Adipositas ▷ Behandlung, Ursachen und Folgen
In diesem Artikel:
- Was ist Adipositas?
- Wie häufig ist Adipositas?
- Ursachen: Wie entsteht Adipositas?
- Folgen: Wozu führt Adipositas?
- Vorbeugung
- Adipositas bei Kindern
- Behandlung
Übergewicht bzw. Adipositas spielen die erste Geige im “tödlichen Quartett” des Metabolischen Syndroms, welches der Hauptrisikofaktor für die häufigsten Erkrankungen überhaupt ist, nämlich die Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Und hierzu zählen in erster Linie auch der Schlaganfall oder der Herzinfarkt. Übergewicht gehört zu den sogenannten Seuchen des 21. Jahrhunderts.
Übergewicht ist heimtückisch. Zum einen hat es die Tendenz, anzusteigen, zum anderen tut es zunächst nicht weh und schränkt auch normale körperliche Aktivität nicht wesentlich ein. Folgen des Übergewichts, wie beispielsweise Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Störungen des Fettstoffwechsels entwickeln sich ebenfalls schleichend und bleiben lange und schmerzlos unbemerkt.
Außerdem ist Übergewicht für viele Menschen eine ständige Quelle von Selbstunzufriedenheit, viele kämpfen mangels ausreichender Aufklärung und Einsicht einen aussichtslosen, teilweise zermürbenden Kampf gegen ihr Gewicht und verlieren an Selbstachtung und Lebensqualität. Ganz abgesehen von anderen körperlichen Problemen, wie dem vorzeitigen Verschleiß der Wirbelsäule oder der großen Gelenke, vor allem der Hüft- und Kniegelenke, auch Arthrose genannt.
Weltweit entwickeln immer mehr Menschen offenbar unaufhaltsam eine Erhöhung des Körpergewichts. Auch in Deutschland nimmt die Zahl der übergewichtigen und adipösen Menschen weiter zu. Doch was ist Adipositas genau? Ab welchem BMI (Body-Mass-Index) spricht man von Übergewicht? Und was kann jeder von uns tun, um diese Volkskrankheit für sich selbst in den Griff zu bekommen?
Was ist Adipositas?
Der Begriff Adipositas leitet sich vom lateinischen Wort für Fett “adeps” ab.1 Adipositas lässt sich umgangssprachlich auch mit Fettleibigkeit übersetzen und beschreibt ein zu hohes Körpergewicht aufgrund eines zu hohen Fettanteils.
Adipositas mithilfe des BMI selbst bestimmen
Der Body-Mass-Index (BMI) ist eine Maßzahl für die Bewertung der Körpergröße in Relation zum Körpergewicht und ermöglicht, mit einer einfachen Berechnung das eigene Gewicht einzuschätzen. Bin ich für meine Körpergröße zu schwer? Zu leicht? Oder ist mein Gewicht im normalen Bereich?
Der BMI errechnet sich ganz einfach mit der Formel BMI = Körpergewicht in kg geteilt durch Körpergröße in Metern im Quadrat. Wer also z.B. 1,70 m groß ist und 70 kg wiegt, rechnet zunächst 1,70 x 1,70 = 2,89.
Nun wird das Gewicht durch dieses Ergebnis geteilt und ergibt den BMI: 70/2,89 = 24,22. Dieses Ergebnis kann auf einer Skala, die von stark untergewichtig bis stark adipös reicht, eingeordnet werden. In der Beispielrechnung ergibt sich ein Normalgewicht.
Der BMI kann auch ”täuschen”. Gerade bei Menschen, die viel Sport treiben oder durch andere körperliche Arbeit einen hohen Muskelanteil aufweisen, kann der BMI fälschlicherweise ein Übergewicht anzeigen. Das liegt daran, dass Menschen durch die Masse und das Gewicht der Muskulatur auch schwerer werden.
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Die Grade der Adipositas
Wie anhand der Tabelle ersichtlich ist, wird die Adipositas in drei Grade eingeteilt. Hinzu kommt eine Vorstufe, die als Präadipositas bezeichnet wird. Diese Einteilung wurde von der World Health Organisation (WHO) vorgenommen und ist weltweit anerkannt:
Liegt der BMI im Bereich der Präadipositas, stuft die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) das Risiko für Folgeerkrankungen als “gering erhöht” ein. Bei Adipositas Grad I bzw. Grad II ist das Risiko bereits “erhöht” bzw. “hoch”.
