Gibt es die richtige Schlafenszeit, um Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen? ▷ Studie
Schlaf ist ein wichtiger Teil unseres Lebens. Rund ein Drittel unserer Lebenszeit verbringen wir schließlich damit, uns während des Schlafens zu erholen.
Bereits mehrere Studien haben gezeigt, dass unsere Schlafgewohnheiten einen Einfluss auf die Gesundheit haben und insbesondere eine Assoziation zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht.
Doch ist es neben einer ausreichenden Stundenzahl an Schlaf auch wichtig, zu welcher Uhrzeit wir schlafen gehen?
Die Studie
Diese prospektive Studie untersuchte, ob es eine Assoziation zwischen der Schlafenszeit und dem Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzinsuffizienz, sowie der Gesamtmortalität aufgrund von jedmöglichen Ursachen gibt.1
Dabei wurden über einen Zeitraum von 9,2 Jahren insgesamt 112,198 TeilnehmerInnen im Alter von 35 bis 70 Jahren aus 21 verschiedenen Ländern begleitet und untersucht.
Die TeilnehmerInnen dokumentierten mit standardisierten Fragebögen ihre Schlafgewohnheiten, Schlafenszeiten inklusive der Mittagsschlaf-Zeiten.
Personen, die vor 22 Uhr schliefen, wurden als “früh Schlafende”, Personen die zwischen 22 und 24 Uhr schliefen als “Referenzgruppe”, und Personen die nach 24 Uhr schliefen als “spät Schlafende” bezeichnet.
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Im ersten Studienmodell wurden die Ergebnisse unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht analysiert.
Im zweiten Modell wurden Alter, Geschlecht, Bildungsstand, der wirtschaftliche Status der Länder, ländliche oder städtische Wohnsituationen, die tägliche Gesamt-Schlafenszeit, Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum, Bewegung, Ernährung, Body-Mass-Index sowie die Krankengeschichte der ProbandInnen (Diabetes, Bluthochdruck, COPD, Depressionen und Kardiovaskuläre Ereignisse in der Familie) berücksichtigt.
Personen mit Vorerkrankungen in den letzten zwei Jahren wurden aus der Studie ausgeschlossen, da das Kranksein an sich schon die Schlafgewohnheit einer Person beeinflusst. Personen mit bekannten Schlafstörungen (Gebrauch von Schlafmitteln) und Personen die in Nachtschichten arbeiten, wurden ebenfalls aus der Studie herausgenommen um Störfaktoren zu reduzieren, die die Ergebnisse der Studie verzerren würden.
Die Ergebnisse
Während dieser 9,2 Jahren wurden insgesamt 5633 Todesfälle und 5346 schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse gemeldet.
Folgende Beobachtungen wurden festgehalten:
“Früh Schlafende”, die vor 22 Uhr ins Bett gingen, waren durchschnittlich etwas älter, weniger gebildet, eher weiblich und lebten in ländlichen Gebieten.
Sie schliefen durchschnittlich mehr, rauchten und tranken weniger, verbrauchten weniger Energie und hatte einen niedrigeren Body Mass Index.
Außerdem hatten sie öfter Bluthochdruck, seltener Diabetes sowie seltener Depressionen.
“Spät Schlafende”, die nach Mitternacht ins Bett gingen, weisen eher das Gegenteil auf.
Teilnehmende aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (z. B. China) hatten eine eher frühe Schlafenszeit.
Im Gegensatz dazu hatten Menschen aus Ländern mit hohem Einkommen (z. B. Nordamerika) eine späte Schlafenszeit.
Aus der Studie gehen folgende Schlussfolgerungen hervor:
Frühe (22 Uhr oder früher) und späte (Mitternacht oder später) Schlafenszeiten wurden, unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht, mit einem leicht erhöhten Risiko für Tod oder kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert und in einem U-förmigen Zusammenhang dargestellt.
Nachdem alle weiteren Faktoren (Lebensstil, Vorerkrankungen etc.) miteinbezogen wurden, waren diese Ergebnisse zwar abgeschwächt, zeigten jedoch die gleichen Tendenzen.
Die Analyse zeigt, dass die Schlafenszeit unabhängig von der Schlafdauer mit gesundheitlichen Folgen verbunden war. Dies deutet darauf hin, dass Schlafmuster und “extreme” Schlafenszeiten die Gesundheit auf verschiedene Weise beeinflussen können und mögliche Risikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse darstellen.
