Zusammenhang zwischen COVID-19 und ischämischen Schlaganfällen ▷ Aktueller Forschungsstand
Zur Erklärung: Zu einem ischämischen Schlaganfall kommt es infolge einer Mangelversorgung des Gehirns mit Blut und Sauerstoff aufgrund eines blockierten Blutgefäßes.
Steigt das Risiko für ischämische Schlaganfälle durch eine Infektion mit dem Coronavirus?
Ziel der Metaanalyse war es, die Charakteristika ischämischer Schlaganfälle nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Severe Acute Respiratory Syndrome Corona Virus 2) zu untersuchen und mögliche Zusammenhänge zu klären.
Hierzu wurden bis zum 24. März 2021 einschlägige wissenschaftliche Datenbanken (darunter PubMed, Web of Science und Ovid-Embase) nach Fällen mit COVID-19-bedingten Schlaganfällen durchsucht. Um ausschließlich relevante Literatur zu finden, wurden medizinische Fachbegriffe in Kombination mit Suchbegriffen als Suchstrategie eingesetzt.
Folgende Zulassungskriterien waren für die Auswahl der Artikel entscheidend:
- Die Artikel konzentrierten sich auf ischämische Schlaganfälle im Zusammenhang mit COVID-19.
- Die Artikel beinhalteten Originaldaten (z. B. Kohorten-Studien, wobei der Begriff „Kohorte“ eine Gruppe von Patienten mit vergleichbaren Symptomen bezeichnet).
- Die Diagnosestellung COVID-19 basierte auf einem positiven PCR-Testergebnis für SARS-CoV-2.
- Die Diagnosestellung für Schlaganfälle basierte auf Bildgebung und klinischen Symptomen.
- Die Artikel wurden in englischer Sprache veröffentlicht.
- Die Forschungsobjekte umfassten mehr als 10 Patienten.
Aus 1.227 Artikeln wurden 10 Artikel mit insgesamt 26.691 Teilnehmern und 280 stationär aufgenommenen COVID-19-Patienten mit ischämischem Schlaganfall ausgewählt.
Das Alter reichte von 48,1 bis zu 75,7 Jahren, 35,1 Prozent der Patienten waren weiblich. Die Rate der Patienten mit COVID-19-assoziiertem Schlaganfall betrug nach Analyse der ausgewählten Studien 2 Prozent.
Ein entscheidender Aspekt der chinesischen Metastudie zeigt jedoch auch die hierbei essenzielle Bedeutung von Hochrisikofaktoren für Schlaganfälle. Der durchschnittliche Anteil der Patienten mit Bluthochdruck, Hyperlipidämie und Diabetes betrug 66 Prozent, 48 Prozent und 40 Prozent bei einem COVID-19-bedingten ischämischen Schlaganfall.
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Ebenfalls interessant ist die Beobachtung, dass der größere Anteil der Patienten mit COVID-19-bedingtem ischämischen Schlaganfall männlich ist, während die weiblichen Patienten nur einen Anteil von 36 Prozent ausmachen. Dies steht im Gegensatz zur bisherigen Beobachtung, dass eher Frauen einen kardiogenen, d. h. vom Herzen ausgehenden Schlaganfall erleiden, während Männer häufiger vom Auftreten eines Herzinfarktes betroffen sind.
Frauen unterscheiden sich von Männern hinsichtlich Risikofaktoren, Schlaganfall-Subtypen, Schweregrad und Ausgang der Erkrankung. Risikofaktoren für Gefäßerkrankungen treten üblicherweise eher bei Frauen auf.
Welcher mögliche Mechanismus liegt dem COVID-19-bedingten Schlaganfall zugrunde?
Aus der chinesischen Studie geht hervor, dass die erhobenen Daten mit denen früherer Studien übereinstimmen, größere Kohortenstudien jedoch ein niedrigeres Schlaganfallrisiko in Zusammenhang mit COVID-19 zeigen.