Adipositas Grad III ist die stärkste Form. Sie wird auch als Adipositas permagna oder morbide (krankhafte) Adipositas bezeichnet. In diesen Fällen ist das Risiko an Folgeerkrankungen zu erkranken “sehr hoch” und es sollte unbedingt Rücksprache mit einem Arzt gehalten werden.2
Wie häufig ist Adipositas?
Weltweit
Adipositas wird weltweit zu einem immer größeren Problem. Angaben der WHO zufolge hat sich die Anzahl der Menschen, die an Adipositas leiden seit 1975 fast verdreifacht. 2016 waren 39 Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung übergewichtig und 13 Prozent adipös.
Diese Entwicklung beschränkt sich nicht mehr nur auf die Industrieländer; auch in Entwicklungsländern wird Adipositas ein zunehmendes Problem. Mittlerweile leben laut Angaben der WHO die meisten Menschen der Erde in Ländern, in denen mehr Menschen an Über- als an Untergewicht sterben.3
In Deutschland
Hierzulande ist die Lage noch ernster. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) berichtete 2017, dass 59 Prozent der Männer und 37 Prozent der Frauen übergewichtig sind. Bei vielen Deutschen steigt das Gewicht im Laufe ihres Berufslebens an, sodass am Ende dieses Lebensabschnitts 74,2 Prozent der Männer und 56,3 Prozent der Frauen an Übergewicht leiden.
Ursachen: Wie entsteht Adipositas?
Die Entstehung der Zivilisationskrankheit Adipositas ist ein schleichender Prozess. Überernährung, Fehlernährung und mangelnde Bewegung führen dazu, dass der Körper über viele Jahre hinweg mehr Kalorien zu sich nimmt, als er verbrauchen kann.4,3 Diese überschüssige Energie wird in Form von Fett gespeichert.
Der moderne Lebensstil zwingt immer mehr Menschen dazu, viele Stunden am Tag für die Ausübung ihrer Arbeit am Schreibtisch zu sitzen. Am Abend haben sie dann oft keinen Antrieb mehr, sich sportlich zu betätigen.
Auch unsere Beziehung zum Essen hat sich verändert: Nahrungsmittel müssen in erster Linie schmackhaft, kostengünstig und schnell zubereitet sein. Das führt dazu, dass Menschen lieber zu Fertiggerichten greifen, anstatt mit frischen Zutaten zu kochen.
Leider enthalten diese Fertiggerichte statt wichtiger Nährstoffe häufig viel Zucker und Fett. Diese Bestandteile geben dem Essen zwar zunächst seinen verlockenden Geschmack, führen langfristig aber zu einer Gewichtszunahme und damit zu anderen gesundheitlichen Problemen.
Die Wissenschaft geht davon aus, dass auch genetische Aspekte eine Rolle spielen.5 Das würde erklären, warum manche Menschen den modernen Lebensstil besser vertragen als andere.
Folgen: Wozu führt Adipositas?
Übergewicht und Adipositas sind die Ursache für viele Krankheiten, die uns heute auch in Deutschland plagen.
Dazu gehören Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Arthrose, unterschiedliche Arten von Krebs und kardiovaskuläre Krankheiten, wie z.B. der Schlaganfall oder Herzinfarkt. Die kardiovaskulären Krankheiten bedrohen uns besonders. Laut Angaben der WHO waren sie 2012 die Haupttodesursache.3
Hinzu kommen psychische und soziale Schwierigkeiten. Dazu gehören beispielsweise ein verringertes Selbstwertgefühl oder soziale Ausgrenzung.
Vorbeugung
Eine erfreuliche Nachricht ist, dass jeder einen großen Beitrag dazu leisten kann, Übergewicht bei sich selbst zu vermeiden. Wichtigster Regulationsfaktor ist hierfür die Ernährung.
Was ist gesunde Ernährung? Zur Frage, wie eine gesunde Ernährung zur Vorbeugung von Adipositas und anderen Krankheiten aussehen sollte, können Sie in unserem Artikel zur vorbeugenden Ernährung mehr erfahren.
Auch wenn es zunächst unsinnig erscheint: Wenn Sie eine Ernährungsumstellung planen, sollte ihr oberstes Ziel nicht die Gewichtsabnahme, sondern eine im allgemeinen gesündere Ernährung sein. Vertrauen Sie darauf, dass die Kilos bei einer gesunden Ernährung von ganz alleine purzeln werden.
