Ein Psychiater erklärt: Wie behandle ich eine Depression? ▷ Schlaganfall-Nachsorge
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Schlaganfall und Depression – Was macht der Psychiater?
Mein Name ist Lienhard Dieterle. Ich bin Neurologe und Psychiater in einem Neurozentrum und betreue viele Patienten nach einem Schlaganfall.
Wenig bekannt ist, dass nach einem Schlaganfall neben körperlichen Einschränkungen sehr häufig auch seelische, vor allem depressive Störungen auftreten, die aber in aller Regel vorübergehend sind.
Die neueste Literatur zeigt ein Vorkommen von Depressivität in 39-52 Prozent nach einem Schlaganfall.
Was bedeutet Depressivität?
Hauptmerkmal ist Antriebslosigkeit, es fehlt “der Schwung zu Allem”. Aufstehen am Morgen fällt schwer, der Tag ist ein unbezwingbarer Berg, es fehlt die Lust auf Bewegung und Kommunikation, die Stimmung ist gedrückt.
Grübeleien mit hoffnungs- und trostlosen Gedanken treten auf, dazu kommen Müdigkeit, Erschöpfungsgefühl, Konzentrationsstörungen, auch Schlafstörungen. Die Teilhabe am Leben schwindet, Rückzugstendenzen in jeder Beziehung treten auf.
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“Habe ich noch Freude am Leben? Wäre gar ein Abschied, ein Suizid die Lösung?”
Das sind Fragen, die sich meine Patienten in dieser Situation häufig stellen.
Oft werden diese Anzeichen von depressiver Verstimmung zuerst von Ihrer Familie oder Freunden bemerkt und uns mitgeteilt, da Sie selbst nicht gerne darüber sprechen. Dies ist kein Vorwurf, sondern uns Ärzten bekannt, da es ein Merkmal von Depressivität ist.
Dies bedeutet aber, dass alle, die in Ihre Behandlung einbezogen sind, aufgefordert sind, Ihnen die Frage nach einer depressiven Verstimmung stellen dürfen.
Diese depressive Verstimmung ist verständlich und “einfühlbar”, wie wir Psychiater sagen. Ein Schlaganfall ist tatsächlich geeignet, das Leben zu verderben. Das muss nicht sein!
Was können Sie und wir also in dieser Situation tun?
Wichtig ist zunächst, dass es Ihnen nicht nur “erlaubt”, sondern sehr wünschenswert ist, über seelische Probleme zu sprechen. Nur wenn Sie sich öffnen, kann Ihnen geholfen werden.
Der erste Schritt ist die Erklärung einer depressiven Verstimmung, damit Sie sich besser verstehen und erfahren, dass Sie damit nicht alleine sind. Hilfreich ist, wenn an diesem Gespräch auch für Sie wichtige Menschen teilnehmen.
Es kann dann überlegt werden, ob eine Gesprächstherapie im Rahmen einer Psychotherapie sinnvoll ist oder auch eine medikamentöse Behandlung.
Die Behandlung wird oft schon während der Neurorehabilitation eingeleitet. Natürlich ist eine Beurteilung durch Neurologen, die immer auch eine psychiatrische Ausbildung haben, wünschenswert. Allerdings haben hier auch Allgemeinärzte viel Erfahrung.
Problem muss erkannt werden
Noch einmal: Der wichtigste Schritt ist das Erkennen des Problems. Geben Sie sich selbst und Ihrem Umfeld die Chance, Sie zu verstehen.
Sie können große Hoffnung haben. Depressive Störungen ziehen sich in den allermeisten Fällen zurück. Lassen Sie sich bei dem beschwerlichen Rückzug helfen.
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Quellen
- Decline in cardiorespiratory fitness and odds of incident depression – Autoren: Dishman RK, Sui X, Church TS, Hand GA, Trivedi MH, Blair SN – Publikation: Am J Prev Med. 2012 Oct;43(4):361-8. – PMID: 22992353 – PMCID: PMC3478961 – DOI: 10.1016/j.amepre.2012.06.011
- Teilhabe nach Schlaganfall: Einfluss von Depressivität in der ambulanten Neurorehabilitation – Autoren: J. Marheineke, R. Deck, P. Reuther, D. Pöppl, F. Theves & T. Kohlmann – Publikation: Nervenarzt 90, 352–360 (2019). – DOI: 10.1007/s00115-018-0622-1