Gerinnungsstörungen als Risikofaktor für Schlaganfälle ▷ Symptome, Ursachen und Behandlung
Sowohl die vermehrte Blutungsneigung als auch die Thromboseneigung können lebensbedrohlich werden (Foto: angellodeco | Shutterstock)
Wie hängen Gerinnungsstörungen und Schlaganfälle zusammen?
Für ein gut funktionierendes Gerinnungssystem stehen die Bildung von Blutgerinnseln – sogenannten Thromben – und deren Auflösung in einem empfindlichen Gleichgewicht.1
Bei einem verletzten oder durch Arteriosklerose geschädigten Blutgefäß wird im Zuge des Reparaturvorgangs zunächst ein Thrombus an der Verletzungsstelle gebildet, um die Wunde zu verschließen. Dieser muss jedoch auch wieder aufgelöst werden, weil es sonst zum Gefäßverschluss kommen kann.
Entsteht der Verschluss an der Stelle, an der sich das Blutgerinnsel gebildet hat, spricht man von einer Thrombose. Das bekannteste Beispiel ist die Beinvenenthrombose.
Es kann jedoch auch zu einer Verschleppung (von Teilen) des Blutgerinnsels an andere Stellen des Blutgefäßsystems kommen. Bei der Beinvenenthrombose über den venösen Kreislauf in die Lunge als Lungenembolie. Man spricht dann von einer Thromboembolie – der Thrombus wird in diesem Fall als Embolus bezeichnet.
Ein anderes Beispiel ist die Thromboembolie einer Hirnarterie bei der Herzrhythmusstörung Vorhofflimmern, bei der sich Blutgerinnsel im linken Vorhof des Herzens bilden und mit dem Blutstrom in den Hirnkreislauf gelangen können.
Jegliche Störung dieses Gleichgewichts aus Entstehung und Auflösung von Blutgerinnseln bedeutet ein Risiko für das Auftreten von Schlaganfällen:
- Das Risiko für einen Hirninfarkt durch Blutmangel steigt durch übermäßige Blutgerinnungsreaktionen.
- Das Risiko für eine Hirnblutung ist durch eine ausbleibende oder zu schwache Blutgerinnung erhöht.
Hirninfarkte treten mit etwa 85 Prozent deutlich häufiger auf als Hirnblutungen oder Subarachnoidalblutungen, die etwa 15 Prozent aller Schlaganfälle ausmachen.2 Immer häufiger wird eine übermäßige Blutgerinnung als Ursache für einen Hirninfarkt festgestellt. Vor allem bei Patienten unter 45 Jahren sollte an eine Störung der Gerinnung gedacht werden.
Obwohl das Schlaganfall-Risiko durch Gerinnungsstörungen deutlich erhöht ist, wird bislang kein routinemäßiges Gerinnungsscreening empfohlen.1
Was ist eine Gerinnungsstörung?
Unter dem Begriff Gerinnungsstörung werden alle Störungen der Blutgerinnung zusammengefasst, die sich entweder in einer vermehrten oder verminderten Blutgerinnung äußern. Beide Formen der Gerinnungsstörung können angeboren oder erworben sein.3
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Welche Ursachen hat eine vermehrte Blutungsneigung?
Hämorrhagische Diathese
Die hämorrhagische Diathese ist eine krankhaft gesteigerte Neigung zu Blutungen. Das Wort Diathese stammt vom griechischen Wort diáthesis ab, was so viel wie “Anordnung” oder “Zustand” bedeutet. Das Wort hämorrhagisch stammt vom griechischen Wort haima ab und bedeutet “zu Blutungen führend” oder “mit Blutungen zusammenhängend”.
Die krankhaft gesteigerte Blutungsneigung kann entweder angeboren oder unter anderem durch die Einnahme von Medikamenten erworben sein.
Bei diesen, umgangssprachlich als „Blutverdünner“ bezeichneten, Arzneimitteln handelt es sich entweder um sogenannte Antikoagulantien oder um sogenannte Thrombozytenaggregationshemmer. Sie haben beide Einfluss auf die Blutungsneigung, gehören aber zu unterschiedlichen Wirkstoffklassen und haben verschiedene Wirkmechanismen.
