HbA1c (glykiertes Hämoglobin) ▷ Normwerte, Bedeutung und Maßnahmen zur Senkung
In diesem Artikel:
- Was ist der HbA1c?
- Welche HbA1c-Werte sind normal?
- Wann sollte der HbA1c-Wert bestimmt werden?
- Zusammenhang zwischen dem HbA1c-Wert und einem Schlaganfall
- Praxis-Tipps zum Senken Ihres HbA1c-Spiegels
Was ist der HbA1c?
Der HbA1c-Wert gibt Auskunft darüber, wie hoch der Blutzucker eines Patienten über einen Zeitraum von 8 bis 12 Wochen war. Dieser Zeitraum orientiert sich an der Lebensdauer der roten Blutkörperchen.
Das HbA1c entsteht, wenn der mit der Nahrung aufgenommene Zucker Glukose im Blut an den roten Blutkörperchen haften bleibt und an deren roten Blutfarbstoff Hämoglobin bindet. Mit 80 Prozent bildet das HbA1c den Hauptanteil der mit Zuckern chemisch verbundenen Hämoglobine. Es gibt neben dem HbA1c noch weitere Formen. Sie unterscheiden sich in den Zuckermolekülen, die an sie gebunden sind.
Wie viel HbA1c gebildet wird, hängt vom Blutzuckerspiegel – also der Glukosekonzentration im Blut – ab und davon, wie lange dieser erhöht ist. Die Verknüpfung des Hämoglobins mit dem Zucker kann nicht mehr gelöst werden, daher bleibt ein einmal gebildetes HbA1c-Molekül so lange im Blut, bis das entsprechende rote Blutkörperchen nach etwa 120 Tagen abgebaut wird. Man spricht deswegen auch vom Blutzuckergedächtnis.
Hintergrundwissen: Wofür steht HbA1c?
Die Abkürzung HbA1c steht für Adultes Hämoglobin der Fraktion 1c. Als Hämoglobin wird der eisenhaltige rote Blutfarbstoff der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) bezeichnet.1
Adultes Hämoglobin, kurz HbA, wird wenige Monate nach der Geburt gebildet. Das HbA1c ist chemisch mit Zuckermolekülen verbunden. Die Zahl 1 steht für einen Glukose-Zuckerrest.
Vor- und Nachteile der HbA1c-Bestimmung
Die Bestimmung des HbA1c-Wertes hat viele Vorteile, aber auch einige Nachteile gegenüber anderen Laborwerten, die zur Diagnose der Zuckerkrankheit bestimmt werden können.
Vorteile der HbA1c-Bestimmung
- Unabhängigkeit von Tageszeit und Nahrungsaufnahme
- Unabhängigkeit vom Ort der Blutentnahme
- Keine unmittelbare Beeinflussung durch kurzfristige körperliche Aktivität
- Nur geringfügige Schwankungen von Tag zu Tag
- Widerspiegelung des durchschnittlichen Blutzuckerspiegels der letzten 8 bis 12 Wochen
Nachteile der HbA1c-Bestimmung
- Starke Beeinflussbarkeit durch viele verschiedene Faktoren wie beispielsweise Medikamenteneinnahme, Schwangerschaft und Leistungssport
- Unzureichende Reproduzierbarkeit: Aus einer Blutprobe lässt sich mit derselben Bestimmungsmethode nicht zuverlässig mehrfach das gleiche Ergebnis bestimmen
- Abhängigkeit von Alter und Abstammung
Wann sollte der HbA1c-Wert bestimmt werden?
Eine besondere Rolle kommt dem HbA1c-Wert bei der Beurteilung der Zuckerkrankheit Diabetes mellitus zu. Patienten mit erhöhten Blutzucker- und HbA1c-Werten sollten vierteljährlich ihre Blutwerte kontrollieren lassen. Auch etwa vier bis sechs Wochen nach einer Therapieumstellung zur Behandlung der Zuckerkrankheit ist eine Kontrolle sinnvoll, um den Therapieerfolg zu überwachen.
