„Wieder zurück aufs Motorrad“ – eine erfolgreiche Schlaganfall-Rehabilitation ▷ Back-to-life
Gelungene Schlaganfall-Akut-Versorgung
Es war ein Samstagvormittag, der 12. Dezember 2015. Jürgen Gehre gönnte sich ein bisschen Ruhe, legte sich auf die Couch und las Zeitung. Es war viel im Umbruch zu diesem Zeitpunkt: Sein Vater war sechs Tage zuvor verstorben und zwei Tage später sollte die Beerdigung sein. Sein eigener Geburtstag stand bevor und der 25ste seiner Tochter sollte ein paar Tage später groß gefeiert werden.
Seine Frau war einkaufen. Nur der 15-jährige Sohn war im Haus.
Plötzlich fiel Gehre die Zeitung aus der Hand und er war weder imstande, sie wieder aufzuheben, noch irgendwie aufzustehen. Laut rief er um Hilfe: „Ruf die 112 an, – hier stimmt etwas nicht“, rief er seinem Sohn zu. Dieser reagierte sofort und verständigte auch die Mutter.
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Wenig später traf der Rettungswagen ein. Gehre hatte Angst und ahnte, dass es etwas Ernsthaftes ist. Die Sanitäter fragten ihn nach seinen persönlichen Daten. Er selbst hatte den Eindruck, sich deutlich artikulieren zu können. Tatsächlich war seine Aussprache aber schleppend und verschwommen – die Folgen eines Schlaganfalls.
Gehre kam ins Klinikum Offenbach auf eine Schlaganfall-Spezialstation (Stroke Unit). Er überlebte, war jedoch halbseitig gelähmt. Zehn Tage später kam er für weitere fünf Monate direkt in die Reha-Klinik Bad-Orb. Gehre nutzte die hervorragende therapeutische Versorgung der Klinik mit viel Motivation und Willenskraft.
„Es war eine sehr mühsame Zeit, wieder aus dem Rollstuhl herauszukommen” so Jürgen Gehre heute. „Besonders schwer war es, fast sechs Monate nicht mehr zu Hause bei Ehefrau und Kindern sein zu können“.
Was ihm geholfen hat, diese Zeit durchzustehen: seine Mentalität nicht aufzugeben, sowie die permanente und emotionale Unterstützung seiner Familie und Freunde, sagt er.
Zurückgekämpft – wie geht es nun weiter?
Als Gehre wieder nach Hause durfte, hatte er doppeltes Glück: Denn es gab keine Unterbrechung in der Behandlung. Das heißt, er konnte sofort mit der ambulanten Rehabilitation starten und fand mit Helmut Gruhn aus dem Perzeptionshaus in Hainburg einen sehr erfahrenen Bobath-Therapeuten.
Letztendlich auch dank seiner Recherchen und Kontaktaufnahmen, die Gehre schon in der Reha-Klinik aufgenommen hatte. Helmut Gruhn hat mit „Back-to-life” eine Schlaganfall-intensiv-Rehabilitation entwickelt, die die Voraussetzung für einen selbstständigen Alltag der Patienten schaffen soll. Grundlage ist das Bobath-Konzept. Gehre ist auch heute noch dort in Therapie. Die Abstände zwischen den Behandlungen sind jetzt größer, aber unerlässlich.
Heute – 7 Jahre später – hat sich sein Alltag stabilisiert. Die Lebensqualität ist weiter gestiegen: beruflich, familiär und hobbymäßig – insbesondere das Motorradfahren.
Dieser Erfolg ist vor allem auf die optimalen therapeutischen Versorgungen zurückzuführen. “Dabei ist der Übergang von der stationären in die ambulante Reha sehr wichtig gewesen”, so Jürgen Gehre.
In seinem Büro hängt ein Plakat vom Grand Prix 2015 auf dem Sachsenring. Dorthin will Gehre eines Tages mit seiner BMW fahren. “Das dauert vielleicht noch Jahre. Aber ich werde es nicht aus den Augen verlieren.”
Hintergrund
Spezifische Rehabilitation – Das Bobath-Konzept
Das Bobath-Konzept ist die weltweit am meisten genutzte und eine der erfolgreichsten Therapien bei Schlaganfall-Patienten. Namensgeber waren der Neurologe Karel Bobath und seine Frau Berta, die ab 1940 dieses Konzept empirisch entwickelten. Grundlage dabei ist die Regeneration und Neuorientierung des Gehirns. Diese Erkenntnisse sind heute von der Neurowissenschaft bestätigt.
