Wernicke-Aphasie ▷ Symptome, Ursachen und Behandlung
In diesem Artikel:
- Was bedeutet Aphasie?
- Symptome der Wernicke-Aphasie
- Ursachen einer Wernicke-Aphasie
- Wer stellt die Symptome fest?
- Therapie
- Krankheitsverlauf und Prognose
Was bedeutet Aphasie?
Der medizinische Begriff Aphasie leitet sich von dem altgriechischen Wort aphasia ab, was übersetzt Sprachlosigkeit bedeutet. Aphasie ist der Oberbegriff für alle durch Krankheit erworbenen Sprachstörungen. Er beinhaltet aber nicht nur Störungen der Lautsprache, also der sprachlichen Äußerungen, sondern auch Einschränkungen des Sprachverständnisses, des Lesens und des Schreibens.
Aphasische Störungen sind sowohl für die Betroffenen als auch für Menschen in ihrem persönlichen oder beruflichen Umfeld eine kaum vorstellbare Belastung und Herausforderung. Gestört ist das wichtigste Kommunikationsmittel des Menschen, die Sprache und deren Verständnis.
Die geistige bzw. kognitive Leistungsfähigkeit ist bei einer aphasischen Störung in der Regel nicht oder nicht gravierend beeinträchtigt. Auch ist sich der oder die Betroffene seiner Einschränkung mehr oder weniger bewusst. Das Hören ist ungestört.
Störungen des Sprechens, wenn also die Artikulationsorgane wie die Lippen, die Zunge oder die Stimmlippen beeinträchtigt sind, werden im Gegensatz zur Aphasie als Sprechstörungen (Dysarthrie) bezeichnet.
Dieser Onlinekurs erklärt Ihnen in 12 kompakten Modulen alles, was Sie jetzt wissen müssen.
Ursache einer Aphasie ist die Einschränkung der Funktion von umschriebenen Arealen des Großhirns. Diese Sprachzentren sind dafür zuständig, die Lautsprache in sinngerechte und grammatikalisch einwandfreie Worte oder Sätze umzusetzen, zudem sprachliche Informationen und die Schriftsprache zu verstehen.
Unter dem Oberbegriff Aphasie werden in Abhängigkeit von der vorherrschenden Einschränkung der sprachlichen Leistungen vier Typen voneinander abgegrenzt, die
- Broca-Aphasie, auch motorische Aphasie genannt
- Wernicke-Aphasie, auch sensorische Aphasie genannt
- Amnestische Aphasie
- Globale Aphasie
Dieser Artikel beschreibt die Symptome der Wernicke-Aphasie:
Symptome der Wernicke-Aphasie
Das hervorstechende Symptom der Wernicke-Aphasie ist die Einschränkung des Sprachverständnisses. Gesprochene Worte oder Sätze werden nur noch unvollständig oder gar nicht mehr sinngemäß verarbeitet. Allerdings sind bei der Wernicke-Aphasie auch Funktionen der Sprachproduktion und -aufnahme, des Lesens und Schreibens in unterschiedlicher Ausprägung gestört:
- Sprachverständnis je nach Schweregrad unterschiedlich, meist aber stark gestört. Gelegentlich können einfache Aufforderungen, zum Beispiel für Körperbewegungen wie Aufstehen oder Hinsetzen, befolgt werden.
- Lautsprache bzw. Spontansprache flüssig mit guter Artikulation, häufig aber übermäßige und unkontrollierte Sprachproduktion, medizinisch Logorrhoe genannt. Im Extremfall nur Kauderwelsch, medizinisch als Jargon-Aphasie bezeichnet.
- Wortfindungsstörungen, falsche Wortwahl, wiederholtes Suchen nach dem sinngemäßen Wort, viele unspezifische Worte wie “es” oder “Ding”. Viele allgemeine, aber unpassende Redewendungen wie „Na, sie wissen schon..” oder “das geht aber nicht”.
- Vertauschen von Wörtern, zum Beispiel “Teller statt Tisch” oder “Hemd statt Hose”, die sogenannten phonematischen Paraphasien. Auch Vertauschen von einzelnen Buchstaben oder Silben, die sogenannten semantischen Paraphasien.
- Nachsprechen durch Wortvertauschungen gestört.
- Benennen von Gegenständen durch Wortfindungsstörungen, Wortvertauschungen und umständliche Umschreibungen mit mühsamer Annäherung an das Zielwort gestört.
- Vorlesen sehr erschwert durch falsche Wiedergabe im Text stehender Worte, medizinisch Paralexie genannt.
- Schreiben entsprechend der Spontansprache gestört. Allerdings werden Fehler eher erkannt als bei der Spontansprache.
- Diktat schwer gestört.