Über seinen Stellenwert bei der Untersuchung und Therapiekontrolle der Zuckerkrankheit hinaus gewinnt das HbA1c zunehmend an Bedeutung in der Risikovorhersage von schwerwiegenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie dem Schlaganfall. Auch die Genesungschancen und der Therapieerfolg nach einem Schlaganfall können zum Teil anhand des HbA1c-Wertes eingeschätzt werden.
Welche HbA1c-Werte sind normal?
Der Referenzbereich von HbA1c liegt für gesunde Patienten durchschnittlich bei 4 bis 6 Prozent. Das entspricht einer Konzentration von 20 bis 42 mmol/mol Hämoglobin im Blut.2 Die Normwerte verschieben sich jedoch altersabhängig:3
- 20-39 Jahre: 20,2 bis 42,1 mmol/mol (4,0 bis 6,0 Prozent)
- 40-59 Jahre: 21,3 bis 44,3 mmol/mol (4,1 bis 6,2 Prozent)
- ab 60 Jahren: 24,6 bis 48,6 mmol/mol (4,4 bis 6,6 Prozent)
Das HbA1c-Behandlungsziel für Diabetes-Patienten mit einem Typ-2-Diabetes liegt nach den Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft bei 6,5 bis 7,5 Prozent beziehungsweise 48 bis 58 mmol/mol.2
Bei Typ-1-Diabetes-Patienten liegt das Therapieziel unter einem HbA1c von 7,5 Prozent beziehungsweise unter 58 mmol/mol.2
Oberhalb der Normbereiche besteht Handlungsbedarf: Bei (Verdacht auf einen) Typ-2-Diabetes beziehungsweise dessen Vorstadien entweder durch Anpassungen der Lebensweise oder der medikamentösen Therapie. Ein Typ-1-Diabetes ist hingegen immer Insulinpflichtig.
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Wie unterscheidet sich ein Typ-1-Diabetes mellitus von einem Typ-2-Diabetes mellitus?
Die Zuckerkrankheit Diabetes mellitus wird in unterschiedliche Typen eingeteilt. Die häufigsten und zugleich wichtigsten Typen sind Typ 1 und Typ 2.
Diabetes mellitus Typ 1
Dieser Typ der Zuckerkrankheit erfordert in jedem Fall eine Therapie mit dem Hormon Insulin, da die Krankheit durch einen absoluten Insulinmangel verursacht wird. Der Typ 1 tritt üblicherweise bereits im Kindes- oder Jugendalter auf. Daher erhielt dieser Typ früher die Bezeichnung Jugenddiabetes.
Die Zellen in der Bauchspeicheldrüse sind hierbei nicht in der Lage, das Hormon zur Regulierung des Blutzuckers zu bilden. Bis heute ist der Diabetes mellitus vom Typ 1 nicht heilbar und erfordert lebenslange Therapie.
Diabetes mellitus Typ 2
Diese Erkrankung wird – meist schleichend – durch zwei unterschiedliche krankhafte Prozesse ausgelöst:
- Insulinunempfindlichkeit: Die Zellen des Körpers reagieren nicht mit normaler Empfindlichkeit auf das blutzuckerregulierende Hormon.
- Erschöpfung insulinproduzierender Zellen: Durch die Unempfindlichkeit der Zielzellen gegenüber dem Insulin steigt gleichzeitig deren Bedarf an dem Hormon. Daher müssen die entsprechenden Zellen der Bauchspeicheldrüse immer mehr Insulin produzieren. Mit der Zeit führt dies zu einem Erschöpfungszustand der insulinproduzierenden Zellen.
Hintergrundwissen: Zuckerbelastungstest
Um bereits das Vorstadium eines Diabetes mellitus zu erfassen und frühzeitig mit Lebensstil-Änderungen entgegenwirken zu können, kann ein Zuckerbelastungstest durchgeführt werden.
