Mehr Schlaganfälle bei Menschen unter 55 Jahren ▷ Studie

Schlaganfälle bei jungen Menschen nehmen zu (Foto: Canva)
Von einem juvenilen Schlaganfall spricht man, wenn Menschen im Alter zwischen 18 und 55 Jahren einen Schlaganfall erleiden. Dies betrifft in Deutschland etwa 30.000 Menschen pro Jahr.2
Der Juvenile Schlaganfall wird hauptsächlich (25 %) durch losgelöste Blutgerinnsel aus dem Herzen, die in das Gehirn geschwemmt werden (kardiogene Embolie bei Vorhofflimmern) oder in 20 Prozent der Fälle durch Einrisse der Gefäßwände (Dissektionen) von hirnversorgenden Arterien ausgelöst.2 Seltener sind Bluterkrankungen (Hämatologische Erkrankungen wie zum Beispiel Blutgerinnungsstörungen), Drogenkonsum, Migräne, hormonelle Kontrazeption oder entzündliche Gefäßerkrankungen.
Die Studie
Die in England durchgeführte Studie3 geht der Frage nach, ob die Anzahl der jährlich auftretenden Schlaganfälle (Inzidenz) bei Personen unter 55 Jahren im Vergleich zu älteren Personen im Laufe der Jahre zunimmt. Verglichen wurden die Zeiträume zwischen April 2002 bis 2010 und 2010 bis März 2018.
Die Ergebnisse
Im gesamten Studienzeitraum (2002 – 2018) wurden insgesamt 2.429 Schlaganfälle dokumentiert. Das mittlere Alter betrug 73,6 Jahre, 51,3 Prozent davon waren Frauen.
Im Zeitabschnitt 2002–2010 verglichen mit dem Zeitraum zwischen 2010 und 2018 wurde ein Anstieg der Schlaganfallhäufigkeit um 67 Prozent bei Studienteilnehmern unter 55 Jahren festgestellt. Dies betrifft sowohl Transiente Ischämische Attacken (TIA) als auch Hirninfarkte. Dagegen wurde bei Menschen über 55 Jahren ein Rückgang um 15 Prozent verzeichnet.
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In der Gruppe der unter 55-Jährigen stieg die Schlaganfallhäufigkeit unabhängig vom Geschlecht, der Schwere des Schlaganfalls und der zugrundeliegenden Risikofaktoren an.
Keine vergleichbaren Veränderungen, also eine Zunahme von Schlaganfällen bei jüngeren und Abnahme bei älteren Menschen, konnten für Herzinfarkte oder andere kardiovaskuläre Ereignissen festgestellt werden.
Als Risikofaktoren für TIA und Schlaganfälle finden sich auch bei jüngeren Patienten Diabetes, Bluthochdruck, Rauchen und Adipositas.
Die steigenden Inzidenzen innerhalb der jüngeren Patienten galten jedoch auch für Personen ohne diese Risikofaktoren. Bei etwa 30 Prozent der Patienten im Alter unter 55 Jahren mit TIA und Schlaganfällen konnten keiner der bisher bekannten Risikofaktoren festgestellt werden.
Der Anteil der ursächlich ungeklärten Schlaganfälle (sogenannte „Kryptogene Schlaganfälle”) ist insgesamt höher als bei älteren Patienten.
Bevorzugt betroffen waren Menschen in Fach- oder Führungsberufen, weniger in der Gruppe mit teil-qualifizierten oder ungelernten Tätigkeiten.
Da die Ursache des Schlaganfalls häufig nicht geklärt werden konnte, wurde die Bedeutung umfangreicher Erhebungen zur Vorgeschichte und aufwendiger diagnostischer Maßnahmen hervorgehoben. Dies betrifft einerseits die Familienanamnese – die Frage also, ob in der Familie Schlaganfälle aufgetreten sind. Andererseits sind eingehende kardiologische Untersuchungen mit Langzeit-EKG, transösophagealer Echo-Kardiographie angezeigt, zudem Untersuchungen des Nervenwassers (Liquor).
Zusammenfassend konnte der Anstieg von Schlaganfällen bei jüngeren Menschen nicht ausreichend erklärt werden. Weitergehende Studien sind notwendig, um die Ursachen besser zu verstehen.
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Artikel aktualisiert am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autoren
unter Mitarbeit von stud. med. Rosalie Hartmann
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- Prävalenz des Schlaganfalls bei Erwachsenen im Alter von 40 bis 79 Jahren in Deutschland: Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) – Autoren: Busch, M.A., A. Schienkiewitz, E. Nowossadeck, A. Gößwald – Publikation: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 56.5–6 (2013), 656–60 – DOI: 10.1007/s00103-012-1659-0
- Juveniler Schlaganfall – Ein praxisorientierter Überblick – Autoren: Schöberl, Florian; Ringleb, Peter Arthur; Wakili, Reza; Poli, Sven; Wollenweber, Frank Arne; Kellert, Lars – Publikation: Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 527-34 – DOI: 10.3238/arztebl.2017.0527
- Association of Younger vs Older Ages With Changes in Incidence of Stroke and Other Vascular Events, 2002-2018 – Autoren: Linxin Li, DPhil; Catherine A. Scott, BM, BCh; Peter M. Rothwell, MD, PhD – Publikation: JAMA. 2022;328(6):563-574 – DOI: 10.1001/jama.2022.12759