Einordnung
Die Schlafenszeit spiegelt den individuellen Schlaf-Wach-Rhythmus einer Person wider und ist von inneren als auch von äußeren Faktoren abhängig.
Neben der Schlafdauer kann auch die Schlafenszeit die Gesundheit beeinflussen. Sie kann sowohl den individuellen Circadianen-Rhythmus einer Person unterbrechen als auch Einfluss auf Stoffwechsel-Funktionen haben. So wurden bei Personen mit späten Schlafenszeiten sowohl eine höhere Insulinresistenz als auch ein höherer Nüchternblutzucker gemessen.
Die Erkenntnis, dass sich späte Schlafenszeiten nachteilig auf die Gesundheit auswirken, korreliert mit den Ergebnissen früherer Studien, in denen eine späte Schlafenszeit mit dem vermehrten Auftreten von erhöhtem Blutdruck, Diabetes und Adipositas assoziiert wurde.2,3
Diese wiederum gehören zu den Hauptrisikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und somit auch zu wesentlichen Risikofaktoren für einen Schlaganfall.
Der Zusammenhang zwischen früher Schlafenszeit und kardiovaskulären Ereignissen ist nicht vollständig geklärt und bedarf weiterer Untersuchungen. Eine mögliche Erklärung ist, dass frühe Schlafenszeiten allgemein mit einer schlechteren gesundheitlichen Konstitution in Zusammenhang stehen. Diese allein erhöht das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, auch unabhängig von der Schlafenszeit.
Insgesamt lässt sich aus der Studie ableiten, dass unabhängig von anderen Risikofaktoren und Lebensumständen, das gesundheitliche Risiko ansteigt, wenn wir zu spät zu Bett Gehen. Aber auch eine sehr frühe Schlafenszeit scheint zumindest nicht gesundheitsförderlich zu sein, frühe Müdigkeit könnte Ausdruck eines bestehenden gesundheitlichen Problems sein und sollte Anlass zu weiteren Untersuchungen geben.
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autor
unter Mitarbeit von stud. med. Rosalie Hartmann
Dr. med. Thomas Staudacher ist Facharzt für Neurologie. Sein Schwerpunkt ist die Notfallbehandlung von Schlaganfällen. 20 Jahre lang leitete er eine Stroke Unit, also eine Spezialstation zur Akutbehandlung und Intensiv-Überwachung von Schlaganfall-Patienten. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- Association of bedtime with mortality and major cardiovascular events: an analysis of 112,198 individuals from 21 countries in the PURE study – Autoren: Chuangshi Wang, Bo Hu, Sumathy Rangarajan, Shrikant I Bangdiwala, Scott A Lear, Viswanathan Mohan, Rajeev Gupta, Khalid F Alhabib, Biju Soman, Marc Evans M Abat, Annika Rosengren, Fernando Lanas, Alvaro Avezum, Patricio Lopez-Jaramillo, Rafael Diaz, Khalid Yusoff, Romaina Iqbal, Jephat Chifamba, Karen Yeates, Katarzyna Zatońska, Iolanthé M Kruger, Ahmad Bahonar, Afzalhussein Yusufali, Wei Li, Salim Yusuf – Publikation: Sleep Med. 2021 Apr;80:265-272. – DOI: https://doi.org/10.1016/j.sleep.2021.01.057
- Bedtimes and Blood Pressure: A Prospective Cohort Study of Mexican Adolescents – Autoren: Erica C Jansen, Galit Levi Dunietz, Amilcar Matos-Moreno, Maritsa Solano, Eduardo Lazcano-Ponce, Luisa María Sánchez-Zamorano – Publikation: Am J Hypertens. 2020 Mar 13;33(3):269-277. – DOI: https://doi.org/10.1093/ajh/hpz191
- Association Between Late Bedtime and Diabetes Mellitus: A Large Community-Based Study – Autoren: Bin Yan, Yajuan Fan, Binbin Zhao, Xiaoyan He, Jian Yang, Ce Chen, Xiancang Ma – Publikation: J Clin Sleep Med. 2019 Nov 15;15(11):1621-1627. – DOI: https://doi.org/10.5664/jcsm.8026