Gleiche Wirkung – unterschiedliche Wirkweise
Antikoagulantien
Antikoagulantien werden umgangssprachlich auch als „Blutverdünner” oder „Gerinnungshemmer“ bezeichnet. Sie verlangsamen die Gerinnung und verhindern so die Ausbildung von Blutgerinnseln, sogenannten Thromben. Im Unterschied zu den Thrombozytenaggregationshemmern sind sie “echte“ Gerinnungshemmer. Direkt wirkende Antikoagulantien interagieren unmittelbar mit den Gerinnungsfaktoren, indirekt wirkende Antikoagulanzien hemmen für die Gerinnungsfaktoren wichtige Moleküle oder die Bildung der Gerinnungsfaktoren selbst.4 Zu den bekannteren Vertretern zählen die Heparine und das Cumarin-Derivat mit dem Handelsnamen Marcumar®.
Thrombozytenaggregationshemmer
Auch die Thrombozytenaggregationshemmer verhindern die Entstehung von Blutgerinnseln, sie bilden jedoch eine eigene Wirkstoffklasse und wirken dadurch, dass sie das Verklumpen der Blutplättchen – den Thrombozyten – verhindern. Einer der wohl bekanntesten Vertreter dieser Wirkstoffklasse ist die Acetylsalicylsäure, die den meisten Menschen unter der Abkürzung ASS geläufig ist.
Neben den arzneimittel-bedingten Ursachen gibt es weitere Ursachen, die sich vor allem darin unterscheiden, welche biologischen Strukturen sie betreffen:
- die Blutplättchen
- den als Blutplasma bezeichneten nicht-zellulären Anteil des Blutes, insbesondere die darin enthaltenen
- Gerinnungsfaktoren
- die Blutgefäße
Der Blutungstyp gibt häufig erste Hinweise darauf, wodurch die krankhafte Blutungsneigung verursacht wird:5,6
Blutungstypen.3 Die unterschiedlichen Blutungstypen können einen ersten Hinweis darauf geben, welche Ursache einer erhöhten Blutungsneigung zugrunde liegt
Welche Ursachen betreffen die Blutplättchen?
Grundsätzlich gibt es zwei Gründe für die Beteiligung der Blutplättchen selbst an einer vermehrten Blutungsneigung:
- Thrombopenie: eine verminderte Anzahl von Blutplättchen im Blut
- Thrombozytopathie: ein angeborener Defekt in der sogenannten „Aktivierung“ der Blutplättchen
Für den Mangel an Blutplättchen im Blut gibt es zahlreiche Ursachen, die entweder mit einer Störung in deren Bildung, einem zu starken oder vorzeitigen Abbau oder mit einer falschen Verteilung der Blutplättchen zu tun haben. Insgesamt sind 70 Prozent der vermehrten Blutungsneigung auf Störungen der Blutplättchen zurückzuführen.6 Der Blutplättchenmangel ist hierbei die häufigste Ursache.5
Die Thrombozytenaktivierung hingegen geht mit der Änderung der Blutplättchengestalt und biochemischer Prozesse einher, um die Blutstillung eines verletzten Gefäßes einzuleiten. Ist diese gestört, kann keine ausreichende Blutstillung eingeleitet werden und es kommt zur vermehrten Blutungsneigung.
Welche Ursachen entstehen durch Fehlfunktionen im Blutplasma?
Ein Grund für die erhöhte Blutungsneigung liegt in einer herabgesetzten Blutgerinnbarkeit, die durch eine Funktionsstörung oder einen Mangel einzelner oder mehrerer Gerinnungsfaktoren verursacht wird.
Ein weiterer Grund ist der vermehrte Abbau von Fibrin. Das wasserunlösliche Eiweißmolekül Fibrin ist ein wichtiger Bestandteil von Blutgerinnseln. Es wird durch ein Enzym namens Plasmin abgebaut, indem dieses die Verbindungen zwischen den einzelnen Fibrin-Bestandteilen spaltet.
Die Funktionsstörung von beziehungsweise der Mangel an Gerinnungsfaktoren ist für 20 Prozent der krankhaften Blutungsneigungen verantwortlich.6
Welche gefäßbedingten Ursachen gibt es für eine gesteigerte Blutungsneigung?