Dieser auch als oraler Glukosetoleranztest oder kurz oGTT bezeichnete Test wird von der Deutschen Diabetes Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin empfohlen, wenn bei einer Standard-Laboruntersuchung – beispielsweise im Rahmen einer Gesundheitsuntersuchung – HbA1c-Werte von 5,7 bis 6,5 Prozent beziehungsweise 39 bis 47 mmol/mol gemessen werden.4
Darüber hinaus ist der Test eine ergänzende Untersuchungsmethode, wenn widersprüchliche Laborergebnisse vorliegen. Denn für die Sicherung der Diagnose Diabetes mellitus müssen nach den aktuellen Leitlinien mindestens zwei Werte aus unabhängigen Bestimmungen des Blutzuckers oder HbA1c im krankhaften Bereich liegen.4
Der Zuckerbelastungstest kann sowohl als Suchtest als auch zur Sicherung der Diagnose Diabetes mellitus eingesetzt werden.2
Standardmäßig wird der Zuckerbelastungstest auch bei Schwangeren in der 24. bis 28. Schwangerschaftswoche durchgeführt, da ein unkontrollierter Schwangerschaftsdiabetes eine Gefahr für Mutter und Kind darstellt.5,6
Früher wurde der Diabetes mellitus vom Typ 2 auch als Altersdiabetes bezeichnet, um diesen Typ vom Jugenddiabetes abzugrenzen. Heutzutage sind jedoch immer mehr junge Menschen von Typ 2 betroffen. Ein Grund hierfür ist der Lebensstilwandel unserer Gesellschaft, der sich durch Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung und Nikotin- und Alkoholkonsum auszeichnet.
Daneben spielen genetische Faktoren eine wichtige Rolle. Durch Verbesserung der Lebensweise kann die Empfindlichkeit der Zellen gegenüber Insulin gefördert werden. Reicht das nicht aus, stehen Medikamente zur Blutzuckersenkung oder Insulin zur Verabreichung mittels Spritze zur Verfügung.
Ein Diabetes mellitus vom Typ 2 entwickelt sich üblicherweise nicht über Nacht, sondern schleichend.
Aus der Praxis: Voraussetzungen und Ablauf des Zuckerbelastungstests
Voraussetzungen: Blutentnahme
- Morgens nach 8-12 Stunden ohne Nahrung, Alkohol und Nikotin
- Nach mindestens 3 Tagen kohlenhydratreicher Ernährung
- Entspannte Haltung im Sitzen oder Liegen
- Kein Nikotinkonsum vor oder während des Tests
Durchführung:
- Zeitpunkt 0: Trinken einer Zuckerlösung (75 g Zucker in 250 bis 300 ml Wasser) innerhalb von 5 Minuten
- Sofort im Anschluss Blutentnahme aus einer Vene
- Wartezeit von 2 Stunden ohne körperliche Aktivität, Nikotin und Nahrung (zur besseren Vergleichbarkeit üblicherweise in der Arztpraxis)
- Erneute Blutentnahme aus einer Vene nach exakt 2 Stunden
- Bestimmung der Blutzuckerwerte (nicht des HbA1c!) aus beiden Blutproben und Bewertung der Ergebnisse
Ein erhöhtes Risiko für die Zuckerkrankheit besteht nach Auswertung des Zuckerbelastungstests ab einem Nüchternblutzucker von 100 bis 125 mg/dL (5,6 bis 6,9 mmol/L) und Blutzucker-Werten von 140 bis 199 mg/dL (7,8 bis 11,0 mmol/L) 2 Stunden nach Einnahme der definierten Zuckerlösung. Bei Werten darüber gilt die Diagnose Diabetes mellitus als gesichert.4
Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem HbA1c-Wert und einem Schlaganfall?2>
Zusammenhang zwischen HbA1c-Wert und Schlaganfallrisiko?
