Thalamusinfarkt ▷ Symptome, Behandlung und Ursachen
In diesem Artikel:
- Was ist ein Thalamusinfarkt?
- Symptome
- Behandlung
- Ursachen
- Wo im Gehirn liegt der Thalamus?
- Welche Funktion hat der Thalamus?
- Was sind Thalamusschmerzen?
Was ist ein Thalamusinfarkt?
Der Thalamusinfarkt als Sonderform des Schlaganfalls entsteht auf der Grundlage einer Durchblutungsstörung (ischämischer Schlaganfall) durch Blutmangel im Bereich des Thalamus. Damit bekommt die Hirnregion, welche für die Aufrechterhaltung der Funktion von Hirnzellen notwendig ist, zu wenig Sauerstoff. Die Folge ist der Funktionsverlust von Nervenzellen und das Auftreten von neurologischen Störungen. So beispielsweise Gefühlsstörungen an Armen und Beinen.
Wo im Gehirn liegt der Thalamus?
Der Thalamus ist ein Bestandteil des Zwischenhirns (Diencephalon). Er wird in verschiedene Bereiche unterteilt:
Der Epithalamus ist der am weitesten “oben” liegende Anteil. In diesem Bereich liegt auch die Zirbeldrüse, die für die Regulation des Tag-Nacht-Rhythmus entscheidend ist. Hier werden die Fasern der Riechbahn verschaltet.
Der eigentliche Thalamus liegt in der Mitte und dient als Schaltstation für die aufgenommenen Sinnesreize, außer der Geruchswahrnehmung. In Verbindung mit dem extrapyramidal-motorischen System, dem System der unwillkürlichen Bewegungen, ist er auch für Ausdrucksbewegungen und Abwehr- oder Fluchtreflexe verantwortlich.
Weiter “unten” liegt der sogenannte Subthalamus und eine Ebene weiter unten der Hypothalamus. Der Hypothalamus ist ein Teil der Sehbahn und weist auch Strukturen für die Hormonregulation auf, die sogenannte Neurohypophyse.2
Welche Funktion hat der Thalamus?
Der Thalamus wird auch als „Tor zum Bewusstsein“ bezeichnet. Im Thalamus wird entschieden, welche Eindrücke aus der Umwelt zur Bewusstwerdung an das Großhirn weitergegeben werden. Also alle Eindrücke des Sehens, Hörens, der Körperempfindung wie Temperatur, Berührung und Schmerz. Diese Filterfunktion lässt nur als “wichtig” wahrgenommene Sinneseindrücke durch.
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Ein gutes Beispiel, das die Bedeutung dieser Filterfunktion unterstreicht, ist die Berührungsempfindung. So ist die Kleidung am Körper dann bewusst spürbar, wenn man sich auf deren Berührung konzentriert. Wenn der Körper allerdings im Alltag beansprucht ist, wird diese Berührung nicht wahrgenommen. Sie wird herausgefiltert. Andernfalls würde ständig im Gehirn diese Empfindung bewusst und “unnötig” wahrgenommen. Zum Beispiel, dass die Hose an den Beinen anliegt.
Die bewusste Wahrnehmung erfolgt dann in einem umschriebenen Bereich der Großhirnrinde, dem sogenannten somatosensorischen Cortex.3
Bei einem Thalamusinfarkt können Gesichtsfelddefekte auftreten, da Teile der Sehbahn im Bereich des Thalamus kreuzen.
Eine besondere Form einer Sehstörung ist die sogenannte visuelle Agnosie. Hierbei können gesehene Objekte zwar benannt werden, aber die Funktion der Objekte kann nicht erläutert werden. Sobald die Objekte durch einen anderen Sinneseindruck wahrgenommen werden, wie zum Beispiel das Fühlen, kann auch die Funktion benannt werden.7
In einem bestimmten Kerngebiet des Thalamus – dem Nucleus ventralis posterolateralis – wird die Wahrnehmung für Vibration-, Druck- und Lageempfindung und der Tastsinn analysiert. Zusätzlich werden auch Nervenfasern für die Schmerz- und Temperaturempfindung in diesem Bereich verschaltet.
Bei einer Durchblutungsstörung in diesem Kerngebiet kommt es zu Störungen der Wahrnehmung der oben genannten Sinnesqualitäten auf der Gegenseite des Körpers.2
Da auch die Schmerzfasern in dem Kerngebiet enden, kann es bei einer Schädigung zu dem sogenannten Thalamusschmerz kommen (siehe unten).
Auch langfristige Veränderung des Wesens mit vermehrter Aggressivität oder Antriebslosigkeit können vorkommen.