Zudem sollten Sie versuchen, mehr Bewegung in Ihren Alltag zu integrieren. Das können schon ganz kleine Unternehmungen sein, z.B. zu Fuß zum Bäcker gehen, statt mit dem Auto zu fahren. Oder nehmen Sie doch mal die Treppe anstelle des Aufzugs. Oder können Sie vielleicht sogar mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren?
Die Möglichkeiten, mehr Bewegung in den Alltag zu bringen, sind schier unendlich. Am Ende des Tages sollten Sie sich mindestens 30 Minuten bewegt haben.
Adipositas bei Kindern
Leider macht diese Epidemie auch vor Kindern nicht halt. Weltweit hat sich innerhalb der vergangenen 40 Jahre der Anteil der an Adipositas leidenden Kinder im Alter von 5-18 Jahren von 4 Prozent (1975) auf 18 Prozent (2016) mehr als vervierfacht.3
In Deutschland ist mehr als jedes vierte Kind in diesem Alter übergewichtig und 8,8 Prozent der deutschen Kinder leiden bereits an Adipositas.6
Adipositas bei Kindern bestimmen
Herauszufinden, ob ein Kind an Übergewicht oder Adipositas leidet, ist ein wenig komplizierter als bei einem Erwachsenen.
Zunächst wird auch bei Kindern der BMI bestimmt. Das funktioniert genauso wie bei Erwachsenen. Da Kinder sich aber noch im Wachstum befinden, schwankt ihr idealer BMI. Ein BMI, der in einem Alter noch auf Übergewicht hindeutet, kann einige Jahre später schon wieder im Normbereich liegen.
Deshalb nutzt man sogenannte Perzentilkurven, um den BMI eines Kindes seinem Geschlecht und Alter entsprechend einordnen zu können. Diese Kurven erlauben es, das Kind mit anderen Kindern desselben Alters und Geschlechts zu vergleichen. Liegt der Wert eines 7-jährigen Jungen beispielsweise bei einem Perzentil von 60, so bedeutet das, dass 60 Prozent der 7-jährigen Jungen einen niedrigeren BMI haben und 40 Prozent einen höheren.
Nach dem Referenzsystem der WHO gelten Kinder mit einem Perzentil über 84,0 als übergewichtig und über 97,7 als adipös.6
Behandlung
Für die Therapie von Übergewicht und Adipositas gibt es kein “Patentrezept”. Am Naheliegendsten ist es natürlich, eine Diät anzusetzen und die Kalorienzufuhr zu reduzieren.
Wie aber viele Menschen aus eigener Erfahrung wissen, ist das oft leichter gesagt als getan. Und auch wenn man es schafft, die Diät durchzuhalten, setzt im Anschluss nicht selten der berüchtigte Jojo-Effekt ein.
Diese Beobachtungen werden auch von Studien gestützt, die zeigen, dass mehr als ein Drittel der Teilnehmer langfristig mehr an Gewicht zunehmen, als sie ursprünglich während der Diät verloren haben.7
Wie soll man aber dann das Übergewicht in den Griff bekommen?
Kleine Schritte zu einem gesünderen Leben
Das Tückische an Diäten ist, dass sie meistens auf einen kleinen Zeitraum begrenzt sind. Ist die Diät dann endlich überstanden, isst man oft noch zügelloser als vorher, sozusagen als “Belohnung” für den vorausgegangenen Verzicht.
Wer langfristig an Gewicht verlieren möchte, schlägt einen anderen Weg ein. Hierbei gilt, sich bewusst zu machen, dass Essgewohnheiten langfristig geändert werden müssen. Das ist eine große Herausforderung, schließlich müssen sich Körper und Geist erst auf die neue Situation einstellen.
Setzen Sie sich also nicht unter Druck und überstürzen Sie nichts. Eine kleine Veränderung, mit der Sie gut leben können und die Sie nach einem Monat verinnerlicht haben, ist mehr wert als eine große, die Sie nach einer Woche wieder aufgeben. Der Wettkampf gegen Adipositas ist ein Marathon, kein Sprint.
