Müdigkeit nach einem Schlaganfall ▷ Post Stroke Fatigue (PSF)
In diesem Artikel:
- Häufigkeit von „Post Stroke Fatigue“
- Ursachen: Wodurch entsteht die PSF?
- Können Begleiterkrankungen und Nebenwirkungen von Medikamenten Ursache für PSF sein?
- Wie viel Schlaf ist normal?
- Welcher Arzt ist Ansprechpartner bei solchen Problemen?
- Diagnose: Was macht der Arzt?
- Wie wird die Müdigkeit behandelt?
Das Wichtigste auf einen Blick:
- PSF (Post Stroke Fatigue) ist die nach einem Schlaganfall auftretende Müdigkeit.
- Unterschied zur normalen Müdigkeit: Die PSF klingt trotz Erholung und ausreichendem Schlaf nicht ab.
- Die Müdigkeit nach einem Schlaganfall muss nicht unbedingt eine krankhafte Ursache haben, sie kann Zeichen der Genesung sein.
- Wann sollte der Arzt aufgesucht werden? Wenn die Müdigkeit längere Zeit besteht und den Betroffenen stark einschränkt.
Jeder hat mal Tage, an denen er sich besonders müde, energie- und kraftlos fühlt. Meist ist mangelnder Schlaf oder zu viel Stress im Alltag dafür verantwortlich. Eine kurze Auszeit, ein wenig Erholung sorgen oft für eine schnelle Besserung. Diese Art von Müdigkeit ist ganz normal und es besteht kein Grund zur Sorge.
Doch wie verhält es sich mit verstärkter Müdigkeit, die sich nach einem Schlaganfall bemerkbar macht und längere Zeit bestehen bleibt? Ist das ein Anlass zur Sorge?
Viele Menschen klagen nach einem erlittenen Schlaganfall über Beschwerden wie Müdigkeit, Erschöpfung und Ermüdung. Mediziner sprechen von „Post Stroke Fatigue“ (deutsch: “nach Schlaganfall Müdigkeit”, abgekürzt als PSF).
PSF wird u.a. beschrieben als “Ein Gefühl der frühen Erschöpfung, das sich bei geistiger Aktivität entwickelt und mit Müdigkeit, Energiemangel und Abneigung gegen Anstrengung”1 einhergeht. Der Unterschied zur “normalen” Müdigkeit ist, dass die PSF trotz Ruhe, Erholung und ausreichendem Schlaf nicht abklingt.
Häufigkeit von „Post Stroke Fatigue“
Zur Häufigkeit von Müdigkeit nach einem Schlaganfall kommen Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen. Eine Studie2 hat eine Literaturrecherche unter Verwendung der Schlüsselwörter “Müdigkeit”, “Schlaganfall”, “Depression”, “Asthenie” vorgenommen. Demnach sind 29 bis 77 Prozent der Menschen nach einem Schlaganfall von Post Stroke Fatigue betroffen. Die uneinheitlichen Definitionen von Müdigkeit in den Studien sowie der Einsatz verschiedener Instrumente für die Messung werden als Ursache für die große Spannbreite angenommen.
Dass Frauen oder Männer häufiger von Müdigkeit betroffen sind, konnte bis jetzt nicht belegt werden.
Ursachen: Wodurch entsteht die PSF?
Noch ist unklar, was die genaue Ursache für die PSF ist.
Müdigkeit und Erschöpfung nach einem Schlaganfall müssen nicht unbedingt krankhaft sein. Sie können auch ein Zeichen der Genesung sein. Nach einem Schlaganfall ist das Gehirn damit beschäftigt, die entstandenen Schäden zu kompensieren. Diese vermehrte Arbeit führt dazu, dass das Gehirn 20 Prozent mehr Energie verbraucht. Dementsprechend hat der Körper ein verstärktes Bedürfnis nach Schlaf, um wieder Energie zu “tanken”.
Aber nicht nur körperliche, sondern auch emotionale Faktoren können Müdigkeit nach einem Schlaganfall begünstigen.
Bei jedem Zweiten bleibt nach einem Schlaganfall eine Behinderung zurück.3 Diese kann sowohl körperlich als auch geistig sein. So fallen z.B. das Gehen und andere Tätigkeiten plötzlich sehr schwer und kosten besonders viel Energie. Der Körper wie auch das Gehirn leisten mehr Arbeit und der Betroffene fühlt sich dementsprechend häufiger müde und erschöpft.
Außerdem entwickeln einige Betroffene Depressionen und Ängste nach einem Schlaganfall4, da sie z.B. mit den Veränderungen überfordert sind und es ihnen schwerfällt, die körperlichen und geistigen Einschränkungen zu akzeptieren. Depressive Menschen leiden oft unter Müdigkeit und Erschöpfung, wodurch auch diese psychische Erkrankung als Ursache für PSF infrage kommt.
Können Begleiterkrankungen und Nebenwirkungen von Medikamenten Ursache für PSF sein?
