Können fünf Minuten Sport am Tag den Blutdruck senken? ▷ Studie

Bereits fünf Minuten sportlicher Betätigung, wie beispielsweise Laufen oder Fahrradfahren, reichen aus, um den Blutdruck zu senken. (Foto: Prostock-studio | Shutterstock)
Hintergrund und Ziel der Studie
Bluthochdruck, die Hypertonie, ist eine weltweit sehr häufig auftretende Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems und Hauptrisikofaktor für einen Schlaganfall oder Herzinfarkt.
In Deutschland ist die erwachsene Bevölkerung zu insgesamt etwa 30 Prozent betroffen.1 Das sind circa 25,3 Millionen Menschen, die an einem Bluthochdruck leiden.
Vorkommen von Bluthochdruck in Deutschland im Jahr 2022 nach Alter und Geschlecht (Grafik modifiziert nach Statista).1
Es ist bereits seit langem bekannt, dass regelmäßige Bewegung eine positive, blutdrucksenkende Wirkung hat. Die aktuellen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation liegen bei 30 Minuten körperlicher Aktivität an 5 Wochentagen. Viele Menschen kommen diesen Empfehlungen in ihrem Alltag nicht nach.
In der in diesem Artikel vorgestellten Querschnittsstudie vom November 2024 sollte der Einfluss des täglichen Bewegungsverhaltensmusters im Verlauf von 24 Stunden auf den Blutdruck untersucht werden.2
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Das tägliche Bewegungsmuster war aus folgenden sechs Bestandteilen zusammengesetzt:
- Schlafen
- Sitzende Tätigkeit
- Stehen
- Langsames Gehen mit weniger als 100 Schritten pro Minute
- Schnelles Gehen mit mindestens 100 Schritten pro Minute
- Kombinierte trainingsähnliche körperliche Aktivität, beispielsweise Laufen oder Fahrradfahren
Hintergrundwissen: Was ist eine Querschnittsstudie?
Bei einer Querschnittsstudie werden von den Studienteilnehmern zu einem bestimmten Zeitpunkt Daten erhoben. Sie dienen der Erkennung von Zusammenhängen und Mustern. Querschnittsstudien haben den Vorteil, dass keine langen Nachbeobachtungszeiten erforderlich sind. Sie sind als Momentaufnahme zu bewerten.Eine Querschnittsstudie ist eine Form der Beobachtungsstudie, bei der keine zusätzlichen Untersuchungen durchgeführt werden.
Bei einer Längsschnittstudie werden im Gegensatz dazu über einen festgelegten Zeitraum mehrere Daten zu bestimmten Zeitpunkten erhoben.
Ablauf der Studie
Für die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen der Bewegung im Alltag und dem Blutdruck wurden folgende Daten von insgesamt 15.376 Studienteilnehmern aus 6 Kohortenstudien zusammengetragen:
- Blutdruckmessungen mit automatischen Blutdruckmessgeräten (durch Fachpersonal)
- Daten von Beschleunigungssensoren, die die Studienteilnehmer am Oberschenkel trugen (tragbare Bewegungstracker)
Die Blutdruckmessungen wurden über einen Zeitraum von 7 Tagen über je 24 Stunden gesammelt. Vor jeder Blutdruckmessung wurde eine Ruhephase von 5 bis 10 Minuten eingehalten. Es wurde dann der Durchschnitt aus 2 bis 3 Messungen gebildet. Die Studienteilnehmer erhielten jeweils am Tag der Hauptdatenerhebung den Beschleunigungssensor.
Die in dieser Querschnittsstudie ausgewerteten Kohortenstudien wurden in den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich, Australien, Dänemark und Finnland durchgeführt.
Hintergrundwissen: Was ist eine Kohorte?
