Schlafstörungen nach einem Schlaganfall ▷ Ursachen, Schlafdauer, Behandlung und Tipps
In diesem Artikel:
- Wieso leiden Schlaganfallpatienten an einer Schlafstörung?
- Ursachen
- Definition
- Wie lange sollte man schlafen?
- Häufigkeit
- Was kann ich selbst gegen Schlaflosigkeit tun?
- Behandlung
Warum leiden Schlaganfallpatienten unter Schlafstörungen?
Etwa ein Drittel aller Patientinnen und Patienten, die einen Schlaganfall erlitten haben, klagen über Schlafstörungen oder Schlaflosigkeit.3 Sie finden schlecht in den Schlaf, liegen nachts lange wach oder wachen viel zu früh auf. Nicht selten sind sie auch sturzgefährdet.
Die Klärung der Ursache und die Behandlung einer Schlafstörung sind gerade bei Schlaganfallpatienten besonders wichtig. Denn das Risiko, einen erneuten Schlaganfall zu erleiden, ist bei Schlafstörungen erhöht.4
Erfreulicherweise gibt es unabhängig von der Ursache einer Schlafstörung wirksame Empfehlungen und Behandlungsmöglichkeiten, um für einen guten und ausreichenden Schlaf zu sorgen. Deshalb sollte die Ursache der Schlafstörung nach einem Schlaganfall mit ärztlicher Hilfe abgeklärt werden, um entweder selbst etwas dagegen zu unternehmen und/oder durch eine Therapie wieder zu einem gesunden Schlaf zu finden.
Die Ursachen von Schlafstörungen
Bei einem Schlaganfall kommt es zu einer plötzlichen Durchblutungsstörung im Gehirn. Im Mittelhirn befinden sich Nervenstrukturen, die den Schlaf-Wach-Rhythmus steuern. Durchblutungsstörungen des Gehirns können zu einer Beeinträchtigung oder “Zerstückelung” des normalen Schlafrhythmus bzw. der Schlafphasen und damit zu einer Schlafstörung führen. Diese Vorgänge sind sehr komplex und aktuell Gegenstand intensiver Forschung.
Bei Schlafstörungen nach einem Schlaganfall muss in jedem Fall abgeklärt werden, ob eine schlafbezogene Atemstörung, das sogenannte Schlafapnoe-Syndrom oder das Syndrom der unruhigen Beine, das Restless-Legs-Syndrom vorliegt. Diese Syndrome treten gehäuft nach einem Schlaganfall auf.
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Darüber hinaus ist eine neurologisch-psychiatrische Untersuchung sinnvoll, da jeder dritte Schlaganfallpatient in Folge eines Schlaganfalls an einer depressiven Verstimmung leidet. Eine Depression ist eine seelische (psychische) Erkrankung, die sich negativ auf das Fühlen, Denken und Handeln eines Menschen auswirkt. Hauptmerkmale sind eine anhaltend gedrückte Stimmung mit oft quälenden negativen Gedanken, Antriebslosigkeit, Interessenverlust, Rückzugstendenzen und vor allem Schlafstörungen.
Wie sind Schlafstörungen medizinisch definiert?
Viele Menschen machen die Erfahrung, dass sie gelegentlich nicht sofort einschlafen können und/oder nachts aufwachen und grübelnd wach liegen. Oder sie wachen viel zu früh auf und können nicht einschlafen, obwohl sie noch müde sind. Das ist ganz normal und noch keine Schlaflosigkeit.
Die offizielle medizinische Definition von Schlafstörungen (medizinisch Insomnie) gemäß geltender Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e.V. lautet:
Betroffene haben mindestens dreimal pro Woche über einen Zeitraum von ein bis drei Monaten Ein- und/oder Durchschlafstörungen oder frühmorgendliches Erwachen.6
Wie lange sollte man schlafen?
Allgemein spricht man von “gutem Schlaf”, “schlechtem Schlaf” oder “gesundem Schlaf”. Die morgendliche Frage: ”Wie hast Du geschlafen?” wird mit gut oder schlecht beantwortet. Aber gibt es auch einen “ungesunden Schlaf?“ Die Antwort ist eindeutig ja und deren Bedeutung für unsere Gesundheit von großer Wichtigkeit.
