Hyperurikämie ▷ Diagnose, Ursachen, Formen, Folgen und Behandlung
Bei einem Anstieg der Konzentration der Harnsäure im Blutserum über 6,7 mg/dl bei Frauen und über 7,4 mg/dl bei Männern liegt eine Hyperurikämie vor (Foto: andriano.cz | Shutterstock)
In diesem Artikel:
- Was bedeutet Hyperurikämie?
- Wie kann man Hyperurikämie feststellen?
- Welche Formen bzw. Ursachen der Hyperurikämie gibt es?
- Hyperurikämie als Risikofaktor
- Hat eine Hyperurikämie noch andere Folgen?
- Wie kann man Hyperurikämie behandeln?
Was bedeutet Hyperurikämie?
Harnsäure entsteht, wenn der Körper sogenannte Purine, wichtige Bausteine des Eiweißstoffwechsels, abbaut. Überwiegend werden sie vom Körper selbst gebildet, aber auch über die Eiweiße in der Nahrung aufgenommen. Normalerweise wird die Harnsäure über die Nieren mit dem Urin ausgeschieden.
Eine Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut wird als Hyperurikämie bezeichnet. Generell kann zwischen primärer und sekundärer Hyperurikämie unterschieden werden. Erstere sind etwa zu 90 Prozent angeboren, während zweitere zu 10 Prozent durch andere Auslöser oder Krankheiten erworben werden.
Diagnose – Wie kann man Hyperurikämie feststellen?
Die Feststellung der Hyperurikämie erfolgt durch eine laborchemische Untersuchung des Blutes. Hierbei gilt:
Bei einem Anstieg der Konzentration der Harnsäure im Blutserum über 6,7 mg/dl bei Frauen und über 7,4 mg/dl bei Männern liegt eine Hyperurikämie vor.
Welche Formen bzw. Ursachen der Hyperurikämie gibt es?
Es gibt zwei Formen:
Primäre Hyperurikämie
Die primäre, d.h. familiäre Hyperurikämie ist eine angeborene Störung des Purinstoffwechsels. Dabei kann sowohl die Bildung als auch die Ausscheidung der Harnsäure betroffen sein. Ursächlich können bestimmte Enzymdefekte sein, die hier jedoch nur der Vollständigkeit halber genannt werden:
- Vermehrte Glutamin-Phosphoribosylpyrophosphat-Amidotransferase-Aktivität
- Vermehrte Xanthinoxidase-Aktivität
- Lesch-Nyhan-Syndrom
Sekundäre Hyperurikämie
Auch bei der sekundären Hyperurikämie können Störungen der Harnsäurebildung oder -ausscheidung vorliegen. Als Ursachen kommen bestimmte Erkrankungen, aber auch bestimmte Medikamente oder Ernährungsweisen in Frage:
- Polycythaemia vera
- Chronische myeloische Leukämie
- Akute myeloische Leukämie
- Akute lymphatische Leukämie
- Tumorbehandlung mit Zytostatika
- Bartter-Syndrom
- Nierenerkrankungen
- Ketoazidose
- Diuretika (Medikamente zur Entwässerung des Körpers)
- purinreiche Ernährung
- rasche Reduzierung des Übergewichts (z.B. extreme Fastenkur)
Hyperurikämie – Der (zu) wenig beachtete Risikofaktor für Schlaganfall und weitere Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Eine Hyperurikämie bleibt in den meisten Fällen klinisch symptomfrei. Sie kann sich aber auch, u. a. abhängig vom Ausmaß der Erhöhung der Harnsäurekonzentration im Blut oder Gewebe, in verschiedenen Formen darstellen.
Die Hyperurikämie dient als guter Prognosemarker beziehungsweise gilt als Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall. Studien haben gezeigt, dass Patienten mit symptomatischer Hyperurikämie ein um 58 % erhöhtes Sterberisiko bzgl. Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie z. B. Schlaganfall aufweisen.
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Hat eine Hyperurikämie noch andere Folgen?
Eine häufige Folgeerkrankung bei erhöhten Harnsäurewerten ist die Gicht, d.h. eine Stoffwechselerkrankung, bei der sich die Gelenke entzünden. Bei einem sogenannten Gichtanfall kommt es zur Schwellung, Rötung und zu starken Schmerzen bestimmter Gelenke innerhalb kurzer Zeit. Besonders häufig betroffen sind:
- das Grundgelenk des großen Zehs
- Mittelfuß und Sprunggelenke
- das Kniegelenk
- Finger- und Handgelenke
- Ellenbogengelenk
Die Ursache dieser Entzündung sind winzige, nadelförmige Harnsäurekristalle, die sich vor allem in den Gelenken ablagern. Im Normalfall klingt die Entzündung von selbst innerhalb von ein bis zwei Wochen vollständig ab. Geeignete Schmerzmedikamente können die Beschwerden in dieser Zeit lindern.
