Neurologie ▷ Erkrankungen, Untersuchungen und Behandlungen
In diesem Artikel:
- Was ist die Neurologie?
- Wie wird man Neurologin oder Neurologe?
- Was ist das Nervensystem?
- Wo werden neurologische Erkrankungen behandelt?
- Wie behandelt die Neurologin/der Neurologe?
- Welche Erkrankungen werden von niedergelassenen Neurologinnen und Neurologen behandelt?
- Welche neurologischen Symptome können auftreten?
- Wie werden neurologische Erkrankungen untersucht und diagnostiziert?
- Untersuchungen
- Neurologie und Schlaganfall
Was ist die Neurologie?
Die Neurologie (altgriechisch “neuron” = Nerv, “logie” = Lehre) ist die Wissenschaft und Lehre von organisch (körperlich) bedingten Erkrankungen des Nervensystems. Als medizinisches Fachgebiet beschäftigt sich die Neurologie mit der Vorbeugung (Prävention), der Diagnostik, Therapie, Rehabilitation und Nachsorge neurologischer Erkrankungen.
Das Fachgebiet der Psychiatrie dagegen befasst sich mit seelischen Erkrankungen wie beispielsweise der Depression, der Schizophrenie oder Suchterkrankungen.
Die früheren Facharztbezeichnungen “Nervenarzt” oder “Facharzt für Nervenheilkunde” brachten zum Ausdruck, dass diese Ärzte Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie sind. Nach der heute gültigen ärztlichen Weiterbildungsordnung wird zwischen einem Facharzt für Neurologie und einem Facharzt für Psychiatrie unterschieden.
Wie wird man Neurologin oder Neurologe?
Neurologen sind Fachärzte für Neurologie.2 Sie befassen sich mit dem zentralen, peripheren und dem vegetativen Nervensystem sowie deren Erkrankungen. In der Ausbildung zum Neurologen muss zunächst das Medizinstudium erfolgreich abgeschlossen werden. Mit dem Erhalt der Approbation erhält der Mediziner oder die Medizinerin die Berechtigung zur Ausübung des Arztberufes. Nach mehrjähriger Weiterbildung und vollzogener Facharztprüfung darf sich der Mediziner/die Medizinerin Facharzt nennen.
Die Weiterbildungszeit in der Neurologie umfasst 60 Monate, also fünf Jahre. Von diesen fünf Jahren müssen 6 Monate in der intensivmedizinischen Versorgung neurologischer Patienten und 12 Monate im Fachgebiet der Psychiatrie oder der Psychotherapie absolviert werden.
Was ist das Nervensystem?
Das Nervensystem ist das komplexeste Organsystem des Menschen, dessen Hauptaufgabe darin besteht, die Umwelt zu erfassen, Veränderungen zu erkennen und darauf sinnvoll zu reagieren.3 Es ist für die Reizwahrnehmung (z.B. Schmerz), Reizverarbeitung und Reaktionssteuerung verantwortlich.
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Alle Sinneswahrnehmungen wie Sehen, Hören, Berührung oder Schmerz, alle willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungen, die Funktion der inneren Organe wie Herz, Lungen oder Darm, die Regulation der Körpertemperatur u.a. setzen ein intaktes Nervensystem voraus.
Das Gehirn ist aus unterschiedlichen Bereichen aufgebaut, die alle untereinander verschaltet sind. Zusammen mit dem Rückenmark bildet das Gehirn das zentrale Nervensystem (ZNS). Dem Gehirn entspringen die Hirnnerven zum Kopf. Dem Rückenmark entspringen die Nerven für das periphere Nervensystem (PNS) zum Rumpf, den Armen und Beinen. Das vegetative Nervensystem, das Anteile sowohl im zentralen als auch im peripheren Nervensystem besitzt, steuert alle im Körper “automatisch” (autonom) ablaufenden Organfunktionen und Prozesse.
Wieso ist das Nervensystem so wichtig?
Viele Funktionen des Gehirns wie das Sehen, Riechen, Sprechen, Hören, Schmecken, Fühlen, die Kontrolle von Bewegungen und der Körperhaltung scheinen selbstverständlich zu sein. Doch all das wäre ohne ein gut funktionierendes Nervensystem nicht möglich.
Das Nervensystem dient somit als Kommunikations- und Steuerungsorgan, welches, sehr vereinfacht ausgedrückt, folgende Aufgabe erfüllt:
Die Nerven nehmen aus der Umwelt oder aus dem Körperinneren Eindrücke auf und leiten diese an das Gehirn weiter. Das Gehirn verarbeitet diese Eindrücke und erteilt daraufhin Befehle, die wiederum mithilfe der Nerven an die entsprechenden Körperbereiche weitergeleitet werden. Die Befehle werden dann durch diese Körperbereiche ausgeführt.
