Der Herzinfarkt ▷ Symptome, Ursachen und Behandlung
In diesem Artikel:
- Wie entsteht ein Herzinfarkt?
- Wie spürt man einen Herzinfarkt?
- Was tun bei einem Herzinfarkt?
- Wie sieht die Behandlung aus?
- Hilft eine Reha?
Eine Erkrankung mit Geschichte
Mit über 45 000 Toten im Jahr war der Herzinfarkt 2021 die zweithäufigste Einzel-Todesursache in Deutschland.1 Oft wird er als eine Zivilisationskrankheit bezeichnet. Dabei ist die Erkrankung schon lange bekannt.
Eine der frühesten Erwähnungen findet sich in dem altägyptischen Papyrus Ebers aus dem 16. Jahrhundert vor Christus. Seinen Namen erhielt das Schriftstück von Georg Ebers, der es 1873 für die Universität Leipzig erwarb.2
An über 2000 Jahre alten Mumien aus dem Alten Ägypten konnten Wissenschaftler Arteriosklerose in unterschiedlichen Gefäßen nachweisen. Interessante Erkenntnis: Das Auftreten der Krankheit hängt mit dem Alter zum Todeszeitpunkt der Untersuchten zusammen.3
Erste präzisere Beschreibungen stammen aus dem alten Griechenland. Der Philosoph Seneca (4 v. Chr. – 65 n. Chr.) schilderte sein eigenes Leiden mit den typischen Symptomen und einer Todesangst, die von vielen heute auch als „Vernichtungsschmerz” bezeichnet wird.2
Ursachen – Wie entsteht ein Herzinfarkt?
Grundlage des Herzinfarkts ist die Arteriosklerose. Durch eine Verdickung und dann Verkalkung der Gefäßwand wird der Blutfluss dahinter vermindert. Die Sauerstoffversorgung des zugehörigen Herzmuskels ist eingeschränkt. Das führt zu Enge in der Brust (Angina pectoris) und dem typischen Schmerz hinter dem Brustbein. Manche beschreiben es als schnüre jemand einem den Brustkorb zusammen.
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Ein Infarkt entsteht meistens durch das Aufbrechen der Wandverdickung und -verkalkung.
Die Kappe auf diesem sogenannten arteriosklerotischen Plaque reißt ein. Darunter liegende Cholesterinkristalle und Kalkpartikel sowie andere Gewebsanteile treten heraus und verlegen die Gefäßöffnung. Die defekte Gefäßwand wird dann von Blutplättchen und einem Blutgerinnsel abgedichtet, woraus in den meisten Fällen der komplette Gefäßverschluss resultiert.
Damit ist der von diesem Gefäß versorgte Herzmuskelbereich nicht mehr mit Sauerstoff versorgt. Wird dann nicht baldmöglichst die Versorgung wieder hergestellt, stirbt der Herzmuskel ab und es entsteht eine Narbe.
Die Ursachen des Herzinfarkts sind also:
- Arteriosklerose
- Aufbrechen arteriosklerotischer Wandverdickungen (Plaques)
- Ausbildung eines Gerinnsels auf einem aufgebrochenen Plaque
- seltene Ursachen wie Gefäßdissektion oder Koronarembolie
Symptome – Wie spürt man einen Herzinfarkt?
Der oft zitierte, lokalisierte stechende Schmerz in der linken Brusthälfte ist gerade nicht typisch für einen Herzinfarkt. Vielmehr ist es ein drückender Schmerz auf der linken Brustseite, häufiger aber noch hinter dem Brustbein. Auch ein Brennen hinter dem Brustbein, ähnlich wie beim Sodbrennen, kann auftreten.
Oft strahlt der Schmerz in umliegende Körperbereiche aus. Das betrifft die Arme und hier vor allem den linken, den Kiefer, den Raum zwischen den Schulterblättern und den gesamten Rückenbereich. Oft erreicht er auch den Oberbauch.
Neben dem Schmerz berichten viele Patienten über eine einschnürende oder beschwerende Enge im Brustkorb. Durch die Nachbarschaft des Herzens zu den Oberbauchorganen und durch Nervenreizungen kann es zu Übelkeit und Erbrechen kommen. Manche Betroffene erfahren die Schwächung ihres Herzens oder ihre Herzrhythmusstörungen als Kaltschweißigkeit bis hin zur Ohnmacht. Und in der Tat berichten viele über die schon von den alten Ägyptern und Griechen beschriebene Todes- oder Vernichtungsangst.
