Hormonersatztherapie: Erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall? ▷ Östrogen, Testosteron, Schilddrüsenhormone
In diesem Artikel:
- Hormonersatztherapie bei Frauen in den “Wechseljahren”
- Hormonersatztherapie bei Schilddrüsenhormonmangel
- Hormonersatztherapie mit Testosteron
- Zusammenfassung
Weltweit werden Hormonpräparate aus den unterschiedlichsten Gründen eingesetzt: Als Verhütungsmittel in Form der Pille oder als Hormonersatztherapie, beispielsweise bei einer Schilddrüsenunterfunktion. Auch bei einer die Hormone betreffenden Funktionsstörung der als Hoden bezeichneten männlichen Keimdrüsen und vor allem bei hormonbedingten Beschwerden in den Wechseljahren ist die Hormonersatztherapie oder Hormonsubstitutionstherapie, kurz HST, ein gängiges medizinisches Verfahren.
Welche Anwendungswege gibt es grundsätzlich für Hormonpräparate?
Das Zuführen der Hormone kann prinzipiell auf verschiedenen Wegen, den sogenannten Applikationswegen, erfolgen. Welcher Weg am besten geeignet ist, richtet sich einerseits nach dem zu verabreichenden Hormon und andererseits nach der individuellen gesundheitlichen Situation des Patienten.
Eine wichtige Rolle spielt in jedem Fall die sogenannte Bioverfügbarkeit. Sie entscheidet darüber, wie schnell und in welcher Menge das Hormon am Wirkort zur Verfügung steht. In einigen Fällen kann es von Vorteil sein, die Dosis durch Wahl des geeigneten Applikationsweges niedrig zu halten. Dadurch können Wechselwirkungen mit dem körpereigenen Hormonsystem sowie anderen Medikamenten – und letztlich darüber auch Risiken – minimiert werden.
Dem Körper von außen zugeführte – also exogene – Hormone können über folgende Applikationswege verabreicht werden:
- Oral durch Einnahme von Arzneimitteln in Form von Tabletten, Kapseln oder Tropfen über den Mund.
- Sublingual durch Platzierung des Arzneimittels unter der Zunge und Freisetzung des Wirkstoffs in die Mundschleimhaut unterhalb der Zunge.
- Bukkal durch Platzieren des Arzneimittels in der Backentasche und Aufnahme des Wirkstoffs über die Mundschleimhaut.
- Transdermal über die Haut in Form von Pflastern, Sprays, Cremes und Gelen.
- Parenteral als Depotspritze oder Implantat.
- Nasal als Spray über die Nase.
Die Form, in der die Hormone verabreicht werden – also beispielsweise als Spray, Kapsel, Pflaster oder Spritze – bezeichnet man als Darreichungsform.
Drei wichtige Anwendungsgebiete für die Hormonersatztherapie
Es gibt unterschiedliche Gründe, die das Eingreifen in das körpereigene Hormonsystem durch Zuführen exogener Hormone erforderlich machen können.
Hintergrundwissen: Was bedeutet exogen und endogen?
Als exogen wird etwas bezeichnet, wenn es außerhalb des Organismus entstanden ist, beziehungsweise von außen in den Körper eingebracht wird.1 Exogene Hormone stammen aus einer externen, nicht körpereigenen Quelle und werden dem Körper von außen zugeführt. Die Quelle ist in diesem Fall das jeweilige Arzneimittel.
Eine Substanz oder ein Hormon wird hingegen als endogen bezeichnet, wenn es körpereigen ist. Es ist aus dem Körper selbst hervorgegangen und nicht durch äußere Einwirkungen entstanden.
Hormonersatztherapie bei Frauen in den “Wechseljahren”
Mit der Hormonersatztherapie im engeren Sinne ist vor allem die HST bei Frauen in den Wechseljahren gemeint. Hierbei werden – meist natürliche, sogenannte bioidentische – weibliche Geschlechtshormone eingesetzt. Konkret sind es sogenannte Östrogene und Gestagene, die entweder alleine als Einzelpräparat oder in Kombination verabreicht werden. Synthetische Abkömmlinge haben häufig unerwünschte Nebenwirkungen und werden daher eher selten verwendet.2
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Viele Frauen leiden vor allem in der sogenannten Perimenopause und zum Teil auch noch in der Postmenopause unter vielfältigen Symptomen. Besonders bekannt und gefürchtet sind die Hitzewallungen. Aber auch Depressionen und der als Osteoporose bezeichnete Knochenschwund können Folge der tiefgreifenden hormonellen Veränderungen sein, die mit den Wechseljahren einhergehen.