Die Anzahl der neu auftretenden COVID-19-bedingten Schlaganfälle variiert stark zwischen verschiedenen Studien über Patientengruppen mit gleichartigen Symptomen. Die Gründe hierfür sind bislang unbekannt, möglicherweise besteht jedoch eine Abhängigkeit vom Schweregrad der Infektion, der Häufigkeit bestimmter Risikofaktoren für Gefäßerkrankungen in der Bevölkerung, der Fähigkeit zur Schlaganfall-Diagnostik bei Überlastung der medizinischen Dienste durch die Corona-Pandemie, methodischen Unterschieden sowie Altersunterschieden.
Frühere Studien zeigen, dass bakterielle und/oder virale Infektionen Auslöser eines akuten ischämischen Schlaganfalls sein können und möglicherweise mit blutgerinnungsfördernden Wirkungen von Entzündungsreaktionen zusammenhängen. Entzündliche Zytokinstürme und erhöhte Konzentrationen von Entzündungsfaktoren wie Interleukinen und C-reaktiven Proteinen (CRP) könnten Auslöser für einen erhöhten Blutgerinnungszustand, neuronale Schäden oder Schäden an der Zellschicht der Blutgefäß-Innenwände (Endothel) sein, die letztlich zum Schlaganfall führen. Zytokine sind hierbei Botenstoffe, die bei der Reaktion des Immunsystems gebildet werden.
Der große Entzündungssturm tritt im Zusammenhang mit COVID-19 nachweislich eher bei männlichen Patienten auf. Das für die Corona-Pandemie verantwortliche SARS-CoV-2-Virus besitzt ein Spike-Oberflächenprotein, mit dem es stark an den menschlichen ACE(Angiotensin Converting Enzyme)-2-Rezeptor bindet, was zur Auslösung einer Reihe von Ereignissen führen kann, die zu Gefäßverengungen, Bluthochdruck und einem gesteigerten Thrombose-Risiko führen kann.
Eine Virusinfektion kann die Fehlfunktion der Endothelzellen begünstigen und dadurch zu übermäßiger Thrombin-Produktion (Thrombin ist ein Blutgerinnungsfaktor, der Fibrinogen zu Fibrin spaltet) und Hemmung der körpereigenen Auflösung von Blutgerinnseln führen.
COVID-19 verursacht zudem häufig einen verminderten Sauerstoffgehalt im Blut, der das Auftreten von verstopften Blutgefäßen durch erhöhte Blut-Zähflüssigkeit begünstigt.
Kontrolle von Risikofaktoren für Gefäßerkrankungen ist der Schlüssel für die Senkung des Schlaganfallrisikos
Auch wenn der Mechanismus des durch COVID-19 verursachten Schlaganfalls derzeit nicht bis ins Detail geklärt ist, fokussieren sich die meisten Meinungen derzeit auf das Auslösen eines erhöhten Blutgerinnungszustandes.
Die möglicherweise wirksamsten Gegenmaßnahmen bestehen daher in der aktiven Kontrolle von Entzündungsreaktionen und der Antikoagulation, also der Verabreichung von blutgerinnungshemmenden Medikamenten.
Da jedoch die überwiegende Mehrheit der Patienten mit COVID-19-bedingten Schlaganfällen in der vorliegenden Metastudie gemeinsame Risikofaktoren für Gefäßerkrankungen wie z. B. Bluthochdruck, Hyperlipidämie und Diabetes aufwies, ist die Kontrolle dieser Faktoren ein weiterer Schlüssel zur Senkung des Schlaganfallrisikos bei COVID-19-Patienten.
Die Meta-Studie weist auf die herausragende Stellung der erhöhten Blutfette hin, die die Aktivierung von Blutplättchen fördern und somit die Häufung von Blutgerinnseln begünstigen können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass weitere aussagekräftige Studien zur Klärung der Hintergründe von COVID-19-bedingten Schlaganfällen erforderlich sind.
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Autorin: Claudia Helbig
Diplom-Human- und Molekularbiologin
Quellen
- Ischemic stroke associated with COVID-19: a systematic review and meta-analysis
Autoren: Wenzhang Luo, Xiang Liu, Kunyang Bao, Changren Huang – Publikation: Journal of
Neurology, 2022 – DOI: 10.1007/s00415-021-10837-7