Im schlimmsten Fall löst der Sauerstoffmangel das Kammerflimmern aus. Diese schwere Rhythmusstörung kann zum plötzlichen Herzversagen (plötzlicher Herztod) führen.
Das alles sind die typischen Symptome, wie wir sie kennen. Frauenherzen ticken allerdings anders, und das gilt auch für den Herzinfarkt. Bei Frauen finden wir zwar die angegebenen Symptome, häufig aber klagen sie nur über Oberbauchbeschwerden, Übelkeit und Erbrechen.
So werden gerade ältere Patientinnen oft mit ein paar Medikamenten gegen Sodbrennen nach Hause geschickt. Der Infarkt wird übersehen. Im Zweifelsfall sind daher immer EKG und Laborkontrollen zum Ausschluss eines Infarkts angezeigt.
Symptome eines Herzinfarkts zusammengefasst:
- drückende Schmerzen links im Brustkorb oder hinter dem Brustbein
- ausstrahlender Schmerz in angrenzende Organe und Regionen
- zunehmende Brustenge
- kalter Schweiß
- Vernichtungsangst
- häufig bei Frauen: Oberbauchbeschwerden, Übelkeit und Erbrechen
Was tun bei einem Herzinfarkt?
Zeit ist Herz: Auch wenn der Herzmuskel in Bezug auf Sauerstoffmangel nicht so empfindlich ist wie die Hirnzellen, ist hier Zeit entscheidend.
Viele Patienten leiden schon länger an Angina pectoris. Besonders unter körperlicher und psychischer Belastung kann Brustenge auftreten. Dauert ein solcher Anfall aber im Ruhezustand über 15 Minuten, sollten Sie dringend den Notruf (112) wählen. Treten die Beschwerden im Ruhezustand und aus heiterem Himmel auf, sollten Sie schon nach 5 Minuten handeln.
EKG und Labordiagnostik
Ein Herzinfarkt führt meistens im EKG zu typischen Veränderungen im Sinne sogenannter ST-Streckenhebungen, eine gerade Strecke in der Herzstromkurve ist sichtbar angehoben. Medizinisch bezeichnen wir ihn dann als STEMI. Aber es gibt auch sogenannte NSTEMI, Infarkte, die diese EKG-Veränderungen nicht zeigen.
Gesichert wird die Diagnose im Labor. In Untersuchungen können Substanzen, die beim Zerfall von Herzmuskelzellen durch Sauerstoffmangel entstehen, im Blut nachgewiesen werden. Ein erster negativer Wert schließt einen Infarkt nicht aus. Daher muss immer eine zweite Kontrolluntersuchung folgen.
Katheteruntersuchung beim Herzinfarkt
Handelt es sich um einen Herzinfarkt, muss zügig eine Katheteruntersuchung durchgeführt werden, um den Bereich des Verschlusses oder der Engstelle zu finden. Mit einem Katheterverfahren oder auch einer Operation wird dann die Durchblutung wiederhergestellt.
Wie beim Hirninfarkt die Zeit Hirngewebe rettet, gilt auch beim Herzinfarkt: „Zeit rettet Herzmuskel”. Je schneller Notruf, Untersuchungen und Behandlung erfolgen, desto weniger Schäden bleiben. Viele Kliniken verfügen daher über eine spezialisierte Chest Pain Unit zur Behandlung des Herzinfarkts.
Wie sieht die Behandlung aus?
In der Herzkatheteruntersuchung wird ein Kontrastmittel in die Herzkranzgefäße gespritzt und die Engstelle oder der Verschluss genau lokalisiert.
Danach muss das Gefäß schnellstmöglich wieder erweitert oder eröffnet werden. In den meisten Fällen passiert das im Rahmen der gleichen Katheteruntersuchung. Die kritische Stelle wird erst mit einem Ballon aufgedehnt und dann mit einer Metallgefäßstütze (Stent) stabilisiert. Finden sich noch andere kritische Engstellen, können diese mitversorgt werden.