Blutversorgung des Thalamus
Die Blutversorgung des Thalamus erfolgt über die hinteren Halsarterien (Vertebralarterien) und ihre Verzweigungen im Gehirn, überwiegend über feine Äste der hinteren Hirnarterie, der Arteria cerebri posterior und deren Verbindung zum vorderen Hirnkreislauf.4
Ursachen eines Thalamusinfarkts
Ein Blutgerinnsel (Thrombus) aus dem Herzen ist eine häufige Ursache für einen Thalamusinfarkt. Thromben können sich bei Herzklappenerkrankungen, Muskelerkrankungen des Herzens wie Kardiomyopathien und am häufigsten bei der Herzrhythmusstörung Vorhofflimmern bilden.8
Bei einer arteriosklerotischen Einengung (Stenose) oder einem Verschluss der hinteren Halsschlagader (Vertebralarterie) können dort angesiedelte Blutgerinnsel (Thromben) fortgeschwemmt werden und eine Durchblutungsstörung im Thalamus verursachen.
Oft sind es Veränderungen an kleinen Gefäßen, die den Thalamus mit Blut versorgen.
Weitere Ursachen können eine Dissektion (Gefäßwandaufspaltung) im Bereich der hinteren Hirnarterien (Vertebralarterien) mit Thrombenbildung oder Gefäßentzündungen sein.
Welche Symptome treten bei einem Thalamusinfarkt auf?
Die Symptome sind von der Größe der Durchblutungsstörung und der Lokalisation im Thalamus abhängig.
Bei einem Thalamusinfarkt können folgende Symptome auftreten:6
- Doppelbilder
- Gesichtsfeldausfälle
- Schluckstörungen
- Schwindel
- Bewusstseinsveränderungen
- Gedächtnisstörungen (Amnesie)
- Sprachstörungen und Leseschwierigkeiten
- Gefühlsstörungen auf der Gegenseite des Thalamusinfarkts
- Lähmung der Muskulatur (Hemiparese) der Gegenseite
Was sind Thalamusschmerzen?
Das Thalamus-Schmerzsyndrom kann die sehr belastende und einschränkende Folge eines Thalamusinfarkts sein. Es tritt nicht selten erst Monate nach dem Schlaganfall auf und verläuft danach chronisch.
Man bezeichnet diesen Schmerz als zentralen Schmerz nach einem Schlaganfall oder als zentralisierten neuropathischen Schmerz.
Neuropathische Schmerzen entstehen durch Verletzung, Entzündung oder Durchblutungsstörung peripherer Nerven (Nerven des Kopfes, des Rumpfes, der Arme und Beine) oder im Gehirn und Rückenmark liegender Nervenstrukturen.
Dieser Schmerz ist charakterisiert als brennender Dauerschmerz. Hierbei treten kribbelnde Missempfindungen auf, ebenso einschießende Schmerzattacken.
Gleichzeitig werden normalerweise nicht schmerzhafte Reize als schmerzhaft wahrgenommen. Dieses Phänomen bezeichnet man als Allodynie.
Auch die Intensität der Schmerzempfindung kann erhöht sein, was als Hyperalgesie bezeichnet wird.
Schätzungsweise 8 Prozent der Schlaganfallpatienten mit Thalamussyndrom leiden unter diesem Schmerzsyndrom.
Die Behandlungsmöglichkeiten sind sehr begrenzt. Medikamentös werden starke Schmerzmittel empfohlen, auch Opiate. Die Behandlung sollte durch einen erfahrenen Neurologen und Schmerztherapeuten erfolgen.
Was sind die diagnostischen Schritte?
Die diagnostischen Schritte sind zunächst wie bei allen vermuteten Schlaganfällen gleich.
Wenn man bei sich selbst oder einem Mitmenschen eine plötzlich auftretende Veränderung wie einen hängenden Mundwinkel oder eine Halbseitenlähmung bemerkt, sollte unverzüglich der Notarzt unter der Nummer 112 gerufen werden.
Für die Erkennung von Schlaganfall-Symptomen ist der FAST-Test sehr hilfreich. Er kann sehr einfach – auch von Menschen ohne medizinisches Vorwissen – durchgeführt werden.
Der eintreffende Notarzt wird vor Ort eine kurze körperliche Untersuchung durchführen und schnellstmöglich den Weitertransport in ein Krankenhaus oder auf eine Stroke Unit anstreben.
Im Krankenhaus übernehmen Neurologen die weitere Diagnostik und Behandlung. Hier wird eine erneute körperliche und neurologische Untersuchung durchgeführt, mit der eine Einschätzung der Lokalisation und Schwere des vermuteten Schlaganfalls erfolgt.
Zeitgleich wird Blut für das Routinelabor abgenommen. Dazu werden meist 3 bis 4 Röhrchen Blut benötigt. Beurteilt werden das Blutbild, die Blutfette, der Zuckerwert, Entzündungswerte u.a.
In der Akutsituation wird ebenfalls so rasch wie möglich eine Computertomografie (CT) durchgeführt. Mit ihrer Hilfe können die Ärzte feststellen, ob es sich um eine Hirnblutung oder um einen Hirninfarkt handelt.
