Adipositas bei Kindern ▷ Häufigkeit, Vorbeugung, Folgen, Behandlung

Insgesamt sind 15 % der Kinder und Jugendlichen von 3 bis 17 Jahren übergewichtig und 6,3 % leiden unter Adipositas (Foto: BELL KA PANG | Shutterstock)
In diesem Artikel:
- Wie viele Kinder und Jugendliche sind von Übergewicht bzw. Adipositas betroffen?
- Was sind die Herz-Kreislauf-Hauptrisikofaktoren im Kindesalter?
- Was sind die Folgen?
- Vorbeugung
- Behandlung
Wie viele Kinder und Jugendliche sind von Übergewicht und Adipositas betroffen?
Die Ergebnisse des bundesweiten Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS) von 2007 zeigen eindrucksvoll die hohen Zahlen von Kindern und Jugendlichen mit Übergewicht und Adipositas:
Insgesamt sind 15 % der Kinder und Jugendlichen von 3 bis 17 Jahren übergewichtig und 6,3 % leiden unter Adipositas. Hochgerechnet auf Deutschland entspricht dies einer Zahl von ca. 1,9 Millionen übergewichtigen Kindern und Jugendlichen, darunter ca. 800.000 Adipöse.
In der KiGGS Welle 2 aus den Jahren 2014 und 2017 beträgt die Häufigkeit von Übergewicht einschließlich Adipositas bei Mädchen und Jungen im Alter von 3 bis 17 Jahren 15,4%. Die Adipositasprävalenz, d.h. die Häufigkeit liegt bei 5,9%.
Betrachtet man allerdings diese Ergebnisse vor dem Hintergrund der Referenzpopulation aus den 1980er- und 1990er-Jahren, so hat sich in der Gruppe der Kinder und Jugendlichen der Anteil der Übergewichtigen und Adipösen um 50 % erhöht.
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Bei Erwachsenen sehen die Ergebnisse allerdings noch dramatischer aus, denn laut einer Studie von “Gesundheit in Deutschland aktuell” (GEDA) aus 2019/2020 sind in Deutschland 53,5 % der Erwachsenen von Übergewicht bzw. Adipositas betroffen, Männer häufiger als Frauen. Die Adipositasprävalenz liegt für beide Geschlechter bei 19,0 %.
Was sind die Herz-Kreislauf-Hauptrisikofaktoren im Kindesalter?
Tatsächlich gibt es einige Herz-Kreislauf-Risikofaktoren, die bereits im Kindesalter angelegt werden. Dazu zählen insbesondere:
- Adipositas
- Bluthochdruck
- Blutzuckererkrankung (Diabetes mellitus Typ II)
- Fettstoffwechselstörungen (erhöhte Cholesterine und Triglyceride)
- Eiweißstoffwechselstörungen (erhöhte Harnsäurewerte)
- Bewegungsmangel
Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass allein die Adipositas zu einer deutlichen Zunahme von Bluthochdruck und verschiedenen Stoffwechselstörungen führt.
Was sind die Folgen?
Eine in der Kindheit nicht behandelte Adipositas führt teilweise schon im jüngeren Erwachsenenalter zu schwerwiegenden bis sogar tödlichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie z.B. Schlaganfall, Herzinfarkt oder arterielle Verschlusskrankheit.
Aber Adipositas, insbesondere wenn es sich schon im Kindesalter manifestiert, ist (leider) nicht nur ein Herz-Kreislauf-Risikofaktor.
Denn ein zu hohes Gewicht setzt dem bereits kindlichen Körper auch in anderen Bereichen zu, so dass man bei der Adipositas von einem „negativen Allrounder“ sprechen kann.
Ein Zuviel an Körpergewicht führt nämlich auch zu folgenden Erkrankungen und Beschwerden:
- Gelenkschädigungen durch Überlastung: Die Folgen sind Beschwerden, Schmerzen und oft dauerhafte Schädigungen, bedingt durch Abnutzungen der Gelenkflächen (insbesondere Hüft-, Knie- und Sprunggelenke), Fehlstellungen im unteren Rückenbereich (Lendenwirbelsäule und Hüftknochen) und Fußfehlstellungen (z.B. Senk- und Plattfuß), letztere begünstigt bei der „Sneaker-Generation“ durch oft fehlende ausreichende Fußbettung in den Sportschuhen.
- Übergewichtige und adipöse Kinder leiden zudem in höherem Maße an Allergien und Hauterkrankungen. Hierfür ist das bei ihnen oft herabgesetzte Immunsystem verantwortlich.
- Auch die Atemwege sind betroffen, denn die Quoten an Atembeschwerden und Entzündungen der Atemwege nehmen parallel zum steigenden Körpergewicht zu.
- Durch falsche Nahrungszusammensetzung sowie durch dauerhaft zu große Nahrungsaufnahme entstehen schon bei Kindern oftmals unterschiedliche Magen-Darm-Störungen die sich in Bauchschmerzen, Verdauungsbeschwerden (Durchfall, Verstopfung) und Magen-Darm-Entzündungen äußern.
