Schlaganfall mit Thalamus-Schmerz-Syndrom ▷ Viel Leid – wenig Heil
Der heute 85-jährige Klaus Platz aus Hanau kann darüber mehr berichten als die Medizin belegen kann. Er selbst hat diese Form des Schlaganfalls erlitten und intensiv darüber recherchiert, da er sich von der Medizin alleingelassen fühlt.
Im Juni 2014 während einer Wanderung zum Kreuzberg/Rhön kündigte sich der Schlaganfall an. Herrn Platz zitterten die Beine und plötzlich konnte er nicht mehr laufen. Nach kurzer Pause konnte er die Wanderung fortsetzen. 2 Tage später wurde er zu Hause ohnmächtig und kam mit dem Krankenwagen in die Stroke Unit des Klinikums Hanau. Als er dort wieder zu sich kam, konnte er alles bewegen, sprechen und sich ganz normal unterhalten.
Nicht so schlimm kann auch tückisch sein!
3 Tage war er auf der Stroke Unit – bei der Entlassung hatte er fast gar keine Beschwerden oder körperlichen Beeinträchtigungen. Erleichtert darüber, dass er seiner eigenen Meinung nach „Glück gehabt“ hatte, teilte ihm sein Arzt das Gegenteil mit: er habe „den blödesten Schlaganfall“ erlitten, den es gibt: einen Thalamus-Infarkt!
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Anfangs konnte sich Klaus Platz darunter noch nichts vorstellen und auch in der 4-wöchigen Reha in Bad Orb war nichts Besonderes zu bemerken.
„Gegen Ende der Reha haben die Schmerzen langsam zugenommen“, so Platz. „Auf dem Rückweg von einem Spaziergang hab‘ ich mich bereits setzen müssen, weil der Schwindel so stark geworden ist. Ich musste mich dann mit dem Rollstuhl abholen lassen.“
Schmerzen in der rechten Schulter und im rechten Arm, später auch im Bein begannen nach der Reha und nahmen mit der Zeit weiter zu. Nach einem erneuten Besuch in der Neurologie des Klinikums Hanau erhielt er die niederschmetternde Diagnose: ein Thalamus-Schmerz-Syndrom entwickelt sich. Dies sei nicht heilbar und nicht therapierbar … das wollte der studierte Nachrichtentechniker nicht akzeptieren.
Hoffnung auf schnelle Genesung wurde enttäuscht
Er las sich in das Thema ein und hatte auch einiges gegen die Schmerzen unternommen: im Schmerzzentrum Frankfurt mit Akupunktur und Gleichstrom-Stimulation oder auch eine Beratung in der Mainzer Schmerzklinik.
Nach kurzen Anfangserfolgen kehrte der Ausgangszustand wieder zurück. Der Nachbar von Herrn Platz, Dr. Wolfgang Busch, ist Mediziner und behandelt ihn mit der Feldenkrais-Methode. Darüber hinaus hat er ihn auf das „Back-to-life“-Konzept von Helmut Gruhn im Hainburger Perzeptionshaus aufmerksam gemacht.
Weiterhin versuchten seine behandelnden Neurologen, eine Balance mit schmerzlindernden Medikamenten zu finden – jedoch machten sich viele Nebenwirkungen bemerkbar. Es konnten einige Verbesserungen erreicht werden, dennoch kehrten Schmerzen und Schwindel regelmäßig zurück.
Nichts ist mehr, wie es früher einmal war …
Das Leben von Klaus Platz ist seit dem Thalamus-Infarkt stark eingeschränkt. Der früher sehr aktive Mann, der mit Herzenslust wanderte und mit Leidenschaft tanzte, konnte nun fast nicht mehr allein aus dem Haus gehen, auch Autofahren ist nicht mehr möglich. Seine Frau begleitete ihn fortan überall hin.
Er hat nach wie vor Gleichgewichtsstörungen, kann den Kopf nicht schnell drehen, da sonst starker Schwindel entsteht und im Dunkeln bestehen große Unsicherheiten mit dem Sehen. Auch die öffentlichen Verkehrsmittel verursachen zu viele Reize, die nicht verarbeitet werden können.
