Amnestische Aphasie ▷ Symptome, Ursachen, Therapie und Prognose
In diesem Artikel:
Was bedeutet Aphasie?
Unter Aphasie versteht man in der Medizin und Neuropsychologie eine Störung der sprachlichen Fähigkeiten, die krankheitsbedingt nach dem Erlernen von Sprechen, Lesen und Schreiben auftritt. Diese Art der Sprachstörung stellt für die Betroffenen und ihre Angehörigen eine erhebliche Belastung dar, da die Fähigkeit zur verbalen Kommunikation stark beeinträchtigt ist oder gänzlich verloren geht.
Trotz der sprachlichen Barrieren bleibt das Bewusstsein über diese Einschränkungen bei den Betroffenen bestehen, was oft zu großer Frustration bei dem Versuch führt, sich mitzuteilen.
Die Ursache der aphasischen Störung liegt in einer Funktionsstörung bestimmter Hirnregionen, die als Sprachzentren bekannt sind und sich in der Regel in der linken Hirnhälfte befinden. Diese Zentren sind für das wichtigste Werkzeug der menschlichen Kommunikation verantwortlich.
Die Beeinträchtigungen betreffen nicht nur das Sprechen und Verstehen – die Lautsprache – sondern auch das Lesen und Schreiben – die Schriftsprache.
Die Aufgabe der Sprachzentren besteht also darin, gesprochene Laute in verständliche und grammatikalisch korrekte Wörter oder Sätze umzuwandeln und sowohl gesprochene als auch geschriebene Sprachdaten zu verarbeiten. Aphasien betreffen also die Fähigkeit, Sprache zu verstehen und sinnvoll zu nutzen.
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Im Gegensatz dazu stehen Sprechstörungen (Dysarthrien), bei denen die motorischen Fähigkeiten der Artikulation beeinträchtigt sind. Ursache sind Funktionsstörungen der Artikulationsorgane wie Lippen, Zunge, Kehlkopf oder Stimmbänder. Das gleichzeitige Vorliegen von Sprach- und Sprechstörungen ist jedoch nicht selten.
Da verschiedene Sprachfunktionen wie das freie Sprechen oder das Sprachverständnis von unterschiedlichen Hirnarealen gesteuert werden, gibt es verschiedene spezifische Sprachstörungen, die bestimmten Hirnregionen zugeordnet werden können.
Die vier zentralen Aphasien, die jeweils einer bestimmten Hirnregion zugeordnet werden, umfassen
- Broca-Aphasie
- Wernicke-Aphasie
- Amnestische Aphasie
- Globale Aphasie
Anknüpfend an unseren Beitrag zum Thema „Aphasie nach Schlaganfall“ gehen wir in diesem Text näher auf die amnestische Aphasie ein.
Ursachen der amnestischen Aphasie
Die Amnestische Aphasie wird überwiegend durch kleinere Hirninfarkte im Bereich des Schläfen- oder Scheitellappens, meist der linken Großhirnhälfte verursacht.
Diese Hirninfarkte entstehen durch Blutmangel überwiegend im Rahmen einer arteriosklerotischen Gefäßerkrankung der hirnversorgenden Arterien. Außerdem kann eine Schädel-Hirn-Verletzung oder ein Hirntumor für eine Amnestische Aphasie verantwortlich sein.
Sie kann u. a. auch im Rahmen einer Demenz, bei der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose oder einer entzündlichen Erkrankung des Gehirns auftreten.
Symptome der amnestischen Aphasie
Das Leitsymptom der amnestischen Aphasie sind Wortfindungsstörungen bei ansonsten gut erhaltenem Sprachvermögen und Sprachverständnis.
Symptome im Einzelnen:
- Spontane Sprache, die Lautsprache, vor allem durch Wortfindungsstörungen beeinträchtigt.
- Vertauschen von Wörtern, sogenannte semantische Paraphasien, Umschreibungen, Wiederholungen (medizinisch Perseveration).
- Fehler werden bemerkt, Versuche der Korrektur mit verstärkter Gestik.
- Sprachfluss unterschiedlich, bei leichteren Formen einer Amnestischen Aphasie flüssige Sprache mit normaler Satzlänge und ungestörtem Satzbau. Bei schweren Formen spärliche Spontansprache mit häufigem Stocken und Abbruch der Sprache.
- Nachsprechen nicht wesentlich gestört.
- Benennen von Gegenständen oder Darstellungen auf Bildern durch starke Wortfindungsstörungen beeinträchtigt
Vorlesen ungestört. - Spontane Schriftsprache wie die spontane Sprache, aber in geringerer Ausprägung, überwiegend durch Wortfindungsstörungen gestört.
- Abschreiben und Diktat ungestört.