Die Blutungsneigung kann nicht zuletzt auch dadurch erhöht sein, dass die Blutgefäße anfälliger für Schäden oder Risse sind. Sie können dadurch leichter verletzt werden oder sogar platzen. Eine erhöhte Blutungsneigung wird in etwa 10 Prozent durch diese Ursache ausgelöst und äußert sich meist in punktförmigen Blutungstypen oder Kombinationen aus punktförmigen und flächigen Blutungen.6
Krankheitsbilder, bei denen die Anfälligkeit der Gefäße für Verletzungen erhöht ist sind zum Beispiel:
- Purpura Schoenlein-Henoch (PSH): Hierbei liegen entzündliche Prozesse in den Gefäßwänden kleinerer Gefäße zugrunde.
- Osler-Rendu-Weber-Krankheit: Dies ist eine erbliche Krankheit mit durch Fehlbildung veränderten Gefäßen in der Haut, den Augen und anderen Organen.
Eine erhöhte Blutungsneigung kann unterschiedliche Ursachen haben. Neben bestimmten Arzneimitteln können Mangelerscheinungen oder Funktionsstörungen verschiedener biologischer Faktoren Grund für die hämorrhagische Diathese sein.
Woran erkennt man eine vermehrte Blutungsneigung?
Die erhöhte Blutungsneigung äußert sich in mehreren Symptomen, unter anderem durch:3
- Verstärkte und verlängerte Menstruationsblutung über mehr als 7 bis 10 Tage bei einem Menstruationszyklus von normaler Dauer
- Übermäßig starke Menstruationsblutung mit einem Blutverlust von über 80 ml beziehungsweise einem Bedarf von über 5 Tampons oder Binden pro Tag. Dabei sind die Dauer von Blutung und Zyklus normal.
- Gestörte Blutstillung nach Verletzungen, Blutentnahmen und anderen Formen der Punktion
- Spontanes Auftreten von schwer stillbaren Blutungen
- Punktförmige oder flächige Haut- oder Schleimhautblutungen
Typisch für die vermehrte Blutungsneigung, die auch als “Blutungsübel” bezeichnet wird, sind grundsätzlich zu starke, zu lang anhaltende oder ohne erkennbare Ursache spontan auftretende Blutungen.5
Wie wird eine krankhaft erhöhte Blutungsneigung untersucht?
Besteht der Verdacht, dass ein Patient vermehrt zu Blutungen neigt, erfolgen die entsprechenden Untersuchungen üblicherweise in mehreren Stufen:5
1. Der erste Schritt besteht in der Betrachtung der Krankenvorgeschichte und der Familien-Krankenvorgeschichte des Patienten sowie möglicherweise eingenommener Medikamente.
2. Nimmt der Patient Medikamente ein, deren Einfluss auf die Blutgerinnung bekannt ist, wird nach Möglichkeit das Medikament (vorübergehend) abgesetzt.
3. Bleibt auch nach Absetzen des Medikaments die Blutungsneigung bestehen oder kann das Medikament nicht risikofrei abgesetzt werden, erfolgt die weitere Diagnostik:
- Untersuchung von Ausprägung und Lokalisation der Hautblutungen
- Rumpel-Leede-Test: Hierzu wird dem Patienten eine Blutdruckmanschette angelegt und auf ca. 10 mmHg über dem diastolischen Blutdruckwert aufgepumpt. Punktförmige Hautblutungen am Unterarm weisen auf eine Thrombozytenfunktionsstörung oder anfällige Gefäße hin.6
- Bestimmung der Blutplättchenzahl: Der Normwert liegt bei 150-450 x 109/l.7
- Beobachtung der Blutungszeit nach Ivy: Messung der Zeit zwischen einem Einstich oder einem kleinen Schnitt und dem Stillstand der Blutung. Eine Verlängerung deutet auf einen Mangel oder Fehlfunktionen der Blutplättchen hin. Zudem können anfällige Gefäßwände oder ein schwerer Mangel an Gerinnungsfaktoren die Blutungszeit verlängern. Der Normbereich liegt bei 2 bis 6 Minuten.6,7
- Bestimmung von Gerinnungswerten im Blut, beispielsweise Quick, INR und PTT – diese weisen jeweils auf einen Mangel oder Funktionsverlust bestimmter Gerinnungswerte hin.