Eine zusammenfassende statistische Auswertung von Studien mit dieser Fragestellung – eine sogenannte Meta-Analyse – aus dem Jahr 2018 deutet darauf hin, dass das Risiko für einen erstmaligen Hirninfarkt bei Patienten mit der Zuckerkrankheit Diabetes mellitus mit zunehmendem HbA1c steigt.7 Im Vergleich zu gesunden Studienteilnehmern mit HbA1c-Werten im Normbereich unter 5,7 Prozent war das Risiko für Studienteilnehmer mit stark erhöhten HbA1c-Werten über 6,5 Prozent um das 2,15-fache erhöht.
Die Ergebnisse dieser Meta-Analyse zeigen, wie wichtig eine regelmäßige Kontrolle der HbA1c-Werte ist, um einem Schlaganfall vorzubeugen. Frühere Studien konnten zeigen, dass ein Typ-2-Diabetes als alleiniger Risikofaktor das Schlaganfallrisiko bereits um das 1,5- bis 4-fache erhöht.
Zwischen 25 und 50 Prozent aller Menschen, die mit einem akuten Schlaganfall im Krankenhaus aufgenommen werden, haben zuvor nicht festgestellte Auffälligkeiten in der Zuckerverwertung.8 Etwa 20 bis 40 Prozent der Patienten haben zudem bei der Aufnahme ins Krankenhaus erhöhte Blutzuckerwerte.8
Durch die dauerhafte Erhöhung des Blutzuckerspiegels wird darüber hinaus die Entstehung zahlreicher Schlaganfall-Risikofaktoren gefördert. Zu den Risikofaktoren, die mit einem dauerhaft erhöhten Blutzucker einhergehen, zählen unter anderem eine beschleunigte Arterienverkalkung – die Arteriosklerose – und das Vorhofflimmern, eine häufige Herzrhythmusstörung.
Diabetes-Medikament zur Senkung des Schlaganfallrisikos bei Nicht-Diabetes-Patienten
Interessanterweise konnte die Langzeittherapie mit einem Diabetes-Arzneimittel bei Nicht-Diabetes Patienten, deren Körperzellen jedoch bereits gegen Insulin unempfindlich waren, das Risiko für schwerwiegende Folgen nach einem ischämischen Schlaganfall senken.7 Diese Beobachtung konnte gleichermaßen nach einer manchmal als Mini-Schlaganfall bezeichneten transitorischen ischämischen Attacke, kurz TIA, gemacht werden.
Zusammenfassend legen die Ergebnisse der Meta-Analyse nahe, dass bereits frühzeitig unterhalb der aktuell tolerierten HbA1c-Normwerte mit einer medikamentösen Therapie begonnen werden kann, um der Entstehung eines ischämischen Schlaganfalls vorzubeugen.
Der HbA1c-Wert von Diabetes-Patienten sollte weder zu hoch noch zu niedrig sein
US-amerikanische Forscher beschäftigten sich ebenfalls mit der Erforschung des Zusammenhangs zwischen dem HbA1c -Wert und dem Schlaganfallrisiko von Diabetes-Patienten.
Bei dieser Studie, deren Ergebnisse im Jahr 2022 veröffentlicht wurden, wurden rückwirkend die Daten von insgesamt 67.544 Typ-2-Diabetes-Patienten unterschiedlicher Abstammung ausgewertet.9 Bei der Auswertung wurden sowohl ischämische als auch hämorrhagische Schlaganfälle berücksichtigt.
Die Datenanalyse deutet darauf hin, dass sowohl ein niedriger als auch ein hoher HbA1c-Wert mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko in Verbindung stehen kann. Das bedeutet, dass sowohl eine schlechte Einstellung des Blutzuckers als auch eine zu strikte Einstellung bei Diabetes-Patienten gefährlich werden kann. Daher sollte die Diabetestherapie individuell gemäß den Empfehlungen der Leitlinien angepasst werden. Die reine Fokussierung auf das Senken des HbA1c ist den Studiendaten nach nicht zielführend.