Sehr selten können diese Verfahren aufgrund besonders komplexer Veränderungen nicht erfolgreich angewendet werden. Hier kommt die Bypassoperation ins Spiel, bei der die Engstellen mit körpereigenen Gefäßen überbrückt werden.
In manchen Fällen ist das Herz trotz der Behandlungsmaßnahmen sehr geschwächt. Dann entlasten Herzunterstützungssysteme es so lange, bis es sich wieder erholt hat.
Bei Verdacht auf einen Infarkt gilt also:
- bei verdächtigen Beschwerden, frühzeitiger Notruf 112 (Zeit rettet Muskel!)
- zügige EKG- und Laboruntersuchungen
- bei positivem Befund schnelle Katheterdiagnostik
- Wiedereröffnung der Arterie durch Katheterverfahren
- bei seltenen, komplexen Fällen akute Bypass-Operation
Welche Medikamente helfen?
Den Herzinfarkt selbst kann man mit Medikamenten praktisch nicht behandeln. Es gibt Substanzen, die in einigen Fällen zusätzlich zur Katheterbehandlung gegeben werden können, um das Gerinnsel aufzulösen.
Im Anschluss an eine erfolgreiche Therapie braucht es zunächst gerinnungshemmende Medikamente, um die eingepflanzten Stents offenzuhalten. Hier finden sogenannte Plättchenhemmer Anwendung. Sie heben die Funktion der Blutplättchen auf. Dazu nehmen Patienten über einen gewissen Zeitraum neue orale Gerinnungshemmer (NOACs) ein, die die plasmatische Gerinnung hemmen.
Um dem Herz die Arbeit zu erleichtern, werden zusätzlich Betablocker gegeben. Durch ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptoren-Blocker wird der Blutdruck in normalen Grenzen gehalten.
Ganz wichtig sind schließlich Statine, die bei der Senkung zu hoher Blutfettwerte zum Einsatz kommen. Statine scheinen auch entzündungshemmende Wirkungen zu entfalten, die die empfindlichen Plaques in den Arterien stabilisieren können.
Hilft eine Reha?
Nach einem Herzinfarkt unterstützt die Reha Betroffene auf dem Weg zurück in den Alltag. Wie lange und wo die Rehabilitation durchgeführt werden sollte, richtet sich individuell nach dem Menschen und dem Umfang seines Infarkts. Eventuelle Komplikationen spielen eine weitere Rolle.
Die Reha beinhaltet Mobilisation und Aufbautraining genauso wie das Erlernen von Vorbeugemaßnahmen und die Feineinstellung der Risikofaktoren.
Prävention – Was kann man tun, damit all das gar nicht passiert?
Lässt sich Arteriosklerose verhindern? Nein, denn sie gehört zu unseren Gefäßen und zur Gefäßalterung. Aber wir können den Beginn der Arteriosklerose hinauszögern und den Verlauf verlangsamen.
Viele Risikofaktoren, die die Arteriosklerose beschleunigen und verstärken, können wir sehr gut beeinflussen. Dazu gehören das Rauchen, Diabetes mellitus, erhöhte Blutfette, Übergewicht und Bluthochdruck.
Die Errungenschaften unserer Zivilisation führen zu den sogenannten Zivilisationskrankheiten.
Eine übermäßige und ungesunde Ernährung, kaum körperliche Aktivität und der Genuss schädlicher Substanzen wie Nikotin oder Alkohol fördern eine Arteriosklerose. Wir können über unseren Lebensstil entscheiden.
Es liegt an uns, wie gesund wir uns ernähren. Durch eine ausgewogene Ernährung können wir Übergewicht vermeiden, die Blutfette in normalen Grenzen halten und bestimmten Formen eines Diabetes mellitus vorbeugen. Zusätzliche regelmäßige Bewegung kann einen erhöhten Blutdruck positiv beeinflussen. Falls erforderlich, hilft eine vom Arzt überwachte medikamentöse Therapie.
Erfreulicherweise haben viele unterschiedliche Maßnahmen zu einer deutlichen Reduktion des Zigarettenrauchens und des Rauchens überhaupt geführt. Verantwortlich für die negativen Effekte des Rauchens auf die Gefäße ist das Nikotin. Also fördert auch nicht direkt inhaliertes Rauchen und der Genuss von E-Zigaretten eine Arteriosklerose, wenn in dem vernebelten Rauch Nikotin enthalten ist.
