Kann auch der Zahnarzt Einengungen der Halsschlagader erkennen? ▷ Panorama-Röntgenaufnahmen

Panorama-Röntgenaufnahmen werden häufig im Rahmen zahnärztlicher Behandlungen angefertigt (Foto: Roman Zaiets | Shutterstock)
Erkrankungen der Halsschlagadern
Die in der medizinischen Fachsprache als Arteria carotis bezeichneten Halsschlagadern sind die beiden Hauptblutzuflüsse zum Gehirn.
Einengungen führen zu einer Verminderung des Blutflusses bis hin zum völligen Versiegen bei einem Verschluss. Zudem rauen die Verkalkungen die Gefäßwände auf. In der Folge lagern sich Gerinnsel dort ab, die mit dem Blutstrom in kleinere Hirngefäße mitgerissen werden können. Es kommt zum Schlaganfall.
Eine frühe Erkennung von Verkalkungen der Halsschlagadern ist also wichtig: Einerseits, um Risikofaktoren zu reduzieren und damit ein Fortschreiten zu verhindern und andererseits, um mittels gerinnungshemmender Medikamente die Gerinnselbildung an den aufgerauten Gefäßwänden, die auch schon bei geringeren Verkalkungen auftreten, zu verhindern.
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Zahnärztliche Röntgenuntersuchungen
Zur umfangreichen Diagnostik und Behandlungsplanung bei Zahn- und Kiefererkrankungen zählt bei vielen Patienten die sogenannte Panorama-Röntgenaufnahme, die beide Kieferknochen, die darin stehenden Zähne und auch die direkt angrenzenden Gesichtsknochen darstellt.
Die Halsschlagadern verlaufen direkt hinter den Unterkiefern und Verkalkungen sind daher auch in diesen Panoramaaufnahmen sichtbar. Diese Tatsache wurde bereits in einer Veröffentlichung aus den frühen 2000er Jahren beschrieben.
Aus diesem Grund wären diese Aufnahmen ein wertvoller zusätzlicher Bestandteil einer Früherkennung, insbesondere bei asymptomatischen Patienten, die im Rahmen einer ja doch häufigeren zahnmedizinischen Behandlung erfasst werden könnten.
Fehlende Erfahrung der zahnmedizinischen KollegInnen mit derartigen, nicht unmittelbar zu ihrem Fachgebiet gehörigen Veränderungen führten jedoch dazu, dass diese Möglichkeit zur Früherkennung sich nicht etabliert hat.
Wie geht es weiter?
Mit der zunehmenden Einführung künstlicher Intelligenz auch in der Medizin können heute bestimmte Erkennungs- und Erfassungsprozesse mit Hilfe sogenannter künstlicher neuronaler Netzwerke standardisiert und vom Untersucher unabhängig durchgeführt werden.
Als ein mehrschichtig lernendes neuronales Netzwerk (englisch: deep learning neural network) sind derartige Systeme nach dem entsprechenden Trainings- oder Lernprozess besonders geeignet für Bild- und Video-Analysen. Diese erlauben die automatische Wiedererkennung bestimmter erlernter Strukturen.
Als eine Weiterentwicklung und letztlich Alternative gelten die Vision Transformer. Diese zerlegen stark vereinfacht Sprach- oder Bildinformationen zunächst in einzelne Bestandteile – die sogenannten Patches. Diese Patches werden anschließend in Vektoren umgewandelt, um sie speichern und auswerten zu können.
Das klingt kompliziert und ist es sicher auch. In unserem Fall bedeutet das jedoch lediglich, dass die Röntgenaufnahmen sehr detailliert aufgelöst und somit untersucht werden können, um angelernte Strukturen mit hoher Sicherheit zu erkennen.
Was können wir damit erreichen?
Mit einer weiteren Fortentwicklung dieser Methode hin zu einer breit verfügbaren und auch finanziell darstellbaren Technik wird es in absehbarer Zeit möglich sein, die genannten Panoramauntersuchungen einer elektronischen Auswertung an einem PC zu unterziehen, die dann ohne größeren Zusatzaufwand die genannten Veränderungen erkennen kann. Die erreichbare Trefferquote liegt bei 82 %, die Spezifität, also Verwechslungsfreiheit, bei bis zu 97 %.
Schlussfolgerung
Mit der Weiterentwicklung und breiten Einführung dieser KI-Untersuchungstechnik in der Zahnheilkunde könnte die wichtige Früherkennung von Verkalkungen der Halsschlagadern und damit die Vorbeugung von Schlaganfällen einen weiteren Schritt vorangebracht werden.
Diese Entwicklung wäre insbesondere im Hinblick auf Zufallsbefunde bei bisher asymptomatischen Patienten, die dann weiteren Untersuchungen und vorbeugenden Maßnahmen zugeführt werden könnten, wünschenswert.
Künstliche Intelligenz würde hier zu einer relevanten Verbesserung und Erweiterung (zahn-)medizinischer/radiologischer Untersuchungen führen.
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Autor
Prof. Dr. med. Rainer Moosdorf widmet sich seit mehr als 35 Jahren der Herz- und Gefäßchirurgie. Die Schwerpunkte innerhalb der Herz- und Gefäßchirurgie sind Laser- und Arrhythmiechirurgie, endovaskuläre Verfahren einschließlich TAVI’s und endovaskuläre Rekonstruktionen des Aortenbogens, rekonstruktive Chirurgie der Herzkranzgefäße und noch einige Arten der “Französischen Korrektur”. Als Vorstandsvorsitzender des “Medizinischen Netzwerks Hessen” ist er offizieller Vertreter des Landes Hessen auf dem Gebiet der klinischen Medizin und der medizinischen Ausbildung. [mehr]
Quellen
- Detection of carotid plaques on panoramic radiographs using deep learning – Autoren: Shankeeth Vinayahalingam, Niels van Nistelrooij, Tong Xi, Max Heiland, Keno Bressem, Carsten Rendenbach, Tabea Flügge, Robert Gaudin – Publikation: Journal of Dentistry, Volume 151, December 2024, 105432
- Deep convolution neural network for screening carotid calcification in dental panoramic radiographs – Autoren: Amitay M, Barnett-Itzhaki Z, Sudri S, Drori C, Wase T, Abu-El-Naaj I, et al. – Publikation: PLOS Digit Health 2(4), April 2023, e0000081.