Zusammenhang zwischen HbA1c-Wert und Schlaganfall-Typ
Eine im Jahr 2024 in Saudi Arabien durchgeführte Studie zeigte interessante Zusammenhänge zwischen dem HbA1c und dem Schlaganfall-Typ: Der HbA1c-Spiegel war bei allen Schlaganfall-Patienten ungeachtet des Schlaganfall-Typs erhöht. Bei Patienten mit einem Hirninfarkt war er jedoch deutlich höher als bei Patienten mit einer Hirnblutung oder einem als transitorische ischämische Attacke bezeichneten Mini-Schlaganfall.10
Darüber hinaus zeigte die Studie, dass ein Hirninfarkt eher bei Frauen und über einem Alter von 65 Jahren auftrat, während eine Hirnblutung tendenziell eher bei Männern und in der Altersgruppe unter 65 Jahren auftrat. Auch die Häufigkeit von Herzerkrankungen sowie der Einnahme von Blutverdünnern war bei Patienten mit Hirninfarkt im Vergleich zu anderen Schlaganfall-Typen deutlich erhöht.
HbA1c zur Vorhersage eines zweiten Schlaganfalls
Chinesische Wissenschaftler fanden im Jahr 2013 heraus, dass ein HbA1c-Wert im oberen Normbereich zwischen 6,1 und 6,5 Prozent, der den Blutzuckerstatus vor einem Schlaganfall widerspiegelt, das Auftreten eines zweiten Schlaganfalls innerhalb eines Jahres vorhersagen kann.11 Daher sollte der HbA1c-Wert routinemäßig bei Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall bestimmt werden, um das Risiko für einen erneuten Schlaganfall frühzeitig zu erkennen.
Optimaler HbA1c-Bereich zur Vermeidung weiterer Herz-Kreislauf-Vorfälle nach einem Schlaganfall
Eine im Jahr 2021 veröffentlichte Studie deutet darauf hin, dass es für Diabetes-Patienten einen optimalen HbA1c-Zielbereich gibt, um nach einem Schlaganfall einen erneuten Schlaganfall beziehungsweise andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie einen Herzinfarkt zu verhindern.12,13 Dieser liegt den Studienergebnissen zufolge im Bereich zwischen 6,8 und 7,0 Prozent.
Die Studienergebnisse beziehen sich auf ein Durchschnittsalter von etwa 70 Jahren und einen ischämischen Schlaganfall. Die Studienteilnehmer hatten bei Aufnahme in die Studie einen durchschnittlichen HbA1c-Wert von 7,5 Prozent. Sie hatten also ein starkes Blutzucker-Ungleichgewicht, das auf das Vorliegen der Zuckerkrankheit hindeutete.
Von den 18.765 an der Studie teilnehmenden Diabetes-Patienten erlitten 8 Prozent innerhalb eines Jahres nach Studienbeginn einen Herzinfarkt, weitere 5 Prozent erlitten einen erneuten Schlaganfall. Das Risiko für einen Herzinfarkt und ähnliche Gefäßerkrankungen lag bei Patienten mit einem HbA1c-Wert von über 7 Prozent bei Einlieferung ins Krankenhaus um 27 Prozent höher als bei Patienten mit einem HbA1c-Wert von unter 6,5 Prozent. Insbesondere das Schlaganfallrisiko war im Vergleich sogar um 28 Prozent erhöht.
Nahezu ein Drittel aller Schlaganfall-Patienten hat die Zuckerkrankheit Diabetes mellitus. Daher sollten sich die Bemühungen im Rahmen der Vorbeugung erneuter Schlaganfälle auch darauf konzentrieren, einheitliche Testverfahren zur schnellen Identifizierung von Schlaganfall-Patienten mit der Zuckerkrankheit zu entwickeln. Nur so kann der Krankheitsverlauf positiv beeinflusst und das Auftreten weiterer Schlaganfälle verhindert werden.