Das Gehirn und das Nervensystem können durch viele unterschiedliche Faktoren in ihren Funktionen gestört werden. So können beispielsweise äußere Einwirkungen oder auch Erbanlagen sowie entzündliche, tumoröse, degenerative Erkrankungen und Durchblutungsstörungen das komplexe Geflecht der Nervenzellen und -fasern schädigen und dadurch verschiedene neurologische und auch psychiatrische Störungen auslösen. Mit welchen Symptomen bzw. Fehlfunktionen bzw. Folgeschäden zu rechnen ist, hängt jedoch immer vom Ort, der Art und dem Ausmaß der Schädigung ab.
Wo werden neurologische Erkrankungen behandelt?
Neurologische Erkrankungen werden entweder stationär im Krankenhaus oder ambulant beim Hausarzt, bei einer Neurologin oder einem Neurologen behandelt. Gelegentlich wird ein Psychiater oder ein Psychotherapeut hinzugezogen, seltener ein Neuropsychologe. Wegen der Häufigkeit von Hirndurchblutungsstörungen, vor allem der Hirninfarkte, ist häufig die Mitbehandlung durch einen Kardiologen erforderlich.
Nach Auftreten eines Schlaganfalls erfolgt notfallmäßig die Akutbehandlung im Krankenhaus, am besten auf einer Stroke Unit, einer Schlaganfall-Spezialstation mit Intensivüberwachung.
Im Jahr 2020 gab es in Deutschland dank der Bemühungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe e.V. bereits 329 zertifizierte Stroke Units. Diese Entwicklung der vergangenen 25 Jahre brachte die entscheidende Wende zur Intensivbehandlung des Schlaganfalls als Notfallerkrankung durch die Neurologie.
Laut den Angaben der “Deutschen Gesellschaft für Neurologie” (DGN) sind die zehn häufigsten der im Krankenhaus behandelten neurologischen Erkrankungen4:
Neurologische Krankheit | Häufigkeit in Deutschland5 |
---|---|
Schlaganfall durch Hirninfarkt6 | circa 85 – 87 % von jährlich 270.000 Schlaganfällen |
Schlaganfall durch Hirnblutung | circa 8 % von jährlich 270.000 Schlagfällen |
Schädel-Hirn-Trauma | 91 % leicht, 4% mittelschwer, 5 % schwer |
Parkinson | Prävalenz 100-200 pro 100.000 Einwohner |
Multiple Sklerose7 | > 120.000 Erkrankte |
Hirnhautentzündungen | circa 4 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner |
Epilepsie | Fast 1 % der Bevölkerung (400.000 – 800.000 Menschen) |
Kopfschmerzen und Migräne | Spannungskopfschmerzen bis zu 70 % der Bevölkerung, 10 – 12 % Migräne, 4 % chronischen Kopfschmerzen. 1 % medikamentös induziert. |
Polyneuropathie8 | 5 – 8 % der Bevölkerung |
Gehirntumore Rückenmarkstumore |
2 % aller Krebserkrankungen. Jährliche Neuerkrankungen circa 7.040 |
Wie behandelt die Neurologin/der Neurologe?13
Die Aufgabe eines Neurologen in der Notaufnahme einer Akutklinik ist die möglichst rasche Erfassung des Krankheitsbildes des Patienten. Handelt es sich tatsächlich um einen Notfall? Welche Erkrankung ist zu vermuten? Wann und welche Maßnahmen müssen durchgeführt werden, um schnellstmöglich zu einer Diagnose zu kommen? Kann die Behandlung auf einer Überwachungs-, Intensiv- oder Normalstation erfolgen?
In einer stationären Rehabilitationseinrichtung kümmert sich die Neurologin/der Neurologe als Teil eines interdisziplinären Teams um die speziellen Belange eines Patienten, um eine möglichst vollständige Wiederherstellung der Selbstständigkeit des Patienten zu erreichen. Dies mit dem Ziel, den Patienten in den häuslichen und / oder beruflichen Alltag zu begleiten, damit dieser bestmöglich wieder am familiären, beruflichen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann.
Welche Erkrankungen werden von niedergelassenen Neurologinnen und Neurologen behandelt?