Hintergrundwissen: Menopause, Peri- und Postmenopause
Die Menopause kennzeichnet den Zeitpunkt der letzten Regelblutung. Dieser Zeitpunkt kann erst rückblickend bestimmt werden, wenn 1 Jahr lang keine weitere Blutung mehr aufgetreten ist.1
Die Perimenopause bezeichnet einen Zeitraum von etwa 2 bis 4 Jahren, in dem der Übergang in die eigentliche Menopause stattfindet. Sie endet etwa 1 bis 2 Jahre nach der Menopause.1 Sie geht mit schwankenden hormonellen Veränderungen einher, bis die Hormone, insbesondere Östrogen und Progesteron, am Ende deutlich abnehmen. In dieser Umstellungsphase sind die vielfältigen Beschwerden – darunter auch eine erhöhte Reizbarkeit, Haut- und Haar- sowie Gewichtsprobleme – bei den meisten Frauen am stärksten.
Die Postmenopause beginnt nach der eigentlichen Menopause und endet mit etwa 70 Jahren, wenn die Aktivitäten des täglichen Lebens meist erheblich eingeschränkt sind.1 In dieser Zeit wird bereits so gut wie kein Östrogen mehr gebildet.
Die Hormonersatztherapie wird eingesetzt, um den Verlust an körpereigenem Östrogen auszugleichen und darüber die Beschwerden zu lindern, die mit diesem Verlust verbunden sind.
Es wird angenommen, dass die HST die Herz-Kreislauf-Gesundheit im Allgemeinen verbessert.3
Körpereigenes Östrogen hat starke Auswirkungen auf die Gefäßwände der Arterien. Dadurch reguliert es wichtige Prozesse wie beispielsweise die Gefäßerweiterung und die Förderung des Blutflusses. Darüber hinaus hat es eine schützende Wirkung durch die Förderung des Zellüberlebens und Stimulierung der Gefäßneubildung. Auch die Effizienz der Mitochondrien – der sogenannten “Kraftwerke der Zelle” – wird durch körpereigenes Östrogen gesteigert.
Im Gegensatz dazu scheint von außen zugeführtes Östrogen aufgrund dessen sofortiger gerinnungshemmender Wirkung zunächst den gegenteiligen Effekt zu haben und das Schlaganfallrisiko kurzfristig zu erhöhen.3
Hintergrundwissen: Östrogen-Konzentration
Die körpereigenen Östrogene werden bei Frauen vor der Menopause vorwiegend von den Eierstöcken produziert. Die Hormonspiegel schwanken zyklusabhängig zwischen 40 und 200 bis 400 Pikogramm pro Milliliter.
Nach der Menopause sinkt der Östrogenspiegel im Blutplasma – so bezeichnet man den zellfreien Bestandteil des Blutes – auf unter 20 Pikogramm pro Milliliter ab. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Eierstöcke als Hauptproduzent des Östrogens das Hormon nun nicht mehr produzieren.
Hormonersatztherapie und Schlaganfallrisiko
Die aktuelle Studienlage deutet darauf hin, dass es zwar einen Zusammenhang zwischen einer Hormonersatztherapie mit weiblichen Geschlechtshormonen in den Wechseljahren und einem erhöhten Schlaganfallrisiko gibt, jedoch ist dieser Zusammenhang entscheidend von verschiedenen Faktoren abhängig:4
Wann wird die Hormonersatztherapie in den “Wechseljahren” empfohlen?
Die HST wird Frauen empfohlen, die akute, durch die Wechseljahre verursachte Beschwerden haben und unter anderem unter der Rückbildung von Körpergewebe leiden. Mit dem Gewebeschwund treten häufig Symptome wie Scheidentrockenheit, Juckreiz und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr auf. Diese können die Lebensqualität der betroffenen Frauen enorm beeinträchtigen.
Medizinisch notwendig kann die HST in folgenden Fällen werden:5
- Vorzeitige Wechseljahre im Alter von unter 35 Jahren
- Durch einen operativen Eingriff ausgelöste Wechseljahre, zum Beispiel nach Entfernung der Eierstöcke
- Fehlbildung oder Funktionsstörung der Eierstöcke mit einem Mangel an Eibläschen, in denen normalerweise Eizellen heranreifen und damit verbundener Hormonmangel
- Beginnender Knochenschwund oder familiäre Neigung zum Knochenschwund
Wann sollte eine HST nicht durchgeführt werden?