Als Kohorte wird eine Gruppe von Studienteilnehmern bezeichnet, die über einen definierten Zeitraum hinweg beobachtet wird. Innerhalb dieses Zeitraums zeigt die Gruppe entweder ein gleiches Merkmal – wie beispielsweise das gleiche Alter – oder eine andere Art von Gemeinsamkeit, die für die jeweilige Studie entscheidend ist. Die Studienteilnehmer innerhalb einer Kohorte der in diesem Artikel vorgestellten Studie haben als Gemeinsamkeit das ausgeführte Bewegungsverhalten.
Aus den zusammengeführten Daten wurden die durchschnittlichen Minuten pro Tag berechnet, die mit jedem unterschiedlichen Bewegungsverhalten verbracht wurden.
In die Auswertung konnten die Daten von 14.761 Teilnehmern mit vollständigen Datensätzen einbezogen werden. Die Teilnehmer hatten ein Durchschnittsalter von 54 Jahren.
Das Ergebnis der Querschnittsanalyse
Die Analyse zeigte, dass die Studienteilnehmer den größten Teil des Tages mit einer sitzenden Tätigkeit verbrachten.
Das Bewegungsverhalten setzte sich wie folgt zusammen:
- Sitzende Tätigkeit: durchschnittlich 10,7 Stunden pro Tag
- Stehen: durchschnittlich 3,2 Stunden pro Tag
- Langsames Gehen: durchschnittlich 1,6 Stunden pro Tag
- Schnelles Gehen: durchschnittlich 1,1 Stunden pro Tag
- Kombinierte trainingsähnliche körperliche Aktivität: 16 Minuten pro Tag
Der Vergleich der Bewegungsmuster mit den Blutdruckwerten zeigte, dass mit steigender Bewegung der Blutdruck sank. Die blutdrucksenkende Wirkung von regelmäßiger Bewegung ist bereits seit längerem bekannt. Die aktuelle Querschnittsanalyse zeigte jedoch darüber hinaus, dass der blutdrucksenkende Effekt bereits bei fünf Minuten körperlicher Aktivität am Tag auftrat.
So konnte der systolische Blutdruck durch 5 Minuten trainingsähnlicher Bewegung täglich um 0,68 mmHg und der diastolische Blutdruck um 0,54 mmHg im Vergleich zu sitzender Tätigkeit gesenkt werden.
Hintergrundwissen: Was bedeutet systolischer und diastolischer Blutdruck?
Der höchste Druck, der in den Blutgefäßen während der Systole – dem Zusammenziehen der Herzkammern – entsteht, wird als systolischer Blutdruck bezeichnet. Durch dieses Zusammenziehen wird das Blut in den Körper gepumpt.
Anschließend entspannt sich der Herzmuskel und das Herz füllt sich wieder mit Blut für die nächste Systole. Dieser Zustand heißt Diastole. Der nun messbare Blutdruck wird als diastolischer Blutdruck bezeichnet. Es ist der niedrigste messbare Druck in den Gefäßen.
Nach den Berechnungen der Wissenschaftler könnte der systolische Blutdruck schon bereits um 2 mmHg gesenkt werden, wenn 20 Minuten schnellen Gehens, 21 Minuten sitzender Tätigkeit, 22 Minuten stehender Tätigkeit, 26 Minuten langsamen Gehens oder 27 Minuten Schlaf jeweils durch Laufen oder Fahrrad fahren ersetzt würden. Alle anderen Aktivitäten könnten ausgeübt werden wie bisher.
Für die Senkung des diastolischen Blutdrucks um 1 mmHg müssten die Bewegungsmuster wie folgt durch die gleiche Zeit in trainingsähnlicher Aktivität wie Laufen oder Rad fahren ersetzt werden:
- 10 Minuten schnelles Gehen
- 11 Minuten sitzende Tätigkeit
- 13 Minuten Schlaf
- 14 Minuten langsames Gehen
- 15 Minuten stehende Tätigkeit
Zudem müsste jedoch die sitzende Tätigkeit erheblich durch ein anderes Bewegungsverhalten ersetzt werden.
Was bedeutet die Studie für den Alltag?
Eine Senkung des Blutdrucks um 2/1 mmHg reicht nicht aus, um einen Bluthochdruck zu rückgängig zu machen.