Neuerdings werden die Schlafwissenschaft und die Rolle des Nachtschlafs in Bezug auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die allgemeine Gesundheit zunehmend beachtet.1 Die Auswertung von 43 wissenschaftlichen Veröffentlichungen kam zu folgendem Ergebnis:
Eine Schlafdauer von weniger als 7 Stunden und mehr als 8 Stunden sind bei Erwachsenen mit einem erhöhten Risiko verbunden, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Schwere Schlafstörungen wurden inzwischen in die Liste der Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufgenommen.
Die Ursachenklärung und Behandlung einer kürzeren oder längere Schlafdauer oder Ein- und Durchschlafprobleme sollten mit einem Arzt zu besprochen werden.
Wie häufig kommen Schlafstörungen in der deutschen Bevölkerung vor?
Der DAK-Gesundheitsreport 20172 zeigte, dass rund 80 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland schlecht schlafen. Im Vergleich zum Jahr 2010 haben Schlafstörungen im Alter zwischen 35 und 65 Jahren um 66 Prozent zugenommen. Schätzungsweise sind somit 80 Prozent der Arbeitnehmer betroffen. In absoluten Zahlen sind das rund 34 Millionen Menschen in Deutschland.
Etwa 10 Prozent der Arbeitnehmer leiden sogar unter einer schweren Schlafstörung, einer sogenannten Insomnie. Auch hier ist im Vergleich zum Jahr 2010 ein Anstieg von 60 Prozent zu beobachten. Frauen sind mit 11 Prozent häufiger betroffen als Männer mit 8 Prozent.
Für Arbeitgeber wurde im Rahmen des Reports analysiert, dass etwa 43 Prozent der Erwerbstätigen bei der Arbeit müde sind und rund 31 Prozent sind regelmäßig erschöpft. Auffällig ist, dass sich nur eine Minderheit krankmeldet oder sich bei einem Arzt vorstellt. Schätzungsweise lassen sich 70 Prozent der Betroffenen nicht behandeln. Die Fehltage aufgrund von Schlafstörungen sind deshalb um rund 70 Prozent gestiegen.
Häufig greifen Betroffene zur Selbstmedikation durch nicht verschreibungspflichtige Substanzen. Rund jeder Zweite kauft solche Substanzen in der Apotheke oder Drogerie. 43 Prozent erhalten verschreibungspflichtige Schlafmittel. Im Vergleich zu 2010 nehmen insgesamt fast doppelt so viele berufstätige Menschen Schlafmittel ein.
Was kann ich selbst gegen Schlaflosigkeit tun?
In vielen Fällen können Betroffene selbst etwas tun, um in einen gesunden Schlaf zu fallen und am nächsten Morgen erholt aufzuwachen. Ein wirksamer Ansatz ist die Überprüfung des eigenen Lebensstils. Je gesünder der Lebensstil, desto wohler fühlen sich Körper, Seele und Geist und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Schlafstörungen von selbst wieder vergehen. Zudem können einfache “Schlafregeln” helfen, einer Schlaflosigkeit entgegenzuwirken.
Alltagstipps für einen gesunden Lebensstil
- Bewegung und frische Luft: Bewegen Sie sich mindestens eine halbe Stunde täglich, bestenfalls an der frischen Luft.
- Gesunde Ernährung: Ernähren Sie sich möglichst gesund und ausgewogen. Insbesondere mit der mediterranen Kost – bestehend aus Olivenöl, frischem Obst und Gemüse, Vollkornprodukten, Fisch, wenig rotes Fleisch und möglichst wenig Salz.
- Verzichten Sie auf Tabakkonsum und trinken Sie Alkohol in Maßen.
- Entspannungsübungen: Legen Sie über den Tag verteilt immer wieder kleine Pausen ein, in denen Sie Ihren Körper und Ihren Geist entspannen. Hier helfen Techniken wie das autogene Training. Solche Übungen können Sie sehr gut im Bett vor der Nachtruhe machen, indem Sie tief durchatmen und Sätze sagen wie “Meine Füße werden ganz schwer”.