Es gibt einige medizinische Umstände, unter denen die Hormonersatztherapie nicht durchgeführt werden sollte. Zu diesen als Kontraindikation bezeichneten Umständen zählen unter anderem:
- Akute Thrombosen – also das Vorliegen von Blutgerinnseln in Blutgefäßen
- Thrombosen unbekannter Ursache in der Patientinnen-Vorgeschichte
- Verschiedene bösartige Tumore in Deck- und Drüsengeweben, zum Beispiel bösartige Tumore des Brustgewebes – umgangssprachlich als Brustkrebs bezeichnet
- Scheidenblutungen ungeklärter Ursache
- Schwere Leberschäden
- Schlaganfall oder Herzinfarkt in der Patientinnen-Vorgeschichte
- Gallensteine
- Leberfunktionsstörungen
- Als Thrombophilie bezeichnete Neigung zur Ausbildung von Blutgerinnseln
- Migräne
Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt noch weitaus mehr medizinische Gründe, die gegen eine Hormonersatztherapie sprechen.
Praxistipp
Lassen Sie sich im Gespräch mit Ihrem Arzt in jedem Fall vor Beginn der Therapie umfassend und individuell beraten. Je mehr Angaben und Befunde Ihrem Arzt über Ihren Gesundheitsstatus zur Verfügung stehen, um so gründlicher kann er darauf basierend eine umfangreiche Nutzen-Risiko-Analyse durchführen.
Falls Sie sich gemeinsam mit Ihrem Arzt für eine Hormon-Ersatz-Therapie entschieden haben, können Sie in regelmäßigen Abständen deren Erfolg überprüfen lassen. Auch eine regelmäßige Überprüfung möglicher Risikofaktoren, die gegen eine Hormon-Ersatz-Therapie sprechen, ist sinnvoll. Denn mit steigendem Alter treten häufig zusätzliche Risikofaktoren und Erkrankungen auf, wie beispielsweise die Zuckerkrankheit Diabetes mellitus, Bluthochdruck oder starkes Übergewicht.
Wann ist der richtige Zeitpunkt, um mit einer Hormonersatztherapie zu beginnen?
Den idealen Zeitpunkt für eine Hormonersatztherapie gibt es nicht, beziehungsweise dieser ist individuell verschieden. Ein Beginn mit der HST in der Perimenopause oder spätestens in der frühen Postmenopause scheint jedoch das beste Risiko-Nutzen-Verhältnis zu haben.
Welche Hormonpräparate stehen für die Hormonersatztherapie in den Wechseljahren zur Verfügung?
Grundsätzlich stehen für die HST in den Wechseljahren Östrogenpräparate, Gestagenpräparate und Kombinationen aus beiden zur Verfügung.
Übliche Darreichungsformen: Tabletten, Pflaster, Gele oder sogenannte Depotspritzen, bei denen der Wirkstoff gleichmäßig freigesetzt wird.
Bei Frauen, deren Gebärmutter operativ entfernt wurde, wird die alleinige Therapie mit Östrogenen empfohlen, da die Gestagene lediglich zum Schutz der Gebärmutterschleimhaut verabreicht werden. Bei der sogenannten Gelbkörperschwäche wird hingegen die alleinige Verabreichung von Gestagenen empfohlen.
Es stehen zahlreiche Präparate zur Verfügung, die eine hochindividuelle Behandlung ermöglichen. Ein Grundsatz der HST ist der Hormoneinsatz in der jeweils niedrigsten Dosis, mit der ein Therapieerfolg erzielt werden kann.
Mit welchen Risiken muss man im Rahmen einer Hormonersatztherapie in den Wechseljahren rechnen?
Unter Behandlung mit Östrogenen und Gestagenen sind einige Nebenwirkungen zu erwarten. Durch eine niedrige Einstiegsdosis und eine langsame Steigerung der verabreichten Hormonmengen können einige der Nebenwirkungen abgeschwächt oder sogar vollständig vermieden werden. Andere Nebenwirkungen verschwinden mit der Zeit von selbst.