- Keine oder kaum bemerkbare Einschränkung des Sprach- und Leseverständnisses.
- Keine typischen, neurologischen Symptome als begleitende Ausfälle.
Wortfindungsstörungen sind bei allen Aphasieformen zu finden; nicht selten als “Reststörung” einer Broca– oder Wernicke-Aphasie.
Die amnestische Aphasie betrifft allerdings nicht nur die Sprache, auch das Schreiben kommt durch die Wortfindungsstörungen ebenfalls immer wieder ins Stocken.
Zu betonen ist, dass die Eigenwahrnehmung der Sprache bei Patienten mit Amnestischer Aphasie typischerweise gut erhalten ist. Sie nehmen ihre Kommunikationsdefizite wahr und versuchen, diese vor allem durch Umschreibungen und Wiederholungen zu kompensieren. Nicht selten führt dies zur Frustration und vorzeitiger Beendigung eines Gesprächs.
Hilfreich sind hier das Verständnis dieser Sprachstörung und damit der verständnisvolle Umgang mit diesen eingeschränkten Ausdrucksmöglichkeiten. Dies gilt für Betroffene und Angehörige.
Diagnose
In der Aphasie-Diagnostik werden sowohl die beeinträchtigten als auch die ungestörten Sprachfunktionen untersucht.
Zur genaueren diagnostischen Einordnung der Aphasieform, des Schweregrades der aphasischen Einschränkungen und zur Kontrolle des Verlaufs unter der Behandlung werden standardisierte Testverfahren angewandt.
Besonders geeignet ist der sog. Aachener Aphasie-Test. Hierbei werden die Spontansprache, das Nachsprechen, Schreiben, Lesen, Benennen und das Sprachverständnis überprüft.
Diese Untersuchungen können prinzipiell von Allgemeinärzten oder Neurologen, mit großer Fachkunde von Klinischen Neuropsychologen und Logopäden durchgeführt werden.
Therapie
Wichtig ist der möglichst frühzeitige Beginn einer logopädischen Therapie mit der Einbeziehung von Angehörigen.
Wenn möglich, sollte die oder der Betroffene seine Einschränkungen erklärt bekommen, sinnvoll in Anwesenheit eines betreuenden Angehörigen.
Hierdurch wird der nicht selten sehr mühsame und verzweifelnde Umgang mit einer Sprachstörung sehr erleichtert. Dann gelingt es auch, die Betroffenen und Angehörigen zu motivieren, nach Anleitung auch in der häuslichen Umgebung therapeutische Übungen durchzuführen.
Prognose
Die Aussichten, dass sich eine isolierte Amnestische Aphasie bessert, sind bei konsequenter Therapie sehr gut. Ob allerdings das normale Sprachvermögen wieder zu erreichen ist, hängt von der Schwere bzw. Ausprägung der aphasischen Störungen ab.
Tipps zum Umgang mit Sprachstörungen
So klappt es mit der Kommunikation besser – Erfahren Sie, wie Sie den Umgang mit Aphasie-Betroffenen möglichst angenehm gestalten und die Rehabilitation unterstützen.- Eine Logopädin erklärt: Wie kann ich Ihre Sprachstörung verbessern?
- Akupunktur als Therapieoption bei einem Schlaganfall mit motorischer Aphasie?
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autor
unter Mitarbeit von Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen
Dr. med. Mark Dankhoff ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Ernährungsmedizin, Diabetologische Grundversorgung, Hypertensiologie DHL, Adiposiologie DAG/AGA/DDG, Adipositas-Trainer AGA, Medizinischer Berater. Sein Schwerpunkt ist die Prävention und Therapie von kardiovaskulären Risikofaktoren und Erkrankungen. Seit 2021 ist er als Medical Advisor freiberuflich tätig. Dr. med. Mark Dankhoff ist Gründungsmitglied des „Im Puls. Think Tank Herz-Kreislauf e.V.“. [mehr]
Quellen
- Kurzlehrbuch Innere Medizin – Autoren: Baenkler H.-W. et al. – Verlag: Thieme Verlag, 2021, 4. überarbeitete Auflage – ISBN: 978-3-13-220000-5.
- Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie – Autoren: Diener, H. C. et al. – Herausgegeben von der Kommission „Leitlinien“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Thieme Verlag, 2012, Print ISBN: 9783131324153, Online ISBN 9783131833655, DOI: 10.1055/b-002-37755
- Grande M., Hußmann K.: Einführung in die Aphasiologie, Thieme Verlag, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, 2016, ISBN 9783131111135.
- Hacke, W. (Hrsg): Neurologie. Springer Verlag, 14. Auflage, 2015, ISBN 978-3-662-46891-3.
- Hagner M.: Aphasie. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4