In einer neurologischen Praxis werden folgende Erkrankungen am häufigsten behandelt:
- Multiple Sklerose
- Morbus Parkinson
- Epilepsie
- Demenz
- Schlaganfall
- Kopfschmerzen (überwiegend Spannungskopfschmerzen und Migräne)
- Karpaltunnelsyndrom
- Polyneuropathie
- Rückenschmerzen
- Schwindel
- psychosomatische Beschwerden
Neurodegenerative Erkrankung wie die Demenz-Erkrankungen gehören ebenfalls zum Behandlungsspektrum eines Neurologen. Bei diesen chronischen Erkrankungen kommt es durch zunehmende Schädigungen von Nervenzellen und -bahnen zu fortschreitenden Hirnleistungsstörungen. Sie betreffen auch den Körper, die Seele und den Geist des Menschen.
Auch Erkrankungen des peripheren Nervensystems, wie die Polyneuropathie oder das Karpaltunnelsyndrom, Muskelerkrankungen wie beispielsweise eine Myositis (Muskelentzündung) oder Myasthenia gravis sowie Infektionskrankheiten des Nervensystems gehören zu den Krankheiten, die neurologisch behandelt werden.9
Welche neurologischen Symptome können auftreten?
Je nach Ort der Schädigung im Nervensystem drücken sich neurologische Symptome aus. Unter neurologischen Symptomen oder Syndromen versteht man einzelne Symptome oder eine Reihe typischer Symptome, deren Ursache auf Störungen des Nervensystems zurückzuführen sind.
Häufig auftretende neurologische Symptome sind:10
- Schmerzen: Zu den häufigsten Schmerzen gehören Kopfschmerzen, Nackenschmerzen und Rückenschmerzen.
- Muskelfehlfunktionen: Typische Symptome sind Zittern (Tremor), Lähmung von Extremitäten (Paresen) und Koordinationsstörungen. Auch Spastik (erhöhte Muskelspannung) und dadurch verursachte Muskelkrämpfe und verlangsamte Bewegungen sind häufig vorkommende Symptome.
- Veränderte Sinneswahrnehmungen: Dazu gehören ein umschriebenes Taubheitsgefühl, Kribbelgefühl, Überempfindlichkeit gegenüber Berührungen sowie der Verlust des Tast-, Kälte-, Wärme- und Schmerzempfindens. Durch neurologische Erkrankungen können zudem Geruchs- und Geschmacksstörungen, ein teilweiser oder vollständiger Sehverlust, das Sehen von Doppelbildern, Taubheit, Tinnitus (Ohrgeräusche) oder Halluzinationen auftreten.
- Bewusstseinsstörungen: Eine vorübergehende Ohnmacht oder ein Koma als Zustand tiefer Bewusstlosigkeit sind typische Symptome.
- Schlafstörungen: Neurologische Erkrankungen können auch für Ein- und /oder Durchschlafstörungen verantwortlich sein. Zum Beispiel führt das Restless-Legs-Syndrom (übermäßiger Bewegungsdrang und Kribbeln der Beine in Ruhe) zu Schlafstörungen. Auch unkontrollierbares Einschlafen, die sogenannte Narkolepsie, kann selten vorkommen.
- Einschränkungen von kognitiven Fähigkeiten: Hierbei können Aufmerksamkeit, Orientierung, Merkfähigkeit, Erinnern, Wahrnehmung und Denken gestört sein.
- Störungen der Sprache und des Sprechens: Hierzu gehören die Aphasie (Störung der Sprachproduktion und des Sprachverständnisses) oder eine Dysarthrie (Störung des Sprechens).
- Sonstige Symptome: Schluckstörungen, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen sind ebenfalls neurologische Symptome.
Wie werden neurologische Erkrankungen untersucht und diagnostiziert?
Da die Nerven zwischen Kopfhaut und Zehenspitzen den Kopf, den Rumpf und die Gliedmaßen versorgen, wird eine komplette neurologische Untersuchung systematisch “von Kopf bis Fuß” durchgeführt. Durch diese oft zeitaufwändige Untersuchung können sowohl Hinweise auf die Ursache als auf den Ort einer neurologischen Störung erhalten werden.11
Anamnese
Der erste und oft erkenntnisreichste Schritt ist eine ausführliche Erhebung der Vorgeschichte, der Anamnese. Hier ist Zeit, Geduld und Empathie gefordert. Der Patient oder die Patientin soll und muss zur Sprache kommen:
- Aktuelle Anamnese: Welche aktuellen Beschwerden werden beklagt und seit wann treten sie auf?
- Allgemeine Krankheitsanamnese: Sind früher andere, ernsthafte Erkrankungen aufgetreten, auch in der Kindheit?