Zu den häufigsten bekannten Nebenwirkungen zählen unter anderem:
- Gewichtszunahme
- Unregelmäßigkeit der Menstruationsblutung
- Bauch- und Kopfschmerzen
- Spannungsgefühl in der Brust
Das Risiko für das Auftreten bestimmter Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bösartige Tumore ist durch die Hormonersatztherapie grundsätzlich in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren wie dem Alter, der verabreichten Dosis und der Dauer der Therapie erhöht. Das Risiko für einen Schlaganfall steigt dosisabhängig und vor allem in Verbindung mit zusätzlichen Risikofaktoren wie Rauchen, zunehmendem Alter und Bluthochdruck.5
Ist das Risiko abhängig von der Darreichungsform?
Grundsätzlich bieten verschiedene Darreichungsformen unterschiedliche Vor- und Nachteile, beispielsweise in Bezug auf die gleichmäßige Freisetzung des Wirkstoffes oder der Menge, die den Wirkort erreicht, sowie möglichen Wechselwirkungen auf dem Weg durch den Körper.
Eine Gruppe von Wissenschaftlern untersuchte 2010 anhand von Daten aus der britischen Datenbank General Practice Research Database (GPRD) den Zusammenhang zwischen einer Hormonersatztherapie und dem Auftreten eines Schlaganfalls.7,8 Die GPRD ist die weltweit größte computergestützte Datenbank mit umfangreichen Daten von Patienten aus der allgemeinärztlichen Grundversorgung.
Insgesamt wurden 870.000 Frauen im Alter von 50 bis 79 Jahren in die Studie eingeschlossen, die zu Studienbeginn keinen Schlaganfall erlitten hatten.
Die Hormonersatztherapie wurde für die Studie in folgende Kategorien eingeteilt:
- Alleinige Therapie mit Östrogenen
– Unterkategorien: Weitere Einteilung nach Art der Verabreichung (über den Mund oder über die Haut) und nach der Dosis (hoch dosiert, niedrig dosiert)
- Kombinationstherapie mit Östrogenen und Gestagenen
- Alleinige Therapie mit Gestagenen
- Therapie mit Tibolon, einem synthetischen Kombinations-Hormonpräparat mit Östrogen-, Gestagen- und männlicher Geschlechtshormon-Wirkung
Insgesamt erlitten 15.710 Frauen einen Schlaganfall in der Nachbeobachtungsphase. Die Studie konnte zeigen, dass bei oraler Hormonersatztherapie das Schlaganfallrisiko erhöht war – und zwar sowohl bei niedriger als auch bei hoher Dosierung.
Eine Hormonersatztherapie mit einer niedrigen Östrogendosis, die mittels Pflaster transdermal über die Haut verabreicht wurde, erhöhte das Risiko hingegen nicht. Bei hochdosierten Pflastern oder einer Anwendungsdauer von über einem Jahr stieg das Risiko.
Das Schlaganfallrisiko ist der Studie zufolge offensichtlich abhängig vom Anwendungsweg, aber im Folgenden auch von Dosierung und Anwendungsdauer.
Die Studie war eine sogenannte Fall-Kontroll-Studie. Um sichere Aussagen hinsichtlich einer tatsächlichen Abhängigkeit des Schlaganfallrisikos von Anwendungsweg, Dosierung und Anwendungsdauer treffen zu können, sind weitere Studien erforderlich. Diese Studien erfordern die Einteilung in eine experimentelle Gruppe und eine Kontrollgruppe. Zudem muss die Zuteilung der Studienmedikation (Hormonersatztherapie oder Nichtbehandlung beziehungsweise Scheinpräparat) hierbei zufällig erfolgen.
Eine groß angelegte nationale Kohortenstudie aus dem Jahr 2017 zeigte, dass die transdermale Hormonersatztherapie nicht zu einem erhöhten Schlaganfallrisiko führt. Ein Hirninfarkt trat hingegen gehäuft auf, wenn die Hormonersatztherapie mit Präparaten durchgeführt wurde, die oral – also über den Mund – eingenommen wurden.9
Hormonersatztherapie bei Schilddrüsenhormonmangel
Eine Form der Hormonersatztherapie kann auch erforderlich werden, wenn ein Mangel an Schilddrüsenhormonen vorliegt. Diese Hormonbehandlung erfolgt geschlechtsunabhängig. Üblicherweise erfolgt die Behandlung nach Feststellung der entsprechenden Diagnose ein Leben lang.
Wann wird eine Hormontherapie mit Schilddrüsenhormonen empfohlen?
