Wohngruppenzuschlag ▷ § 38a SGB XI
Immer mehr pflegebedürftige Menschen entscheiden sich, in einer betreuten Wohngruppe zu leben (Foto: rawpixel | 123RF)
In diesem Artikel:
- Voraussetzungen
- Wie hoch ist der Wohngruppenzuschlag?
- Beantragung
- Anschubfinanzierung zur Gründung von Wohngruppen
- Urteil vom Bundessozialgericht
Immer mehr pflegebedürftige Menschen entscheiden sich, in einer betreuten Wohngruppe zu leben. Denn Wohngruppen, auch “Pflege-WGs” genannt, bieten eine attraktive Alternative zu teil- oder vollstationären Einrichtungen. Pflegebedürftige Menschen leben nicht alleine und werden gemeinsam betreut. Das spart Kosten und kann die Lebensqualität erheblich steigern.
Was sind die beiden wichtigsten Voraussetzungen für einen Anspruch auf einen Wohngruppenzuschlag?
Pflegebedürftige ab einem Pflegegrad 12 haben Anspruch auf einen pauschalen Zuschlag in Höhe von 214 Euro monatlich, wenn
- 1. sie mit mindestens zwei und höchstens elf weiteren Personen in einer ambulant betreuten Wohngruppe in einer gemeinsamen Wohnung leben, um gemeinschaftlich die pflegerische Versorgung zu organisieren. Davon müssen mindestens zwei weitere Personen einen Pflegegrad 1 oder höher haben.
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In ambulant betreuten Wohngruppen leben also mindestens drei pflegebedürftige Menschen zusammen. Dabei spielt die Höhe des Pflegegrads keine Rolle. Pflegebedürftige können also bereits ab einem Pflegegrad 1 in einer Wohngruppe leben und den Zuschlag beantragen. Es können auch noch weitere Menschen in der Gemeinschaft leben, die nicht pflegebedürftig sind, insgesamt dürfen es aber nicht mehr als 11 Menschen sein.
Wichtig zu wissen: Jeder Pflegebedürftige bezieht individuell die Pflegeleistungen, die er auch beziehen würde, wenn er alleine leben würde.
- 2. mindestens drei Mitglieder der Wohngruppe gemeinschaftlich eine sogenannte “Präsenzkraft” beauftragen. Diese Person kümmert sich unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung um allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten. Sie unterstützt die Wohngruppenmitglieder zudem im Haushalt.
Wichtig zu wissen: Diese Person wird nicht individuell von einem Bewohner, sondern von allen zusammen beauftragt.
Wie hoch ist der Wohngruppenzuschlag?
Jeder Bewohner der Pflege-WG mit einem Pflegegrad 1-5 kann von der Pflegekasse eine monatliche Pauschale von 214 Euro beziehen.
Sonderfall: Tages- und Nachtpflege, § 41 SGB XI
In der Wohngruppe können zusätzliche Leistungen der Tages- und Nachtpflege gemäß § 41 nur in Anspruch genommen werden, wenn gegenüber der zuständigen Pflegekasse durch eine Prüfung des Medizinischen Dienstes nachgewiesen ist, dass die Pflege in der ambulant betreuten Wohngruppe ohne teilstationäre Pflege nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt ist.1
Beantragung
Der Wohngruppenzuschlag muss bei der Pflegekasse beantragt werden. Der Antrag wird von der pflegebedürftigen Person selbst oder von einer bevollmächtigten Person, z.B. einem Angehörigen, gestellt. Der Antrag kann auch bereits vor Einzug in die Wohngruppe gestellt werden.
Anschubfinanzierung zur Gründung von Wohngruppen (§ 45e SGB XI)
Um die Gründung der Wohngruppen zu fördern, gewährt die Pflegekasse zusätzlich zum Pauschalbetrag einmalig eine Anschubfinanzierung von 2.500 Euro pro Person. Insgesamt kann eine Pflege-WG mit bis zu 10.000 Euro unterstützt werden.
Das Geld muss – ähnlich wie bei den Wohnumfeldverbessernden Maßnahmen – für eine altersgerechte oder barrierearme Umgestaltung der gemeinsamen Wohnung genutzt werden. Diese Umbaumaßnahmen können bereits vor dem Einzug in die neue Wohnung stattfinden. Der Antrag muss bei der Pflegekasse innerhalb eines Jahres nach Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen gestellt werden.3
Wichtig zu wissen: Die Gesamtförderung einer Wohngruppe (Anschubfinanzierung und monatliche Pauschale) beträgt maximal 30 Millionen Euro.
Urteil vom Bundessozialgericht
Am 10. September 2020 hat das Bundessozialgericht zugunsten der Pflegebedürftigen geurteilt.
Geklagt wurde, da sich die Pflegekasse geweigert hatte, den Wohngruppenzuschlag zu zahlen. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass keine gemeinschaftliche Beauftragung der Präsenzkraft vorliege und dass es sich um eine vollstationäre, nicht um eine ambulante Pflege handle.
Sowohl das Sozialgericht als auch das Landessozialgericht gaben der Pflegekasse recht.
Erst das Bundessozialgericht entschied, dass der Kläger sehr wohl ein Anrecht auf den Wohngruppenzuschlag hat.
Denn an der Beauftragung der Präsenzkraft müssen nur mindestens drei Mitglieder der Wohngemeinschaft beteiligt sein und nicht alle, wie es die Pflegekasse forderte.
Auch bei einem Wechsel der Mitglieder kann, sofern die Mitglieder damit einverstanden sind, die Betreuung einfach beibehalten werden.
Außerdem wurde der Unterschied zwischen einer Wohngruppe und der vollstationären Pflege geklärt: In einer Wohngruppe haben die Mitglieder und deren Umfeld die Möglichkeit, sich selbst in die Betreuung einzubringen.4,5
Sie haben Fragen zum Wohngruppenzuschlag oder zu anderen Pflegeleistungen? Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen und Angehörigen in unserem Forum aus.
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Artikel aktualisiert am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autor
unter Mitarbeit von stud. med. Katharina Püchner
Dr. med. Jürgen Kunz ist niedergelassener Facharzt für Neurologie am Neurozentrum Ravensburg. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Behandlung von Patienten nach einem Schlaganfall. Bei der Behandlung eines Schlaganfalls ist für ihn die sektorenübergreifende Zusammenarbeit mit anderen Ärzten und Therapeuten sehr wichtig. [mehr]
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Quellen
- Sozialgesetzbuch (SGB XI) – Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung § 38a – URL: https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbxi/38a.html
- Sozialgesetzbuch (SGB XI) – Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung § 15 – URL: https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbxi/15.html
- § 45e SGB XI Anschubfinanzierung zur Gründung von ambulant betreuten Wohngruppen – URL: https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbxi/45e.html
- Keine strengen Anforderungen an den Wohngruppenzuschlag zugunsten pflegebedürftiger Menschen – Herausgeber: Bundessozialgericht – URL: https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/2020_19.html
- Urteil: BSG erleichtert Zugang zum Wohngruppenzuschlag – Autor: Dr. Johannes Groß, Fachanwalt für Sozialrecht – URL: https://www.kai-intensiv.de/urteil-bsg-erleichtert-zugang-zum-wohngruppenzuschlag/