- Bestimmung der Thrombinzeit – dies ist ein Gerinnungstest, bei dem die Umwandlung von Fibrinogen in Fibrin nach Zugabe von Thrombin gemessen wird. Der Referenzbereich liegt bei 17 bis 24 Sekunden.7 Eine Verlängerung liegt bei Heparintherapie vor oder weist auf Funktionsstörungen oder Mangel von Fibrin hin.
- weitere diagnostische Untersuchungen
4. Liegen in der Familie bekannte Gerinnungsstörungen vor, findet zusätzlich eine Familienuntersuchung statt.
Wissens-Snack: Schlangengift in der Diagnostik
Zur diagnostischen Untersuchung kann auch Schlangengift zum Einsatz kommen. Bei der Bestimmung der sogenannten Reptilasezeit wird das Schlangengift Batroxobin eingesetzt, weil es im Reagenzglas mit dem Blut reagiert und die Bildung von Fibrin auslöst. Eine verlängerte Reptilasezeit weist eine Störung in der Fibrinbildung hin, wie sie beispielsweise bei erblichem Fibrinmangel auftritt.6 Der Referenzbereich liegt bei bis zu 20 Sekunden.3
Wie wird eine krankhafte Blutungsneigung behandelt?
Die Therapie der krankhaften Blutungsneigung richtet sich grundlegend nach der Ursache, die diese Neigung hervorruft. Ihr Arzt wird, unter Berücksichtigung Ihrer individuellen gesundheitlichen Situation und Ihrer Krankenvorgeschichte, die für Sie am besten geeignete Therapiemöglichkeit finden. Gegebenenfalls wird auch Ihre Familien-Krankenvorgeschichte in die Überlegungen mit einbezogen.
Grundsätzlich sollte ein Patient beim akuten Auftreten der Blutung ruhig gelagert werden, damit die Blutzirkulation verlangsamt wird. Auch eine Kühlung mit Eisauflagen kann bei begrenzten Blutungen hilfreich sein. Bei starken Blutungen können Bluttransfusionen zum Ausgleich des Blutverlustes erforderlich sein.
Bei oberflächlichen Blutungen können Thrombinschwämme eingesetzt werden, damit die Umwandlung von Fibrinogen in Fibrin gefördert und die Blutstillung eingeleitet wird.
Allgemein kann man sich zur Beeinflussung der Blutungstendenz die gefäßverengende Wirkung von Östrogenen und niedrig dosierten Glukokortikoiden zunutze machen. Auch Rosskastanienextrakte, pflanzliches Rutin und Vitamin C haben bei Langzeiteinnahme eine positive Wirkung auf die Funktionsfähigkeit und Stabilität der Blutgefäße.
Thromboplastinhaltige Präparate sind eher kritisch zu bewerten. In niedriger Dosierung ist die Wirkstoffmenge, die die Blutungsstelle erreicht, nicht zuverlässig ausreichend. In hoher Dosierung besteht hingegen die Gefahr, dass die Gerinnung innerhalb eines Blutgefäßes erfolgt und es zum akuten Gefäßverschluss kommt.8
Bei der erhöhten Blutungsneigung kann grundsätzlich die Gerinnung gefördert werden. Das Mittel der Wahl ist hierbei abhängig von der Ursache. Die Möglichkeiten zur gerinnungsfördernden Therapie umfassen beispielsweise die Verabreichung von:
- gefrorenem Frischplasma, kurz FFP, das alle notwendigen Gerinnungsfaktoren enthält
- Prothrombinkomplex-Konzentrat, kurz PPSB
- Thrombozytenkonzentrat
- Konzentrate von bestimmten Gerinnungsfaktoren
In bestimmten Fällen, zum Beispiel nach einer Geburt, ist darüber hinaus eine Hemmung des Fibrin-Abbaus sinnvoll. Hierzu werden verschiedene Substanzen verwendet, unter anderem Tranexamsäure, ε-Aminocapronsäure oder Aprotinin. Diese verhindern die Umwandlung des Vorläufermoleküls Plasminogen in das aktive Plasmin und somit den Abbau des Fibrins.9
Welche Ursachen hat die Neigung zur Bildung von Blutgerinnseln?
