Das Pflegen von Angehörigen in der Pandemie ▷ Tipps für pflegende Angehörige
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie ereigneten sich weltweit 104 Millionen Schlaganfälle.5 In vielen Fällen bedarf ein Schlaganfall stationärer und professioneller Pflege. Dennoch werden die meisten Betroffenen nach einem Schlaganfall zu Hause gepflegt. In Deutschland befinden sich 75 Prozent der Pflegebedürftigen in häuslicher Pflege.1 Die wenigsten Angehörigen sind jedoch professionell ausgebildete Pflegekräfte.
Unterstützende Angebote von den Krankenkassen verfolgen deshalb das Ziel, Angehörigen ein Grundwissen und -verständnis rund um die Pflege zu vermitteln, um die eigene psychische Gesundheit zu stärken.
In Selbsthilfegruppen hilft der Austausch mit Gleichgesinnten im Umgang mit aufkommenden Alltags-Schwierigkeiten wie depressive Verstimmungen und Einsamkeit. Diese wichtige Anlaufstelle fällt in der Pandemie für viele Menschen plötzlich weg. Das bleibt oft nicht ohne Folgen.
Die Auswirkungen
So klagten im Vergleich zu 2017 im Jahr 2020 deutlich mehr pflegende Angehörige über depressive Verstimmungen und Einsamkeit. Außerdem schätzten sie ihre eigene Gesundheit 2020 durchschnittlich schlechter ein. Bei Menschen ohne pflegerische Aufgaben führte die Pandemie ebenfalls zu einem Anstieg depressiver Symptome, allerdings war der Anstieg weniger stark als bei den pflegenden Angehörigen.
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Die Umstellung des eigenen Lebens auf eine Pflege-Situation belastet und kostet Zeit und Nerven.3,4 Zusätzlich zeigte sich, dass die häusliche Pflege durch die Pandemie für über die Hälfte der Befragten zeitlich aufwendiger geworden ist.1
Dadurch bleibt weniger Zeit für den Rest der Familie und Freunde. Dazu kommen finanzielle Herausforderungen und weniger Energiereserven. Das geht auf Kosten der mentalen und psychosozialen Gesundheit und der empfundenen Lebensqualität.1
Besuchsverbote in Rehakliniken
Eine weitere Befragung untersuchte den Einfluss von COVID-19 bei 11 Familien in den Vereinigten Staaten, bei denen ein Angehöriger in einer stationären Reha-Klinik behandelt wurde.5 In den USA wie auch in Deutschland sind Besuche in Rehakliniken in kritischen Phasen der Pandemie nicht gestattet. Die Befragten äußerten vermehrte Sorgen über das Wohlergehen und den Fortschritt der Rehabilitation ihrer Angehörigen. Sie sind nun nicht mehr in der Lage, therapeutische Behandlungen und die Pflege hautnah mitzuerleben. Dadurch entstehen nach der Entlassung Unsicherheiten in der häuslichen Pflege.
Ängste vor erneutem Schlaganfall
Vermehrte Ängste, dass sich beispielsweise ein zweiter Schlaganfall ereignen könnte oder sie die Pflege nicht richtig bewältigen, traten vermehrt auf. Besonders schwierig war es in Fällen, in denen der Schlaganfall zu Sprachstörungen, Sprechstörungen oder kognitiven Einschränkungen führte. Dann ist eine Kommunikation und Anteilnahme über das Telefon kaum mehr möglich.
Die AutorInnen der Befragung rufen deshalb dazu auf, dass Reha-Kliniken Videoanrufe ermöglichen und den Angehörigen regelmäßige Zustandsberichte hinsichtlich der Therapie-Erfolge und -Misserfolge geben sollten.5 Betroffene leiden in Krankenhäusern und Rehakliniken häufiger unter der sozialen Isolation. Die fehlenden Möglichkeiten und technischen Voraussetzungen stehen der optimalen Genesung von PatientInnen im Wege.
Entlastung durch Austausch
Aber auch für Angehörige selbst ist es wichtig, sich Hilfe zu suchen und sich regelmäßig mit anderen Menschen in einer ähnlichen Lebenslage austauschen. Es kann eine enorme Entlastung mit sich bringen, mit Fragen und Ängsten nicht mehr alleine zu sein.
Für Angehörige in dieser Situation gibt es Möglichkeiten, auch in Zeiten der Pandemie bestmöglich gerüstet zu sein, damit die herausfordernde Aufgabe der häuslichen Pflege besser gelingt.
Tipps für Angehörige
In Pandemie-Zeiten findet die Kommunikation vielfach über das Telefon oder das Internet statt. So gibt es bereits Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige, die gerade in diesen Zeiten Halt geben können.