Des Weiteren bilden sich bei chronischer Gicht harte Knoten (Gichtknoten, Tophi) im Bereich der Gelenkinnenhaut, an Knorpeln, Knochen, inneren Organen, unter der Haut sowie an den Ohren.
Ferner begünstigt eine Hyperurikämie die Entstehung von Nierenerkrankungen (z.B. Nierensteine), was zu einem Rückgang der Nierenleistung führen kann.
Wie kann man Hyperurikämie behandeln?
Ernährungswandel
Zuallererst steht die nicht-medikamentöse Behandlung im Vordergrund.
D.h. eine Senkung des Harnsäurespiegels sollte zunächst mit purinarmer Kost, Alkoholverzicht und eventuell notwendiger Gewichtsreduktion eingeleitet werden.
Die Ernährung spielt somit eine sehr wichtige Rolle, denn bestimmte Nahrungsmittel sind bekannt dafür, den Harnsäurewert zum Teil deutlich zu erhöhen.
Dazu gehören u.a.:
- Haut von Fisch und Fleisch (= wahre Purinbomben)
- Innereien (Leber, Bries, Herz, Nieren)
- fettreiches Fleisch, wie Haxe, Gans und insbesondere Ente
- Speck, Schweine-, Gänse- und Butterschmalz, Mayonnaise
- fettreiche Wurst (z.B. Bratwurst, Mettwurst, Salami, Leberwurst)
- Alkohol, insbesondere Bier (auch alkoholfreies)
- Softdrinks und Fruchtsäfte mit zusätzlichem Fruchtzucker (Fruktose)
Rotes Fleisch und Geflügel sollten daher nur in geringen Mengen gegessen werden. Fisch und Meerestiere sollten nicht mehr als einmal pro Woche auf den Tisch kommen.
Eine pflanzenbasierte, d.h. vegetarische oder vegane Ernährung ist ebenfalls mit einem niedrigeren Risiko für Hyperurikämie assoziiert.
Ferner sollte die tägliche Trinkmenge bei Erwachsenen mindestens zwei Liter betragen, denn dies bewirkt eine verbesserte Harnsäureausscheidung über die Nieren.
Durch Weglassen bzw. zumindest Reduktion bestimmter Nahrungsmittel oder durch Ernährungsumstellung lassen sich bereits sehr positive bis sogar normalisierende Effekte erzielen.
Medikamentöse Therapie
Eine medikamentöse Therapie mit speziellen, die Harnsäure senkenden Präparaten ist nur bei manifester Gicht angezeigt.
Bei dauerhaft erhöhten Harnsäurewerten über 8,5 mg/dl, gehäuften Gichtanfällen oder Komplikationen empfiehlt sich als medikamentöse Behandlung der Einsatz von Urikostatika (Allopurinol), Urikosurika (Benzbromaron, Probenecid) oder Urikolytika (Rasburicase).
Urikostatika sind Arzneimittel, welche die Harnsäurebildung im Körper reduzieren, während Urikosurika die Harnsäureausscheidung über die Nieren steigern.
Ein drastisches Absetzen der Präparate direkt nach der Normalisierung des Harnsäurespiegels sollte vermieden werden, da es dadurch zu einem schnellen Wiederanstieg kommen kann.
Im akuten Gichtanfall werden häufig sogenannte nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR; z.B. Indometacin, Ibuprofen oder Diclofenac) verordnet. Als Alternative kann aufgrund der besseren Verträglichkeit Colchicin eingesetzt werden.
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Autor
Dr. med. Mark Dankhoff ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Ernährungsmedizin, Diabetologische Grundversorgung, Hypertensiologie DHL, Adiposiologie DAG/AGA/DDG, Adipositas-Trainer AGA, Medizinischer Berater. Sein Schwerpunkt ist die Prävention und Therapie von kardiovaskulären Risikofaktoren und Erkrankungen. Seit 2021 ist er als Medical Advisor freiberuflich tätig. Dr. med. Mark Dankhoff ist Gründungsmitglied des „Im Puls. Think Tank Herz-Kreislauf e.V.“. [mehr]
Quellen
- Nepomuk Zöllner (Hrsg.): Hyperurikämie, Gicht und andere Störungen des Purinhaushalts. Springer Berlin, 2.Auflage, 2012. ISBN 978-3-642-93423-0.
- Stephan vom Dahl et al.: Angeborene Stoffwechselkrankheiten bei Erwachsenen. Springer Berlin, 2014. ISBN 978-3-642-45187-4.
- Hansjosef Böhles: Stoffwechselerkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Thieme Verlag, Stuttgart, 2016. ISBN 978-3-13-200721-5.
- Jaskamal Padda et al.. Hyperurikämie und ihr Zusammenhang mit ischämischem Schlaganfall. Cureus. 2021 Sep 21;13(9):e18172. DOI: 10.7759/cureus.18172
- Symptomatische Hyperurikämie: Eine komplexe Systemerkrankung. Deutsches Ärzteblatt, Jg. 111, Heft 41, Seite A 1762, 10. Oktober 2014.