Die HST mit dem Hormon Levothyroxin ist die Therapie der Wahl, wenn eine Vergrößerung der Schilddrüse bei normaler Schilddrüsenfunktion, eine Schilddrüsenunterfunktion oder eine vergrößerte Schilddrüse bei gleichzeitiger Schilddrüsenunterfunktion vorliegt.10
Welche Schilddrüsenhormone werden für die Hormonersatztherapie eingesetzt?
Das auch als L-Thyroxin oder T4 bezeichnete Levothyroxin wird meist einer Therapie mit dem als T3 bezeichneten Trijodthyronin vorgezogen, obwohl L-Thyroxin als Speicherform des Schilddrüsenhormons gilt und Trijodthyronin als Arbeitsform.11
T3 ist zwar die im Körper stärker wirksame Form, jedoch mit einer Halbwertszeit von nur einem Tag dem mit 7 Tagen deutlich langlebigeren T4 unterlegen.
Hintergrundwissen: Levothyroxin
In den Vereinigten Staaten von Amerika war Levothyroxin zwischen 2017 und 2018 das am dritthäufigsten verschriebene Medikament.12 Eine Zahl, die den Stellenwert dieser Form von Hormonersatztherapie unterstreicht.
Wie wird der Therapieerfolg bei der Hormonersatztherapie mit Schilddrüsenhormonen überwacht?
Die Dosierung erfolgt anhand der gemessenen Blutwerte des sogenannten Thyreoidea-stimulierenden Hormons, kurz TSH. Dessen Aufgabe ist normalerweise die natürliche Regulierung der Schilddrüsenhormonproduktion.
Wie wird das Schilddrüsenhormon eingenommen?
L-Thyroxin wird üblicherweise täglich morgens oder abends mindestens 30 Minuten vor einer Mahlzeit oral in Tablettenform mit Leitungswasser eingenommen.
Die Nüchterneinnahme soll gewährleisten, dass möglichst viel Wirkstoff nach Passage des Magen-Darm-Trakts in die Blutbahn aufgenommen, also resorbiert wird. Hierdurch werden Wechselwirkungen mit Nahrungsbestandteilen wie beispielsweise Calcium in Milch, Multivitaminsaft oder Mineralwasser vermieden. Calcium setzt die Bioverfügbarkeit von L-Thyroxin herab.
Welche Risiken und Nebenwirkungen hat die Hormonersatztherapie mit Schilddrüsenhormonen?
Mögliche Nebenwirkungen ergeben sich aus dem Eingreifen in die Schilddrüsenfunktion: Schilddrüsenhormone haben grundsätzlich Einfluss auf zahlreiche Körperfunktionen, darunter:
- Blutdruck und Herzfrequenz
- Gehirnaktivität und Psyche
- Blutfettwerte und Fettstoffwechsel
- Insulinproduktion und Kohlenhydratstoffwechsel
- Körpergewicht und Energiestoffwechsel
Die Einnahme kann unter anderem zu Herzrasen, Unruhe und Ängstlichkeit führen – vor allem, wenn die Dosis zu schnell gesteigert wurde. Ein Blick auf die Körperfunktionen, die durch die Schilddrüsenhormone beeinflusst werden, zeigt, warum hier auch ein erhöhtes Schlaganfallrisiko möglich ist. Bluthochdruck gilt als Risikofaktor Nummer 1 für Schlaganfälle. Aber auch erhöhte Blutfette und ein erhöhter Blutzucker werden beispielsweise mit einem gesteigerten Schlaganfallrisiko in Verbindung gebracht.
Ziel einer im Jahr 2021 publizierten Studie war es, den Zusammenhang zwischen der Intensität einer Behandlung mit Schilddrüsenhormonen und dem Auftreten von Schlaganfall und Vorhofflimmern zu untersuchen.13
Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass sowohl eine Schilddrüsenüberfunktion mit einem Überschuss an Levothyroxin und einem niedrigen TSH-Wert als auch eine Schilddrüsenunterfunktion mit einem Levothyroxin-Mangel und einem hohen TSH-Wert bei Patienten unter Einnahme des Hormons im Laufe der Zeit das Schlaganfallrisiko und das Risiko für Vorhofflimmern erhöhen.
Wann sollte auf eine Hormonersatztherapie mit Schilddrüsenhormonen verzichtet werden?
In den folgenden Fällen sollte unter keinen Umständen eine HST mit L-Thyroxin erfolgen:
- Direkt nach einem Herzinfarkt, bei dem es durch eine Durchblutungsstörung zu einem Untergang des als Myokard bezeichneten Herzmuskelgewebes gekommen ist.