Eine zusammenfassende statistische Auswertung von 48 Studien mit 344.716 Studienteilnehmern aus dem Jahr 2021 konnte jedoch zeigen, dass eine Senkung des systolischen Blutdrucks um 5 mmHg bereits ausreicht, um das Risiko für schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie den Schlaganfall um 10 Prozent zu senken.3
Dass bereits 5 Minuten sportlicher Aktivität wie beispielsweise Laufen oder Fahrrad fahren den Blutdruck – wenn auch nur geringfügig – senken können, ist eine ermutigende Erkenntnis.
Auch wenn weiterhin die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen 30 Minuten an 5 Tagen pro Woche angestrebt werden sollten, um deutliche positive Auswirkungen auf die Gesundheit zu erzielen, sind 5 Minuten sportliche Aktivität am Tag ein lohnenswerter Anfang.
Praxistipp: Auch kleine Schritte führen zum Ziel
Jede noch so kurze sportliche Betätigung ist förderlich für Ihre Gesundheit. Nutzen Sie die in diesem Artikel vorgestellten Studienergebnisse als Ansporn. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, um kurze sportliche Bewegungseinheiten in Ihren Alltag zu integrieren.
Erledigen Sie kleine Zusatzeinkäufe beim Supermarkt in der Nähe üblicherweise mit dem Auto? Vielleicht könnten Sie diese auch mit dem Fahrrad erledigen. Holen Sie Ihr Kind zu Fuß beim Kindergarten oder in der Schule ab? Prima! Wie wäre es mit einem 5-minütigen kleinen Wettrennen?
Sie werden sehen: Bewegung macht Spaß und tut wirklich gut. Und an den richtigen Stellen in den Alltag integriert, sind kleine sportliche Einheiten selbst für stark (beruflich) eingespannte Menschen ohne Zeitverlust an anderer Stelle umsetzbar. Ganz nebenbei können Sie Ihr Schlaganfallrisiko und das Risiko für weitere schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken.
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Artikel aktualisiert am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autoren
Dipl.-Biol. Claudia Helbig unter Mitarbeit von Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen
Claudia Helbig ist Diplom-Human- und Molekularbiologin und hat zuvor eine Ausbildung zur Arzthelferin absolviert. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Medizinischen Biochemie und Molekularbiologie hat sie Medizinstudenten in Pathobiochemie-Seminaren und Praktika betreut. Nach Ihrer Arbeit in der pharmazeutischen Forschung hat sie in einem Auftragsforschungsinstitut für klinische Studien unter anderem Visiten mit Studienteilnehmern zur Erhebung von Studiendaten durchgeführt und Texte für die Website verfasst. Mit ihrem interdisziplinären Hintergrund und ihrer Leidenschaft zu schreiben möchte sie naturwissenschaftliche Inhalte fachlich fundiert, empathisch und verständlich an Interessierte vermitteln. [mehr]
Quellen
- 12-Monats-Prävalenz von Bluthochdruck in Deutschland nach Alter und Geschlecht im Jahr 2022 (in Prozent) – URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1394226/umfrage/12-monats-praevalenz-von-bluthochdruck-nach-alter-und-geschlecht-in-deutschland/
- Device-Measured 24-Hour Movement Behaviors and Blood Pressure: A 6-Part Compositional Individual Participant Data Analysis in the ProPASS Consortium (2024) – Autoren: Blodgett, Joanna M.; Ahmadi, Matthew N.; Atkin, Andrew J.; et al. – Publikation: Circulation. 2024 Nov 6 – DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.124.069820
- Pharmacological blood pressure lowering for primary and secondary prevention of cardiovascular disease across different levels of blood pressure: an individual participant-level data meta-analysis (2021) – Autoren: Rahimi, Kazem; et. al. – Publikation: The Lancet, Volume 397, Issue 10285, 1625 – 1636 – DOI: 10.1016/S0140-6736(21)00590-0