Kommentar Helmut Gruhn:
Schwachpunkt: Ambulante Schlaganfall-Versorgung
Er war begeistert, da ich ihm schon am Entlassungstag einen Termin anbieten konnte. Damit ist der nahtlose Übergang von der klinischen in die ambulante Rehabilitation geglückt. Das ist aber leider nicht selbstverständlich. Leider geht hier oft wertvolle Zeit und damit bereits mühsam erworbene Fähigkeiten bei den betroffenen Patienten verloren. DAK-Report-Studien belegen, dass die ambulante Rehabilitation zu spät, zu unspezifisch und viel zu wenig genutzt wird. Hier besteht bei allen Beteiligten noch viel Informations- und Handlungsbedarf.
Neustart: Zurück ins Leben!
Das Besondere am „Back-to-life“-Konzept ist die Intensität der Therapie, mit längeren Therapiezeiten und mehr Einheiten pro Woche. Der betroffene Mensch und seine Angehörigen stehen mit ihren Wünschen und Bedürfnissen im Mittelpunkt. Dazu kommt die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Ergotherapeuten. Von der Teamarbeit konnte Herr Gehre nun genauso profitieren wie schon einige Patienten zuvor. Gemeinsam vereinbaren wir Therapeuten mit den Patienten Ziele, die im Alltag erreicht werden sollen, um diese dann Schritt für Schritt zu erarbeiten, z. B. alleine zur Toilette gehen. Neben den Therapie-Einheiten fördern auch regelmäßige telefonische Absprachen den Erfolg. „Patient, Angehörige, Arzt und Therapeuten müssen gemeinsame Sache machen, dann kann das Potenzial des Gehirns voll ausgenutzt werden“, so der Ergotherapeut Stefan Frühling.
Endlich wieder aufs Motorrad
Die Erfolge können sich heute sehen lassen!
Seit Januar 2017 fährt Herr Gehre wieder mit dem Auto zu seiner Arbeitsstelle bei der Polizei in Offenbach zur schrittweisen beruflichen Wiedereingliederung. Mit seiner kleinen Cross-Maschine absolvierte er dann bald schon wieder Fahrten auf dem Übungsgelände des Motorsportclubs Klein-Krotzenburg.
Der vorläufige Höhepunkt kam dann im Februar 2018: zum ersten Mal auf dem mint-grünen Adler-Gespann auf der Straße, mit seinem Sohn im Beiwagen.
„Es ist wie im Traum”, erzählt der Biker mit strahlendem Gesicht „Wunderbar“. Beim MSC hat er dann später mit Begeisterung das „Veteranen- und Schrauber-Treffen“ mit mehr als 200 Teilnehmern organisiert und durchgeführt. Eine grandiose Leistung.
Jetzt steht schon das nächste Ziel vor der Tür: mit dem 1000er-Solo-Motorrad zu fahren.
Erfolg ist kein Zufall
Eine erfolgreiche Schlaganfall-Rehabilitation bringt Lebensqualität und Zufriedenheit. Die Freude darüber ist nicht nur bei Herrn Gehre und seiner Familie, sondern auch bei den Therapeuten groß. Ein Beispiel, das Schule machen sollte.
Kommentar Helmut Gruhn:
Für die Schlaganfall-Versorgung wünschen sich alle Beteiligten: mehr Informationsaustausch, Gemeinsamkeit und Zielstrebigkeit, dann bleibt der Erfolg nicht mehr dem Zufall überlassen.
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Autor
Helmut Gruhn ist seit mehr als 50 Jahren Physiotherapeut und auf die Therapie zerebraler neurologischer Ausfälle bei Erwachsenen spezialisiert. Als Bobath-Instruktor entwickelte er das Therapiekonzept “Back-to-Life” für Schlaganfall-Betroffene. Er leitet Fortbildungen und Seminare für Therapeuten und Ärzte und ist als Supervisor für neurologische Kliniken tätig. 2004 gründete er das Perzeptionshaus – ein Therapie- und Fortbildungszentrum für neurologische Rehabilitation. [mehr]
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