Schlafregeln
Bevor Sie mit einer Behandlung beginnen beziehungsweise begleitend zu einer Behandlung helfen diesen einfachen Schlafregeln7, Ihren Schlaf zu verbessern:
- Trinken Sie ab dem Mittag keine koffeinhaltigen Getränke mehr, z.B. Kaffee, Cola oder schwarzen Tee
- Alkohol zum Einschlafen ist keine wirksame Hilfe und wirkt sich häufig negativ auf die Schlafqualität aus. Allerdings ist es nicht verboten, am Abend ein Glas Wein oder Bier zu trinken, wenn das den Schlaf nicht beeinträchtigt
- körperliche Aktivität, z.B. ein Spaziergang am Abend kann helfen, schneller einzuschlafen und länger durchzuschlafen
- Machen Sie direkt vor dem Schlafen möglichst keine anstrengenden Aktivitäten, weder körperlich noch geistig
- Finden Sie ein Einschlafritual für sich: Musik, Licht, frische Luft können hilfreich sein, das Einschlafen zu erleichtern
- Schaffen Sie sich eine angenehme Schlafatmosphäre: ein bequemes Bett, ein abgedunkelter und ruhiger Raum, frische Luft
- Versuchen Sie, Stress zu verarbeiten, indem Sie mit dem Partner oder Freunden Ihre Probleme besprechen. Sie können dann besser abschalten und müssen nachts nicht mehr darüber nachdenken.
Tipps für das Schlafzimmer
- Das Bett sollte nur zum Schlafen da sein
- Gehen Sie erst dann zu Bett gehen, wenn Sie Müdigkeit verspüren
- Wenn sich nach dem Hinlegen keine Müdigkeit einstellt, stehen Sie auf und legen sich erst wieder hin, wenn Sie Müdigkeit verspüren
- Lesen Sie ein Buch oder eine Zeitschrift, bevor Sie das Licht ausmachen. Lesen ist ein “natürliches Beruhigungs- und Schlafmittel”, da es von dem kreisen um eigene Gedanken ablenkt
- Vermeiden Sie möglichst einen Mittagsschlaf oder ein Schläfchen zwischendurch, selbst wenn Sie sich müde fühlen. Gehen Sie stattdessen lieber einmal um den Block oder machen Sie ein paar Gymnastikübungen zu Hause. Damit hat Ihr Körper wieder mehr Energie und ist dafür zur Bettzeit umso erholungsbedürftiger.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Eine Schlafstörung sollte keinesfalls einfach hingenommen werden. Auch der Mythos “ältere Menschen brauchen weniger Schlaf” ist falsch. Die Schlafdauer sollte mindestens 7 Stunden betragen. Vergehen die Schlafstörungen nicht wieder von selbst, sollte die Ursache auf jeden Fall ärztlich abgeklärt werden.
Um vorbereitet in das ärztliche Gespräch zu gehen, ist es zur Eigenkontrolle sinnvoll, über einen Zeitraum von 4 Wochen Aufzeichnungen zu diesen Fragen zu machen:
- Zu welcher Uhrzeit gehe ich zu Bett und wann stehe ich wieder auf?
- Wie viel Zeit vergeht, bis ich einschlafe?
- Wird mein Schlaf durch Angstträume unterbrochen?
- Wie häufig wache ich nachts auf?
- Wie lange bin ich jeweils wach und was mache ich in dieser Zeit?
- Welche Ursache hat das Aufwachen?
- Sehe ich vor dem Einschlafen Fernseh- oder Videofilme?
- Bevorzuge ich Natur- oder Kriminalfilme?
- Trinke ich Alkohol (Menge?), Tee oder Kaffee vor dem Einschlafen?
- Esse ich kurz vor dem Einschlafen?
- Rauche ich vor dem Einschlafen?
- Bewege ich mich vor dem Einschlafen?
- Lese ich im Bett vor dem Einschlafen?
- Hilft Musik oder Licht beim Einschlafen?
Verhaltenstherapie
Die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) wird von einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder angeboten. Sie ist gemäß geltender Leitlinie die Methode der Wahl bei einer Schlafstörung.8
Bei einer Verhaltenstherapie lernen Betroffene Hilfestellungen und Techniken, wie sie ihr Verhalten langfristig anpassen – beispielsweise durch Entspannung. Studien belegen, dass eine solche Therapie bei einer dauerhaften Schlafstörung Abhilfe verschafft.5 Und zwar nicht nur in der akuten Situation, sondern noch lange nach Therapieende.
Eine Verhaltenstherapie wird als Einzel-, Gruppen- oder Online-Therapie angeboten. Sprechen Sie Ihren behandelnden Arzt oder Ihre behandelnde Ärztin darauf an.
