Jede Minute Verzögerung reduziert die Überlebenschance um 0,6 Prozent ▷ Intravenöse Lyse-Therapie (Thrombolyse) beim Schlaganfall
Bei einem Schlaganfall vergeht eine gewisse Zeit, bis der Patient eine Thrombolyse (auch “Lyse-Therapie” genannt) erhalten kann. Die Zeit zwischen dem Schlaganfall und der Aufnahme im Krankenhaus ist durch den behandelnden Krankenhausarzt nicht wesentlich zu beeinflussen.
Sie hängt davon ab, wie rasch nach dem Ereignis der Notruf 112 gewählt wurde und wie lange der Transport in die Klinik dauerte. Der Zeitraum vom Eintreffen des Patienten bis zum Beginn der Therapie wird jedoch wesentlich durch die Organisation bzw. das Zeitmanagement innerhalb des Krankenhauses bestimmt.
Auswirkungen der Door-to-Neeedle Time (DNT)
Eine Studie1 aus Schweden wollte herausfinden, welchen Effekt auf den Krankheitsverlauf die Dauer die sog. “door-to-needle time” (DNT) hat. Die DNT bezeichnet die Zeit zwischen dem Eintreffen des Patienten im Krankenhaus und dem Beginn der intravenösen Lyse-Therapie (i.v.-Thrombolyse).
Dazu wurden 14.132 Patienten in einem Zeitraum von 2010 bis 2017 untersucht. Die Patienten waren im Durchschnitt 74 Jahre alt. Betrachtet wurden:
- das Überleben in den ersten 90 Tagen nach dem Schlaganfall
- das Auftreten von Komplikationen innerhalb der ersten 36 Stunden nach der Lyse-Therapie
- das funktionelle Ergebnis bzw. der Behinderungsgrad drei Monate nach dem Schlaganfall
Die durchschnittliche “door-to-needle-time” betrug 47 Minuten und verbesserte sich im Verlauf der Studienjahre von 65 auf 38 Minuten.
Jede Minute Verzögerung verschlechtert Erfolgsaussichten
Mit jeder Minute Verzögerung der DNT verschlechterte sich die Überlebenschance um 0,6 %, Komplikationen wie Hirnblutungen (intrazerebrale Blutungen) und Beeinträchtigungen im täglichen Leben verschlechterten sich um 0,3 %. Ebenso verschlechterte sich die Mobilität und die Lebensqualität mit jeder Minute Zeitverzögerung um 0,4 %.
Je kürzer also die DNT, desto besser das Ergebnis nach dem Schlaganfall. Somit konnte gezeigt werden, dass eine kürzere DNT:
- 38 Leben gerettet hat
- 8 intrazerebrale Blutungen verhindert hat
- 36 Patienten vor einer Verschlechterung der alltäglichen Aktivität bewahrt hat und
- 51 Patienten vor schlechteren Lebensbedingungen und 52 Patienten vor einer schlechteren Mobilität nach dem Schlaganfall bewahrt hat.
Einer der Studienleiter – David Darehed – bringt es auf den Punkt: die DNT sei ein Schlüsselfaktor für das Erzielen von guten Ergebnissen nach einem ischämischen Schlaganfall.2 Jede Minute zählt.
Somit ist in Zukunft die stetige Verbesserung der Zeit zwischen Ankunft im Krankenhaus und Beginn der Lyse-Therapie von größter Bedeutung.
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Kommentar
Diese Studie zeigt einmal mehr, welch entscheidende Bedeutung der Zeitfaktor in der modernen Behandlung des Schlaganfalls hat: Zeit ist Hirn.
- Was können wir unternehmen, um diesem Schlagwort gerecht zu werden, was kann verbessert werden?
- Jeder – ob jung oder alt – sollte wissen, dass der Schlaganfall ein hoch-akuter Notfall ist und der Notarzt (112) unverzüglich alarmiert werden muss.
- Jeder sollte die Symptome eines Schlaganfalls kennen und einordnen können (siehe Video FAST-Test).
- Jeder sollte wissen, dass eine schmerzlose, transiente ischämische Attacke (TIA) ein Frühwarnzeichen eines drohenden ischämischen Schlaganfalls und ebenfalls ein Notfall ist.
- Somit ist die Gesundheitsbildung bzw. die Gesundheitskompetenz die erste und wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung des Schlaganfalls, wie auch des Herzinfarkts.
- Die kritische Zeit zwischen Schlaganfall und Behandlung im Krankenhaus kann durch den Einsatz eines Stroke Einsatz-Mobils (STEMO) um 20 Minuten verkürzt werden. Das ist ein unschätzbarer Gewinn und es sollte alles unternommen werden, um dieses Mobil flächendeckend einsetzen zu können. Hier ist die Gesundheitspolitik gefordert.
- Die Abläufe im Krankenhaus sind ständig verbesserungswürdig. Wartezeiten sind unter allen Umständen zu vermeiden.
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- Was passiert nach der Notaufnahme im Krankenhaus?
- Was geschieht auf der Stroke Unit?
- Risikofaktoren für einen Schlaganfall
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Artikel erstmalig veröffentlicht am: - Nächste geplante Aktualisierung am:
Autoren
unter Mitarbeit von stud. med. Nina Siegmar
Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen ist niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Neurozentrum Ravensburg. Als Chefarzt leitete er die Abteilung für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört die Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen. [mehr]Sie erhalten von uns regelmäßig und kostenlos aktuelle Informationen rund um den Schlaganfall.
Quellen
- In-Hospital Delays in Stroke Thrombolysis – Every Minute Counts – Autoren: David Darehed, Mathias Blom, Eva-Lotta Glader, Johan Niklasson, Bo Norrving, Marie Eriksson – Publikation: Stroke. 2020;51:2536–2539 – DOI: 10.1161/STROKEAHA.120.029468
- Each minute delay of IV thrombolysis worsens survival, functional outcomes in stroke – Autor: Scott Buzby – Publikation: CariologyToday – URL: https://www.healio.com/news/cardiology/20200630/each-minute-delay-of-iv-thrombolysis-worsens-survival-functional-outcomes-in-stroke