Bei Temperaturveränderungen werden anfallartig Schmerzattacken ausgelöst, die das bereits bestehende Schmerzbild inkl. Taubheitsgefühle von Gliedmaßen noch verstärken. Jede noch so kleine Muskelaktivität führt in den nächsten Stunden zu verstärkten Beschwerden im Muskelapparat. Ähnlich einem sehr starken Muskelkater, der über Tage anhält. Zudem belasten die Nebenwirkungen der Medikamente.
„Es ist ein Teil meiner Lebensqualität verloren gegangen. Früher ging ich gerne in ein Konzert oder in die Oper – dahin kann ich nun nicht mehr. In Gesellschaften fühle ich mich überfordert und fühle mich nicht mehr wohl. Lautstärke löst bei mir ebenso Schmerzattacken aus.“, so bedauert Klaus Platz seine Situation.
Spezifische Behandlungen können helfen
Er und seine Frau Ingeborg werden seit Jahren mit dem Bobath-Konzept im Perzeptionshaus begleitet.
„Ohne diese Behandlung wäre es viel schlimmer“, fügte die Ehefrau an. Die therapeutischen Übungen und Handgriffe von Helmut Gruhn, die bewusst nicht immer sanft sind, haben eine positive Auswirkung auf die Muskelschmerzen und die Attacken verschwinden vorübergehend.
Die Feldenkrais-Therapie bringt zusätzlich Beruhigung und Entlastung. Die größte Wirksamkeit erfährt er im multimodalen Ansatz im Zusammenspiel von Bobath und Feldenkrais. Ein häusliches, selbstständiges Übungsprogramm ergänzt den therapeutischen Erfolg.
Somit sind wieder kurze Spaziergänge, ein Besuch auf dem Wochenmarkt oder Einkaufstouren möglich. Sogar eine kurze Zugfahrt konnte unternommen werden.
Wichtig ist dabei weiterhin die Begleitung seiner Ehefrau. „Sie gibt mir Sicherheit und das im doppelten Sinn“, meint er lachend. Wie auf den Bildern zu sehen ist, ist die Freude bei allen Beteiligten groß, aber leider noch viel zu selten!
Neuanfang
Ein Leitspruch von Helmut Gruhn für die Zeit nach dem Schlaganfall: „Das alte Leben ist vorüber – jetzt beginnt ein neues Leben!“
Auch wenn eine Heilung, wie im Falle des Thalamus-Schmerz-Syndroms, noch nicht möglich ist, wird das Leid durch eine spezifische und konsequente Therapie teilweise reduziert.
„Das neue Leben“ kann somit „neue Wege“ finden und wieder lebenswerter werden …
Hintergrundinformationen:
Bobath-Konzept: Das Bobath-Konzept ist die weltweit am meisten genutzte und eine der erfolgreichsten Therapien bei Schlaganfall-Patienten. Namensgeber waren der Neurologe Karel Bobath und seine Frau Berta, die ab 1940 dieses Konzept empirisch entwickelten. Grundlage dabei ist die Regeneration und Neuorientierung der durch einen Schlaganfall geschädigten Hirnareale mithilfe gezielter physio- und ergotherapeutischer Übungen. Diese Erkenntnisse sind heute von der Neurowissenschaft bestätigt.
Feldenkrais-Methode: Es handelt sich um eine körperbezogene Behandlungsform zur Verbesserung von Bewegungen und Körperhaltung. Sie wurde nach ihrem Begründer Dr. Moshe Feldenkrais (1904-1984) benannt.
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Autor
Helmut Gruhn ist seit mehr als 50 Jahren Physiotherapeut und auf die Therapie zerebraler neurologischer Ausfälle bei Erwachsenen spezialisiert. Als Bobath-Instruktor entwickelte er das Therapiekonzept “Back-to-Life” für Schlaganfall-Betroffene. Er leitet Fortbildungen und Seminare für Therapeuten und Ärzte und ist als Supervisor für neurologische Kliniken tätig. 2004 gründete er das Perzeptionshaus – ein Therapie- und Fortbildungszentrum für neurologische Rehabilitation. [mehr]
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