Frauen erleiden seltener eine Herz-Kreislauf-Erkrankung als Männer ▷ Aktuelle Studie
Wissenschaftler der Universität Göteborg publizierten im Mai 2020 in der Fachzeitschrift “The Lancet” die Ergebnisse ihrer Studie “PURE”1 zu Unterschieden zwischen Frauen und Männern in Bezug auf Risikofaktoren, Behandlungen, Inzidenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Tod in 27 Ländern mit hohem, mittlerem und niedrigem Einkommen.
Über 160.000 Teilnehmer im Alter zwischen 35 und 70 Jahren wurden 10 Jahre hinsichtlich der Risikofaktoren, des Medikamentengebrauchs, der Herzuntersuchungen u.a. medizinisch überwacht.
Ergebnisse
Die weltweit erste Studie dieser Art kommt zu dem Ergebnis, dass Frauen gegenüber Männern im vergleichbaren Alter ein geringeres Risiko aufweisen, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung wie den Schlaganfall zu entwickeln, und zwar unabhängig von der geografischen Lage.
Frauen haben ein günstigeres Risikoprofil und bessere Primärpräventionsstrategien
Die Ergebnisse zeigen, dass Frauen bezogen auf die Risikofaktoren für das Entstehen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen weniger rauchen, gesündere Blutfettwerte und einen niedrigeren Blutdruck haben. Zudem entwickeln Frauen bessere Primärprävention-Strategien, das heißt, sie praktizieren mehrere Verhaltensweisen für einen gesunden Lebensstil.
Intensivbehandlung von Frauen: Keine Diskriminierung
Die Studie entkräftet die Besorgnis, dass Frauen mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung aufgrund von Diskriminierung seltener intensivmedizinisch behandelt werden als Männer. Frauen haben weniger ausgeprägte, arteriosklerotische Veränderungen in den Herzkranzgefäßen und benötigen demzufolge seltener eine intensivmedizinische Versorgung.
Großer Unterschied zwischen armen und reichen Ländern
Das Durchschnittseinkommen der Bevölkerung eines Landes bestimmt als entscheidender Faktor die Prognose nach einem Schlaganfall oder Herzinfarkt. In Ländern mit hohem Einkommen wie Schweden und Kanada sterben weniger als 10 Prozent der Männer und Frauen innerhalb von 30 Tagen nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall, während es in Ländern mit niedrigem Einkommen wie Bangladesch, Indien oder Pakistan etwa 40 Prozent sind.
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Kommentar:
Gesellschaftliche Unterschiede müssen von der Gesundheitspolitik intensiver und bewusster wahrgenommen werden. Das wird vonseiten der Medizin und Versorgungsforschung seit Langem gefordert. Die Gesundheit der Menschen hängt in erheblichem Umfang von Einkommen, Bildung und gesellschaftlicher Stellung ab.
Gesellschaftliche Unterschiede auch in Deutschland
In Deutschland sterben in der niedrigsten Einkommensgruppe vor dem 65. Lebensjahr 13 Prozent der Frauen und 27 Prozent der Männer, in der höchsten Einkommensgruppe nur 8 Prozent der Frauen und 14 Prozent der Männer.
Die Lebenserwartung ab Geburt ist in Deutschland bei Frauen in der niedrigsten Einkommensgruppe gegenüber denen in der höchsten 4,4 Jahre, bei Männern 8,6 Jahre kürzer.2
Das sind sehr bedenkliche Feststellungen. Sie bedeuten, dass Menschen mit geringem Einkommen gegenüber Menschen mit hohem Einkommen deutlich früher sterben. Und das, obwohl in Deutschland alle Menschen Zugang zu Gesundheitsversorgung und sozialer Sicherung haben.
Unterschiede in der medizinischen Versorgung können somit für diese krasse Differenz nicht oder nur unwesentlich verantwortlich gemacht werden.
Es sind wohl die durch Armut erzwungenen Lebensbedingungen und die geringer ausgeprägte formale Bildung, auch der Gesundheitskompetenz, welche z.T. diese Unterschiede erklären. Umso wichtiger ist die Konzentration unseres Gesundheitssystems auf diese Bevölkerungsgruppe hinsichtlich der Primär- und Sekundärprophylaxe v.a. der Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autor
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]
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Quellen
- Variations between women and men in risk factors, treatments, cardiovascular disease incidence, and death in 27 high-income, middle-income, and low-income countries (PURE): a prospective cohort study – Autoren: Marjan Walli-Attaei, PhD; Philip Joseph, MD; Prof Annika Rosengren, MD; Prof Clara K Chow, PhD; Sumathy Rangarajan, MSc; Prof Scott A Lear, PhD; Khalid F AlHabib, MBBS; Prof Kairat Davletov, PhD; Prof Antonio Dans, MD; Prof Fernando Lanas, MD; Karen Yeates, MD; Prof Paul Poirier, MD; Prof Koon K Teo, PhD; Ahmad Bahonar, PhD; Felix Camilo, MD; Jephat Chifamba, DPhil; Rafael Diaz, MD; Prof Joanna A Didkowska, PhD; Vilma Irazola, MD; Rosnah Ismail, DrPh; Prof Manmeet Kaur, PhD; Rasha Khatib, PhD; Xiaoyun Liu, PhD; Marta Mańczuk, PhD; J Jaime Miranda, PhD; Aytekin Oguz, MD; Maritza Perez-Mayorga, MD; Prof Andrzej Szuba, PhD; Lungiswa P Tsolekile, PhD; Ravi Prasad Varma, MD; Afzalhussein Yusufali, MD; Rita Yusuf, PhD; Prof Li Wei, PhD; Prof Sonia S Anand, MD; Prof Salim Yusuf, DPhil; – Publikation: The Lancet Volume 396, Issue 10244, P97-109 – DOI: 10.1016/S0140-6736(20)30543-2
- Journal of Health Monitoring – URL: https://www.rki.de/journalhealthmonitoring