Was ist ein Metabolisches Syndrom? ▷ Das tödliche Quartett
In diesem Artikel:
- Bedeutung
- Häufigkeit
- Warum ist das Metabolische Syndrom so gefährlich?
- Was können wir gegen die Entstehung des Metabolischen Syndroms tun?
- Ursachen
- Behandlung
Bedeutung
Metabolisch bedeutet stoffwechselbedingt. Von einem Syndrom spricht man, wenn verschiedene Symptome oder Risikofaktoren bei einem Patienten gleichzeitig vorliegen, wobei jedes Symptom eine unterschiedliche Ursache haben kann.
Unter dem Sammelbegriff “Metabolisches Syndrom” werden verschiedene Risikofaktoren für das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie z.B. Schlaganfall und Herzinfarkt, zusammengefasst.
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Das gleichzeitige Vorliegen der Risikofaktoren Übergewicht (Adipositas), Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck und Diabetes mellitus Typ 2 wird als “Metabolisches Syndrom” bezeichnet. Es ist Ausdruck einer gesteigerten Energiezufuhr und eines Bewegungsmangels.
Was sind die Kriterien für das Metabolische Syndrom?
Die American Heart Association und die International Diabetes Federation fassen folgende Kriterien für das Metabolisches Syndrom zusammen.1
Kriterien der American Heart Association/ National Heart, Lung and Blood Institute (AHA/NHLBI) (2002) | Kriterien der International Diabetes Federation (IDF) (2005) |
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Mindestens drei von fünf der folgenden Faktoren: | Stammbetonte Adipositas mit Taillenumfang von ≥ 80 cm bei Frauen bzw. ≥ 94 cm bei Männern europäischer Herkunft. |
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Zusätzlich zwei von vier der folgenden Faktoren:
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Was bedeuten diese Werte?
Adipositas
Der Body-Mass-Index (BMI) errechnet sich aus dem Körpergewicht in kg, geteilt durch die Körpergröße in m2. Ab einem BMI von 30 spricht man von Übergewicht. Nicht nur das Gewicht, sondern auch die Fettverteilung im Körper ist relevant für die Einstufung. Ab einem Taillenumfang von über 80 cm bei Frauen und 94 cm bei Männern werden Menschen als adipös eingestuft. Der Taillenumfang wird im Stand auf Höhe der Taille gemessen.
Die Blutfettwerte
Cholesterin ist eine fettähnliche Substanz, die sowohl vom Körper selbst hergestellt als auch über die Nahrung aufgenommen wird. Zu viel Cholesterin führt zur Verkalkung der Gefäßwände und begünstigt somit die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das HDL (High Density Lipoprotein), auch als “gutes” Cholesterin bezeichnet, transportiert überschüssiges Cholesterin aus den Blutgefäßen in die Leber. Niedrige Werte unter 40-50 mg/dl bedeuten ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Das “schlechte” LDL-Cholesterin sollte optimal 100 mg/dl oder darunter sein. Sinnvoll ist auch die Messung des Lipoprotein (a).
Triglyceride sind Fette, die im Blut zirkulieren. Sie werden über die Nahrung aufgenommen und in unseren Fettzellen gespeichert, wo sie als Energiereserve benötigt werden. Werte unter 150 mg/dl sind normal.
Blutdruck
Der Blutdruck sollte optimalerweise systolisch bis zu 120 mmHg und diastolisch bis zu 85 mmHg betragen. Bluthochdruck verursacht Arteriosklerose, welche insbesondere die Gefäße des Herzens (Herzkranzarterien, Koronararterien), die das Gehirn mit Blut versorgenden Arterien im Halsbereich, die große Körperschlagader (Aorta) und die Nierenarterien betrifft. Arteriosklerose kann die Ursache für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall sein.