Die Antwortet lautet: Ja.
Diese Begleiterkrankungen können dazu beitragen, dass sich der Betroffene besonders müde fühlt:
- Schlafprobleme wie Schlafstörungen und schlafbezogene Atmungsstörungen (z.B. Schlafapnoe)
- Anämien (“Blutarmut” z.B. durch Eisenmangel)
- Diabetes mellitus
- Schilddrüsenunterfunktion
- Chronische Infektionen
Schlafbezogene Atmungsstörungen, wie z.B. die Schlafapnoe führen zu längeren Atempausen bzw. -aussetzern im Schlaf. Sie führen zu einer Tagesmüdigkeit und der Gefahr, z.B. beim Autofahren einzuschlafen. Außerdem sind sie ein Risikofaktor für einen erneuten Schlaganfall.
Anämien: Eisen ist ein wichtiger Mineralstoff, den der Körper nicht selbst herstellen kann, sondern über die Nahrung (bspw. in Fleisch, Eiern, Fisch, Gemüse und Hülsenfrüchten) aufnehmen muss. Dieser Mineralstoff ist wichtig für die Blutbildung und für den Transport von Sauerstoff. Besteht ein Mangel an Eisen, so kommt es auch zu einem Mangel an roten Blutkörperchen. Dadurch können die Organe nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden und der Betroffene klagt über Müdigkeit.
Bei der Zuckerkrankheit Diabetes mellitus sind Müdigkeit, Energie- und Kraftlosigkeit häufige Symptome. Die im Blut vorhandene Glukose ist ein wichtiger Energielieferant für das Gehirn. Wenn diese nicht in die Zellen gelangen und verwertet werden kann, entsteht ein Energiemangel, wodurch sich die Patienten rasch erschöpft und müde fühlen.
Funktionsstörungen der Schilddrüse können ebenfalls Müdigkeit hervorrufen. Bei einer Unterfunktion fällt es den Betroffenen schwer, trotz Müdigkeit einzuschlafen. Dementsprechend sind sie morgens sehr müde und schlapp.
Einige Medikamente5 können ebenfalls Müdigkeit verursachen, wie z.B.
- Betablocker: Sie verlangsamen die Schlagfrequenz des Herzens und machen den Betroffenen aus diesem Grund müde.
- Antidepressiva: Müdigkeit und Schläfrigkeit sind häufige Nebenwirkungen dieser Mittel.
- Schmerzmittel
Wie viel Schlaf ist normal?
Der National Sleep Foundation‘s Empfehlung zufolge6 sollten Schulkinder 9 bis 11 Stunden, Jugendliche 8 bis 10 Stunden, junge Erwachsene 7 bis 9 Stunden schlafen. Erwachsenen wird 7 bis 8 Stunden Schlaf empfohlen.
Wer feststellt, dass er dauerhaft ein erhöhtes Schlafbedürfnis hat und dieses Bedürfnis trotz ausreichendem Schlaf, frischer Luft und gesunder Ernährung nicht nachlässt, sollte seine Probleme mit einem Arzt besprechen.
Welcher Arzt ist Ansprechpartner bei solchen Problemen?
Bei anhaltender Müdigkeit sollte zunächst der Hausarzt aufgesucht werden, da dieser mit der Krankheitsgeschichte des Patienten meist gut vertraut ist.
Der Hausarzt wird wahrscheinlich die notwendigen Untersuchungen zunächst selbst durchführen. Es kann jedoch auch sein, dass er einen Spezialisten hinzuzieht. Das können Fachärzte für innere Krankheiten (Internisten), für Herzerkrankungen (Kardiologen), für Diabetes (Diabetologen), für Hormon–und Stoffwechselerkrankungen (Endokrinologen) oder Nervenkrankheiten (Neurologen) sein.
Diagnose: Was macht der Arzt?
Der Arzt wird zunächst ein ausführliches Gespräch mit dem Betroffenen führen. Besonders wird ihn interessieren, wie genau sich die Müdigkeit äußert, wie oft und wann sie auftritt und ob sie nach Erholung immer noch besteht.
Zudem wird der Arzt wissen wollen, wie das Schlafverhalten des Patienten ist und ob und welche Veränderungen festzustellen sind.
Auch Fragen, die das Privatleben des Betroffenen betreffen, sind von Bedeutung. So wird der Arzt fragen, ob sich beruflich etwas verändert hat, der Patient Sport treibt. Auch Fragen zum Ernährungsstil und zur Medikamenteneinnahme werden gestellt. Da auch die Psyche Müdigkeit verursachen kann, wird der Arzt sich über die aktuelle Stimmung und den mentalen Zustand des Patienten erkundigen.
Nach dem Gespräch entscheidet der Arzt darüber, welche Untersuchungen notwendig sind. Häufig kommt es zum Abtasten des Patienten, um zu schauen, ob krankhaft veränderte Lymphknoten zu spüren sind.