- Die an der Verdauung maßgeblich beteiligten Bauchorgane Leber, Gallenblase und Bauchspeicheldrüse reagieren ebenfalls recht früh mit Symptomen, die eine Abnahme der Leistungsfähigkeit zur Folge haben: Fettleber, Gallenblasenentzündung oder -steine sowie Bauchspeicheldrüsenentzündung.
- Zu guter Letzt sind die z.T. schwerwiegenden negativen Auswirkungen gerade auf die Psyche der betroffenen Kinder und Jugendlichen keinesfalls außer Acht zu lassen. Diese leiden durch ihr Übergewicht vermehrt an Depressionen, Angst- und Persönlichkeitsstörungen und Isolationstendenzen.
Vorbeugung
Ziel einer ganzheitlichen Vorbeugung (Prävention) von Adipositas im Kindesalter ist ein dauerhaft gesunder Lebensstil und unbedingt im familiären Rahmen, z.B. durch ausgewogenes Ernährungsverhalten, regelmäßige körperliche Bewegung und (sehr wichtig) durch Psychohygiene.
Allein diese Maßnahmen im Kindesalter können Diabetes, Fett- und Eiweißstoffwechselstörungen und Bluthochdruck im frühen Erwachsenenalter vorbeugen.
Behandlung
Die Therapie der Adipositas im Kindesalter unterscheidet sich in der Basis kaum von der vorbeugenden Behandlung.
Allerdings sind hier unter Umständen weiterführende Behandlungen angezeigt. Zum einen sind medikamentöse Therapien, selbstverständlich immer unter Berücksichtigung des Kindesalters, möglich. Bestimmte, ab einem gewissen Alter zugelassene Präparate können sowohl den Blutdruck als auch die Stoffwechselwerte günstig beeinflussen.
Ferner sind auch eventuelle psychische Auslöser, wie z.B. familiäre Konflikte, Ausgrenzung, Mobbing, Missbrauch und Vernachlässigung, bei der Diagnose des kindlichen Übergewichts zu berücksichtigen und, sofern bestätigt, unbedingt primär zu behandeln.
Hier bieten sich zuallererst sowohl die Steigerung von Resilienz, also die Fähigkeit sich zu erholen und auf Herausforderungen und Veränderung zu reagieren, als auch die Nutzung von Coping-Strategien (Bewältigungsstrategien), die Verarbeitung von Stress, belastenden Situationen und Angst erleichtern sollen. Aber auch psychotherapeutische Maßnahmen können in schwerwiegenden Fällen zum Einsatz kommen.
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Autor
Dr. med. Mark Dankhoff ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Ernährungsmedizin, Diabetologische Grundversorgung, Hypertensiologie DHL, Adiposiologie DAG/AGA/DDG, Adipositas-Trainer AGA, Medizinischer Berater. Sein Schwerpunkt ist die Prävention und Therapie von kardiovaskulären Risikofaktoren und Erkrankungen. Seit 2021 ist er als Medical Advisor freiberuflich tätig. Dr. med. Mark Dankhoff ist Gründungsmitglied des „Im Puls. Think Tank Herz-Kreislauf e.V.“. [mehr]
Quellen
- Hans Hauner, Alfred Wirth: Adipositas – Ätiologie, Folgekrankheiten, Diagnostik, Therapie. Springer Berlin. ISBN 978-3-662-58894-9. Published: July 27, 2024. https://doi.org/10.1007/978-3-662-58895-6.
- Martin Wabitsch et al.: Adipositas bei Kindern und Jugendlichen – Grundlagen und Klinik. Springer Berlin. 2. Auflage. ISBN 978-3-662-59215-1 Published: June 1, 2022.
- B.-M. Kurth, Anja Schaffrath Rosario; Robert Koch-Institut, Berlin: Die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Ergebnisse des bundesweiten Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS). Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2007, 50:736–743, Springer Medizin Verlag. DOI 10.1007/s00103-007-0235-5.
- Anja Schienkiewitz, Anna-Kristin Brettschneider, Stefan Damerow, Angelika Schaffrath Rosario; Robert Koch-Institut, Berlin: Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends. Journal of Health Monitoring 2018 3(1) DOI 10.17886/RKI-GBE-2018-005.2.
- Anja Schienkiewitz, Ronny Kuhnert, Miriam Blume, Gert B.M. Mensink; Robert Koch-Institut, Berlin: Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen in Deutschland – Ergebnisse der Studie GEDA 2019/2020-EHIS. Journal of Health Monitoring 2022 7(3). DOI 10.25646/10292.
- Resthie R. Putri et al.: Effect of Pediatric Obesity Treatment on Long-Term Health. JAMA Pediatr. Published: online January 21, 2025. doi: 10.1001/jamapediatrics.2024.5552.
- Louise Lindberg et al.: Association of childhood obesity with risk of early all-cause and cause-specific mortality: A Swedish prospective cohort study. Published: March 18, 2020. 10.1371/journal.pmed.1003078
- Louise Lindberg et al.Anxiety and depression in children and adolescents with obesity: a nationwide study in Sweden. BMC Medicine volume 18, Article number: 30 (2020)