- Familienanamnese: Liegen ernsthafte Erkrankungen in der Familie vor?
- Soziale Anamnese: Wie ist der Familienstand, wie verlief die bisherige schulische und berufliche Entwicklung?
- Vegetative Anamnese: Liegen Probleme mit dem Wasserlassen oder Stuhlgang vor?
- Liegen Allergien vor?
- Liegen Probleme mit Sexualfunktionen vor?
Durch diese Befragung und Informationen kann der Neurologe oder die Neurologin die Persönlichkeit, den Bildungsgrad und den psychischen Zustand eines Patienten erfassen.
Untersuchungen
Im zweiten Schritt erfolgt die systematische Untersuchung von Funktionen des Nervensystems:
Untersuchung der Hirnnerven
Das sind die Nerven, welche direkt zum Kopf dem Gehirn entspringen oder vom Kopf zum Gehirn gelangen, ohne Umweg über das Rückenmark. Geprüft werden die Sehfähigkeit, die Gesichtsfelder, das Hören, der Geruch und der Geschmack. Bei Verdacht auf eine Sehstörung wird der Augenhintergrund eingesehen. Zudem werden die Augenbeweglichkeit, die Beweglichkeit der mimischen Muskulatur, das Sprechen und Schlucken beurteilt. Überprüft wird auch die Sensibilität des Gesichts.
Prüfung der Reflexe
Das sind die Sehnendehnungs-Reflexe bzw. Muskeleigenreflexe, ausgelöst durch einen Schlag mit dem Reflexhammer auf eine Sehne zum Beispiel in der Ellenbeuge (Bizepssehnenreflex, BSR) oder unterhalb der Kniescheibe (Patellarsehnenreflex, PSR). Hierdurch wird im Normalfall eine mehr oder weniger ausgeprägte Muskelzuckung ausgelöst. Dahinter steht die Frage nach vorhandenen oder fehlenden Reflexen im Seitenvergleich. Ein sogenannter krankhafter (pathologischer) Reflex ist beim Erwachsenen der positive Babinski-Reflex. Er äußert sich bei kräftigem Bestreichen des äußeren Fußrandes durch eine Hebung der großen Zehe und Spreizung der übrigen Zehen.
Prüfung der Motorik
Hier geht es um die Frage, ob eine Muskellähmung einzelner Muskeln oder Gliedmaßen vorliegt. Die Kraft der Muskulatur wird zum Beispiel durch Beugung des Armes oder Kniestreckung gegen den Widerstand des Arztes geprüft. Es kann auch ein sogenanntes Vigorimeter benutzt werden, das die Kraft des Faustschlusses durch Druck auf einen Gummiball misst. Auch Unterschiede im Einbeinhüpfen sind aufschlussreich.
Prüfung der Koordination
Zur Beurteilung eines Bewegungsablaufs oder der Zielsicherheit einer Bewegung werden Koordinationsprüfungen durchgeführt. Zum Beispiel, ob die Sicherheit beim raschen Gehen oder Stehen mit geschlossenen Beinen und Augen mit Treten auf der Stelle gegeben ist. Ist der Gang breitbeinig? Gelingt der Finger-Nase-Versuch oder der Knie-Hacken-Versuch zielsicher? Kann ein Schritt eng vor den anderen gesetzt werden? Diese Untersuchungen werden auch bei Verdacht auf ausgiebigem Alkoholgenuss durchgeführt.
Prüfung der Sensibilität
Dabei geht es zum einen um die Beurteilung der sogenannten Oberflächensensibilität durch feine Berührungen mit einem Wattebausch, durch leichte Schmerzreize mit einem Nadelrad oder Nadel und Prüfung des Temperaturempfindens mit einem kalten oder warmen Gegenstand. Zum anderen interessiert die Tiefensensibilität. Durch kleinste Bewegungen des Untersuchers am Endglied eines Fingers oder an der Großzehe und geschlossenen Augen des Patienten wird überprüft, ob der Lagesinn intakt ist. Die Tiefensensibilität kann zusätzlich auch mit einer Vibrationsgabel beurteilt werden.
Neuropsychologische Untersuchung
Bei dieser Untersuchung werden kognitive Defizite (z.B. Mini-Mental-Status-Test, DemTect A+B, MoCA-Test) zur Früherkennung oder Verlaufsbeurteilung von Symptomen einer Demenz getestet.