Hinweis: Die Kernaussagen
Die auf verschiedenen Studien basierende Datenlage kann unter Umständen zunächst widersprüchlich erscheinen. Bei genauerem Hinsehen ergeben sich jedoch folgende Kernaussagen:
- Der HbA1c-Wert ist ein wichtiges Kriterium für das Schlaganfallrisiko, insbesondere für einen Hirninfarkt.
- Erhöhte Blutzucker- und HbA1c-Spiegel sollten frühzeitig erkannt und behandelt werden, um das Schlaganfallrisiko zu senken
- Es ist jedoch nicht der HbA1c-Wert alleine, der das Risiko für einen Schlaganfall fördert, sondern auch die Risikofaktoren, die durch einen dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegel im Rahmen einer unbehandelten Zuckerkrankheit entstehen.
- Sowohl ein unbehandelter Diabetes mellitus als auch eine zu strikte Blutzuckereinstellung mit blutzuckersenkenden Medikamenten sind mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden.
- Eine Diabetestherapie sollte immer individuell nach den aktuellen Leitlinienempfehlungen angepasst werden.
HbA1c zur Vorhersage der Genesung nach einem Schlaganfall
Eine 2019 veröffentlichte zusammenfassende statistische Analyse von 39 Studien ergab, dass akut hohe Blutzuckerspiegel und die Zuckerkrankheit nach einem Schlaganfall mit einer schlechteren Genesung, längeren Krankenhausaufenthalten, höherer Wahrscheinlichkeit für einen weiteren Schlaganfall und erhöhter Sterblichkeit verbunden waren.14
Chinesische Wissenschaftler veröffentlichten im Jahr 2021 eine umfassende statistische Analyse von 15 Studien, die die gesundheitliche Entwicklung von Patienten nach einem Hirninfarkt untersuchten und von 7 Studien, die sich auf den Genesungsfortschritt von Patienten mit einer Hirnblutung konzentrierten.15
Die Analyse brachte folgende Erkenntnisse:
Patienten mit Hirninfarkt:
- Mit jeder Einheit, um die sich der HbA1c-Wert erhöhte, stieg das Risiko für Patienten, innerhalb eines Jahres an den Folgen eines Hirninfarkts zu versterben.
- Das Risiko für funktionelle Einschränkungen innerhalb von 3 Monaten stieg ebenfalls mit jeder HbA1c-Erhöhung.
- Zudem war das Risiko für eine Hirnblutung innerhalb von 24 Stunden nach der Aufnahme erhöht.
Patienten mit Hirnblutung:
- Mit jeder erhöhten Einheit des HbA1c-Wertes, erhöhte sich auch das Risiko für Funktionseinschränkungen innerhalb von 3 Monaten nach Aufnahme ins Krankenhaus.
- Bei Patienten mit einem HbA1c-Wert von 6,5 Prozent war das Risiko für Funktionseinschränkungen nach 12 Monaten erhöht.
Insgesamt zeigt die Analyse, dass der HbA1c-Wert ein wertvoller Marker für die Genesungschancen von Schlaganfallpatienten ist. Dieser sollte in die Planung und Entwicklung vorbeugender Behandlungsstrategien zur Vermeidung weiterer Herz-Kreislauf-Komplikationen nach einem Schlaganfall mit einbezogen werden.
HbA1c-Wert und Genesungschancen nach Behandlung eines Hirninfarkts
Eine kleine Studie mit 223 Patienten untersuchte den Zusammenhang zwischen dem HbA1c-Wert und den Genesungschancen der Patienten nach der Behandlung eines Hirninfarkts mittels Thrombektomie.16 Bei dieser Behandlungsmethode wird das den Hirninfarkt verursachende Blutgerinnsel mechanisch aus dem hirnversorgenden Blutgefäß entfernt.
Der HbA1c-Wert der Studienteilnehmer lag mit 36 bis 45 mmol/mol im oberen Normbereich bis erhöhten Bereich. Steigende HbA1c-Spiegel waren mit einer geringeren funktionellen Unabhängigkeit der Patienten sowie einem erhöhten Risiko für symptomatische Hirnblutungen und Sterblichkeit nach der mechanischen Entfernung des Blutgerinnsels verbunden.