- Bei Vorliegen der koronaren Herzkrankheit, bei der die Herzkranzgefäße, die das Herz mit sauerstoffreichem Blut versorgen, verkalkt sind.
- Bei zu schnellem, unregelmäßigem Herzschlag – sogenannten Tachyarrhythmien.
- Bei einer Schilddrüsenüberfunktion, der Hyperthyreose.
Hormonersatztherapie mit Testosteron
Wann wird eine Testosteronersatztherapie durchgeführt?
Eine weitere häufige Form der Hormonersatztherapie wird zur Behandlung von Männern eingesetzt, bei denen eine hormonelle Funktionsstörung in den als Hoden bezeichneten männlichen Keimdrüsen vorliegt. Durch diese Funktionsstörung kommt es zu einem Testosteronmangel, der mittels Hormonersatztherapie ausgeglichen werden kann. Die Hormonersatztherapie mit Testosteron wird auch als Testosteronsubstitutionstherapie oder kurz als TST bezeichnet.
Welche Anwendungswege und Darreichungsformen stehen für Testosteron zur Verfügung?
Folgende Anwendungswege und Darreichungsformen stehen allgemein für eine Hormonersatztherapie mit Testosteron zur Verfügung:14
- Oral über den Mund: Testosteron kann in Form von Tropfen, Spray oder Tabletten verabreicht werden, deren Wirkstoff unter der Zunge (sublingual) oder in der Wange (bukkal) über die Schleimhaut aufgenommen wird.
- Transdermal über die Haut: Eine Verabreichung über die Haut kann mit Hilfe von Cremes, Lösungen, Pflastern oder Gelen erfolgen.
- Als Hormonimplantat am Unterleib unter der Bauchdecke.
- Als intramuskuläre Injektion mit Hilfe einer Spritze in den Gesäßmuskel.
Für die transdermale Verabreichung über die Haut wird häufig ein Gel verwendet, da dieses – vor allem in Dosierspendern – gut dosierbar und relativ nebenwirkungsarm ist. Orale Darreichungsformen sind zwar auf dem Markt, jedoch ist deren Anwendung nicht ganz unproblematisch.
Orale Testosteronabkömmlinge der älteren Generation müssen mehrfach täglich eingenommen werden, haben nicht ausreichende oder ungleichmäßige Wirkung und es mangelt an geeigneten Labortests zum Nachweis der Konzentration im zellfreien Anteil des Bluts, dem Blutplasma. Zudem ist eine schädliche Wirkung auf die Leber nicht ausgeschlossen und diese Art der Testosteron-Arzneimittel beeinflusst das Verhältnis zwischen dem guten und dem schlechten Cholesterin, also dem High-Density-Lipoprotein- und Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin – kurz HDL und LDL – negativ.
Zwar stehen in Deutschland noch andere Testosteronpräparate in Form von Weichkapseln zur oralen Einnahme zur Verfügung, jedoch haben auch diese nur eine kurze Wirkdauer und führen zu schwankenden Testosteronspiegeln und Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt. Die Zulassung von US-amerikanischen Alternativpräparaten mit verlängerter Wirkdauer und stabileren Testosteronspiegeln in Deutschland steht noch aus.
Erhöht die Testosteronersatztherapie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen?
Die Datenlage in der Literatur zum Einfluss der Testosteronersatztherapie auf das Herz-Kreislauf-Risiko ist zum Teil widersprüchlich und unzureichend. Während einige Quellen über ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte berichten, gibt es ebenso Hinweise auf gegenteilige Effekte. Zum Teil wird der TST sogar eine Herz-Kreislauf-schützende Wirkung zugeschrieben.
Die im Juli 2023 publizierte TRAVERSE-Studie untersuchte den möglichen Einfluss der Testosteronersatztherapie auf das Herz-Kreislauf-Risiko an knapp 5.250 Männern im Alter von 45 bis 80 Jahren.15 Die Männer zeigten Symptome eines Testosteronmangels aufgrund einer hormonellen Funktionsstörung und hatten bereits eine Herz-Kreislauf-Erkrankung oder ein erhöhtes Risiko dafür.
Es erfolgte eine zufällige Einteilung in zwei Gruppen:
- Testgruppe: Den Männern der Testgruppe wurde für einen Zeitraum von etwa 2 Jahren ein Testosteronpräparat in Form eines Gels verabreicht
- Kontrollgruppe: Die Männer der Kontrollgruppe erhielten für den gleichen Zeitraum ein Scheinpräparat. Scheinpräparate sind nicht von dem zu testenden Studienprodukt unterscheidbar, enthalten jedoch keinen Wirkstoff.