Zudem hat sich gezeigt, dass es sinnvoller ist, ein gesünderes Leben in den Fokus zu nehmen, statt sich ganz auf den Gewichtsverlust zu konzentrieren.8
Wichtig ist, dass Sie zunächst Elemente einbauen, die Ihnen Spaß machen. Vielleicht wollen Sie ja mal neue Rezepte ausprobieren? Oder den umliegenden Wald mit dem Fahrrad erkunden? Es gibt endlose Möglichkeiten, das Leben gesünder zu gestalten. Werden Sie kreativ!
Unterstützung suchen
Sie können sich selbst helfen, indem Sie sich zunächst klarmachen, wie viele Kalorien Sie sich in 24 Stunden über feste und flüssige Nahrungsmittel zuführen. Sie werden erstaunt sein, was da zusammenkommt.
Es ist hilfreich, wenn Sie bei Ihrem Vorhaben professionelle Unterstützung an Ihrer Seite haben. Ein Ernährungsmediziner oder Ernährungsberater kann Ihnen sicherlich weiterhelfen, sodass Sie gemeinsam ein auf Sie zugeschnittenes Programm entwickeln können.
Auch wenn Sie zunächst auf professionelle Hilfe verzichten wollen, können Sie sich Unterstützung in Ihrem persönlichen Umfeld suchen. Vielleicht hat ja eine Freundin Lust, mit Ihnen ins Fitnessstudio zu gehen? Oder vielleicht machen Sie einmal in der Woche einen Kochabend mit Ihrem Partner?
Andere Optionen zur Behandlung
In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, sich psychologischen Rat einzuholen. Vor allem dann, wenn erkennbar ist, durch welche positiven oder negativen Umstände die Essenslust besonders stimuliert wird.
In besonders schweren Fällen von Adipositas, bei denen Veränderungen des Lebensstils und der Essgewohnheiten wiederholt nicht zum Ziel führen, kann eine Magenverkleinerung vorgenommen werden.9
Alle Präparate, die Ihren Appetit zügeln sollen, sind mit großer Zurückhaltung zu betrachten. Sie verändern nicht Ihre Ess- und Lebensgewohnheiten.
Nachhaltig lässt sich Übergewicht nur durch Verhaltensänderung und Disziplin reduzieren – auf der Basis des Wissens um die Probleme, die mit Übergewicht und Adipositas verbunden sind.
Sie haben eine Frage zur Adipositas? Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen und Angehörigen in unserem Forum aus.
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autoren
unter Mitarbeit von stud. med. Katharina Püchner
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- Adipositas – Wortbedeutung Wörterbuch – URL: https://www.wortbedeutung.info/Adipositas/
- Grade der Adipositas – Autorin: Sabrina Mandel – Publikation: adipositas.org / GFMK – URL: https://www.adipositas.org/grade-der-adipositas/
- Obesity and overweight – WHO – URL: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/obesity-and-overweight
- Obesity: preventing and managing the global epidemic. Report of a WHO consultation – Publikation: World Health Organ Tech Rep Ser. 2000;894:i-xii, 1-253. – PMID: 11234459
- Obesity – is it a genetic disorder? – Autoren: R. J. F. Loos C. Bouchard – Publikation: Journal of Internal Medicine Volume254, Issue5 Pages 401-425 – DOI: 10.1046/j.1365-2796.2003.01242.x
- Prävalenz von Untergewicht, Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Einordnung der Ergebnisse aus KiGGS Welle 2 nach internationalen Referenzsystemen – Autoren: Anja Schienkiewitz, Stefan Damerow, Angelika Schaffrath Rosario – DOI: 10.17886/RKI-GBE-2018-080
- Medicare’s search for effective obesity treatments: Diets are not the answer. – Autoren: Mann, T., Tomiyama, A. J., Westling, E., Lew, A.-M., Samuels, B., & Chatman, J. – Publikation: American Psychologist, 62(3), 220–233 – DOI: 10.1037/0003-066X.62.3.220
- Childhood obesity treatment: targeting parents exclusively v. parents and children – Autoren: Moria Golan, Vered Kaufman, Danit R. Shahar – Publikation: British Journal of Nutrition Volume 95, Issue 5May 2006 , pp. 1008-1015 – DOI: 10.1079/BJN20061757
- Obesity treatment tools and methods – Autoren: Mark E. DeemDouglas S. SuttonHanson S. Gifford, IIIBernard H. AndreasRonald G. French – URL: https://patents.google.com/patent/US7288101B2/en