In sehr geringen Mengen und in gewisser Form, z. B. als Rotwein, kann Alkohol schützend auf unsere Gefäße wirken. Allerdings ist der Genuss alkoholischer Getränke nur in Maßen empfehlenswert.
Auch wenn schon ein Infarkt eingetreten ist, bleibt die Vorbeugung eines weiteren Ereignisses (Sekundärprophylaxe) wichtig.
Die vorsorgliche Vermeidung von Schäden ist immer noch besser als die bestmögliche Verminderung des schon eingetretenen Schadens.
Wir sehen: Vorbeugung kann Infarkte verhüten
- Risikofaktoren sollten vermieden oder früh erkannt und behandelt werden.
- Dazu zählen das Rauchen, Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck.
- Mit einfachen Maßnahmen wie gesundem Essen, Nichtrauchen und regelmäßiger Bewegung können wir viel erreichen.
Die Brüder Schlaganfall und Herzinfarkt
Schlaganfall und Herzinfarkt werden oft als Brüder bezeichnet. Tatsächlich sind sie sich sehr ähnlich. Beide können durch die gleiche Grunderkrankung hervorgerufen werden und ziehen schwerwiegende Folgen nach sich.
Eine gemeinsame Grunderkrankung ist die Arteriosklerose. Sie befindet sich in unterschiedlicher Ausprägung überall im Körper. So verwundert es nicht, dass bei Patienten mit Verengungen der Herzkranzgefäße auch in vielen Fällen Einengungen der Hirnschlagadern vorliegen und umgekehrt.
Beim Schlaganfall können auch Embolien ursächlich sein, was beim Herzinfarkt nur selten der Fall ist.
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Autor
Prof. Dr. med. Rainer Moosdorf widmet sich seit mehr als 35 Jahren der Herz- und Gefäßchirurgie. Die Schwerpunkte innerhalb der Herz- und Gefäßchirurgie sind Laser- und Arrhythmiechirurgie, endovaskuläre Verfahren einschließlich TAVI’s und endovaskuläre Rekonstruktionen des Aortenbogens, rekonstruktive Chirurgie der Herzkranzgefäße und noch einige Arten der “Französischen Korrektur”. Als Vorstandsvorsitzender des “Medizinischen Netzwerks Hessen” ist er offizieller Vertreter des Landes Hessen auf dem Gebiet der klinischen Medizin und der medizinischen Ausbildung. [mehr]
Quellen
- Destatis
- Mitrovic, V. (1998). Geschichte der Therapie der koronaren Herzkrankheit. In: Unger, F. (eds) Herzerkrankungen und Interventions-möglichkeiten. Springer, Berlin, Heidelberg.
- Atherosclerosis across 4000 years of human history; the Horus study of four ancient populations – Autoren: Thompson RC et. al.: – Publikation: Lancet 2013; 381
- Deutsche Herzstiftung – Koronare Herzkrankheit und Herzinfarkt – URL: https://herzstiftung.de/system/files?file=2020-07/KHK.pdf
- Manual der Arbeitsgruppe Interventionelle Kardiologie (AGIK) der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK)
- Teil 1: Durchführung der Diagnostischen Herzkatheteruntersuchung – Autoren: Nef, H. M., Achenbach, S., Birkemeyer, R. et al. – Publikation: Manual der Arbeitsgruppe Interventionelle Kardiologie (AGIK) der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK). Kardiologe 15, 370–403 (2021). – DOI: https://doi.org/10.1007/s12181-021-00493-6
- Teil 2: Durchführung der Perkutanen Koronarintervention – Autoren: Nef, H.M., Achenbach, S., Birkemeyer, R. et al. – Publikation: Manual der Arbeitsgruppe Interventionelle Kardiologie (AGIK) der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK). Kardiologe 15, 542-584 (2021). – DOI: https://doi.org/10.1007/s12181-021-00504-6
- Kommentar zu den Leitlinien (2019) der ESC zum chronischen Koronarsyndrom – Autoren: Möllmann, H., Leistner, D.M., Schulze, P.C. et al. – Publikation: Kommentar zu den Leitlinien (2019) der ESC zum chronischen Koronarsyndrom. Kardiologe (2020). – DOI: https://doi.org/10.1007/s12181-020-00408-x