Blutzucker
Ein Blutzuckerwert im nüchternen Zustand über 100 mg/dl deutet auf eine Vorstufe des Diabetes mellitus hin. Bei Verdacht auf einen Diabetes ist es sinnvoll, ein Blutzucker-Tagesprofil (Zuckermessung nüchtern ca. 8 Uhr, 12 Uhr und 16 Uhr) durchführen zu lassen. Auch der HbA1c-Wert (Blutzucker-Niveau der vergangenen zwei bis drei Monate) gibt wertvolle Hinweise.
Welche Symptome bzw. Krankheiten treten beim Metabolischen Syndrom gemeinsam auf?
- Bluthochdruck
- starkes Übergewicht (Adipositas) mit meist bauchbetonter Fetteinlagerung
- Diabetes mellitus (erhöhter Blutzucker)
- Fettstoffwechselstörungen (erhöhtes Cholesterin, v.a. LDL-Cholesterin)
Oft finden sich im Blut auch eine erhöhte Harnsäurekonzentration, leichte Entzündungszeichen oder Zeichen einer verstärkten Blutgerinnung.
Was sind die Ursachen und Risikofaktoren für das Metabolische Syndrom?
Adipositas mit überwiegender Fettverteilung im Bauchraum sowie Vorstufen des Diabetes mellitus sind die wesentlichen Komponenten des Metabolischen Syndroms und begünstigen die Entstehung von Bluthochdruck, erhöhten Blutfettwerten und Diabetes mellitus Typ 2.
Dabei spielt das Hormon Insulin aus der Bauchspeicheldrüse eine wichtige Rolle. Insulin sorgt normalerweise dafür, dass Zucker aus dem Blut in die Körperzellen gelangt und somit den Blutzucker senkt. Bei erhöhter Nahrungsaufnahme wird folglich mehr Insulin benötigt. Irgendwann jedoch reagieren die Zellen nicht mehr auf das Insulin, sie werden resistent und der Blutzucker bleibt hoch. Man spricht dann von Insulinresistenz. Um dies zu kompensieren, wird vermehrt Insulin ausgeschüttet, was das Hungergefühl steigert und langfristig zu Übergewicht und zu Diabetes mellitus Typ 2 führt.
Die einzelnen Risikofaktoren des Metabolischen Syndroms sind eng miteinander verknüpft und begünstigen sich gegenseitig negativ.
Folgende Faktoren einer ungesunden Lebensweise spielen für die Entstehung des Metabolischen Syndroms eine Rolle:
- Übergewicht durch Fehl- und Überernährung
- körperliche Inaktivität
- Fett- und Cholesterinreiche und ballaststoffarme Ernährung
- gesteigerte Kochsalzzufuhr
- Rauchen
- übermäßiger Alkoholkonsum
- Stress über einen längeren Zeitraum und Schlafmangel
- Diabetes Mellitus in der Familie
- Fehlernährung und Übergewicht in der Kindheit führen oftmals zu einem Metabolischen Syndrom im Erwachsenenalter
- Polyzystisches Ovarialsyndrom
Diagnose Metabolisches Syndrom – was untersucht der Arzt?
Bei der Hausärztin oder dem Hausarzt können alle Untersuchungen durchgeführt werden, um das metabolische Syndrom zu diagnostizieren. Zunächst ist es wichtig, die Ärztin oder den Arzt über den eigenen Lebensstil, Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahmen, die ökonomische und soziale Situation und Erkrankungen in der Familie zu informieren. Somit können wichtige Risikofaktoren bereits identifiziert werden.
Anhand der oben genannten Kriterien (IDF) können der gemessene Taillenumfang und das Körpergewicht sowie die Werte der Blutdruckmessung, der Blutzuckermessung und der Blutfettwerte eingeordnet werden.
Für die Bestimmung des Blutzuckerwertes und der Blutfettwerte müssen Sie nüchtern sein. Ein kleiner Tropfen Blut aus der Fingerkuppe reicht in der Regel aus.
Zusätzlich kann eine Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiographie) sowie ein EKG hilfreich sein, um eine Herzerkrankung zu erkennen.
Warum ist das Metabolische Syndrom so gefährlich?