Der Blutdruck wird gemessen, Herz–und Lunge werden abgehört, der Mund–Rachen–Raum wird untersucht sowie verschiedene Tests, wie z.B. Allergietests und bestimmte Laboruntersuchungen werden durchgeführt.
In Blutuntersuchungen wird festgestellt, ob bestimmte Erkrankungen, wie z.B. eine Zuckerkrankheit oder Schilddrüsenstörungen vorliegen. Auch die Konzentration von Vitaminen sowie Eisen im Blut können in solchen Tests nachgewiesen werden. Urintests werden durchgeführt, um u.a. Nierenerkrankungen auszuschließen.
Der Arzt kann zudem Untersuchungen wie EKG und Lungenfunktionstests anordnen. Die Untersuchung im Schlaflabor ist eine andere Möglichkeit, herauszufinden, ob das Schlafverhalten des Patienten gestört ist. Im Schlaflabor werden die Patienten während der ganzen Nacht elektronisch überwacht. Die Überwachung dient dazu, Schlafstörungen exakt zu definieren.
Wie wird die Müdigkeit behandelt?
Die Behandlung von Müdigkeit ist abhängig von der Ursache bzw. der gestellten Diagnose.
Wird die Müdigkeit durch bestimmte Medikamente verursacht, so kann der Arzt andere Medikamente verschreiben. Niemals sollten Medikamente eigenmächtig ohne Rücksprache mit dem Arzt abgesetzt werden.
Sind Eisen- oder Vitaminmangel verantwortlich, werden entsprechende Präparate verschrieben, die den Mangel und somit auch die Müdigkeit beheben können. Depressionen, die nach einem Schlaganfall auch nicht selten auftreten, können mithilfe von Antidepressiva und Beruhigungsmitteln behandelt werden, aber ACHTUNG: Manche Antidepressiva können Müdigkeit als Nebenwirkung haben. Der Arzt wird Sie in diesem Fall aufklären.
Für Post Stroke Fatigue, also die Müdigkeit nach dem Schlaganfall, gibt es keine spezifische Therapie. Dennoch gibt es einige Dinge, die dabei helfen könnten, mit der Müdigkeit besser umzugehen7:
- Betroffene sollten sich gesund ernähren und viele Kohlenhydrate zu sich nehmen, da diese wichtige Energielieferanten des Körpers sind.
Auch kann es hilfreich sein, ein Tagebuch zu führen und jeden Tag das Befinden zu notieren, um so die gemachten Fortschritte festhalten zu können. Das hat auch einen positiven Effekt auf die Psyche. - Menschen, die stark unter den Folgen der Müdigkeit im Alltag leiden und dadurch möglicherweise Depressionen entwickeln, sollten sich dringend Hilfe suchen und sich auf eine Psychotherapie einlassen.
Sie haben eine Frage zu Müdigkeit nach dem Schlaganfall? Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen und Angehörigen in unserem Forum aus.
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autoren
unter Mitarbeit von stud. med. Sedef Kuecuekuncular
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- Poststroke Fatigue: Emerging Evidence and Approaches to Management: A Scientific Statement for Healthcare Professionals From the American Heart Association – Autoren: Hinkle, Janice L., Kyra J. Becker, Jong S. Kim, Smi Choi-Kwon, Karen L. Saban, Norma McNair – Publikation: Stroke, 48.7 (2017) – DOI: 10.1161/STR.0000000000000132
- Post-Stroke Fatigue: Epidemiology, Clinical Characteristics and Treatment – Autoren: Acciarresi, Monica, Julien Bogousslavsky, and Maurizio Paciaroni – Publikation: European Neurology, 72.5–6 (2014), 255–61 – DOI: 10.1159/000363763
- Schlaganfall – Der Weg zurück ins Leben – Autorin: Dr. Nicole Schuster – Publikation: Pharmazeutische Zeitung (PZ) – URL: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-242017/der-weg-zurueck-ins-leben/
- Frequency of Depression After Stroke: A Systematic Review of Observational Studies – Autoren: Hackett, Maree L., Chaturangi Yapa, Varsha Parag, and Craig S. Anderson – Publikation: Stroke, 36.6 (2005), 1330–40 – DOI: 10.1161/01.STR.0000165928.19135.35
- What Medicines Can Make You Tired? – Publikation: WebMD – URL: https://www.webmd.com/drug-medication/medications-fatigue-and-sleepiness#1
- National Sleep Foundation’s Sleep Time Duration Recommendations: Methodology and Results Summary – Autoren: Hirshkowitz, Max, Kaitlyn Whiton, Steven M. Albert, Cathy Alessi, Oliviero Bruni, Lydia DonCarlos – Publikation: Sleep Health, 1.1 (2015), 40–43 – DOI: https://doi.org/10.1016/j.sleh.2014.12.010
- Fatigue after stroke – Stroke Association – URL: https://www.stroke.org.uk/sites/default/files/fatigue_after_stroke.pdf