Zur neuropsychologischen Untersuchung gehört auch die Prüfung der “höheren Hirnleistungen”, also der Sprache, des Schreibens und Lesens, des Rechnens, der Aufmerksamkeit und Handlungsfähigkeit. Bei Vorliegen eines grenzwertigen oder schwer beurteilbaren Testergebnisses muss dieses gegebenenfalls durch weitere und ausführlichere Testverfahren durch einen Neuropsychologen überprüft werden.
Psychiatrische Untersuchung
Zur kompletten neurologischen Untersuchung gehört auch eine orientierende psychiatrische Untersuchung. Hierbei geht es vor allem darum, die Gemütslage des Patienten, Ängste, Befürchtungen oder Sorgen zu erfassen. Auch hinsichtlich notwendiger Medikamente und apparativer Untersuchungen. “Der Patient muss zur Sprache kommen”.
Arzt-Patienten-Gespräch
Nach der neurologischen Untersuchung – zu der auch die Messung des Blutdrucks und beiderseitiges Tasten des Pulses, das Abhören von Herz und der Lungen gehört – erfolgt das wichtige und unverzichtbare Arzt-Patienten-Gespräch. Dabei werden mit dem Patienten oder der Patientin in verständlichen Worten die Befunde, die Diagnose oder Verdachtsdiagnose und das weitere Vorgehen erklärt. Auch die Bedeutung der Therapietreue (Adhärenz) sollte angesprochen werden. Abschließend verfasst der Neurologe oder die Neurologin einen Arztbrief, in dem die Ergebnisse der Untersuchungen zusammengefasst werden.
Apparative Zusatzuntersuchungen der Neurologie
Mithilfe von weiteren, speziell neurologisch-technischen Untersuchungen kann mit Ultraschall die Durchblutung von hirnversorgenden Arterien im Hals- und Kopfbereich gemessen und sichtbar gemacht werden.12 Die sogenannten neurophysiologischen Untersuchungen können die Hirnströme oder Muskelströme, die durch elektrische Reize an verschiedenen Nerven der Arme oder Beine ausgelöst werden, messen.
Die schmerzfreie, ungefährliche und für Kontrolluntersuchungen geeignete Ultraschalldiagnostik der hirnversorgenden Arterien ermöglicht die Feststellung von Einengungen vor allem der Halsarterien, in denen das Blut hirnwärts fließt. So werden arteriosklerotisch verursachte Engstellen (Stenosen) oder ein Arterienverschluss (Okklusion) erfasst. Zudem können die Gefäßweite gemessen, Gefäßverletzungen und angeborene Gefäßmissbildungen erkannt werden. Neuerdings werden auch Muskulatur und periphere Nerven mit Ultraschall untersucht.
Die einzelnen Verfahren sind:
Dopplersonographie
Die Dopplersonographie (auch “Doppler” genannt) kann mit einer Ultraschallsonde nach dem Doppler-Prinzip die Strömungsgeschwindigkeit an ausgewählten Stellen der Halsarterien (Karotiden und Vertebralarterien) messen. Die Veränderungen der Strömungsgeschwindigkeit mit jedem Herzschlag kann als typisches, pulssynchrones Zischen hörbar gemacht werden. Das ist die sogenannte extrakranielle Dopplersonographie. Mit der transkraniellen Dopplersonographie lassen sich auch Arterienabschnitte im Schädelinneren beurteilen.
Duplexsonographie
Die Duplexsonographie kombiniert die Dopplersonographie mit einem Ultraschallgerät, das Schnittbilder durch das Gewebe erzeugt. Hierdurch können Arterien und Venen sichtbar gemacht werden. Die Blutströmung kann auch farblich hervorgehoben werden. Man spricht dann von farbkodierter Duplexsonographie. Die Duplexsonographie ist auch für die Untersuchung von Arterien im Schädelinneren einsetzbar.
Die elektro- oder neurophysiologischen Verfahren machen sich zunutze, dass die Nervenbahnen elektrischen Kabeln gleichen, welche die Nervenströme übermitteln.
Elektroenzephalographie (EEG)
Mit der Elektroenzephalographie (EEG) werden – entsprechend dem Elektrokardiogramm (EKG) – von der Schädeloberfläche an definierten Stellen die Hirnströme gemessen und als Hirnstromkurve dargestellt und dokumentiert. Das EEG wird überwiegend eingesetzt für die
- Epilepsiediagnostik
- Einordnung von Bewusstseinsstörungen
- Schlafmedizin (Bestimmung der Schlafphasen) und
- Hirntoddiagnostik
Während der schmerzlosen Untersuchung trägt der Patient eine Kopfhaube, in die elektrische Elektroden zur Ableitung eingearbeitet sind. Durch diese Elektroden kann die elektrische Aktivität des Gehirns gemessen werden. Die Durchführung der Untersuchung ist sowohl im Liegen als auch im Sitzen möglich und kann bis zu 30 Minuten dauern. Die Augen sollten geschlossen bleiben und der Patient sollte während der Aufzeichnung nicht sprechen und sich so wenig wie möglich bewegen.
