Welche Lehren lassen sich aus der Corona-Pandemie für die Schlaganfall-Behandlung ziehen? ▷ Covid-19 und Schlaganfall
Der Schlaganfall und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie z.B. der Herzinfarkt, werden auch als “Seuche des 21. Jahrhunderts” bezeichnet. Anders als bei Covid-19 sind diese Krankheiten zwar nicht übertragbar, sie bringen aber schleichend das Gesundheitssystem – hinsichtlich der Bewältigung und Kosten – ebenfalls an die Grenzen der Belastbarkeit.
Ausnahmesituation Coronakrise
Wir alle erfahren derzeit, wie mit der Corona-Pandemie gesundheitspolitisch und medizinisch umgegangen wird. In dieser Ausnahmesituation übernimmt der Staat die Verantwortung für seine Bürger.
Mit vorher unvorstellbar drastischen Einschränkungen und Entbehrungen, aber auch mit organisatorischer Kraft und Durchsetzungsvermögen. Der Staat handelt unter akutem Zwang der existenz- und lebensbedrohlichen Corona-Krise.
Bevölkerung reagiert solidarisch
Die Gefahr ist erkannt, Zwangsmaßnahmen werden von der Bevölkerung überwiegend positiv hingenommen. Entscheidungen werden rascher und unkomplizierter getroffen, politische Hahnenkämpfe fallen weitgehend weg.
Solidarität, Verständnis und hartes Ringen um die Bewältigung rücken in den Vordergrund. Es zeigt sich, dass in unserem Gesundheitssystem ein Höchstmaß an Verantwortung und Opferbereitschaft vorhanden ist, um diese Seuche zu beherrschen. Dies als Grundlage für staatliche Macht ohne totalitären Anspruch.
Das Corona-Prinzip für die “Seuchen des 21. Jahrhunderts”?
Können wir dieses Prinzip der Bewältigung nicht auch auf alle “Seuchen des 21. Jahrhunderts” anwenden, aus den derzeitigen Bewältigungsstrategien dazulernen und diese in die Zukunft tragen?
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und deren behandelbaren Risikofaktoren begegnen wir mit offenen Augen. Der Erfahrungsschatz ist groß, die wissenschaftliche Datenlage ist überwältigend. Dennoch ist die Gesundheitskompetenz der Bürger, die Therapietreue (Adhärenz) der Patienten, die Vor- und Nachsorge bei vielen chronischen Erkrankungen unbefriedigend. Alle Zukunftsprognosen deuten wegen der rasch zunehmenden Alterung auf einen kontinuierlichen oder gar exponentiellen Anstieg dieser Erkrankungen hin. Mit allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen. Was also machen wir falsch, was können wir verbessern?
Ganzheitliche Sorge-Kultur
Olivia Mitscherlich-Schönherr schreibt unter dem Eindruck der Corona-Pandemie im Feuilleton der FAZ am 18. April 2020 in ihrem Artikel1 „Wie wir unser Leben noch gestalten können“: „Angesichts dieser medizinethischen Problemlage sollten wir uns auf eine andere Form der Begleitung von alten und kranken Menschen besinnen, die wir unter unseren Corona-Ängsten vergessen haben: Die ganzheitliche Begleitung von alten, schwerkranken und sterbenden Menschen im Rahmen einer gesamtgesellschaftlichen Sorge-Kultur….“
Diese ganzheitliche Begleitung bzw. Sorge-Kultur könnte sich auf alle Phasen des Lebens, der Erziehung und Bildung des Menschen wie auch auf die Behandlung von chronischen Erkrankungen erstrecken.
Ansatzpunkte sind:
- Konsequente, nicht aufschiebende Umsetzung der derzeit außergewöhnlich hohen Wertschätzung für die in Krankenhäusern, Arztpraxen und Gesundheitsämtern hilfreichen Menschen in verbesserte Arbeitsbedingungen und Entlohnung
- Stärkung der Selbstverantwortung des Einzelnen durch verbesserte Gesundheitskompetenz, individualisierte Aufklärung und vorausschauende Verbesserung der Vor- und Nachsorge
- Nachhaltige und verständliche Informationen mithilfe der Digitalisierung
- Entwicklung und Umsetzung nationaler Strategien zur Bewältigung von übertragbaren und nicht übertragbaren Krankheiten
- Sektorenübergreifende Versorgung aufgeklärter Patienten und deren Angehörigen
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Autor
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]
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Wie wir unser Leben noch gestalten können – Autorin: Olivia Mitscherlich-Schönherr – Publikation: FAZ – URL: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/wie-wir-unser-leben-noch-gestalten-koennen-das-gelungene-miteinander-in-zeiten-der-pandemie-16729719.html