Weder der Studienarzt, noch die Studienteilnehmer hatten Kenntnis über die Gruppenzugehörigkeit zu Kontroll- oder Experimentalgruppe. Über eine Nachbeobachtungszeit von 33 Monaten wurde das Auftreten von schwerwiegenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen überwacht.
Die Studie konnte zeigen, dass die mit dem Testosterongel behandelte Testgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe kein erhöhtes Risiko für tödliche Herz-Kreislauf-Ereignisse, Herzinfarkte oder Schlaganfälle hatte. Allerdings wurde in der Testosteron-Gruppe ein vermehrtes Auftreten von akuten Nierenschädigungen, Herzrhythmusstörungen mit zu schnellem Herzschlag – sogenanntes Vorhofflimmern – und Blutgerinnseln in Blutgefäßen der Lunge beobachtet.
Wichtig: Aktueller Forschungsstand zum Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch Testosteronbehandlung
Nach den Erkenntnissen der sogenannten TRANSVERSE-Studie, die im Juli 2023 publiziert wurden, scheint die Testosteronbehandlung das Risiko für bestimmte Arten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erhöhen, jedoch nicht das Risiko für einen Schlaganfall oder Herzinfarkt.
Zusammenfassung
Es gibt unterschiedliche Krankheitsbilder und Beschwerden, die das Eingreifen in den körpereigenen Hormonhaushalt durch eine Hormonersatztherapie sinnvoll beziehungsweise erforderlich machen.
Im klassischen engeren Sinn wird mit der Hormonersatztherapie das Verabreichen weiblicher Geschlechtshormone zur Linderung von Beschwerden bezeichnet, die durch einen natürlichen Rückgang dieser Hormone in den sogenannten Wechseljahren verursacht werden. Darüber hinaus meint die Hormonersatztherapie im weiteren Sinn aber auch jegliche andere Therapie, bei der dem Körper von außen Hormone zugeführt werden, um einen körpereigenen Hormonmangel auszugleichen.
Jede Form von Hormonersatztherapie ist mit gewissen Risiken verbunden, die jedoch zum Teil über die Wahl der geeigneten Dosis, Anwendungsart und Anwendungsdauer minimiert werden können.
Drei wichtige Anwendungsgebiete für die Hormonersatztherapie sind die Verabreichung von Östrogenen und/oder Gestagenen in den Wechseljahren, die Einnahme von Levothyroxin bei einem Mangel an Schilddrüsenhormonen und die Testosteronsubstitution. Alle drei Arten der Hormonersatztherapie stehen mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Zusammenhang.
Während bei der Hormonersatztherapie in den Wechseljahren und bei der Behandlung der Schilddrüsenunterfunktion mit Levothyroxin unter bestimmten Bedingungen eindeutig das Risiko für einen Schlaganfall erhöht ist, scheint die Testosteronsubstitution eher das Risiko für andere Arten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen – unter anderem Blutgerinnsel in Blutgefäßen der Lunge – zu erhöhen. Ein erhöhtes Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt kann nach aktuellem Forschungsstand hierbei nicht nachgewiesen werden.