Elektromyographie (EMG)
Die Elektromyographie (EMG) ist ein Verfahren zur Messung der elektrischen Aktivität an der Oberfläche oder innerhalb von Muskeln. Mithilfe dieser Untersuchung können neuromuskuläre Erkrankungen erkannt und diagnostisch eingeordnet werden. Zudem kann zwischen Erkrankungen, die den Muskel selbst betreffen (Myopathie) oder einer Erkrankung des zugehörigen Nervs (Neuropathie) unterschieden werden. Die Untersuchung kann im Liegen oder im Sitzen erfolgen. Um die elektrische Aktivität zu messen, wird eine dünne Nadelelektrode in den Muskel eingebracht. Zunächst erfolgt die Messung im ruhenden Muskel, dann bei leichter und starker Anspannung. Bei Patienten, die stark blutverdünnende Medikamente einnehmen oder bei denen eine Störung der Blutgerinnung vorliegt, wird die Untersuchung nur in besonderen Fällen durchgeführt, um keine Einblutung in den Muskel auszulösen.
Elektroneurographie (ENG)
Die Elektroneurographie (ENG) dient der Messung der Nervenleitgeschwindigkeit und damit der Funktion eines peripheren Nerven. Also Nerven, die außerhalb von Gehirn und Rückenmark verlaufen. Dieses Verfahren ermöglicht die Entdeckung von Reizleitungsstörungen des Nerven. Dem Patienten werden Elektroden auf die Haut geklebt und der untersuchte Nerv wird durch die Haut mit einem schwachen, kurzen elektrischen Impuls stimuliert. Abgeleitet wird der Aktionsstrom des vom Nerven angeregten Muskels. Diese Stimulation erfolgt an zwei bis drei unterschiedlichen Positionen eines Nerven, um dann die Leitgeschwindigkeit berechnen zu können.
Evozierte Potentiale
Die sogenannten Evozierten Potentiale lassen eine Beurteilung der Leit- und Funktionsfähigkeit von Nervenbahnen zu, die vom Gehirn über das Rückenmark bis zu Nervenenden an Händen oder Füßen verlaufen. Bei diesen Untersuchungsmethoden wird ein Sinnesorgan (Auge oder Ohr) oder durch die Haut ein peripherer Nerv gereizt und das dadurch ausgelöste elektrische Potential über eine Elektrode vom Schädel abgeleitet und aufgezeichnet. Man unterscheidet:
- Visuell evozierte Potenziale (VEP). Diese Untersuchung erlaubt die Messung der Funktion des Sehnerven und der Sehbahn im Gehirn. Der Patient oder die Patientin betrachtet dabei ein Schachbrettmuster auf einem Bildschirm, das in Sekundenabständen seine Farbe wechselt. Gemessen wird hier die Geschwindigkeit der Übertragung vom Reiz bis zur Wahrnehmungsverarbeitung im Gehirn. VEPs werden eingesetzt bei der Beurteilung von Sehstörungen, z.B. bei Entzündungen des Sehnervs im Rahmen einer Multiplen Sklerose.
- Akustisch evozierte Potenziale (AEP). Hiermit wird der periphere und zentrale Anteil der Hörbahn gemessen. Dem Patienten oder der Patientin werden über einen Kopfhörer akustische Reize vermittelt, gleichzeitig wird die Geschwindigkeit der Reizübertragung vom Ohr bis zur Verarbeitung im Gehirn abgeleitet.
- Somatosensibel evozierte Potenziale (SSEP): Durch diese Untersuchung wird die Funktionsfähigkeit der sensiblen Nervenbahnen beurteilt, gemessen vom Ursprung in der Peripherie über das Rückenmark bis zum entsprechenden Hirnareal. Über Oberflächenelektroden, die auf der Haut angelegt werden (teilweise auch über feine Nadelelektroden) wird ein sensibler Nerv an der Hand oder am Fuß wiederholt gereizt und die hierdurch ausgelösten Spannungsschwankungen an unterschiedlichen Stellen der Nervenbahn abgeleitet.