Auch für die Neigung zur Bildung von Blutgerinnseln gibt es, wie bei der verstärkten Blutungsneigung, mehrere Ursachen. Therapeutisch liegt der Schwerpunkt auf dem Vorbeugen von Blutgerinnseln. Wenn möglich, kann den Blutgerinnseln aktiv durch Bewegung, aber auch durch den Einsatz von Kompressionsstrümpfen vorgebeugt werden. Wenn dies nicht möglich oder nicht ausreichend ist, können (zusätzlich) gerinnungshemmende Medikamente eingesetzt werden.
Thrombophilie
Die Thrombophilie bezeichnet die Neigung zur Bildung von Blutgerinnseln. Der medizinische Fachausdruck hat seine Wurzeln im Altgriechischen: thrombos bedeutet “Klumpen” und phileein bedeutet “lieben”.
Die Ursachen richten sich danach, welche biologischen Strukturen sie betreffen:
- den als Blutplasma bezeichneten, nicht-zellulären Bestandteil des Blutes
- die Blutzellen
- die Blutgefäße
Eine erhöhte Thromboseneigung kann verschiedene Ursachen haben. Diese können die Blutplättchen, die im zellfreien Blutplasma gelösten Gerinnungsfaktoren oder Veränderungen im Blutfluss betreffen. Auch wenn ein turbulenter Blutfluss als Grund für die Thromboseneigung zunächst widersprüchlich erscheinen mag, so haften die Blutplättchen hierdurch vermehrt an den Gefäßwänden an und bilden mit der Zeit Blutgerinnsel aus. Das ist zum Beispiel beim Vorliegen von “Krampfadern”, einer sogenannten Varikosis, der Fall. Die sackartigen Gefäßerweiterungen können einen turbulenten Blutfluss verursachen.
Welche Ursachen betreffen das Blutplasma?
Plasmatische Ursachen für die Neigung zur Thrombose betreffen vor allem eine vermehrte Gerinnbarkeit des Blutes. Diese wird als Hyperkoagulabilität bezeichnet. Sie entsteht durch verstärkte Aktivierung der Blutgerinnung. Die Aktivierung ist erhöht, wenn:
- zu viele Gerinnungsfaktoren oder
- zu wenige Hemmstoffe für die Blutgerinnung beziehungsweise ein
- zu schwacher Abbau des wasserunlöslichen Eiweißmoleküls Fibrin
vorliegen. Entweder ist die gesteigerte Gerinnbarkeit durch krankhafte Prozesse wie zum Beispiel Entzündungen erworben, als unerwünschte Arzneimittelwirkung aufgetreten oder aufgrund einer Erbanlage bei der Geburt bereits vorhanden.3
Welche zellulären Ursachen gibt es für die Thromboseneigung?
Die verstärkte Neigung zur Bildung von Blutgerinnseln kann durch eine erhöhte Anzahl an Blutplättchen im Blut, den Thrombozyten, entstehen. Die Konzentration kann hierbei aus mehreren Gründen erhöht sein:
- erblich bedingt
- als Reaktion auf beispielsweise Infektionen, aktive Tumorerkrankungen oder großen Blutverlust
- durch krankhafte Wachstums- und Vermehrungs-Prozesse im Knochenmark, dem Bildungsort der Blutplättchen
Eine weitere zelluläre Ursache ist die sogenannte “Vasquez-Osler-Krankheit”, bei der es ebenfalls zur krankhaften Vermehrung der Blutplättchen kommt.
Wie können die Blutgefäße an der Thromboseneigung beteiligt sein?
Eine verstärkte Neigung zur Bildung von Blutgerinnseln kann entstehen, wenn die Gefäßwände der Blutgefäße beziehungsweise die Blutströmung verändert sind. Die Blutströmungsgeschwindigkeit kann aus verschiedenen Gründen bis hin zum Blutstau herabgesetzt sein.