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Autoren
Dipl.-Biol. Claudia Helbig unter Mitarbeit von Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen
Claudia Helbig ist Diplom-Human- und Molekularbiologin und hat zuvor eine Ausbildung zur Arzthelferin absolviert. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Medizinischen Biochemie und Molekularbiologie hat sie Medizinstudenten in Pathobiochemie-Seminaren und Praktika betreut. Nach Ihrer Arbeit in der pharmazeutischen Forschung hat sie in einem Auftragsforschungsinstitut für klinische Studien unter anderem Visiten mit Studienteilnehmern zur Erhebung von Studiendaten durchgeführt und Texte für die Website verfasst. Mit ihrem interdisziplinären Hintergrund und ihrer Leidenschaft zu schreiben möchte sie naturwissenschaftliche Inhalte fachlich fundiert, empathisch und verständlich an Interessierte vermitteln. [mehr]
Quellen
- Pschyrembel Klinisches Wörterbuch; 266. aktualisierte Auflage; 2014 – Autoren: Pschyrembel, Willibald; Arnold, Ulrike – Publikation: Walter de Gruyter & Co. Verlag; Berlin
- Hormonersatztherapie; Besins Healthcare Germany GmbH – URL: https://www.hormonspezialisten.de/indikationen/wechseljahresbeschwerden/hormonersatztherapie/
- Oral Contraceptives, Hormone Replacement Therapy, and Stroke Risk (2022) – Autoren: Johansson, Therese; Fowler, Philip; Ek, Weronica E:; Skalkidou, Alkistis; Karlsson, Torgny; Johansson, Åsa – Publikation: Stroke. 2022;53:3107–3115 – DOI: 10.1161/STROKEAHA.121.038659
- HRT und kardiovaskuläre Erkrankungen; Besins Healthcare Germany GmbH – URL: https://www.hormonspezialisten.de/indikationen/wechseljahresbeschwerden/kardiovaskulaere-erkrankungen/
- Kurzlehrbuch Gynäkologie und Geburtshilfe; 2. aktualisierte Auflage (2015) – Autoren: Gätje, Regine; Eberle, Christine; Scholz, Christoph; Lübke, Marion; Solbach, Christine – Publikation: Georg Thieme Verlag GmbH, Stuttgart; ISBN: 978-3-13-147882-5; 978-3-13-165962-0
- Die Rolle der Östrogene (17.07.2023) (abgerufen am 30.10.2024) – Autor: Besins Healthcare – URL: https://wechseljahre-verstehen.de/wechseljahre/die-rolle-der-oestrogene/
- Transdermal and oral hormone replacement therapy and the risk of stroke: a nested case-control study (2010) – Autoren: Renoux, C.; Dell’Aniello, S.; Garbe, E.; Suissa, S. – Publikation: BMJ 2010; 340: c2519 – DOI: https://doi.org/10.1136/bmj.c2519
- HRT: Hormonpflaster ohne Schlaganfallrisiko? (25.10.2010) – Autor: Beise, Uwe – Publikation: ARS MEDICI 21/10 – URL: https://www.rosenfluh.ch/arsmedici-2010-21/hrt-hormonpflaster-ohne-schlaganfallrisiko
- Risk of Stroke With Various Types of Menopausal Hormone Therapies: A National Cohort Study (2017) – Autoren: Løkkegaard, Ellen; Nielsen, Lars Hougaard; Keiding, Niels – Publikation: Stroke Volume 48, Issue 8, August 2017, Pages 2266-2269 – DOI: 10.1161/STROKEAHA.117.017132
- Kurzlehrbuch Pharmakologie und Toxikologie, 5. überarbeitete Auflage (2024); Kapitel 14: Endokrine Systeme: Hypophyse, Schilddrüse und weitere; Unterkapitel 14.3 Schilddrüsenhormone und Erkrankungen der Schilddrüse – Autoren: Böhm, Ruwen; Herdegen, Thomas – Publikation: Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart – DOI: 10.1055/b000000849
- Produktion von Schilddrüsenhormonen; Deutsches Schilddrüsenzentrum® – Autor: Prof. Dr. med. Zieren, Hans Udo – URL: https://www.deutsches-schilddruesenzentrum.de/wissenswertes/funktion-der-schilddruese/hormone-und-hormonproduktion-der-schilddruese/
- Hypothyroidism: Is thyroid hormone treatment in hypothyroidism a risk factor for stroke? (2021) – Autorin: Block-Galarza, Jessie – Publikation: Clinical ThyroidologyⓇ for the Public, Volume 14, Issue 11, November 2021, S. 7-8 – URL: https://www.thyroid.org/wp-content/uploads/publications/ctfp/ct_public_v1411.pdf
- Thyroid Hormone Therapy and Incident Stroke (2021) – Autoren: Papaleontiou, Maria; Levine, Deborah A.; Reyes-Gastelum, David; Hawley, Sarah T.; Banerjee, Mousumi; Haymart, Megan R. – Publikation: J Clin Endocrinol Metab. 2021;106(10):e3890-e3900 – DOI: 10.1210/clinem/dgab444
- Darreichungsformen einer Testosterontherapie; Besins Healthcare Germany GmbH – URL: https://www.hormonspezialisten.de/indikationen/testosteronmangel/darreichungsformen/
- Cardiovascular Safety of Testosterone Replacement Therapy (2023) – Autoren: Lincoff, A. Michael; Bhasin, Shalender; Flevaris, Panagiotis; Mitchell, Lisa M.; Basaria, Shehzad et al. – Publikation: N Engl J Med 2023;389:107-17 – DOI: 10.1056/NEJMoa2215025