Medikamentöse Therapie
Viele gesunde Menschen und Patienten, die unter Schlaflosigkeit und Tagesmüdigkeit leiden, nehmen über einen langen Zeitraum Schlafmittel ein. Andere lehnen diese bis ins hohe Lebensalter aus Sorge vor einer Abhängigkeit ab. Dabei sind wirksame und sichere Medikamente verfügbar und werden von den einschlägigen Fachgesellschaften sogar empfohlen. Eine gravierende Schlafstörung ist eine große Belastung. Ein individuell angepasstes Schlafmittel kann sehr hilfreich sein.
Die medikamentöse Therapie sollte immer mit einem Facharzt oder einer Fachärztin für Schlafmedizin, dem Hausarzt oder einem Neurologen/Psychiater besprochen werden. Meist gelingt es mit ausreichender Geduld, nach sorgfältiger Risikoabwägung hinsichtlich eventueller Nebenwirkungen oder einer Medikamentenabhängigkeit, die Schlafdauer und -qualität zu verbessern.
Jedoch sind die körperlichen Auswirkungen bzw. die Nebenwirkungen in der Dauertherapie nicht eindeutig geklärt, weshalb eine regelmäßige Einnahme immer wieder kritisch hinterfragt werden sollte.
Digitale Helfer
Inzwischen gibt es einige Meditations-Apps für das Smartphone, die einen Versuch wert sind, denn in der Regel wird ein kostenfreier Testmonat gewährt. In der Regel listen Krankenkassen auf Ihren Webseiten solche digitalen Helfer.
Sie haben eine Frage zu Schlafstörungen nach dem Schlaganfall? Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen und Angehörigen in unserem Forum aus.
- Sind Schlafstörungen ein Risiko für einen erneuten Schlaganfall?
- Gibt es die richtige Schlafenszeit, um Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen?
- Müdigkeit nach einem Schlaganfall
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autoren
unter Mitarbeit von stud. med. Nina Siegmar
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- Heart Disease and Stroke Statistics — 2019 Update: A Report From the American Heart Association – Autoren: Emelia J. Benjamin et al. – Publikation: Circulation, 139.10 (2019) – DOI: 10.1161/CIR.0000000000000659
- Müdes Deutschland: Schlafstörungen steigen deutlich an DAK-Gesundheitsreport 2017: 80 Prozent der Erwerbstätigen schlafen schlecht – Pressemitteilung der DAK – URL: https://www.dak.de/dak/download/pressemeldung-gesundheitsreport-2017-2108942.pdf
- EAN/ERS/ESO/ESRS statement on the impact of sleep disorders on risk and outcome of stroke – Autoren: C. L. A. Bassetti W. Randerath L. Vignatelli L. Ferini‐Strambi A.‐K. Brill M. R. Bonsignore L. Grote P. Jennum D. Leys J. Minnerup L. Nobili T. Tonia R. Morgan J. Kerry R. Riha W. T. McNicholas V. Papavasileiou – Publikation: European Journal of Neurology – DOI: 10.1111/ene.14201
- Sleep, Preconditioning and Stroke – Autoren: Alessandro Pincherle, Marta Pace, Simone Sarasso, Laura Facchin, Jens P. Dreier, Claudio L. Bassetti – Publikation: Stroke. 2017;48:3400–3407 – DOI: 10.1161/STROKEAHA.117.018796
- Insomnie bei neurologischen Erkrankungen – S2K Leitlinie – Kommission Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie – Federführend: Prof. Dr. Geert Mayer, Schwalmstadt-Treysa/Marburg – URL: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-045l_S2k_Insomnie-bei-neurologischen-Erkrankungen_2020-05.pdf
- Insomnie – Patienteninformationen – Basis: S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen, Kapitel „Insomnie bei Erwachsenen” – DOI: 10.6101/AZQ/000413
- Schlafstörung – Ursachen? Was hilft? – Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung – URL: https://www.patienten-information.de/kurzinformationen/insomnie
- S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen – Kapitel „Insomnie bei Erwachsenen“ – AWMF-Register Nr. 063/003 Klasse S3 – Version 2.0 – DGSM – URL: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/063-003l_S3_Insomnie-Erwachsene_2018-02-verlaengert.pdf