Grund hierfür ist zum Beispiel zu wenig Wasser im Körper durch Dehydratation, starkes Übergewicht oder Bewegungsmangel durch Bettlägerigkeit. Auch auf längeren Reisen kann es vorkommen, dass die Durchblutung aufgrund von Bewegungsmangel verlangsamt ist.
Des Weiteren kann es auch zu Verwirbelungen und Verlangsamungen des Blutstroms kommen, wenn Krampfadern mit sackartigen Erweiterungen der oberflächlichen Venen vorliegen. Hierbei haften die Blutplättchen an den Gefäßwänden an und bilden mit der Zeit Blutgerinnsel.
Wissens-Snack: Die „Pille“ aktiviert die Blutgerinnung
Liegt eine Thromboseneigung vor, sind Arzneimittel mit dem Hormon Östrogen – und somit vor allem einige Vertreter der sogenannten “Pille” zur Verhütung – nicht geeignet. Diese wirken gerinnungsaktivierend und erhöhen das Risiko für Thrombosen zusätzlich.
Bei Frauen, die die Antibabypille als Kombination aus Östrogenen und Gestagenen nehmen, wird die Blutgerinnung in ähnlicher Weise aktiviert wie während der Schwangerschaft, insbesondere im letzten Schwangerschaftsdrittel. Eine schwangere Frau hat ein etwa achtmal höheres Risiko für einen Gefäßverschluss durch ein verschlepptes Blutgerinnsel als eine nicht schwangere Frau.10
Doch warum hat die Natur es so eingerichtet, dass der weibliche Körper während der Schwangerschaft ein solches Risiko eingeht? Durch die Steigerung der Prozesse, die für die Aktivierung der Blutgerinnung erforderlich sind, soll der Blutverlust während der Geburt minimiert werden.
Die Verwendung der kombinierten hormonellen Verhütungsmittel täuscht vereinfacht dargestellt dem weiblichen Körper eine Schwangerschaft vor und erhöht das Risiko für Blutgerinnsel in den Venen – sogenannte Venenthrombosen – etwa um das Drei- bis Sechsfache.10 Trotzdem bleibt das tatsächliche Risiko für Frauen, die die Pille nehmen, im Vergleich zu Frauen, die sie nicht nehmen, relativ gering.
Wie wird die Thrombophilie untersucht?
Beim begründeten Verdacht auf eine Neigung zur Thrombose werden in der Regel neben der Bestimmung der üblichen Gerinnungswerte zusätzliche spezielle Laborwerte bestimmt.
An eine Thrombophilie sollte gedacht werden, wenn diese bereits in der Familie bekannt ist. Zudem liegt ein erster Hinweis darauf vor, wenn bereits im jungen Alter Gefäßverschlüsse unbekannter Ursache beziehungsweise Thrombosen an für diese Altersgruppe untypischen Stellen auftreten.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei Thromboseneigung?
Bei einer erhöhten Gerinnungsbereitschaft des Blutes und damit der Neigung zu Thrombosen stehen mehrere Therapieansätze zur Verfügung. Ihr Arzt wird Sie auf Grundlage Ihrer individuellen gesundheitlichen Situation und Krankenvorgeschichte darüber beraten, welcher Ansatz für Sie am besten geeignet ist. Gegebenenfalls wird er zusätzlich ihre Familien-Krankenvorgeschichte bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen.
Insbesondere die Antikoagulation – die Blutverdünnung beziehungsweise die Gerinnungshemmung – stehen hierbei als vorbeugende Maßnahme und für die Akuttherapie im Vordergrund.
