, die Aufmerksamkeit und Rechenfähigkeit, die Erinnerungsfähigkeit, Lesen, Schreiben und visuell-konstruktive Fähigkeiten abgefragt und ausgewertet bzw. beurteilt.
Behandlung: Was kann therapeutisch unternommen werden?
Schlaganfall-Patienten mit kognitiven Einschränkungen können im Rahmen der neurologischen Rehabilitation, stationär oder ambulant, durch individuell angepasste und gezielte Therapien oft eine wesentliche Verbesserung der Hirnleistungsfähigkeit und auch Handlungsfähigkeit erreichen.
Hier kommen insbesondere die Ergotherapie, oft in Zusammenarbeit mit der Physiotherapie und die neuropsychologische Therapie zum Einsatz.
Übungen zu Hause
Von großer Wichtigkeit ist die Fortführung des fachmännisch ausgearbeiteten “Trainings”, also der erlernten und hilfreichen Übungen in häuslicher Umgebung. Auch mithilfe aus der Familie oder von Freunden.
Alltagsübungen wie ein Sudoku, ein Kreuzworträtsel aus der Zeitung oder ein Memory-Spiel bieten sich an.
Aber auch moderne digitale Hometraining-Angebote sind hilfreich. Sie lassen sich an die individuellen Bedürfnisse und die tatsächliche Leistungsfähigkeit anpassen.
Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob er Ihnen ein entsprechendes Angebot empfehlen kann, wie beispielsweise das RehaCom-Hometraining (https://hasomed.de/produkte/rehacom/).
Aussicht und Prognose
Im wahrsten Sinne des Wortes: Den Kopf nicht hängen lassen
Schlaganfall-Patienten mit kognitiven Störungen haben es alles andere als leicht, ihren Alltag zu meistern. Hinzu kommt das Unverständnis der Gesellschaft aufgrund mangelnder Aufklärung.
Dabei haben Schlaganfall-Patienten eine realistische Chance, ihre Lebensqualität zu verbessern und den kognitiven Defiziten aktiv entgegenzuwirken.
Tipps für Patienten
Abschließend einige Tipps:
- Schildern und Besprechen Sie Ihre Probleme mit Ihrem Arzt und Ihren Therapeuten ohne Scham mit größtmöglicher Offenheit
Klären Sie Ihr Umfeld auf - Holen Sie sich psychiatrische oder psychologische Unterstützung, wenn sich Probleme mit Ihrem sozialen Umfeld ergeben oder depressive Störungen auftreten
- Integrieren Sie kurze Übungen mehrmals über den Tag verteilt in Ihren Alltag
- Lassen Sie den Kopf nicht hängen, Sie sind mit Ihrem Problem nicht allein.
Sie haben eine Frage zu den kognitiven Störungen nach einem Schlaganfall? Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen und Angehörigen in unserem Forum aus.
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Autor
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]
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Quellen
- Cognitive rehabilitation for memory deficits after stroke – Autoren: das Nair R, Cogger H, Worthington E, Lincoln NB – Publikation: Cochrane Database of Systematic Reviews 2016, Issue 9. Art. No.: CD002293. – DOI: 10.1002/14651858.CD002293.pub3