Somit legen die Studienergebnisse nahe, dass ein erhöhter HbA1c-Wert schlechtere Genesungschancen nach der Entfernung eines Blutgerinnsels mittels Thrombektomie vorhersagen kann.
Wie kann man den HbA1c-Spiegel senken?
Um Strategien zur Senkung des HbA1c zu entwickeln, ist es zunächst sinnvoll, zu verstehen, welche Faktoren den HbA1c-Wert beeinflussen. Der HbA1c-Spiegel kann sich beispielsweise durch die folgenden Einflüsse verändern:17
- Durch allgemeine Befindlichkeitsstörungen und Unwohlsein
- Durch die Einnahme von Medikamenten, unter anderem durch einige entzündungshemmende Mittel
- Durch Änderungen in der Lebensweise
- Durch Stress und Depressionen
Praxis-Tipps zum Senken Ihres HbA1c-Spiegels
- Durch eine ausgewogene, gesunde Ernährungsweise kann der HbA1c-Spiegel positiv beeinflusst werden.
- Machen Sie regelmäßig einen kleinen Spaziergang oder suchen Sie sich ein sportliches Hobby, das Ihnen Freude bereitet. Damit senken Sie Ihren HbA1c-Wert gleich auf zweierlei Art: Die Bewegung selbst fördert den Muskelaufbau – und das geringfügig schon beim Spazierengehen. Muskelzellen haben sogar im ungenutzten Ruhezustand einen höheren Energieverbrauch als Fettzellen. Dadurch sinkt der Blutzucker und mittel- bis langfristig auch der HbA1c. Darüber hinaus wirkt Bewegung stressmindernd.
- Lassen Sie regelmäßig Ihre Medikamente überprüfen: Ihr Arzt kann feststellen, ob Sie Medikamente einnehmen, die einen negativen Einfluss auf Ihren HbA1c-Wert haben.
- Gönnen Sie sich Entspannung! Tun Sie alles, was Ihnen beim Abbau von Stress hilft. Besonders bewährt haben sich spezielle Entspannungstechniken wie autogenes Training, progressive Muskelentspannung oder gezielte Atemübungen. Aber auch bereits das Lesen eines guten Buchs, das Führen eines Tagebuchs, ein paar Dehnungsübungen oder ein Spaziergang an der frischen Luft können helfen, negativen Stress abzubauen.
Besonders die Änderung des Lebensstils ist ein machtvolles Mittel, um den HbA1c-Wert drastisch zu senken und somit schwerwiegende Erkrankungen zu vermeiden. Es gibt Hinweise darauf, dass Diabetes-Patienten mit einem HbA1c-Wert im Bereich von 8 bis 15 Prozent allein durch Anpassung ihrer Ernährung und durch Integrierung von Bewegungseinheiten in ihren Alltag wieder Blutzucker- und HbA1c-Spiegel im Normbereich erzielen können.18 Dadurch entfällt die Notwendigkeit einer Behandlung mit blutzuckersenkenden Medikamenten.
Gezielte Ernährungsberatung zur Senkung des HbA1c
Die Studienergebnisse einer im Jahr 2020 veröffentlichten Studie zeigen, dass Typ-2-Diabetes-Patienten von einer täglichen gezielten Ernährungsberatung auf der Basis einer kontinuierlichen Blutzuckerkontrolle, Daten zur Nahrungsaufnahme und einer lernfähigen digitalen Technologie profitieren können.19
Die Digital Twin (engl. digital twin = digitaler Zwilling) Technologie, auf der das Studienprogramm beruht, erschafft eine Art digitales Abbild – also einen Zwilling – der Studienteilnehmer, indem unterschiedliche medizinische Daten über geeignete Sensoren erfasst und an das digitale Modell gesendet werden. Darüber kann das Verhalten des Studienteilnehmers kontinuierlich überwacht und aus den Daten berechnet werden, wie sich diese sich verändern würden, wenn der Studienteilnehmer seine Verhaltensweise entsprechend anpasst.