1. Informieren
Die Hamburger Angehörigen-Ambulanz der Asklepios Klinik hat ein offenes Ohr für alle Angehörigen, die sich durch Betreuung oder Pflege eines erkrankten Familienmitglieds seelisch belastet fühlen und Unterstützung wünschen.
Link: Angehörigen-Ambulanz
Die AOK bietet zum Beispiel Pflegefilme an, in denen typische Alltagssituationen in der Pflege beschrieben und erklärt werden. Zu bestimmten Themenbereichen und Krankheitsbildern gibt es kurze Videos, welche die wichtigsten Informationen vermitteln.
Link: zu den Pflegefilmen
Auf der Informationsplattform pflege.pro können sich Angehörige ausgiebig über die Pflege informieren, sich individuell beraten lassen und Online-Seminare zu Pflegethemen besuchen. In einem Live-Chat können Sie mit ExpertInnen in Kontakt kommen.
Link: pflege.pro
Das Online-Hilfeportal für pflegende Angehörige hat sich das Problem Corona-Pandemie vorgenommen und wichtige Informationen über den Umgang mit dieser Seuche zusammengetragen. Dort finden Sie zudem hilfreiche Informationen zu gesetzlichen Änderungen durch die Corona-Krise und was diese im Einzelfall bedeuten.
Link: Pflege durch Angehörige
2. Ressourcen stärken
Darüber hinaus wirkt ein Online-Selbsthilfe-Programm einer psychischen Überbelastung von Pflegenden entgegen. Mithilfe des interaktiven Programms lernen Angehörige, mit den seelischen Herausforderungen und der Belastung umzugehen. Das Programm ist für jeden kostenfrei nutzbar. Lediglich eine Internetverbindung wird benötigt.
Link: pflege.aok.de
Die Bundesarbeitgemeinschaft der Seniorenorganisation (BASGO) hat einen kostenlosen Ratgeber für pflegende Angehörige herausgebracht. Der Ratgeber greift typische Alltagsbeispiele auf und zeigt Wege, mit der Belastung umzugehen und eigene Ressourcen zu mobilisieren. Der Ratgeber ist auch als barrierefreies Hörbuch erhältlich.
Link: BRASGO
3. Austauschen
Bei facebook gibt es eine Online-Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige. Dort tauschen sich Menschen über ihre Erfahrungen im Alltag aus und erfahren emotionale Unterstützung.
Link: facebook
Die KISS- Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe im Saarland hat eine moderierte Online Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige ins Leben gerufen. Von zu Hause aus können Sie sich über Video- oder Audio-Chat mit anderen Angehörigen austauschen. Neue Interessenten werden herzlich aufgenommen.
Link: zur Selbsthilfegruppe
Sie haben eine Frage zum Schlaganfall? Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen und Angehörigen in unserem Forum aus.
- Wer ist Risikopatient im Rahmen der Corona-Pandemie?
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autoren
unter Mitarbeit von Marieke Theil, M.Sc.
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- Zur Situation der häuslichen Pflege in Deutschland während der Corona-Pandemie Ergebnisse einer Online-Befragung von informellen Pflegepersonen im erwerbsfähigen Alter, 2020, 52 – Autoren: Heinz Rothgang, Karin Wolf-Ostermann
- Corona-Krise=Krise der Angehörigen-Pflege – Deutsches Zentrum für Altersfragen, 2021, 26 – Autoren: Daniela Klaus, Ulrike Ehrlich
- Psychometric Testing of the Revised 15-Item Bakas Caregiving Outcomes Scale – Autoren: Bakas, Tamilyn, Victoria Champion, Susan M. Perkins, Carol J. Farran, Linda S. Williams – Publikation: Nursing Research, 55.5 (2006), 346–55 – DOI: 10.1097/00006199-200609000-00007
- The Long-Term Unmet Needs of Informal Carers of Stroke Survivors at Home: A Systematic Review of Qualitative and Quantitative Studies – Autoren: Denham, Alexandra MJ, Olivia Wynne, Amanda L. Baker, Neil J. Spratt, Madeleine Loh, Alyna Turner et al. – Publikation: Disability and Rehabilitation, 2020, 1–12 – DOI: 10.1080/09638288.2020.1756470
- Stroke Family Caregiving and the COVID-19 Pandemic: Impact and Future Directions – Autoren: Bakas, Tamilyn, Patricia Commiskey – Publikation: Stroke, 52.4 (2021), 1415–17 – DOI: 10.1161/STROKEAHA.120.033525