- Magnet-evozierte Potenziale (MEP). Sie dienen der Beurteilung des motorischen Systems im Rückenmark und im Gehirn. Die Stimulation spezieller Areale des Gehirns gelingt mit einem über die Kopfhaut verabreichten magnetischen Reiz. Dieser bewirkt eine Reizantwort in Form einer Stromschwankung im untersuchten Muskel, die dann aufgezeichnet wird.
Bildgebende Verfahren
Unverzichtbar und mit hoher diagnostischer Präzision sind die bildgebenden Verfahren, welche eine Beurteilung des Gehirns, des Rückenmarks und der Wirbelsäule zulassen. Diese Untersuchungen mit Röntgenstrahlen oder Magnetfeldern werden von Neuroradiologen durchgeführt und zusammen mit dem Neurologen, der den Patienten kennt, ausgewertet. Die Methoden sind:
Computertomographie (CT)
Die Computertomographie (CT) ist eine Röntgenschichtuntersuchung, bei der bestimmte Körperabschnitte bildlich dargestellt werden. Für neurologische Fragestellungen werden der Kopf, der Hals und die Wirbelsäule untersucht. Beispielsweise, um eine Hirnblutung, einen Hirninfarkt, Tumore und Gefäßmissbildungen des Gehirns oder Rückenmarks, entzündliche Veränderungen des Gehirns oder Rückenmarks, einen Bandscheibenvorfall oder eine knöcherne Einengung des Rückenmarkkanals (spinale Enge) nachzuweisen oder auszuschließen. Außerdem können nach intravenöser Verabreichung eines jodhaltigen Kontrastmittels die hirnversorgenden Blutgefäße im Röntgenbild dargestellt werden. Dieses Verfahren wird CT-Angiographie genannt.
Kernspin- oder Magnetresonanztomographie (MRT)
Die Kernspin- oder Magnetresonanztomographie (MRT) ist besonders für die bildhafte Darstellung von Geweben bzw. Weichteilen geeignet, weniger für die Beurteilung von Knochen. Hier ist die Computertomographie (CT) besonders geeignet. Auch bei der Kernspintomographie werden in dünnen Schichten (mm) Körperregionen und Organe untersucht. Um bestimmte Strukturen hervorzuheben, kann ein nicht-jodhaltiges Kontrastmittel intravenös verabreicht werden. Die MRT arbeitet nicht mit Röntgenstrahlen wie das CT, sondern mithilfe von Magnetfeldern. Sie ist gefahrlos und unbelastend, außer für Patienten mit Platzangst. Hier kann durch eine “Beruhigungspille” vor der Untersuchung geholfen werden.
Weitere Aufgaben von Neurologen
- Verordnung von neurologischen Therapieformen, wie z.B. Physio-/Ergotherapie, Logopädie, neurokognitive Therapie
- Kontrolle und Therapie von Gefäßrisikofaktoren, insbesondere bei Patienten nach Schlaganfall oder mit hohem Schlaganfallrisiko
- Bei besonderer Zusatzqualifikation: Schmerztherapie, Injektionen mit Botulinumtoxin, Akupunktur, Kontrolle und Einstellung von
- Medikamentenpumpen und Hirnschrittmachern bei Patienten mit Bewegungsstörungen in Zusammenarbeit mit Neurochirurgen.
- Kooperation mit dem Integrationsfachdienst.
- Beratung und Begleitung im und ins Arbeitsleben.
- Koordination/Kooperation mit Selbsthilfegruppen.
Neurologie und Schlaganfall
Im Jahr 2018 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine 11. Version der ICD (Internationale statistische Klassifikation von Erkrankungen), in der Schlaganfälle (Stroke) als eigenständige neurologische Erkrankung aufgeführt werden.14
Obwohl sich ein Neurologe mit allen Erkrankungen des Gehirns und des Nervensystems beschäftigt, ist er als Schlaganfall-Spezialist anzusehen. Neurologen werden auf den Stroke Units geschult und können apparative Zusatzuntersuchungen wie eine Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) beurteilen. Sie sind zudem in der Nachsorge aktiv und sektorenübergreifend tätig.
Hier spielen sie eine zentrale Rolle in der Koordination der Weiterbehandlung von Schlaganfall-Patientinnen und Patienten.
Fachverbände
Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN): Eine wissenschaftliche Fachgesellschaft, der über 10.000 Mitglieder angehören. Ziel der DGN ist es, die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern und zu verbessern. Sie veröffentlicht in regelmäßigen Abständen medizinisch wissenschaftliche Leitlinien als systematisch entwickelte Hilfen für Ärzte zur Entscheidungsfindung in spezifischen Situationen.