Folgende Arzneimittelgruppen werden unter anderem zur Gerinnungshemmung eingesetzt:6
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Autoren
Dipl.-Biol. Claudia Helbig unter Mitarbeit von Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen
Claudia Helbig ist Diplom-Human- und Molekularbiologin und hat zuvor eine Ausbildung zur Arzthelferin absolviert. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Medizinischen Biochemie und Molekularbiologie hat sie Medizinstudenten in Pathobiochemie-Seminaren und Praktika betreut. Nach Ihrer Arbeit in der pharmazeutischen Forschung hat sie in einem Auftragsforschungsinstitut für klinische Studien unter anderem Visiten mit Studienteilnehmern zur Erhebung von Studiendaten durchgeführt und Texte für die Website verfasst. Mit ihrem interdisziplinären Hintergrund und ihrer Leidenschaft zu schreiben möchte sie naturwissenschaftliche Inhalte fachlich fundiert, empathisch und verständlich an Interessierte vermitteln. [mehr]
Quellen
- Praxishandbuch Schlaganfall, 1. Auflage – Autoren: Kraft, Peter; Köhrmann, Martin – Publikation: Urban & Fischer Verlag/ Elsevier GmbH 2020
- SOP Schlaganfall (03/2023) – Autoren: Eren, Ozan Emre; Von Gleichenstein, Gregor; Topka, Helge Roland – Publikation: Notfallmedizin up2date 2023; 18(01): 9 – 16 – DOI: 10.1055/a-1925-0975 – ISSN: 1611-6550; 1862-6955 – URL: https://eref.thieme.de/ejournals/1862-6955_2023_01?fromSearch=true&context=search#/10.1055-a-1925-0975
- Pschyrembel Klinisches Wörterbuch; 266. aktualisierte Auflage; 2014 – Autoren: Pschyrembel, Willibald; Arnold, Ulrike – Publikation: Walter de Gruyter & Co. Verlag; Berlin
- Antikoagulantien: Überblick (15.07.2024) (abgerufen am 11.10.2024) – Fachlicher Beirat: Dr. rer. nat. Halbach, Jürgen – URL: https://viamedici.thieme.de/lernmodul/5197813/4959023/antikoagulanzien+überblick
- Kurzlehrbuch Innere Medizin, 4. vollständig überarbeitete Auflage (2021); Kapitel Hämatologie: Hämorrhagische Diathesen und Thrombophilie – Autoren (Kapitel): Goldschmidt, Hartmut; Witzens-Harig, Mathias – Publikation: Georg Thieme Verlag KG Stuttgart – DOI: 10.1055/b000000422 – ISBN: 978-3-13-220000-5; 978-3-13-220003-6 – URL: https://eref.thieme.de/10.1055/b000000422
- AllEx – Alles fürs Examen; 2. überarbeitete und erweiterte Auflage (2014); Kapitel: Blut und Blutbildung – Störungen der Blutgerinnung – Autoren: Ackermann, H.; Aden, K.; Aurich, M.; Becker, G.; Bley, C.; Centgraf, M.; Dettenkofer, M.; Dörges, S.; Ebner, W. – Publikation: Georg Thieme Verlag Stuttgart – ISBN: 978-3-13-146952-6; 978-3-13-206122-4 – DOI: 10.1055/b-003-125875 – URL: https://eref.thieme.de/10.1055/b-003-125875
- Klinikleitfaden Labordiagnostik (2024), 8. Auflage – Autoren: Böhm, Bernhard O.; Niederau, Christoph; Aymanns, Matthias Peter – Publikation: Elsevier Verlag; München – ISBN: 978-3-437-05604-8; 978-3-437-21094-5
- Praktische Hämatologie; 11. vollständig überarbeitete Auflage (1999); Kapitel Allgemeine Therapie der Blutkrankheiten: Allgemeine Therapie der hämorrhagischen Diathesen – Autor: Begemann, Michael – Publikation: Georg Thieme Verlag Stuttgart – ISBN: 978-3-13-306211-4 978-3-13-187451-1 – DOI: 10.1055/b-0034-68559 – URL: http://www.thieme-connect.de/products/ebooks/book/10.1055/b-002-46968
- Blutgerinnungsstörungen und hämorrhagische Diathesen: Überblick (04.06.2024) (abgerufen am 15.10.2024) – URL: https://viamedici.thieme.de/lernmodul/8667446/4958438/blutgerinnungsstörungen+und+hämorrhagische+diathesen+überblick
- Hormones and thrombosis: the dark side of the moon (2023) – Autoren: Barcellona, Doris; Grandone, Elvira; Marongiu, Francesco – Publikation: Blood Transfus 2024; 22: 46-54 – DOI: 10.2450/BloodTransfus.535 – ISSN: 1723-2007 URL: https://www.bloodtransfusion.it/bt/article/view/535/456