- Leseverständnis wie Sprachverständnis
Begleitende neurologische Ausfälle sind häufig eine Gesichtsfeldeinschränkung, eine mündliche oder schriftliche Rechenstörung, medizinisch Akalkulie genannt.
Ursachen einer Wernicke-Aphasie
Häufigste Ursache ist ein Schlaganfall durch Unterversorgung des Wernicke-Areals mit Blut, also ein Hirninfarkt. Verantwortlich für die Mangeldurchblutung bzw. Unterversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen ist ein Verschluss der Blut zuführenden Arteria cerebri media.
Andere Ursachen sind Hirntumore oder -metastasen, Hirnverletzungen, Entzündungen des Gehirns u.a.
Wer stellt die Symptome fest?
Die eingehende Untersuchung von Sprachstörungen wird, nach der Feststellung der Hirnschädigung durch die Computer- und/oder Kernspintomographie, durch neurologische, neuropsychologische und logopädische Untersuchungen vorgenommen.
Da die Störungen, wie oben bei den Symptomen aufgeführt, häufig sehr vielfältig sind, schließen die Untersuchungen immer auch das Lesen, Schreiben und Rechnen ein.
Therapie
Die logopädische Behandlung sollte so früh wie möglich beginnen. Doch auch Jahre nach Krankheitsbeginn lassen sich noch Erfolge erzielen.
Besonders wichtig ist die Einbeziehung der Angehörigen in die Therapie. Voraussetzung hierfür ist das Verstehen dieser Einschränkungen, somit der verständnisvolle Umgang mit der Patientin oder dem Patienten. Auch um Konflikte zu vermeiden.
Die wesentlichen Ziele der Logopädie sind:
- Reaktivierung bzw. Reorganisation des betroffenen Hirnareals.
- Andere Hirnareale unter Nutzung der neuronalen Plastizität anzuregen, Funktionen des gestörten Areals zu übernehmen.
Neben Sprach- und Sprachverständnisübungen sind auch Übungen zur Aufmerksamkeit und Konzentration wichtig, aber auch Rollenspiele, in denen Alltagssituationen trainiert werden.
Die logopädische Therapie einer Wernicke-Aphasie zielt somit in erster Linie darauf ab, das Sprachverständnis und damit die Kommunikationsmöglichkeiten des Patienten zu verbessern und sein Bewusstsein für die vorliegenden Störungen zu stärken.
Krankheitsverlauf und Prognose
Zusammengefasst ist davon auszugehen, dass sich eine aphasische Störung nach einem Schlaganfall in einem Drittel der Fälle innerhalb der ersten vier Wochen wieder normalisiert. Über 40 Prozent der Schlaganfallpatienten mit Aphasie können nach sechs Monaten wieder frei von Symptomen sein.
Im Artikel “Aphasie nach einem Schlaganfall” findet sich eine Übersicht zum Thema Aphasie, auch mit Angaben zur Prognose.
Tipps zum Umgang mit Sprachstörungen
So klappt es mit der Kommunikation besser – Erfahren Sie, wie Sie den Umgang mit Aphasie-Betroffenen möglichst angenehm gestalten und die Rehabilitation unterstützen.- Eine Logopädin erklärt: Wie kann ich Ihre Sprachstörung verbessern?
- Akupunktur als Therapieoption bei einem Schlaganfall mit motorischer Aphasie?
- Aphasie nach einem Schlaganfall
- Rehabilitation nach einem Schlaganfall
Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Dieser Onlinekurs erklärt Ihnen in 12 kompakten Modulen alles, was Sie jetzt wissen müssen.
Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autor
unter Mitarbeit von Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen
Dr. med. Mark Dankhoff ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Ernährungsmedizin, Diabetologische Grundversorgung, Hypertensiologie DHL, Adiposiologie DAG/AGA/DDG, Adipositas-Trainer AGA, Medizinischer Berater. Sein Schwerpunkt ist die Prävention und Therapie von kardiovaskulären Risikofaktoren und Erkrankungen. Seit 2021 ist er als Medical Advisor freiberuflich tätig. Dr. med. Mark Dankhoff ist Gründungsmitglied des „Im Puls. Think Tank Herz-Kreislauf e.V.“. [mehr]
Quellen
- Kurzlehrbuch Innere Medizin – Autoren: Baenkler H.-W. et al. – Verlag: Thieme Verlag, 2021, 4. überarbeitete Auflage – ISBN: 978-3-13-220000-5.
- Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie – Autoren: Diener, H. C. et al. – Herausgegeben von der Kommission „Leitlinien“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Thieme Verlag, 2012, Print ISBN: 9783131324153, Online ISBN 9783131833655, DOI: 10.1055/b-002-37755
- Hagner M.: Aphasie. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4
- Lanczik M.: Wernicke-Aphasie. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4.