Die genannten Symptome sind meist Ausdruck des “modernen Lebensstils” mit unzureichender körperlicher Bewegung, Fehl- und Überernährung. In den westlichen Regionen, v.a. Europa und Amerika, spricht man bei Vorliegen eines Metabolischen Syndroms auch von einer “Wohlstandskrankheit”.
Traurig und bedenklich ist, dass die Sterblichkeit bei diesen Patienten erhöht ist. Man spricht deshalb auch bei den o.g. Symptomen von einem “tödlichen Quartett”.
Jedes dieser Symptome kann für sich betrachtet zu einer Schädigung der arteriellen Blutgefäße, zur Arteriosklerose führen. Liegen mehrere Symptome vor, addiert sich das Risiko v.a. für Schlaganfälle und Herzinfarkte zusätzlich.
Folgeerkrankungen
Jedes einzelne Symptom des Metabolischen Syndroms stellt einen Risikofaktor für die Entstehung von kardiovaskulären Erkrankungen dar. “Kardiovaskulär” bedeutet das Herz und das Gefäßsystem betreffend.
Das gleichzeitige Vorliegen mehrerer Symptome erhöht das Risiko einer Arteriosklerose, also einer Verkalkung der Arterien.
Die Folgen der Arteriosklerose sind insbesondere:
- die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) – eine fortschreitende Schädigung und Einengung der Gefäße der Becken- und Beinregion, was eine Minderversorgung der Beine mit Blut bedingt.
- die koronare Herzkrankheit (KHK) durch Verkalkung der Herzkranzarterien – mit der Folge der Minderversorgung des Herzens mit Blut
- ein Herzinfarkt als Folge der koronaren Herzkrankheit
- ein Schlaganfall durch Schädigung der hirnversorgenden Gefäße
Wie häufig ist das Metabolische Syndrom?
In Deutschland sind ca. 30-35 Prozent der Bevölkerung betroffen (Prävalenz). Das sind fast unglaubliche 25 – 30 Millionen Menschen.
Die Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter, niedrigem sozioökonomischen Status und Body-Mass-Index.
Grund für die steigende Tendenz ist außerdem die zunehmende Nutzung digitaler Medien, welche vor allem Jugendliche und Berufstätige im “Home Office” von Bewegung abhalten und eine Überernährung fördern.
Frauen und Männer sind gleichermaßen betroffen, zunehmend auch Kinder und Jugendliche.
Die Häufigkeit von Diabetes mellitus, bezogen auf das gesamte bisherige Leben der Befragten in Deutschland, liegt im Alter von über 60 Jahren bei 15 Prozent. Über 90 Prozent davon sind von Typ 2 Diabetes betroffen. Die Prävalenz des Diabetes mellitus 2 wird in den nächsten Jahren durch Gewichtszunahme und Bewegungsmangel in der Bevölkerung noch weiter ansteigen.
Gleiches gilt für Adipositas. In Europa sind ca. 20 Prozent der Erwachsenen adipös.2
Behandlung des metabolischen Syndroms
Das Ziel der Behandlung des metabolischen Syndroms ist die erfolgreiche Reduktion des Risikos für Diabetes mellitus, Herzinfarkte und Schlaganfälle.
Es ist wichtig, frühzeitig das metabolische Syndrom zu erkennen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten.
Gesunde Lebensweise
Die steigende Häufigkeit des metabolischen Syndroms in der Bevölkerung ist primär Ausdruck einer ungesunden Lebensweise und eines Bewegungsmangels.
Zu den wichtigsten Maßnahmen zählen daher eine Ernährungsumstellung und mehr körperliche Bewegung.
Optimal bei Vorliegen eines Übergewichts ist eine Gewichtsreduktion von bis zu 10 Prozent des Körpergewichts. Damit sinkt das Risiko für einen Herzinfarkt um ca. 20 Prozent.3
Körperliche Fitness hilft bei der Gewichtsreduktion, senkt den Blutdruck und verbessert die Blutfettwerte. Mindestens dreimal pro Woche sollte ein moderates Ausdauertraining (Gehen, Radfahren, Joggen) erfolgen. Zudem wird Muskelaufbautraining durch Kraftübungen empfohlen. Natürlich müssen alle Maßnahmen individuell angepasst werden.