Behandlung
Wenn eine Blutung in das Hirngewebe ausgeschlossen ist, kann eine intravenöse Lyse-Therapie in Betracht bezogen werden. Hierfür dürfen die ersten Symptome eines Schlaganfalls in der Regel nicht länger als 4,5 Stunden zurückliegen. Das Ziel ist die medikamentöse Auflösung eines Blutgerinnsels.
In Kombination mit der Lyse-Therapie kann auch eine mechanische Thrombektomie durchgeführt werden. Dafür wird von der Leiste aus ein Katheter in Hirngefäße vorgeschoben und ein verstopfendes Blutgerinnsel entfernt. Das Zeitfenster für die mechanische Thrombektomie beträgt 6 Stunden, in Einzelfällen auch länger.
Wenige Tage nach dem Schlaganfall erfolgt die Überwachung und Behandlung auf einer Intensiv-Überwachungsstation, der sogenannten Stroke Unit.
Bereits während des Krankenhausaufenthalts beginnen rehabilitative Maßnahmen.
Abhängig von der Größe und Schwere des Schlaganfalls werden individuelle Therapieziele gesetzt. Diese werden in der anschließenden, meist stationären Rehabilitation weiter verfolgt.
Wie ist die Prognose?
Die Prognose nach einem Thalamusinfarkt ist abhängig vom Ausmaß des Infarkts und der Zeit zwischen dem Auftreten der Symptome und der Therapie. Prognosen nach einem Schlaganfall im Bereich des Thalamus werden selten ausgesprochen.12
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- Risikofaktoren für einen Schlaganfall
- Behandlung des Schlaganfalls
- Rehabilitation nach dem Schlaganfall
- Was ist ein Schlaganfall?
- Die Symptome des Schlaganfalls
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autoren
unter Mitarbeit von stud. med. Nina Siegmar
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- Advances in Lacunar Stroke Pathophysiology: A Review – Autoren: Regenhardt, Robert W, Alvin S Das, Eng H Lo, and Louis R Caplan – Publikation: JAMA Neurology, 75.10 (2018), 1273–81 – DOI: 10.1001/jamaneurol.2018.1073
- Prometheus LernAtlas – Kopf, Hals und Neuroanatomie. – Autoren: Schünke M, Schulte E, Schumacher U, Voll M, Wesker K, DOI: 10.1055/b-006-149644
- Thalamic Pain Syndrome, StatPearls – Autoren: Dydyk, Alexander M., Sunil Munakomi – URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK554490/
- Posterior Cerebral Artery Stroke – Autoren: Kuybu, Okkes, Prasanna Tadi, Rimal H. Dossani – URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK532296/
- Posterior Cerebral Artery Territory Infarctions – Autoren: Cereda, Carlo, Emmanuel Carrera – Publikation: Frontiers of Neurology and Neuroscience, 30 (2012), 128–31 – DOI: 10.1159/000333610
- Neuroanatomy, Posterior Cerebral Arteries – Autoren: Javed, Kinaan, Vamsi Reddy, Joe M Das – URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK538474/
- Visual Agnosia Contrasted with Visual-Verbal Disconnection – Autoren: Larrabee, G. J., H. S. Levin, F. J. Huff, M. C. Kay, F. C. Guinto – Publikation: Neuropsychologia, 23.1 (1985), 1–12 – DOI: 10.1016/0028-3932(85)90039-9
- Long-Term Outcome in Posterior Cerebral Artery Stroke – Autoren: Ntaios, G., K. Spengos, A. M. Vemmou, P. Savvari, E. Koroboki, G. Stranjalis et al. – Publikation: European Journal of Neurology, 18.8 (2011), 1074–80 – DOI: 10.1111/j.1468-1331.2011.03384.x
- Posterior Cerebral Artery Stroke – Autoren: Okkes Kuybu; Prasanna Tadi; Rimal H. Dossani – URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK532296/
- Minimally Invasive Evacuation of Spontaneous Supratentorial Intracerebral Hemorrhage by Transcranial Neuroendoscopic Approach – Autoren: Cai, Qiang, Qiao Guo, Zhiyang Li, Wenju Wang, Wenfei Zhang, Baowei Ji et al. – Publikation: Neuropsychiatric Disease and Treatment, 15 (2019), 919–25 – DOI: 10.2147/NDT.S195275
- Abnormal Activity of Primary Somatosensory Cortex in Central Pain Syndrome – Autoren: Quiton, Raimi L., Radi Masri, Scott M. Thompson, Asaf Keller – Publikation: Journal of Neurophysiology, 104.3 (2010), 1717–25 – DOI: 10.1152/jn.00161.2010
- Long-Term Outcome in Posterior Cerebral Artery Stroke – Autoren: Ntaios, G., K. Spengos, A. M. Vemmou, P. Savvari, E. Koroboki, G. Stranjalis et al. – Publikation: European Journal of Neurology, 18.8 (2011), 1074–80 – DOI: 10.1111/j.1468-1331.2011.03384.x