Patienten, die über 3 Monate am sogenannten Twin Precision Nutrition Programm teilnahmen, konnten ihren HbA1c-Wert um fast 2 Prozent senken. Darüber hinaus führte die Teilnahme durchschnittlich zu 6,1 Prozent Gewichtsverlust und weiteren positiven gesundheitlichen Effekten. Die meisten Studienteilnehmer konnten am Ende der Teilnahme an dem Programm auf ihre blutzuckersenkenden Medikamente verzichten.
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Autoren
Dipl.-Biol. Claudia Helbig unter Mitarbeit von Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen
Claudia Helbig ist Diplom-Human- und Molekularbiologin und hat zuvor eine Ausbildung zur Arzthelferin absolviert. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Medizinischen Biochemie und Molekularbiologie hat sie Medizinstudenten in Pathobiochemie-Seminaren und Praktika betreut. Nach Ihrer Arbeit in der pharmazeutischen Forschung hat sie in einem Auftragsforschungsinstitut für klinische Studien unter anderem Visiten mit Studienteilnehmern zur Erhebung von Studiendaten durchgeführt und Texte für die Website verfasst. Mit ihrem interdisziplinären Hintergrund und ihrer Leidenschaft zu schreiben möchte sie naturwissenschaftliche Inhalte fachlich fundiert, empathisch und verständlich an Interessierte vermitteln. [mehr]
Quellen
- Pschyrembel Klinisches Wörterbuch; 266. aktualisierte Auflage; 2014 – Autoren: Pschyrembel, Willibald; Arnold, Ulrike – Publikation: Walter de Gruyter & Co. Verlag; Berlin
- Klinikleitfaden Labordiagnostik (2024), 8. Auflage – Autoren: Böhm, Bernhard O.; Niederau, Christoph; Aymanns, Matthias Peter – Publikation: Elsevier Verlag; München – ISBN: 978-3-437-05604-8; 978-3-437-21094-5
- Preventing misdiagnosis of diabetes in the elderly: age-dependent HbA1c reference intervals derived from two population-based study cohorts (2019) – Autoren: Masuch, Annette; Friedrich, Nele; Roth, Johannes; Nauck, Matthias; Müller, Ulrich Alfons; Petersmann, Astrid – Publikation: BMC Endocr Disord. 2019;19(1):20 – DOI: 10.1186/s12902-019-0338-7
- Langfassung der Leitlinie Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes, Version 3.0 (Stand 15.05.2023; abgerufen am 27.11.2024) – URL: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/nvl-001
- S3-Leitlinie Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge, 2. Auflage (2018); AWMF-Registernummer: 057–008 – URL: https://register.awmf.org/assets/guidelines/057-008l_S3_Gestationsdiabetes-mellitus-GDM-Diagnostik-Therapie-Nachsorge_2019-06-abgelaufen.pdf
- Gestationsdiabetes (GDM) (Update 2023); Springer (abgerufen am 27.11.2024) – Autoren: Kautzky-Willer, A., Winhofer, Y., Kiss, H. et al. – Publikation: Wien Klin Wochenschr 135 (Suppl 1), 115–128 (2023) – DOI: 10.1007/s00508-023-02181-9
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- Reducing HbA1c in Type 2 Diabetes Using Digital Twin Technology-Enabled Precision Nutrition: A Retrospective Analysis (2020) – Autoren: Shamanna, Paramesh; Saboo, Banshi; Damodharan, Suresh; Mohammed, Jahangir; Mohamed, Maluk; Poon, Terrence; Kleinman, Nathan; Thajudeen, Mohamed – Publikation: Diabetes Ther (2020) 11:2703–2714 – DOI: 10.1007/s13300-020-00931-w