Website: https://dgn.org/
Berufsverband der Deutschen Neurologen (BDN): Dieser Fachverband vertritt vielfältige Interessen (u.a. medizinische, gesellschaftliche und juristische) von Neurologen.
Website: https://www.berufsverband-neurologen.de/
Berufsverband Deutscher Nervenärzte e.V. (BVDN): Dieser Berufsverband vertritt und wahrt die Interessen der in Deutschland tätigen Ärzte für Nervenheilkunde, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Außerdem werden auch die Interessen der Patienten sowie deren Angehörigen berücksichtigt.
Website: https://www.berufsverband-nervenaerzte.de/
Vereinigung der Neurologen in Baden-Württemberg
Website: https://www.vnbw.de/
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autoren
unter Mitarbeit von stud. med. Sedef Kuecuekuncular
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- Fast 60% Der Deutschen Leiden Unter Einer Neurologischen Erkrankung – Deutsche Gesellschaft Für Neurologie e. V. – URL: https://dgn.org/presse/pressemitteilungen/fast-60-der-deutschen-leiden-unter-einer-neurologischen-erkrankung/
- ‘Facharztausbildung: Weiterbildung Facharzt Neurologie – PraktischArzt – URL: https://www.praktischarzt.de/arzt/facharztausbildung/weiterbildung-neurologie/
- Kurzlehrbuch Pathologie – Autoren: Kellner, Udo, Sven Olaf Frahm, Christian Mawrin, Matthias Krams, Stefan Schüller – 3rd edn (Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 2019), p. b-007-167433 – DOI: https://doi.org/10.1055/b-007-167433
- Die Zehn Häufigsten Neurologischen Erkrankungen – Deutsche Gesellschaft Für Neurologie e. V. – URL: https://dgn.org/junge-neurologen/neurologie-kennenlernen/die-neurologie/die-zehn-haeufigsten-neurologischen-erkrankungen/
- Die Zehn Häufigsten Neurologischen Erkrankungen – Neurozentrum Duisburg – Sana Kliniken AG – URL: https://www.sana.de/duisburg/medizin-pflege/neurozentrum/die-zehn-haeufigsten-neurologischen-erkrankungen
- Häufigkeit und Zeitpunkt von Rezidiven nach inzidentem Schlaganfall – Eine Analyse auf Basis von GKV-Routinedaten – Autoren: Stahmeyer, Jona T.; Stubenrauch, Sarah; Geyer, Siegfried; Weissenborn, Karin; Eberhard, Sveja – Publikation: Aerzteblatt.de – URL: https://www.aerzteblatt.de/archiv/210363/Haeufigkeit-und-Zeitpunkt-von-Rezidiven-nach-inzidentem-Schlaganfall
- Wie häufig ist die MS?- URL: https://www.dmsg.de/multiple-sklerose/faq-/-lexikon#accordion-3037-1
- Polyneuropathien – URL: https://www.aerzteblatt.de/archiv/196135/Polyneuropathien
- Krankenversorgung – URL: https://neurologie.uni-bonn.de/allgemeine-informationen/was-ist-neurologie.htm
- Einführung in die Symptome von Störungen bzw. Erkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks und der Nerven – Störungen der Hirn-, Rückenmarks- und Nervenfunktion – MSD Manual Ausgabe für Patienten – URL: https://www.msdmanuals.com/de-de/heim/st%C3%B6rungen-der-hirn-,-r%C3%BCckenmarks-und-nervenfunktion/symptome-von-st%C3%B6rungen-bzw-erkrankungen-des-gehirns-des-r%C3%BCckenmarks-und-der-nerven/einf%C3%BChrung-in-die-symptome-von-st%C3%B6rungen-bzw-erkrankungen-des-gehirns-des-r%C3%BCckenmarks-und-der-nerven
- Neurologische Untersuchung – AMBOSS – URL: https://www.amboss.com/de/wissen/Neurologische_Untersuchung
- Spezielle Neurologische Diagnostik – AMBOSS
- Behandlungsformen der Neurologie – Physiotherapie – Immanuel Klinik Rüdersdorf – URL: https://ruedersdorf.immanuel.de/abteilungen/physiotherapie-ergotherapie-und-musiktherapie/leistungen/ergotherapie/ergotherapie-in-der-neurologie-stroke-unite/behandlungsformen-auf-der-neurologie/
- Schlaganfall: Als Neurologische Erkrankung codiert – URL: https://www.aerzteblatt.de/archiv/188017/Schlaganfall-Als-neurologische-Erkrankung-codiert