Empfohlen wird insbesondere eine mediterrane Ernährungsweise. Diese enthält viele Vollkornprodukte, Gemüse, Obst, wenig tierisches und mehr pflanzliches Fett und Hülsenfrüchte. Außerdem sollte die Kochsalzzufuhr auf unter 6 g pro Tag reduziert werden. Das entspricht einem Teelöffel. Ebenso sollte möglichst wenig Zucker in Form von Süßgetränken und Fast Food aufgenommen werden.
Es ist nicht erforderlich, dass Sie auf ganze Mahlzeiten verzichten oder strikte Diäten einhalten. Achten Sie vielmehr darauf, selbst zu kochen und auf Fertigprodukte zu verzichten.4 Es gibt zahlreiche kreative Kochbücher mit Rezepten für die mediterrane Küche. Damit kann eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten hin zu einem gesunden Lebensstil auch Spaß machen.
Medikamentöse Behandlung der Risikofaktoren
Bei besonders hohem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommen Medikamente zum Einsatz.
Die Therapie des Bluthochdrucks erfolgt mit “Antihypertensiva”. Das ist eine Gruppe von Medikamenten, die individuell je nach Ausprägung der Hypertonie und Begleiterkrankungen ausgewählt und kombiniert werden können. Generelles Ziel ist eine Reduktion des Blutdrucks auf unter 135/85 mmHg.
Neben Veränderungen des Lebensstils kommen in der Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 sogenannte “Antidiabetika” zum Einsatz. Auch diese werden individuell vom Arzt oder der Ärztin ausgewählt, um die am besten geeignete Therapie zu erstellen. Ziel ist ein HbA1c-Wert zwischen 6,5 und 8,5 Prozent. Dieser Wert gibt Aufschluss über den Blutzuckerspiegel der letzten zwei bis drei Monate.
Lipidsenker wie beispielsweise Statine sorgen für geringere LDL- und Gesamtcholesterin-Werte und höhere HDL-Werte. Sie kommen ebenfalls zum Einsatz, wenn Lebensstil-Veränderungen nicht mehr ausreichen, um die Blutfettwerte zu verbessern.
Was können wir gegen die Entstehung des Metabolischen Syndroms tun?
Da alle Symptome vermeidbar oder behandelbar sind, helfen nur nachhaltige Aufklärung im Sinne einer permanenten und strukturierten Primärprävention und der Förderung der Gesundheitsbildung bzw. Gesundheitskompetenz der Bevölkerung.
Eine bereits im Vorschulalter beginnende und kompetente Gesundheitserziehung wäre wünschenswert. Letztere ist wohl das größte Problem, da es sehr schwer ist, sich den aktuellen Entwicklungen und Einflüssen zu entziehen.
Dennoch lohnt es sich für jeden, einmal in sich zu gehen und dabei zu überlegen, wie man bei klaren und wissenschaftlich gesicherten Vorgaben für ein “gesundes Leben” möglichst lange und in guter Gesundheit überleben kann.
Sie haben eine Frage zum metabolischen Syndrom? Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen und Angehörigen in unserem Forum aus.
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Autoren
unter Mitarbeit von stud. med. Rosalie Hartmann
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- Geschichte und Definition(en) des metabolischen Syndroms – Autoren: Hanefeld M, Schaper F, Ceriello A. – Publikation: Internist. Februar 2007;48(2):117–25
- Innere Medizin 2020 – Autor: Herold et al. – ISBN: 978-3-981-46609-6
- Metabolisches Syndrom – Autoren: Hien, P., Böhm, B. – Publikation: Diabetes-Handbuch, Springer, S. 37–9 – DOI: 10.1007/978-3-540-68174-8_9
- Metabolisches Syndrom – Gelbe Liste – URL: https://www.gelbe-liste.de/krankheiten/metabolisches-syndrom#Epidemiologie